BLKÖ:Kalchberg, Johann Ritter von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Kalbrunner, Hermann
Band: 10 (1863), ab Seite: 379. (Quelle)
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Kalchberg, Johann Ritter von (Dichter und Schriftsteller, geb. zu Pichl im Mürzthale Steiermarks 13. März 1763, gest. zu Gratz 3. Februar 1827). Er ist ein Sohn des wohlhabenden Gutsbesitzers Joseph Erhard von K. aus dessen vierten Ehe mit Katharina von Summerstorf (gest. 1822). Das in einer der romantischesten und schönsten Gegenden des herrlichen Mürzthales gelegene väterliche Schloß Pichl, die reizende Umgebung, bewohnt von den gemüthlichen Naturdichtern, welche mit ihrem Hackbrette aus dem Stegreife dichten und singen, dieß Alles regte die Fantasie des Knaben frühzeitig an, der im Schloße selbst an alten Geräthschaften und Waffen genug Gelegenheit fand, sich in die poetisch-historische Vorzeit seines Vaterlandes zu vertiefen. Den ersten Unterricht im Lesen und Schreiben erhielt er von einer alten Tante, die ihn aber mit ihrer Frömmelei quälte; um Latein zu lernen, wurde er in’s Pfarrhaus nach Hohenwang geschickt, wo ihn der Pfarrer mißhandelte und ihm drei schöne Jahre der Kindheit vergällte. Als 1779 sein Vater starb, war K. 14 Jahre alt, und nun kam er zur Fortsetzung seiner Studien in das k. k. Seminar nach Gratz. Die derbe natürliche Weise des Landjunkers war nicht nach dem Sinne seiner Mitschüler, die ihn verspotteten und sich über ihn lustig machten. K. wußte für diese uncameradschaftliche Weise Rath, er zog sich zurück und fand im geistigen Verkehre mit Lessing, Klopstock, Uz, Wieland, Goethe einen mehr als genügenden Ersatz für das lieblose Benehmen seiner Collegen. Auch war der geistvolle Kaspar Royko um jene Zeit noch Director des Gratzer Seminars; dieser gewann seinen Zögling lieb, verkehrte viel mit ihm, machte ihn zu seinem Tischgenossen und gestattete ihm den unbeschränkten Gebrauch seiner Bibliothek. So geschah es denn, daß K. bald das literarische Gebiet betrat. 21 Jahre alt, trat er mit dem ersten dramatischen Versuche: „Agnes Gräfin von Habsburg. Schauspiel“ (Gratz 1786) in die Oeffentlichkeit. Dem Drama lag eine wahre, aus den Stubenberg’schen [380] Familienurkunden, ihm von einem Freunde im Auszuge mitgetheilte Begebenheit zu Grunde. Es erschien von ihm selbst umgearbeitet einige Jahre später unter dem Titel: „Wülfing von Stubenberg. Ritterschauspiel (Wien 1796, 8°., mit 1 K.), später in’s Čechische übersetzt, ist es in der von J. Nepomuk Štěpanek herausgegebenen dramatischen Sammlung im 11. Bande gedruckt erschienen. Diese Arbeit überraschte. Aus einem Lande, wo etwas Aehnliches bis dahin nicht vorgekommen, die edle Schreibart, die markigen Charaktere, das glücklich getroffene Colorit der Vorzeit, Alles verrieth ein begabtes vielversprechendes Talent. Schon zwei Jahre später folgte der „Agnes“ ein neues Werk: „Die Tempelherren, ein dramatisches Gedicht“ (Gratz 1788, 2. Aufl., 8°., mit K.), welches ungeachtet mancher Härten in der Sprache, Unrichtigkeiten im Verse (es ist in fünffüßigen Jamben geschrieben) doch so viel des Eigenthümlichen und Tiefpoetischen enthält, daß es gleichfalls sehr freundliche Aufnahme fand. K. hatte bis dahin im k. k. Bancalamte, in welches er im Jahre 1785 eingetreten war, gedient. Doch sagte dieser Dienst seinen poetischen Neigungen so wenig zu, daß er ihn aufgab und sich auf sein Schloß Pichl zurückzog, wohin ihm sein Freund Schram, dem K. den geschärfteren Sinn für grammatikalische Correctheit verdankt, folgte, und längere Zeit an seiner Seite lebte. In Verbindung mit ihm, mit Scheiger, König, v. Unruh u. A. gab er nun zum Besten des abgebrannten Ortes St. Lorenzen im Mürzthale die: „Früchte der vaterländischen Musen“. 2 Bdchn. (Gratz 1789–1790, 8°.) heraus, eine Art Taschenbuch und wohl das erste in Steiermark erschienene, welches ein in diesem Ländchen vorher unbekanntes literarisches Dichten und Treiben in’s Leben rief. Kalchberg’s Gedichte darin fanden den meisten Beifall, meist erzählenden Inhalts, reihten sie sich an das von ihm kurz zuvor erschienene Bändchen „Lyrische Gedichte“ (Gratz 1788, 8°.). Diesem folgte eine neue Arbeit: „Die Grafen von Cilli. Eine Begebenheit der Vorzeit, dramatisirt“. 2 Theile (1. Theil Cilli und Wolfberg 1790, 2. Aufl. 1792, Jenko; 2. Theil 1793). Es ist dieß eigentlich kein Drama, sondern eine Art geschichtlicher Dramatisirung, worin die Dialogenform zur Belebung des Ganzen beiträgt, die vorgeführten Gestalten kräftig, voll frischen Lebens und Wahrheit und die Tinten der Zeit, die geschildert wird, geschickt wiedergegeben sind. Kalchberg hatte bereits nicht allein im Lande Aufmerksamkeit erregt, auch außerhalb der Grenzen desselben war man gerne bereit, den talentvollen jungen Mann anzuerkennen und schon 1787 sandte ihm die Gesellschaft der Arcadier in Rom ihr Diplom zu, welcher 1793 die herzoglich deutsche Gesellschaft in Jena folgte. Bezeichnend sind die Worte im Diplom der letzteren, das ihn, „dessen Liebe zu den schönen Wissenschaften, dessen Eifer für die Ehre seines Vaterlandes den würdigsten Beifall der Kenner und den Ruhm eines edelmüthigen und geschickten Beförderers der deutschen Literatur ihm schon längst erworben hat, nach Verdienst und einer ihren Gesetzen gemäßen Wahl zu ihrem vornehmen Mitgliede ...“ ernennt. Das Land aber ehrte den Dichter, indem ihn die Stände 1791 zu ihrem Ausschußrathe wählten. K. nahm die Wahl an, aber in seinem Drange nach Unabhängigkeit, legte er schon im folgenden Jahre die Stelle nieder. Sein Schloß Pichl hatte er indessen verkauft und an dessen Stelle das in der Nähe von Gratz [381] gelegene und einträgliche Gut Wildbach gekauft. Dort lebte er in seiner häuslichen Wirthschaft – denn er war bereits seit 1787 und seit 1790 zum zweiten Male verheirathet – und den Musen. Die nächsten Arbeiten, welche sofort erschienen, waren die in der Folge vielbesprochene „Ritterempörung, eine wahre Begebenheit der Vorzeit“ (Gratz 1792, Alois Tusch, 8°., mit 1 K.), welcher als Gegenstück „Maria Theresia, ein dramatisches Gedicht“ (Gratz 1793, Franz Ferstl. 8°.) folgte; – dann „Die deutschen Ritter in Akkan, ein dramatisches Gedicht“ (Wien 1796, 8°., mit 1 K.), welch’ letzteres in der oberdeutschen Literaturzeitung 1796, S. 152, zu den besten Arbeiten seiner Zeit gezählt wird. Im nämlichen Jahre wurde K. zum widerholten Male zum ständischen Ausschußrathe gewählt, dießmal aber, gereifter in Jahren, mit dem prüfenden Blicke des Mannes die Angelegenheiten des Gemeinwohls dem selbstsüchtigen Behagen der tändelnden Fantasie überordnend, widmete er sich mit ganzer Seele dem Geschäfte, ohne jedoch ganz der Muse zu entsagen, die er übrigens nur bei besonderen Anlässen ertönen ließ; wie z. B.: „Kantate auf die Schlacht bei Mainz“ (Wien 1795, 4°.); 1798 „An Joseph Adam (Graf Arco), Fürstbischof von Seckau“ und „An Franz II.“ Seine Stellung als ständischer Ausschußrath gab ihm Gelegenheit zu historischen Forschungen und als nächste Frucht derselben sind seine „Historischen Skizzen“. 2 Bde. (Wien 1800, mit 2 K. K.) zu betrachten, in welchem namentlich seine Abhandlung „Ursprung und Verfassung der Stände Steiermarks“, als eine fleißige Studie über ihren An- und Umfang, ihren Fort- und Uebergang und ihre damalige Gestaltung bezeichnet werden muß. Nach längerer Pause erschien wieder einmal eine Dichtung: „Attila, König der Hunnen, ein dramatisches Gedicht (Wien und Gratz 1806, Ferstl, 8°.), mit welcher die Reihe seiner einzeln erschienenen Werke abschließt. Die Arbeiten in seiner Stellung als ständischer Ausschußrath nahmen immer mehr zu, er wurde Mitglied mehrerer ständischen Deputationen und Commissionen, man übertrug ihm die Direction der ständischen Kanzlei, gesellte ihn der ständischen Theater-Oberdirection bei und ernannte ihn auch noch zum Theatercensor. Alle diese unentgeltlichen Aemter versah er durch 14 Jahre und er bewährte sich dabei so durch Umsicht, Tüchtigkeit und Genauigkeit, daß ihn die Stände im Jahre 1810 zum zweiten Verordneten des Ritterstandes wählten. Als Erzherzog Johann das steierische, nach ihm Joanneum benannte National-Museum stiftete, wurde K. zu einem der Curatoren dieser Anstalt ernannt. Zur Hebung des historischen Studiums im Lande vereinigte er sich mit dem Archivar Wartinger zur Niederlegung eines Capitals von 1000 fl., damit von dessen Interessen jährlich eine Medaille angeschafft und dem in der steierischen Geschichte am meisten unterrichteten Jünglinge feierlichst übergeben werde; auch bereicherte er in nicht unansehnlicher Weise mit werthvollen Spenden das Münzcabinet, Archiv und die Bibliothek des Joanneums. Im J. 1816 wurde K. neuerdings zum zweiten Verordneten des Ritterstandes erwählt, aber schon im folgenden Jahre erster Verordneter und als solcher im Jahre 1823 wieder bestätigt. Noch wurde er im Jahre 1820, bei dem im genannten Jahre eingetretenen Grundsteuer-Provisorium zum Referenten der darüber aufgestellten Commission[WS 1] ernannt. In den letzten Jahren seines Lebens wurde er von mannigfachen Leiden heimgesucht, versah aber ununterbrochen sein Amt. [382] Leider hatte er durch eine unselige Vorliebe für den Betrieb eines silberhaltigen Bleibergwerkes sein ganzes Vermögen eingebüßt und er, der eines so blühenden Wohlstandes einst sich erfreut hatte, der frühere Besitzer von Herrschaften, Gütern, Gülten und mehreren Häusern in Gratz, ward durch diesen Bergbaubetrieb genöthigt, selbst zur Miethe zu wohnen. Schon im Jahre 1793 waren seine „Gesammelten Werke“ in 2 Bänden (Gratz, bei Ferstl, 8°., mit K. K.) erschienen, diese enthielten aber nur seine lyrischen Gedichte und seine ersten Dichtungen; eine vollständige Ausgabe seiner Schriften erschien, als „Sämmtliche Werke“. 9 Theile (Wien 1816 und 1817, Gerold, mit 9 Titelkpf.), davon enthalten der 1.: die Gedichte; der 2.–4.: die historischen Darstellungen; der 5.: vermischte Schriften; der 6.–9.: die historischen Schauspiele, u. z. 6: Wülfing von Stubenberg, Die Tempelherren; 7: Maria Theresia, Bertram von Dietrichstein; 8: die Grafen von Cilli, u. z. das erste Stück: Friedrich Graf von Cilli; das zweite: Ulrich Graf von Cilli, und 9: Attila’s Tod und Andreas Baumkircher. Ueber diese Gesammtausgabe schreibt Böttiger in der Dresdener Abendzeitung 1817: „Mit der höchsten Individualität verbinden sie gerne allgemeinen Sinn für Menschenwohl, Menschenveredlung, Menschendarstellung, die allen Völkern und allen Zeitaltern zugehört und daher sicher darauf rechnen kann, auch jeden reinen Menschensinn anmuthend anzusprechen. Möge diese Sammlung nur erst gekannt werden, an Lesern und Empfängern dessen, was hier so geistreich und ungeschmückt, ohne aufgedunsenen Wortprunk, ohne mystische Süßigkeit dargeboten wird, kann es dann weder an der Oder und Elbe, noch am Rhein und am Neckar fehlen. Es beurkundet sich ein lobenswürdiges Talent zur Erzählung und männlicher Ernst. Rechtlichkeit in Manier und Schwertkampf blickt zwischen der blumenreichen, doch nicht allzu üppigen Fantasiefülle, wie eine gothische Capelle zwischen Rosenhecken hervor. Bei zwei Trauerspielen in Jamben: Attila’s Tod und die Tempelherren, wird die Vergleichung mit bekannten Bearbeitungen (Werner’s) desselben Stoffes dem verständig anordnenden, natürlich dialogisirenden Dichter keineswegs zum Nachtheile gereichen.“ Tief betrauert starb K. im Alter von 62 Jahren, von 2 Frauen 6 Kinder, u. z. 1 Sohn aus erster, und 2 Söhne und 3 Töchter aus zweiter Ehe hinterlassend.

I. Quellen zur Biographie des Johann Ritter von Kalchberg. (Hormayr’s) Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst (Wien, 4°.) VII. Jahrg. (1816), Nr. 149 und 150; VIII. Jahrgang (1817), S. 523. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau, B. Fr. Voigt, kl. 8°.) V. Jahrgang (1827), S. 138, Nr. 52: „Nekrolog“ von Appel [nach diesem geboren am 14. März 1765]. – Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes (Wien, Ant. Doll, 8°.) Jahrgang 1810, Bd. IV, S. 349. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von J. S. Ebersberg (Wien, gr. 8°.) Jahrgang 1838, Bd. I, S. 328. – Winklern (Joh. Bapt. von), Biographische und literarische Nachrichten von den Schriftstellern und Künstlern, welche in dem Herzogthume Steyermark geboren sind u. s. w. (Gratz 1810, Franz Ferstl, kl. 8°.) S. 96 [auch nach dieser Quelle 14. März 1765 geboren]. – Steiermärkische Zeitschrift, Redigirt von Dr. G. F. Schreiner, Dr. Albert v. Muchar, C. G. Ritter v. Leitner und A. Schrötter (Gratz, 8°.) Neue Folge. VI. Jahrgang (1841). Heft 1, S. 127. – Iris (Musterzeitung, zu Gratz erscheinend) 1855, Bd. II, S. 59: „Das Grab eines steiermärkischen Dichters“, von H. C. [Nach dieser Mittheilung ist Kalchberg am 13. März 1763 geboren, welches Datum auch sein Grabstein angibt; die anderen Quellen geben den 14. März 1765 als sein Geburtsdatum an.] – Goedeke (Karl), Grundriß zur Geschichte [383] der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover, 1859, L. Ehlermann, 8°.) Bd. II, S. 1073, Nr. 659 [nennt seinen Geburtsort irrig Pickl statt Pichl und gibt ebenso irrig den 8. Februar statt des 5. Februar 1827 als seinen Todestag an]. – Nicht Laube, Mundt, Gervinus, Menzel, Gottschall und Schmidt gedenken Kalchberg’s in ihren Literatur-Geschichten, in denen er ebenso gut einen Platz verdient hätte, als mancher obscure norddeutsche unbedeutende Autor, dem gewiß sein Plätzchen nicht entzogen ist; und Heinrich Kurz in seiner (bei Teubner in Leipzig erschienenen) „Geschichte der deutschen Literatur“ weiß nur zu melden, daß er einen „Attila“ geschrieben, welchen Stoff auch Zacharias Werner behandelt hat.
II. Grabdenkmal. Kalchberg liegt seinem Wunsche gemäß in der dem deutschen Orden gehörigen Lechkirche in Grätz beigesetzt. Sein Grabstein trägt folgende Inschrift: „Hier ruht | Johann von Kalchberg, Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften, Verordneter der | steiermärkischen Herren Stände und Kurator des Joanneums | welcher geboren war den 13. März 1763 und starb den | 3. Februar 1827.

Dir geweihet, Vaterland!
War sein Dichten, war sein Leben
Und – schon an des Todes Hand
Noch dein Heil, sein höchstes Streben.
Mancher deiner besten Söhne
Denkt in später Zeit noch sein
Mit des Dankes stiller Thräne.

Als Denkmal der Liebe ihm geweiht von den Seinen.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Comission.