BLKÖ:Leitner, Karl Gottfried Ritter von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Leitner, Roman
Band: 14 (1865), ab Seite: 344. (Quelle)
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Leitner, Karl Gottfried Ritter von (Dichter, geb. zu Gratz 1. November 1800). Karl Gottfried Leopold, oder wie er sich selbst kürzer nennt, Karl Gottfried R. von L., verlor seinen Vater Cajetan Franz [s. d. Vorigen] schon als Knabe von fünf Jahren. Seine Mutter Therese geborne Walter, deren zartes inniges Gemüth einen bleibenden Einfluß auf ihren Erstgebornen ausübte, vermälte sich 1807 mit Joh. Pokorny, damals kais. Cameralanwalt zu Rothenfels in Obersteier, in zweiter Ehe, und Karl brachte nun die nächsten Knabenjahre auf diesem romantischen Ritterschlosse zu, von welchem aus er die Pfarrschule des im Thale unter diesem gelegenen Städtchen Oberwölz besuchte. Die für seine Vaterstadt wichtige Periode des französischen Einfalles und der Belagerung, Beschießung, endlichen Uebergabe und Schleifung des Schloßbergcastells im Jahre 1809, brachte er wieder dort im Hause seiner Großeltern zu. Im Jahre 1812 trat er in das Gymnasium seiner Vaterstadt, und im folgenden Jahre in das dortige k. k. Convict, worin ihm ein ständischer Stiftungsplatz zu Theil geworden. An der Hand liebevoller Lehrer, insbesondere Gerhard Endres’, der die Religion, und Ulrich Speckmoser’s, der die Humanioren vortrug, entwickelte sich bald des Zöglings empfängliches Gemüth, und von letzterem geweckt, das poetische Talent, welches sich früh in mehreren seiner Arbeiten aussprach. 1818 begann Karl Gottfried die philosophischen Studien, und da war es Julius Schneller, welcher wesentlich auf den weiteren Bildungsgang und den rüstigen Fortschritt des Jünglings Einfluß nahm. Schneller, der geistreiche Professor der Geschichte zu Gratz (1806–1823), später, als ihm sein Wirken verleidet worden, Professor der Philosophie zu Freiburg (1823–1833), für den seine Verehrung Joseph’s II. einen Maßstab zur Beurtheilung geben mag, dieser Mann war ganz dazu geschaffen, in einem Jünglingsherzen die Ideen des Wahren, Guten und Schöne zu nähren und zur gestaltenden Thätigkeit aufzurufen. Andererseits wirkte auch der stete freundschaftliche Verkehr mit dem ihm liebevoll zugethanen Bruder seiner Mutter, Leopold Walter, welcher von 1808 bis 1811 die Kritiken über die Erscheinungen der Gratzer Bühne schrieb, und ein Mann von trefflichem Gemüthe, vielseitigen Kenntnissen und feiner Geschmacksbildung war, sehr anregend und fortbildend auf den Neffen ein. Ohne eben eine Vorliebe für die juridische Diensteslaufbahn in sich zu tragen, entschied sich doch Karl Gottfried für das Studium der Rechte, und Professoren wie Jenull [Bd. X, S. 166], Kudler [Bd. XIII, S. 298], Springer u. A. trugen zur folgerichtigen Entwickelung der geistigen Kräfte ihres Zöglings in der Richtung der Verstandesbildung wesentlich bei. Der Umstand, daß sein Stiefvater, dem L. bis zu dessen erst 1853 erfolgten Tode stets auf das innigste zugethan war, allmälig nach der am Bacher gelegenen Herrschaft Saal, nach dem aufgelassenen Chorherrnstifte Seckau, mit dem ehrwürdigen romanischen Dome am Fuße des mächtigen Zinken, und zuletzt nach dem uralten ehemaligen Nonnenkloster Göß bei Leoben versetzt wurde, gewährte dem jungen Dichter, der die Absperrung in einer Erziehungsanstalt oft schwer empfand, den für Körper, Geist und Gemüth wichtigen Vortheil, daß er die [345] Ferienmonate immer wieder in dem traulichen Kreise seiner Familie, unter den erhebenden Eindrücken einer großartigen Alpennatur und unter mannigfach anregenden Erinnerungen der vaterländischen Vorzeit zubringen konnte. Bald nach Beendigung seiner Studien übernahm er (1825) provisorisch eine Professur am k. k. Gymnasium in Cilli, und später zu Gratz, bis er in Folge einer Aufforderung des ständischen Verordneten Johann Ritter von Kalchberg [Bd. X, S. 379] das Lehrfach mit einem Posten im Dienste der steirischen Stände vertauschte, und seit dieser Zeit seine Laufbahn nicht wieder verließ. Zuerst wurde Karl Gottfried im Joanneumsarchiv, später aber bei den ständischen Conceptsarbeiten verwendet, und 1827 in die steirische Ständeversammlung als Mitglied eingeführt. Seit 1833 betheiligte er sich als einer der Hauptredacteure an der Leitung der steiermärkischen Zeitschrift und fungirte als Ausschußmitglied des Lesevereins am Joanneum. Im Jahre 1836 wurde er vom Landtage zum zweiten, aber schon im folgenden Jahre zum ersten ständischen Secretär gewählt und bekleidete diese Stelle bis zum Jahre 1854, in welchem ihn sein geschwächter Gesundheitszustand nöthigte, in den Ruhestand zu treten. In seiner Stellung als erster ständischer Secretär war er durch viele Jahre mit der Ausarbeitung der wichtigsten Landtagsgeschäfte und sonstigen, das allgemeine Landeswohl betreffenden Eingaben betraut. Als der Landschaftsarchivar Dr. Jos. Wartinger die Begründung eines historischen Vereins für Innerösterreich anregte, war es Leitner, der, von dem Nutzen dieser Idee durchdrungen, sich mit Ludwig[WS 1], Abt zu Rein, und Albert von Muchar an der Ausführung derselben betheiligte, und als später daraus der historische Verein für Steiermark hervorging, sowohl als Ausschußmitglied bei dessen Geschäften, wie auch als Mitarbeiter bei dessen Mittheilungen, welche in zwanglosen Heften ausgegeben werden, durch wissenschaftliche Beiträge thätig war. Rücksichten für seine Gesundheit, wie der Wunsch, seinen Gesichtskreis zu erweitern, veranlaßten ihn von Zeit zu Zeit zu Bade- und Erholungsreisen, die er später in Gesellschaft seiner Gattin Karolina gebornen Bayer, mit welcher er sich im Jahre 1846 vermält hatte, allmälig über die österreichischen Kronländer, Deutschland, die Schweiz, Belgien bis London ausdehnte. Da der Gesundheitszustand seiner leidenden Gattin eines mildern Klima’s bedurfte, war Leitner bemüssigt, für Letztere ein solches aufzusuchen und es begaben sich im Jahre 1854 Beide nach Italien. Der milde Himmel bot keine Rettung; Leitner sollte den Schmerzensbecher bis zur Neige trinken, in Pisa entriß ihm der Tod seine theure Gefährtin, und der Vereinsamte kehrte 1855 nach seiner Heimat zurück. Seit dieser Zeit lebt er nun in Gratz ganz zurückgezogen, sich nur seiner stillen Wirksamkeit als Curator des dortigen Joanneums, mit welchem Ehrenamte ihn der durchlauchtigste Stifter Erzherzog Johann im Jahre 1858 betraut hat, und als Ausschuß des historischen Vereins, so wie seinen sonstigen literarischen Beschäftigungen widmend. Diesen letzteren ergab er sich schon frühzeitig; denn schon seit 1819 erschienen von ihm Gedichte, Novellen und verschiedene Aufsätze über vaterländische Geschichte und Landeskunde im Drucke. Selbstständig veröffentlichte er einen Band „Gedichte“ (Gratz 1825, 210 Seiten 12°.), welcher in zweiter, um mehr als zwei Drittheile [346] vermehrter Auflage (Hannover 1857, Victor Lohse, XV, 391 Seiten 8°.) ausgegeben wurde. Im dramatischen Fache lieferte er ein Vorspiel: „Styria und die Kunst“ (Grätz 1825, Leykam), zur Eröffnung des nach dem Brande neu erbauten ständischen Theaters in Gratz, und später „König Torda“, ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, welches am 15. November 1830 auf dieser Bühne zur Darstellung kam. Ein Abriß davon ist in der „Steiermärkischen Zeitschrift“ (XI. Heft, Grätz 1833, S. 101–136) abgedruckt, und fand hinsichtlich der Anordnung und Diction ehrende Anerkennung. Auch bearbeitete er für den ihm befreundeten Tondichter Anselm Hüttenbrenner [Bd. IX, S. 406] 1835 eine Oper „Lenore“ in zwei Acten nach der Bürger’schen Ballade, zu der in der Folge I. Kollmann (Bd. XII, S. 354] einen dritten Act, eigentlich ein Vorspiel, schrieb, zu welcher Erweiterung des ursprünglich Beabsichtigten sich Leitner nicht herbeigelassen hatte. Dieses Tonwerk Hüttenbrenner’s wurde in Gratz mehrmals mit Beifall gegeben. An Novellen brachte J. Schickh’s Wiener-Zeitschrift für Kunst, Literatur u. s. w.: „Die Entdeckung der Chinarinde“ (1820, anonym); – „Der Liebestrank“ (1825, S. 1270 u. f.); – „Der stumme Reiter“ (1826, S. 449 u. f.); – „Der Asternkranz“ (1827, S. 851); – „Meister Kunbert“ (1828, S. 697 u. f.); und „Die todte Jungfrau“ (1830, S. 141 u. f.); ferner Bäuerle’s Theaterzeitung: „Die Gedächtnißtafel am Traunstein“ (1823, S. 45 u. f.) – und „Die Erscheinung“ (1823, S. 389 u. f.); – Hormayr’s Archiv für Geschichte u. s. w.: „Das Todtenamt“ (1825, S. 630); – Das Taschenbuch Vesta: „Monsieur François“ (1832); und das Taschenbuch Frauenlob: „Die seltsame Maske“ (1837). An topographischen, historischen und biographischen Aufsätzen finden sich von ihm folgende vor, in der steiermärkischen Zeitschrift: „Die Seen bei Aussee“ (10. Heft, Gratz 1830); – „Die Heimführung der Herzogin Maria von Bayern durch den Erzherzog Karl in Grätz“ (Neue Folge, I. Jahrg. 1. Heft, 1834); – „Ueber den Einfluß der Landstände auf die Bildung in Steiermark“ (Neue Folge, II. Jahrg. 1. Heft, 1835);dann in den Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark: „Die Erbhuldigung im Herzogthume Steiermark“ (1. Heft, Gratz 1850) und „Mathias Anker“, eine biographische Skizze (4. Heft, 1853); – ferner in den Verhandlungen und Aufsätzen der steiermärkischen Landwirthschafts-Gesellschaft (Neue Folge, 13. Bd., Gratz 1844): „Carl Theodor Graf von Schönborn-Buchheim. Ein Nekrolog“; und in der Denkschrift: „Ein treues Bild des Herzogthums Steiermark“ (Gratz 1860, gr. 4°.) die biographische Skizze: „Johann Baptist, Erzherzog von Oesterreich“ (S. IX–XLVIII).[WS 2]

I. Zur Biographie. Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. VI, Supplement S. 537. – Seidlitz (J. Dr.), Die Poesie und die Poeten in Oesterreich (Grimma 1837, J. M. Gebhardt, 8°.) Bd. I, S. 116. – Oesterreichischer Parnaß, bestiegen von Einem heruntergekommenen Antiquar (Freysing, bei Athanasius u. Comp. (Hamburg, bei Hoffmann u. Campe), 8°.) S. 28. – Album österreichischer Dichter (Wien 1857, Pfautsch u. Voß, 8°.) Neue Folge, S. 290: „Ein Lebensumriß Leitner’s mit Beurtheilung seiner Gedichte und Probestücken daraus“. – Minckwitz (Joh.), Illustrirter neuhochdeutscher Parnaß (Leipzig 1860, Arnold, 8°.) [enthält L.’s Biographie und eine Auswahl aus den Gedichten]. – Schütze (K. Dr.), Deutschlands [347] Dichter und Schriftsteller (Berlin 1862, Alb. Bach, 8°.) S. 200.
II. Porträte. Als Beilage Nr. 5 zur Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur u. s. w. von Witthauer (Wien, Jänner 1843), gez. u lith. von Kriehuber; – und im „Album österreichischer Dichter“ nach einer Photographie von Brückner lith. von Stadler, gedr. bei Haller 1857; beide mit der Namens-Unterschrift.
III. Zur literarischen Charakteristik Leitner’s. Einer der Biographen Leitner’s schreibt: „Nicht Brockhaus’ Conversations-Lexikon, nicht Gervinus, nicht Julian Schmidt, nicht Gottschall – daß Letzterer einen Namen wie den Leitner’s übersehen konnte, ist bei der Reichhaltigkeit und Vollständigkeit seiner Literaturgeschichte ein kleines Räthsel – nennen seinen Namen. Wolf’s „Hausschatz“, der das herrliche Gedicht „Der Herr des Meeres“ enthielt, weiß in den biographischen Notizen jenes Personenverzeichnisses über Leitner nichts anzufügen, als: „Ueber seine Lebensverhältnisse war nichts Näheres zu ermitteln“. Der Pamphletist im „Oesterreichischen Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar“ (Frey-Sing, bei Athanasius und Comp.) nennt ihn ein „großes Talent“ und bemerkt bei Aufzählung seiner Werke: „Gedichte in Journalen und Almanachen, worunter ausgezeichnet schöne“. Rühmend wird auch Leitner’s erwähnt in Dr. Julius Seidlitz’s „Poesie und Poeten in Oesterreich“ (Grimma 1827, Gebhardt, 1. Band, S. 116); und Johannes Scherr’s „Freundlicher Wegweiser durch die deutsche Dichterwelt“ (Winterthur 1842) führt Leitner’s Namen in jener Liste der „trefflichen Dichter“ an, von denen es ihm nicht vergönnt gewesen, jeden derselben auch nur in einem poetischen Stücke vorzuführen. Leitner theilt die Ehre dieser Auslassung mit den Oesterreichern Egon Ebert, Friedrich Halm, Gabriel Seidl, Dräxler-Manfred, L. A. Frankl, Duller , mit den Ausländern: Dingelstedt, Ferrand, Gruppe, Hoffmann von Fallersleben, Kopisch, Mörike, Prutz, Reinik, Sallet, Simrok, Smets, Vischer, Zeising; er ist also, wie man sieht, in der besten Gesellschaft. Es würde zu keinem großen Ergebniß führen, die Motive dieser Auslassung zu untersuchen, an welcher zum Theil der Dichter selbst Schuld trägt, da seine Zurückgezogenheit, seine Abgeschiedenheit nicht dazu beitrugen, seinen Namen in weiten Kreisen bekannt zu machen. Daß er seinen Sangesgenossen in der Heimat nicht fremd geblieben, Beweis dessen ist, daß sein Name niemals fehlen durfte, wenn es galt, die süddeutsche Sängergruppe würdig zu repräsentiren. Viele aber haben Leitner’s Lieder voll Schmelz und Innigkeit in ihre Seele aufgenommen, wohl ohne es zu wissen, daß es seine Lieder waren, ein Fall, der immer dann einzutreten pflegt, wenn sich der Arbeit des einen Meisters ein zweiter Meister bemächtigt und ihr neues Leben, Klang und Melodie einhaucht; denn unsere besten Componisten, ein Schubert, ein Lachner, ein Thalberg, ein Hüttenbrenner, ein Lannoy, haben es nicht verschmäht, diese sangbaren Weisen in Musik zu setzen und in dieser Art haben Leitner’s Lieder die Runde durch Deutschland gemacht, sind aber meistens incognito gereist. Doch eben diese stillen Siege sind es zumeist, welche für die Bedeutenheit des Talentes Leitner’s sprechen und welche seine Stellung in der Gruppe des österreichischen Parnasses rechtfertigen. Nur ein Band – ja im Verhältnisse zu den compreß gedruckten Dichtungen anderer Poeten – nur ein Bändchen Gedichte ohne prägnanten Titel, einfach „Gedichte“ benannt, und mit diesem sich eine Stellung in einer ganz schönen Gesellschaft erobert, das will etwas sagen! Worin bestehen diese Dichtungen? Es sind „Lieder“ verschiedenen Inhalts, ein anderer Cyclus, überschrieben: „Erste Liebe“, ferner „Sonette und Sinngedichte“, „vermischte Gedichte“, meistens Gelegenheitsdichtungen und endlich „Balladen und Romanzen“. Man hat Leitner – und nicht ganz mit Unrecht – öfter den österreichischen Uhland genannt; wenn man die Dichtungen Beider vergleicht, so ist die Aehnlichkeit Beider nicht abzuweisen, und kann Leitner, der Dichter, in Beziehung auf Uhland der wohlgerathene Sohn eines ausgezeichneten Vaters genannt werden. In einer Zeit, in welcher die Poesie – nicht wie heut zu Tage als etwas Ueberflüssiges – eben als das galt, was sie eigentlich ist, als die freundliche Fee, welche uns im Jammer des Lebens unveräußerliche Augenblicke des höchsten Glückes bereitet, in einer Zeit, in welcher es im deutschen Dichtergarten klang und immer mächtiger klang, in welcher nach den eben beendeten Befreiungskriegen der Sinn für Poesie mit neuer Kraft und Innigkeit erwachte und Ludwig Uhland, [348] ohne zu wollen, die schwäbische Dichterschule begründete; in dieser Zeit trat auch Leitner mit einzelnen kleinen Arbeiten vor das Publicum. Die Arbeiten gefielen, die Sangbarkeit der Lieder blieb unsern besten Liedercomponisten nicht fremd, und wenn es zulässig wäre, in der Poesie untergeordnete Momente zu Eintheilungsmotiven zu benützen. Karl Gottfried Leitner stünde heute als Haupt der steirischen Dichterschule ganz ehrenwerth da. Nun aber das würde eben nicht viel zu sagen haben. So gehört er denn zu den edelsten Sängern der österreichischen Dichterschule, eine Bezeichnung, die nicht von dem Verfasser dieser Zeilen erfunden worden, sondern welche Gottschall in seiner Literaturgeschichte angenommen, mit dem über diesen Umstand weniger zu rechten, als über die Auslassung von Namen wie eben Leitner, Schneller, Kuffner, Kompert, Stelzhammer, Kaltenbrunner u. A. Es ist nicht leicht festzusetzen, ob Leitner Schöneres im Liede oder in der Romanze geleistet; in beiden Gattungen sieht man es den Arbeiten an: sie sind gedichtet und nicht gemacht. In der Form tadellos, durchweht seine lyrischen Poesien ein Hauch zarter Wehmuth, den nie der Schrei der Verzweiflung durchbricht, so sehr die Seelenzustände öfter einer solchen Gefühlsäußerung nahestehen mögen. In der Romanze und Ballade ist aber der Uhland’sche Ton, in welchem Leitner seine dichterischen Bilder ausführt, in einer Weise angeschlagen, wie sich dieß bei keinem andern Dichter Deutschlands und Oesterreichs so bestimmt ausprägt. Es ist dieß ein Vorzug der Leitner’schen Dichtungen und in ihrer Art identisch mit der Weise tüchtiger Maler, welche die Vorzüge ihres Meisters beibehalten und dieselben mit der Richtung ihres eigenen Genius nach und nach verschmelzen, wobei jedoch das Charakteristische ihres ersten Meisters die Bildung dieser und jener Schule erklärt.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ludwig Crophius (Wikipedia).
  2. Handschriftlicher Zusatz: † 20/6 1890 in Gratz.