BLKÖ:Schaeffle, Eberhard Friedrich

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 29 (1875), ab Seite: 54. (Quelle)
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Schaeffle, Eberhard Friedrich (Handelsminister im Uebergangs- Ministerium des Grafen Hohenwart, geb. zu Nürtingen in Württemberg am 24. Februar 1831). Er war anfangs 1848 als Zögling in das protestantisch-theologische Stift zu Tübingen eingetreten. Als die freiheitliche Bewegung der Jahre 1848 und 1849 Alt und Jung mitriß, vertauschte auch S. die Collegmappe mit Säbel und Muskete. Als darauf in Baden der heiße Kampf um die Reichsverfassung entbrannte, da befand sich auch S. unter den wenigen freiheitsglühenden akademischen Legionären, welche, vor keiner Gefahr zurückbebend, bereit waren, ihren oft glühend betheuerten Opfersinn thatsächlich zu bewähren. Auf diesem Freischärlerzuge war der jugendliche Parteigänger so glücklich, von keiner preußischen Kugel, welche damals, Badens revolutionäre Luft reinigend, nach allen Seiten sausten, getroffen und auch durch kein standrechtliches Urtheil in ein [55] badisches Zellengefängniß gebannt zu werden. Das Schlimmste, das ihn traf, war, daß er nach seiner Rückkehr in sein engeres Vaterland – Tübingen – von dem Pedell der Universität in Empfang genommen und auf Befehl des damaligen Rector magnificus in den Carcer gesperrt wurde. Nach überstandener Haft setzte S. seine Studien fort und wendete sich nach deren Vollendung dem Lehramte zu, war von 1850 bis 1860 an der Redaction des „Schwäbischen Merkur“ als Journalist betheiligt und wurde im letztgenannten Jahre Professor der National-Oekonomie an der Tübinger Hochschule. Daselbst haben seine Vorträge solche Aufmerksamkeit erregt, daß von österreichischer Seite die Aufforderung an ihn erging, ein Lehramt im Kaiserstaate zu übernehmen. S. lehnte diesen Antrag damals einfach ab, ohne in der eigenen Heimat eine materielle Aufbesserung oder sonst honoräre Auszeichnung zu erhalten. Für seine „uneigennützige“ Ablehnung des von dem österreichischen Ministerium an ihn ergangenen Rufes wurde ihm damals sogar ausdrücklich der Dank der königlich württembergischen Regierung ausgesprochen. Dieser Thatsachen geschieht hier ausdrücklich Erwähnung, weil zur Zeit, als seine Berufung nach Wien erfolgte, Stuttgarter Correspondenzen einiger Wiener Journale mehrere entstellte, dem wahren Sachverhalt ganz entgegengesetzte Berichte brachten. Eine zweite, im Jahre 1868 an ihn ergangene Berufung an die Wiener Hochschule hat aber S. angenommen, und von akademischer Seite fehlte es damals nicht an Anfeindungen S.’s, der sich durch seine national-ökonomischen Arbeiten in der wissenschaftlichen Welt bereits einen Namen gemacht. Die „Neue freie Presse“ trat damals (1868, Nr. 1413) in einem Artikel, betitelt: „Schäffle’s Berufung an die Universität Wien“, für den mit Unrecht geschmähten Gelehrten mannhaft ein. Als zu Anbeginn des Jahres 1871 am Schlusse der Delegation, rein aus der Initiative der Krone, nachdem das in sich selbst gespaltene Bürgerministerium sich abgenützt und regierungsunfähig erwiesen hatte, die Berufung des Ministeriums Hohenwart stattfand, bildete Schaeffle, der wohl nie an ein Portefeuille im Kaiserstaate gedacht hatte, als Handelsminister ein Mitglied desselben. Nun aber war es mit seinen Tagen der Ruhe zu Ende. Für mehrere der höchst mißliebigen Mitglieder dieses Cabinets mußte Schaeffle mitbüßen. Wie auf ihn, der bisher als Professor der National-Oekonomie an der Wiener Hochschule eine geachtete Stellung eingenommen, die Wahl gefallen, ist nicht bekannt. S. war bis dahin neben der Professur auch als Publicist thätig, war der Gründer des „Oesterreichischen Oekonomist“, einer Wochenschrift, die bekanntlich den Grafen Beust in der schonungslosesten Weise angriff und dessen Verbindung mit dem damals vielbesprochenen „Türkengeschäfte“ behauptete. Man wollte die Ursache seiner Berufung darin suchen, daß er ein heftiger Gegner Preußens war, denn als S. noch an der Hochschule zu Tübingen bedienstet war, war er längere Zeit Mitglied der württembergischen Kammer, bekämpfte als solches lebhaft die Bismarck’sche Politik und unterhielt intime Beziehungen zu seinen süddeutschen Parteigenossen, die alle gleich ihm der demokratischen Richtung angehörten. Doch zu jener Zeit, als Schaeffle sein Portefeuille übernahm, war Oesterreichs Stellung keineswegs so geartet, um annehmen zu können, daß der Kampf, den er in Württemberg [56] gegen das Preußenthum geführt, Ursache seiner Berufung gewesen. Mit dem Sturze Hohenwart’s stürzte natürlich auch S. Er war zu kurz im Amte gewesen, um die in seinem Hauptwerke: „Kapitalismus und Sozialismus, mit besonderer Rücksicht auf Geschäfts- und Vermögensformen“ entwickelten Ansichten praktisch durchzuführen. Denn er kannte und verurtheilte vollends den grenzenlosen Börsenschwindel, der zwei Jahre später die verhängnißvolle, unter dem Namen des „Wiener Krach“ bekannte national-ökonomische Katastrophe in Wien und ganz Oesterreich herbeigeführt hatte. In dem genannten Werke schreibt S., der die Schwindeleien der Wiener Börsenwelt zu beobachten Gelegenheit gehabt, ausdrücklich: „Seitdem ich die Zustände der großen Börsenwelt in unmittelbarer Nähe beobachtet habe, bin ich von der Annahme einer „ökonomischen Harmonie“ in der gegenwärtigen Gesellschaft noch eine ziemliche Strecke weiter zurückgedrängt worden, als ich mit zunehmender Lebenserfahrung davon bereits zurückgekommen bin. Ein Diebstahl in’s Große wird heute in Europa getrieben, woneben das Raubritterthum und die theokratische Auszehntung von ehedem edle Metiers waren – und er führt zu Ehren statt in’s Zuchthaus.“ Mit prophetischem Blicke gewahrt er in den Actien-Gründungsbanken nur einen Hauptherd der Agiotage, des unredlichen Erwerbes und der Corruption. Entschieden spricht sich S. in seinem Werke gegen das damals herrschende System der Concessionirung von Eisenbahnen und für den Bau der Eisenbahnen durch den Staat aus, wohin es denn doch wieder kommen muß, wenn das Publicum nicht ein Raubobject der Eisenbahn-Actionäre sein soll. – Bald nach seinem Falle verließ S. Wien, wo ihm von der Presse in der erbärmlichsten Weise mitgespielt worden. S. kehrte nach Deutschland zurück, wo er, wieder mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, in der Vorrede der neuesten Ausgabe seiner National-Oekonomie über sein Verhalten als Minister Rechenschaft abgelegt hat.

Neues Wiener Tagblatt 1871, Nr. 111: „Schaeffle’s Ideen“; Nr. 164: „Schlechte Witze“; Nr. 170, im Feuilleton: „Was Herr Schaeffle über die Presse schrieb“; Nr. 184. „Ein Akt bureaukratischer Gewalt“; Nr. 227: „Herr Schaeffle und die Frommen“. – Die Pilsner Reform (Pilsner Localblatt) 1871, Nr. 31, im Feuilleton: „Eine Episode aus dem Leben unseres Handelsministers“. – Gartenlaube (Leipzig, Ernst Keil, 4°.) 1868, S. 383, im Artikel: „Aus dem Zollparlament“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1868, Nr. 272. „Aus Tübingen 26. September“; 1871, Nr. 43: „Schaeffle’s Rundschreiben ddo. 9. Februar 1871 an die Handels- und Gewerbekammern“, als er das Portefeuille des Handelsministeriums im Cabinet Graf Hohenwart übernommen hatte; – dasselbe, Nr. 47: „Berichtigung einer Stuttgarter Correspondenz“. Minister Schäffle betreffend. – Allgemeine Volkszeitung (Wiener Localblatt) 1871, Nr. 38, im Feuilleton: „Minister-Photographien“. – Neue freie Presse (Wiener polit. Journal) 8. Juni 1871: „Zur Geschichte der Post-Sparcassen in Oesterreich“. – Neue freie Zeitung (Wien, kl. Fol.) Nr. 19, 29. Juni 1871: „Herr Dr. Friedrich Schaeffle, Handelsminister in Activität und Nationalökonom in Ruhestand“ [einer jener Aufsätze der Wiener Revolver-Presse, welche Wiens Journalistik um den letzten Rest von Achtung im Auslande gebracht hat]. – Porträte. 1) Zeichnung nach einer Photographie, von Kriehuber, im Svĕtozor 1871, Nr. 18; – 2) im „Floh“ (Wiener Spott- und Witzblatt) 1871, Nr. 10.