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Artikel „Rauch, Christian Daniel“ von Lionel von Donop in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 765–778, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rauch,_Christian_Daniel&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 20:54 Uhr UTC)
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Rauch *): Christian Daniel R., epochemachender Bildhauer der Neuzeit und Begründer der Berliner Schule. Eine von warmer Begeisterung durchdrungene Biographie liegt in dem vierbändigen Quellenwerke von Friedrich und Karl Eggers vor, welches historische Objectivität mit den Vorzügen einer feinsinnigen, kunstkritischen Würdigung in sich vereint. Das Lebensbild des Meisters hebt sich von einem reichbewegten Grunde ab. Unter Hinweis auf jene umfassende, mustergültige Arbeit handelt es sich für den gegebenen Zweck um die Aufgabe, dem Künstlerleben in seinen Hauptzügen nachzugehen und die hervorragendsten Werke in übersichtlicher Kürze zu betrachten.

Die Selbständigkeit seines künstlerischen Charakters verdankte R., der am 2. Januar 1777 zu Arolsen als Sohn des fürstlich waldeckischen Kammerdieners Joh. Georg R. geboren wurde, dem schwerfüßigen Entwicklungsgange seiner Jugend. Im Elternhause herrschte strenge Zucht und Ordnung, um die Früchte einer dürftigen Schulerziehung möglichst nutzbar zu machen. Mit dem neunten Jahre war es dem Knaben vergönnt, die Mechanikerwerkstatt der Gebrüder Weyhl zu besuchen und nebenbei unter Anleitung eines Emigranten Elementarkenntnisse in der französischen Sprache sich anzueignen. Höher schlug das Herz des Lernbegierigen, so oft ihm die Freude zu Theil wurde, an der Hand des Vaters mit leisem Schritt die fürstlichen Räume betreten zu dürfen. Gemälde und Stiche, insbesondere einige plastische Werke, wie der Gipsabguß einer Apollostatue und die Marmorbüsten Friedrich’s des Großen und Goethe’s von Trippel entzündeten bei wiederholtem Anblick in dem jugendlichen Gemüthe die Liebe zur Kunst. Nicht ohne Widerstreben der Eltern entschloß er sich nach der 1790 vollzogenen Confirmation, Bildhauer zu werden und verbrachte zunächst eine fünfjährige Lehrzeit bei dem waldeckischen Hofbildhauer Friedrich Valentin, dessen Werkstätte im Dorfe Helsen lag, wohin der Lehrling täglich zwei Mal aus dem Vaterhause durch eine anmuthige Landschaft zu wandern hatte. Was er dort zu lernen vermochte, beschränkte sich auf das conventionell Handwerksmäßige, insoweit es die Herstellung von Verzierungen für Kamine, Grabmäler und Bilderrahmen nach vorhandenen Zeichnungen und Stichen bedingte. Mit Andacht lauschte er den Schilderungen des Meisters, der die weite Welt gesehen und mit Vorliebe von den prunkenden Monumenten der Westminsterabtei in London sprach.

Eine Fußreise nach Kassel mit seinem Kameraden Wolff erweiterte den Gesichtskreis des angehenden Künstlers. Im dortigen Museum sah er zum ersten Male antike Marmorstatuen und vernahm aus dem Munde des jüngst aus Rom heimgekehrten Bildhauers Ruhl überraschende Kunde von den Ueberresten der antiken Welt und dem Aufschwunge der Plastik durch Canova und dessen Genossen. Entschlossen streifte der Jüngling die heimathlichen Fesseln ab und trat am 9. Sept. 1795 in Chr. Ruhl’s Werkstatt ein, der ihm wöchentlich einen Laubthaler an Lohn gewährte und vorwiegend ornamentale Arbeiten in Holz und Sandstein übertrug, wie es die Prachtliebe des Landgrafen von Hessen forderte. Damals sind die Hirschköpfe im Saale der Löwenburg von R. gearbeitet. An den Winterabenden besuchte er die von W. Böttner geleitete landgräfliche Akademie und begann nach dem lebenden Modell in Thon zu arbeiten. Dem fleißigen Schüler wurde nach dem ersten Cursus die silberne Medaille zu Theil. Ohne im wesentlichen über das Handwerklich-Technische hinaus bis dahin gefördert zu sein, widerfuhr dem jungen Künstler das Mißgeschick, in seinen Studien bald völlig gehemmt zu werden.

Am 13. Februar 1796 starb Rauch’s Vater. Dem älteren Bruder Friedrich, [766] damals Schloßcastellan in Sanssouci, erwuchs die Pflicht, an Stelle des Vaters den Bildungsgang des Künstlers zu überwachen. Doch nach kurzer Frist gegen Ende Januar 1797 wurde auch jener hingerafft. R. begab sich zur Ordnung der kleinen Nachlassenschaft nach Potsdam. Die Theilnahme, welche König Friedrich Wilhelm II. für seinen ehemaligen Diener gehegt, übertrug er nun auf den jüngeren Bruder. Das Pflichtgefühl, vor allem für die Seinigen in Arolsen zu sorgen, entfremdete jenen mehr und mehr der Kunst und bestimmte ihn auf eindringendes Zureden des Kämmeriers Rietz am 7. Februar 1797 im Dienste des Monarchen eine Stelle als Kammerlakai anzunehmen. Unklarheit über das Maaß der eigenen künstlerischen Begabung und die Hoffnung, zum künstlerischen Berufe späterhin zurückkehren zu dürfen, erleichterte ihm den unfreiwilligen Schritt aus dem Kleinstaate an den königlichen Hof. Im Sommer desselben Jahres begleitete R. seinen Herrn zum Gebrauch der Kur nach Pyrmont. Bald nach der Rückkehr aus dem Bade, am 16. November 1797, starb Friedrich Wilhelm II. Der Kammerdiener bat vergeblich um seine Entlassung. Man gewährte nur einige Erleichterungen im Dienste der Königin Luise und gestattete ihm, im Actsaal der Akademie zu zeichnen und zu modelliren, sowie Hirt’s und Rambach’s Vorlesungen zu hören. Im übrigen blieb sein Studium noch vorwiegend autodidaktischer Art. Durch Reisen in seinen Bestrebungen mehrfach unterbrochen, fand er doch Zeit und Muße, Copieen nach einigen Antiken und Bildnissen nach dem Leben aus der nächsten Umgebung, sowie kleine Reliefs eigener Erfindung, meist verschollene Erstlingsarbeiten anzufertigen. Für seine geistige Ausbildung besorgt, schloß er sich gleichgesinnten jungen Künstlern an, welche gemeinsam Schiller’s Dichtungen und die eben erschienenen Propyläen Goethe’s mit den Hinweisungen auf die Idealität der classischen Kunst lasen. Auch sonst fehlte es nicht im Hinblick auf Schadow’s sich steigernde Kunstthätigkeit an belehrender Anregung.

Durch Fürsprache des Kammerherrn v. Schilden wurden ihm 1802 ein sechsmonatlicher Studienaufenthalt in Dresden und die dazu erforderlichen Mittel gewährt. Hier copirte er den bogenspannenden Amor und modellirte mit dem Bildhauer Fr. Unger nach einer Zeichnung des Malers Fr. Matthäi ein Relief für das Tympanon einer Kirche, die Aufrichtung der ehernen Schlange darstellend, das auf der Lauchhammer Hütte in Eisen gegossen wurde. Auf der Berliner akademischen Ausstellung im Herbste jenes Jahres trat R. mit den ersten Arbeiten eigener Composition auf, einer Büste nach der Natur und einem Relief „Artemis und der schlafende Endymion“. Die Beharrlichkeit im Fleiße und der Beweis seines Talentes hatten zur Folge, daß G. Schadow ihm allmählich seine Anerkennung und Förderung zu Theil werden ließ, indem er die Ausführung eines großen Reliefs nach seiner eigenen Skizze ihm übertrug, das für die neuerrichtete chirurgische Pepinière im Hause des Generalchirurgen Goercke bestimmt war. Das Relief, in antiker Auffassung die Hülfe eines Arztes auf dem Schlachtfelde schildernd, wurde später in den Hörsaal des Friedrich-Wilhelms-Instituts in der Friedrichstraße übertragen. Die Schülerarbeit, welche gewissenhaftes Studium des Nackten wie der Gewandbehandlung bezeugt, fand ungeachtet der von R. selbst gerügten Mängel den Beifall und Lohn Schadow’s, der ihn sogar zur Ausführung einiger Reliefs für sein Haus heranzog.

Lebhafter regte sich jetzt der Wunsch nach Entlassung aus dem königlichen Dienste, die ihm nach wiederholten vergeblichen Gesuchen endlich am 31. Januar 1804 gewährt wurde. Mit einer Pension von 125 Thlr. 12 gr., die am 17. Juli 1809 bis zur Jahresunterstützung von 400 Thlr. erhöht wurde, sowie mit einem ansehnlichen Zuschuß seines Gönners, des Baron v. Schilden, ausgerüstet, [767] trat R. in Begleitung des jungen Grafen Karl Sandretzky am 30. Juli die Reise nach Italien an. Vorher ward ihm noch die hohe Ehre zu Theil, vom 27. Juni bis 23. Juli die Büste der Königin Luise modelliren zu dürfen. Die Reisenden begaben sich von Dresden durch Thüringen an den Rhein, dann nach Stuttgart zum Besuch von Dannecker’s Werkstatt, ferner durch Südfrankreich nach Genua und Mailand und trafen am 20. Januar 1805 über Parma, Bologna und Terni in Rom ein, wo R. laut Cabinetsordre des Königs vom 29. Juli 1804 sechs fruchtbringende Studienjahre verleben durfte. Die während der Reise von ihm geführten Tagebücher bezeugen, wie er mit empfänglichem Sinn für alles Schöne in Kunst und Leben erglühte.

Als der junge Künstler den römischen Boden erreicht hatte, trat ihm die Antike, umworben von der neu aufblühenden Alterthumswissenschaft, in leuchtendem Glanze vor Augen. Canova verband in seinen Werken die Grazie der Alten mit der modernen Eleganz, während Thorwaldsen mit starker Hand in seiner Kunst die ernste Größe und Einfalt des Stiles betonte. Die Wiedergeburt der Künste im deutschen Geiste war in vollem Anzuge. Nach dem Vorgange von Carstens strebte die Malerei durch Schick, Koch u. A. verwandte Ziele in ihrer Entwicklung an. In dem auserlesenen Kreise von Künstlern, Gelehrten, Dichtern und Kunstfreunden war der Umgang mit dem preußischen Ministerresidenten W. v. Humboldt für R. von entscheidendster Bedeutung. Vermöge seiner die lebendige Bildung der Zeit umfassenden geistigen Kraft war dieser vor allem der Berufenste, das innere Leben seines Schutzbefohlenen nachhaltig zu beeinflussen. Der Künstler aber besaß Energie und Selbständigkeit genug, um unter den Eindrücken der ewigen Stadt und ihrer Kunstschätze in schöpferischer Thätigkeit zu beharren.

In wenigen Jahren erwarb sich R. eine vorzügliche Technik in der Marmorbehandlung, wovon die während dieses ersten Aufenthaltes in Rom entstandenen größeren Arbeiten Zeugniß ablegen. Von Zoëga und Welcker zur genauen künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäftigung mit der antiken Plastik, namentlich mit den Basreliefs der Alten angeregt, vollzog R. im J. 1809 einige Ergänzungen antiker Fragmente, so unter Thorwaldsen’s Beistand zu dem angeblichen Parzenrelief (in Tegel), zu der Marmorstatue einer Hydrophore daselbst u. a. Eine namhafte Anzahl von Marmorbüsten, wie die von Rafael Mengs für die künftige Walhalla und zweimal die der Königin Luise nach dem bereits erwähnten Modell, einmal in Colossalgröße, ein Werk von strenger, noch gebundener Schönheit, ferner die Modelle zu Büsten des Zacharias Werner und des Monsignore Capecelatro, Erzbischofs von Taranto, erwarben dem Künstler in weiteren Kreisen einen geachteten Namen. R. begann auch zu jener Zeit die sitzende Statue der jungen Adelheid v. Humboldt, als Psyche aufgefaßt, im Ausdruck des Köpfchens von holdester Anmuth. Er bearbeitete ferner in Thorwaldsen’s Kunststil ein reizvolles Reliefmedaillon für Tegel mit der Darstellung, wie Venus dem Mars ihre von Diomedes verwundete Hand zeigt und modellirte außerdem einen Amor und die Reliefs: Ulysses und Penelope, Phaedra und Hippolyt, endlich Jason, das goldene Vließ ergreifend.

Während seiner römischen Lehr- und Wanderjahre empfand R. aufs tiefste den Schmerz um den Niedergang Deutschlands und Preußens. Das Maaß der Trauer füllte sich, als die Nachricht eintraf, daß die Königin Luise am 19. Juli 1810 in der Blüthe ihrer Jahre gestorben. Sofort vollendete R. ihre Marmorbüste und sandte sie pietätvoll seinem Könige, in dessen Herzen lebhaft der Wunsch erwachte, das Andenken der Entschlafenen durch ein Grabdenkmal zu verewigen. Thorwaldsen, zur Betheiligung aufgefordert, verzichtete unter Hinweis auf die Leistungsfähigkeit seines jüngeren Kunstgenossen R. und von [768] Canova wurde in der Folge abgesehen. Auf Anregung W. v. Humboldt’s, der im Sommer 1810 nach Wien abberufen war, wurde R. zur Heimkehr veranlaßt. Er verließ Rom am 2. Februar 1811, besuchte die Familie v. Humboldt in Wien und traf am 5. März d. J. in Berlin wieder ein. Alsbald legte er dem Könige einige Entwürfe zum Grabmal vor, von welchen Einer dem Wunsche des Monarchen entsprach. Unter den Augen des Königs stellte R. das Modell zur vollen Zufriedenheit her. Er bat, in Rom die Statue in Marmor und zwar etwas über Lebensgröße ausführen zu dürfen. Inzwischen entstand noch die Büste Schadow’s, auch modellirte er die des Grafen von Brandenburg, des Königs und zuletzt die der Prinzessin Wilhelm. Durch Erkrankung am Wechselfieber wurde die Reise nach Rom verzögert. Kurz vor der Abfahrt zeichnete G. Schadow am 1. Januar 1812 sein Brustbildniß mit dem Ausdruck jugendfrischer Energie und gehaltvollen Ernstes, welches in einem vortrefflichen Stiche von E. Mandel den ersten Band der Biographie Rauch’s von K. u. Fr. Eggers schmückt.

In Begleitung des jungen Bildhauers Rud. Schadow begab sich R. am 4. Jan. 1812 über Dresden nach Wien, um abermals W. v. Humboldt zu begrüßen, von dort nach München, wo der kunstbegeisterte Kronprinz von Baiern seinen Rath bei Erwerbung von Antiken in Anspruch nahm und ihm Aufträge für die Walhalla ertheilte. In wenigen Wochen entstanden die später in Carrara in Marmor übertragenen Modelle der Büsten van Dyck’s, Franz Snyders’ und des Admirals Tromp für die Walhalla, ferner die des Hans Sachs für die Ruhmeshalle bei München.

Bemerkenswerth für den Bildungseifer Rauch’s erscheint es, daß das Modell zur Statue der Königin Luise, welches mittlerweile von Berlin abgesandt war, in seiner Höhlung eine kleine Sammlung ausgewählter Schriften, zumeist Classiker, für den Künstler nach Italien mit sich trug. Infolge mangelhafter Verpackung zertrümmerte die Sendung auf der Reise in Bologna, wo R. die Schäden ausbesserte, um den Transport des Werkes nach Carrara zu ermöglichen. Abwechselnd mit Rom schlug er hier für die Dauer von zwei Jahren seine Werkstatt auf. Zur Hauptaufgabe gesellte sich noch die Anfertigung der Büsten Thorwaldsen’s und der Gräfin Auguste v. d. Goltz, ferner die Herstellung des kunstvoll gegliederten, reich mit Adlern, Kronen und Wappenschildern ornamentirten Sarkophags zum Luisendenkmal und der beiden Candelaber. Der von drei Parzen umstandene Candelaber ist Rauch’s Werk, während Fr. Tieck, der treue Freund und Lebensgefährte des Meisters den zweiten anfertigte, um dessen Schaft sich in heiterem Tanzschritt die drei Horen bewegen. – Während R. zur Verherrlichung seiner Königin thätig war, hielten ihn die politischen Ereignisse im Vaterlande, die er mit leidenschaftlichem Interesse verfolgte, in fortdauernder Aufregung. Sein eifrig betriebener Briefwechsel hatte das Augenmerk der französischen Polizei, welche in Rom das Machtwort führte, auf ihn gelenkt, so daß er nur mit Mühe nach einer zweimaligen Verhaftung der Deportation nach Chalons entging. Behufs letzter Ueberarbeitung und Nachfeile war inzwischen die Königinstatue von Carrara nach Rom geschafft und fand dort den lebhaftesten Beifall. Am 10. August 1814 wurde das herrliche Werk in Livorno nach Hamburg eingeschifft, von wo es zu Lande nach Berlin transportirt werden sollte. – Bevor R. selbst zur Heimreise sich anschickte, bearbeitete er noch die Marmorbüsten Martin Schongauers für die Walhalla und die des Königs, sowie zwei Marmor-Tondi mit den Bildnissen des Königs, auf der Reversseite Victorien und Adler. Auch die Statuette der Adelheid v. Humboldt als Psyche gedacht und bereits früher begonnen, wurde fleißig gefördert.

Gegen Ende des Jahres nahm R. von Italien Abschied. In München [769] las er die Zeitungsnachricht, daß das englische Fahrzeug, welches seine Statue trug, acht Tage nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Livorno von einem amerikanischen Caper genommen sei. In der durch diese Nachricht hervorgerufenen Aufregung traf er am Sylvesterabend in der Hauptstadt ein, wo am 7. Januar 1815 bereits bekannt wurde, daß der englische Caper Elisa den Amerikaner abgefangen habe und das Marmorbild in Cherbourg angekommen und in Jersey gelandet sei. Nach langer Verzögerung traf das Monument endlich am 22. Mai in Berlin ein. Unter Thränen tiefster Rührung spendete der König dem Künstler für das mit hingebender Liebe und Mühwaltung ausgeführte Denkmal, welches am 30. Mai 1815 im Mausoleum zu Charlottenburg aufgestellt wurde, das reichste Lob. Seit jenen Tagen ist die weihevolle Stätte für das preußische Volk ein Ziel frommer Wallfahrt geworden. Die Verehrung gilt der Königin, die höchste Bewunderung dem Kunstwerke, das als solches ebenso sehr den Geist von Canova’s Idealplastik athmet, wie verheißungsvoll auf den historischen Charakter der patriotischen Denkmäler Rauch’s hindeutet. Die Formen und Gesichtszüge sind von allem Stolz entbunden, wenn auch das Diadem den Scheitel ziert. Die Hoheit der schlummernden Königin verschmilzt mit der seelenvollen Anmuth des Weibes. Die Reinheit der Form klingt auch in der idealen Gewandung wieder, deren Faltenwurf als Echo der schönen Glieder gelten will. Mit diesem Hauptwerke begann Rauch’s Blüthezeit. Es ist die gereifte Frucht seines für die königliche Familie genährten Jugendenthusiasmus.

Durch die Ereignisse der Freiheitskriege und die eigene Gesinnung ist R. wie kein Zweiter der patriotische Künstler Preußens geworden. Ihm sind Aufgaben im lebendig geschichtlichen Zusammenhange zugefallen, an denen seine künstlerische Kraft stets von neuem erstarkte. Die durch das Studium überwiegender Realität ermüdende Herstellung von Büsten und Rauch’s wirksame Theilnahme an der allgemeinen Entwicklung der Berliner Kunstzustände drängte zwar einstweilen noch die Vollziehung größerer Aufgaben zurück. – Zunächst modellirte er auf Veranlassung des Kronprinzen von Baiern die charaktervolle Büste des Feldmarschalls Blücher zu Anfang April 1815 kurz vor dessen Abgang zur Armee. Die Marmorbüsten des Königs und der Königin mit Piedestal und Basreliefs für den Grafen Ostermann folgten. Es entstanden ferner die Modelle zu den Büsten der verstorbenen Gattin seines Arztes, Dr. Wohlfart (Nationalgalerie), des Obristlieutenants Hedemann, Schwiegersohn W. v. Humboldt’s und die der kleinen Prinzessin Elisa Radziwill. In nimmer rastender Thätigkeit schuf R. nach den französischen Niederlagen die Büsten Kaiser Alexander’s, seiner Gönnerin, der Gräfin Julie von Brandenburg, der Prinzessin Biron von Curland, der Prinzessinnen Friederike und Charlotte von Preußen, die der Frau Hofmarschall von Maltzahn (Nationalgalerie), endlich die Büste des Prinzen Wilhelm und auf Befehl des Königs noch zwei Büsten der Königin Luise, deren eine zum Palmetten-Diadem noch einen seitwärts herabhängenden Schleier gesellt.

Der Aufschwung des preußischen Volkes nach den siegreichen Freiheitskriegen vertiefte das allgemein künstlerische Leben in der Hauptstadt, als deren Träger und Förderer in erster Linie Schinkel, R. und Beuth wirkten. Der Gedanke zur Errichtung von Ehrendenkmälern der Führer des preußischen Heeres nach Schinkel’s Plan bildete gleichsam den Schlußaccord der geistigen Erhebung. Die Marmorstatuen Bülow’s und Scharnhorst’s wurden von R. zunächst begehrt.

Nach Genehmigung der innerhalb 14 Tage entstandenen Modellskizzen begab [770] sich R. abermals nach Italien. Am Tage seiner Ankunft war es ihm noch vergönnt, an dem zu Ehren des Kronprinzen von Baiern in der Villa Schultheiß gegebenen Feste Theil zu nehmen. Unbeirrt jedoch durch das Parteitreiben der Classiker und Romantiker in dem deutsch-römischen Künstlerkreise entfaltete er im Stillen eine rege Thätigkeit. Dem Modell zu einer Gewandstatue des Aesculap widmete R. seine nächste Arbeit, deren Verarbeitung in Marmor, im April 1818 begonnen, nach Ueberwindung eines Nervenfiebers für seinen Arzt, Dr. Kohlrausch, bestimmt war. – Dem Jahre 1816 gehört die lebensgroße Marmorgruppe eines Adlers im Kampfe mit einer Schlange an (Rogau in Schlesien), wie aus einem späteren Briefe Rauch’s an Goethe vom 1. November 1824 hervorgeht. – Zwei Ehrendenkmäler in Gestalt von Candelabern nach Zeichnungen Schinkel’s, welche auf Anregung des preußischen Majors v. Royer die Officiere des IV. Armeecorps des Generals v. Bülow der Familie la Roche Jacquelin setzen ließen, wurden später in Berlin vollendet. Rauch’s Candelaber, der Siegesfreude geweiht, umkreisen Victorien mit Harfe, Kranz und Lilien in Händen, den Schaft des anderen, Tieck’s Arbeit, umstehen zum Zeichen der Trauer drei verhüllte Frauen mit Urnen. – Gleichzeitig mit den Modellen der beiden Feldherrendenkmäler Bülow’s (1817) und Scharnhorst’s (1818) nahm R. die Marmorstatue des Kaisers Alexander von Rußland in Angriff, welche bereits am 4. December 1814 vom General Ostermann-Tolstoy bestellt worden war. Der Monarch trägt über der Uniform den Kaisermantel und ist im Begriff, zur Rettung des Vaterlandes das Schwert zu ziehen. Der ritterlichen Bewegung der Gestalt, an der in erster Linie der Kopf nach der am 7. November 1815 modellirten Büste zu rühmen ist, folgt der zu unruhigen Falten aufgebauschte Mantelwurf. Das Modell zu dem in Odessa befindlichen Werke, am 30. Juli 1821 vollendet, befindet sich im Rauch-Museum. – Noch während des römischen Aufenthaltes legte R. die Skizze zum Blücher-Denkmal für Breslau an (1818), das ihm auf Anregung der Fürstin Pleß geb. Gräfin v. Brandenburg übertragen war. – Von Büsten aus dieser Zeit ist die der Prinzessin Charlotte, der nachmaligen Kaiserin und die mehrfach wiederholte des Fürsten Hardenberg in starker Linkswendung von großer und einfacher Auffassung hervorzuheben, Modelle anderer Büsten aus früheren Tagen wurden gleichfalls in Marmor ausgearbeitet. Auch in diesen wie in den vorhergehenden Zeiten suchte R. durch Reisen sein Verlangen nach neuen, erfrischenden Natureindrücken und nach Kenntnißnahme großer Meisterwerke der Kunst zu stillen, worüber er seinen Freunden die anregendsten Berichte schrieb.

Mit der Rückkehr Rauch’s nach Berlin, wo ihm das ehemalige Lagerhaus in der Klosterstraße als Werkstatt eingeräumt werden sollte, beginnt die Periode seines Schaffens von vorwiegend historischen Aufgaben. Italienische Gehülfen und der seinem Meister verbrüderte Tieck zogen aus Carrara über die Alpen. In den Atelierräumen begann allmählich ein reges Leben. Marmorbüsten, namentlich die des Generals York, von R. in Klein-Oels modellirt, die Ausführung der obenerwähnten Aesculapstatue und mehrere Entwürfe hatte er noch vor Ankunft seines Genossen aus Italien erledigt. – Am 2. Juni 1822 konnten die Marmorstatuen von Bülow und Scharnhorst zu den Seiten der Hauptwache in Berlin aufgestellt werden. R. hat den gefeierten Helden der Freiheitskriege ihre typische, historische Erscheinung gesichert, zugleich eine formale und geistige Würde und Größe angestrebt, die an das Maaß der Antike erinnert. Ohne das der Gegenwart Angehörige zu schmälern, ist das Naturwirkliche der geistigen Bedeutsamkeit in der stilvollen Darstellung untergeordnet. Die Feldherren sind in ihrer Generalsuniform mit dem militärischen Reitermantel dargestellt, der den Gestalten volle Massen gibt und im schwungvollen Wurf den idealen Charakter [771] betont, so daß man in künstlerischem Sinne von einer Beseitigung der Uniform reden und zugleich den Meister als den Begründer der Mantelplastik bezeichnen kann. Die Kopfbedeckung ist, weil sie Stirn und Auge beschatten würde, verworfen. – Scharnhorst, der Mann des Rathes, in nachsinnender Stellung an einen Lorbeerstamm gelehnt, der unten neue Zweige treibt, veranschaulicht[WS 1] die Vorbereitungen zur kriegerischen That. – Bülow kühn und mit sicherem Blick steht da als der Mann der siegreich vollzogenen That. Die technisch wie compositionell vorzüglichen Reliefs an den Piedestals, deren architektonische Gliederung wie auch bei den folgenden Werken sich unter Schinkel’s Beirath vollzog, lassen die Bedeutung der Standbilder in der sinnbildlichen Sprache der Antike ausklingen. R. hatte der Monumentalsculptur in diesen Werken als einer der Gegenwart entsprechenden die richtige Bahn angewiesen, in der er selbst mit geringen Modificationen beharrte.

Zwei eherne Colossaldenkmäler des Feldmarschalls Blücher folgten, das eine für Breslau (1818–27), das andere für Berlin (1823–26). In Breslau auf hohem Granitsockel dargestellt, dessen Fuß von Lorbeergewinde tragenden Adlern umgeben ist, stürmt der Feldherr die Linke erhebend zum Beginn der Schlacht voran „Mit Gott für König und Vaterland!“ Er trägt knapp anliegenden Waffenrock und wallenden Reitermantel, der jenen fast verhüllt. Die überraschend lebhafte Haltung steht eher mit den Gesetzen malerischer als plastischer Kunst in Einklang. Daß R. die vom Denkmalsausschuß abgelehnte Zeichnung G. Schadow’s bei seiner Arbeit verwerthet habe, wie Letzterer klagt, ist von K. Eggers widerlegt worden. – In der größeren, wol glücklicheren Berliner Blücherstatue kehrte R. zur geschlossenen Ruhe in der Haltung zurück und lieh der hohen Gestalt eine Wucht und monumentale Kraft, die mit Verzicht auf stürmische Bewegung ihren Eindruck nicht verfehlt. Der Marschall „Vorwärts“ ist als der Feldherr gedacht, der das Schlachtfeld behauptet. Der linke Fuß ist auf eine erbeutete Haubitze gestützt. Siegesgewiß stemmt sich die linke Hand auf das erhobene Knie, und die frei niederhängende Rechte hält den Husarensäbel. Der Uniform ist eine künstlerische Seite abgewonnen, indem der Mantel wie eine Schutzwehr fest um den Körper und den linken Arm geschlungen ist. Der inhaltsreichen dreifachen Relieffolge am Piedestal fehlt indeß bei aller bewunderungswerthen Schönheit der Details die volle innerliche Einheit. – In lebhaft vorschreitender und fast gewaltsam erscheinender Action hat R. auch den Genius des Sieges von La Rothière mit Blücher’s Porträt an dem von Schinkel concipirten und 1826 vollendeten Denkmal zum Gedächtniß der Befreiungskriege auf dem Kreuzberge in Berlin zur Darstellung gebracht. Auch die beiden hoheitsvollen Genien in idealer Gewandung mit den Gesichtszügen der Königin Luise und der Kaiserin Alexandra Feodorowna sind von R. modellirt, vier andere Genien an demselben Denkmal dagegen nur von ihm skizzirt.

Von dem ersten Grabmonument der Königin Luise zu Charlottenburg auf die Dauer nicht befriedigt, schuf R. um jene Zeit bis 1827 eine meisterhafte, freie Wiederholung, durch Steigerung von Anmuth und Würde zur zartesten Beseelung durchgebildet, aufgestellt im sogenannten Antikentempel zu Sanssouci. Als Preußens Genius legt die Königin in ihrer alles Irdische überstrahlenden Erhabenheit die Hände zum Gebet zusammen. – Von edler Auffassung reiht sich das von 1827–30 entstandene Marmordenkmal der Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt an, eine liebliche Kindergestalt in zartem Schlummer auf das Lager hingegossen (Fürstengruft zu Darmstadt).

Ein historisches Monument von hervorragender Bedeutung ist das zu München errichtete eherne Denkmal des Königs Maximilian Joseph (1826–35). Im Königsmantel auf dem Throne sitzend, hebt der Monarch in ungezwungener [772] Würde segnend die Rechte empor, die Linke hält das im Schooße ruhende Scepter. Die Reliefs an dem in seinem architektonischen Aufbau von Klenze angegebenen Broncepostamente enthalten eine Fülle frischer Lebensbilder, in welchen die Segnungen der Verfassung für das materielle Wohl des Landes, wie für die geistigen Interessen der Kunst und Wissenschaft dargestellt sind; einzelne allegorische und der antiken Mythe zugehörige Gestalten sind dem Ganzen sinnreich eingefügt. – Das Standbild Friedrich Wilhelm’s I. in Gumbinnen, des Begründers der Stadt, wurde 1827 von R. modellirt und 1835 enthüllt. Im Zeitkostüm und mit dem Hermelinmantel bekleidet, hält der König gleichfalls die Rechte segnend empor, die Linke ruht auf dem Säbel gestützt.

Von vortrefflicher Wirkung erscheint das sinnige Denkmal des Waisenvaters Francke, auf Befehl des Königs gegen den Willen Rauch’s und des Magistrats von Halle im Hofe des von Jenem gegründeten Waisenhauses daselbst aufgestellt (1827–29). Francke im Predigertalar, eine stilvolle Wiedergabe der natürlichen Erscheinung, blickt auf einen Waisenknaben nieder, auf dessen Haupt er segnend die Hand legt. Mit der Rechten deutet er nach Oben. Ein zweiter Waisenknabe mit der Bibel unter dem Arme blickt zu Francke empor. Innig und Jedem verständlich sind hier Formen der Wirklichkeit einer höheren Idee dienstbar gemacht.

Die genannten Werke, denen sich bedeutende Arbeiten des Idealstils zugesellen, zeugen von einer staunenerregenden Arbeitskraft des Meisters, die überdies von einer begeisterten Theilnahme an der Förderung der Kunstsammlungen des Museums begleitet und durch Restaurirung von Antiken, durch Vervollkommnung der Erzgießerei und Ciselirkunst im weitesten Sinne in Anspruch genommen wurde. Mit hervorragenden Zeitgenossen durch seine Kunst verbunden und allezeit auf die Pflege höherer Interessen bedacht, unterhielt R., schlagfertig im Ausdruck, einen sehr ausgedehnten Briefwechsel.

Einen Künstler von der ungewöhnlich geistigen Bildung Rauch’s mußte naturgemäß ein Project, wie das eines Goethedenkmals zu Frankfurt a. M. in hohem Grade fesseln. Für die monumentale Darstellung des Dichters als des Vertreters idealen Geisteslebens schien ihm jedoch im Einklang mit der Meinung des zu Feiernden nur die ideale Tracht zulässig. In diesem Sinne entwarf R. mehrere vergebliche Entwürfe. Dreißig Jahre später entging ihm ebenfalls auf Grund seiner Weigerung des Zeitkostüms der Auftrag für das weimarische Doppelstandbild von Schiller und Goethe. Für die genrehafte Darstellung des Dichters dagegen hielt R. an dem realistischen Kostüm fest, wie die bekannte Statuette Goethe’s im Hausrock beweist. Goethe’s Büste von R., bereits 1820 in Jena modellirt und 1823 für Herrn v. Quandt in Dresden in Marmor ausgeführt, der sich nur Dannecker’s Schiller zur Seite stellen läßt, und jene Statuette in ganzer Figur darf man wol als die besten Nachbildungen von Goethe’s äußerer Erscheinung rühmen.

Zu den Büsten aus dieser Zeit, in welchen R. die Darstellung der individuellen Physiognomie gleichsam zu einer Gesammtcharakteristik der Persönlichkeit steigerte, gehört namentlich die G. Schadow’s und Schleiermacher’s, ferner Rauch’s Selbstporträt und das seiner Tochter Agnes, sowie eine große Zahl derjenigen von Familienmitgliedern aus den preußischen und russischen Herrscherhäusern.

Die Rückkehr zu einer Aufgabe der Idealplastik wurde dem Meister durch die Anregung W. v. Humboldt’s zur Vollendung der liebreizenden Statue seiner Tochter Adelheid als Psyche gegeben, die sinnend mit einem Schmetterlinge spielt (Tegel). – Von plastischen Werken religiösen Inhalts ist der Apostel Thaddäus zu nennen. Schinkel hatte zur Bekrönung der von ihm entworfenen [773] broncenen Chorschranken im Dom zu Berlin die zwölf Apostel Peter Vischer’s vom Sebaldusgrab in Nürnberg bestimmt, welche unter Verbesserung formeller Mängel in Rauch’s Werkstatt für den Erzguß modellirt wurden. Die schwächste Figur, Thaddäus, wurde von R. neu entworfen (1821–22). Dazu kam der Taufstein in Marmor daselbst mit den vier Evangelisten in Hochrelief. – Die Natur stets als Trägerin eines beseelten Inhalts verwendend, modellirte R. für das Grabmal einer Gräfin v. d. Schulenburg 1821 eine weibliche Figur in antik priesterlicher Gewandung aufwärts blickend, den Oberkörper gegen eine pilasterartige Ara lehnend und die Hände zum Gebet schließend. In Carrara 1823 von E. Franzoni ausgeführt, fand die Statue im Park zu Rippen (Amt Brandenburg in Ostpreußen) ihren Standort.

Ohne einer Reihe von Skizzen zu gedenken, sei die Meisterschaft Rauch’s in der Thierbildnerei besonders hervorgehoben. Seine Denkmäler sind vielfach zur Verstärkung des symbolischen Gehalts oder des architektonischen Gesammteindrucks mit Thierbildungen von stilvoll strenger Gebundenheit ausgestattet. Dem Adler, dem preußischen Wappensymbol, hat er seine mustergültige Gestalt verliehen. Meisterwerke der Art sind auch die ruhenden Hirsche im Thiergarten von Neu-Strelitz und der Löwe auf dem Grabmale Scharnhorst’s (Invalidenfriedhof zu Berlin).

Eine kerngesunde Natur bewahrte R. vor allen Abschweifungen in die Romantik. Er räumte ihr in gutem Sinne einen bescheidenen Platz in seiner Kunst ein durch die anmuthige, vielverbreitete Statuette der Jungfrau Lorenzen von Tangermünde, welche der Sage nach im Walde verirrt, von einem Hirsche in ihre Vaterstadt getragen wurde. – An die romantische Auffassung streift durch die schmuckreiche und ritterliche Tracht die Gruppe der beiden ersten Vorkämpfer des Christenthums in Polen, der Fürsten Mieczyslaw und Boleslaw im Dom zu Posen (1837–40). Der Aeltere ist der Fürst des Friedens, durch den Kreuzstab in der Linken, auf den die Rechte deutet, charakterisirt, während der Sohn in wehrhafter Richtung den Schutz des Glaubens verheißt. Die meisterhafte Broncetechnik und Durchbildung der zierlichen Details, sowie der Gegensatz beider Standbilder verleihen ihrer Gesammterscheinung Wechsel und Leben. Auffassung und Charakteristik zeugen von classischer Kunstanschauung.

Ein Wachsthum zur freieren geistvollen Naturauffassung ist sowol in den unvermeidlichen Büsten der Folgezeit, darunter mehrere für die Walhalla, wie namentlich in dem nach wiederholt durchgearbeitetem Modell hergerichteten Standbilde des Feldmarschalls Grafen Gneisenau wahrnehmbar, eine Weihegabe des preußischen Heeres für die Familiengruft auf dem Gute Sommereschenburg bei Helmstedt (1841).

Von epochemachender Bedeutung für die deutsche Porträtplastik war die Colossalstatue Albrecht Dürer’s, welche die Stadt Nürnberg auf König Ludwig’s Veranlassung ihrem großen Mitbürger 1840 errichten ließ. Die hohe Gestalt des Meisters, mit den edlen Zügen und reichem niederwallendem Haar ist in vornehmster Würde, der kunstgeschichtlichen Stellung ihres Trägers entsprechend, aufgebaut. Die Linke hält vorn den stattlichen Pelzmantel in kräftigen Faltenlagen zusammen, Lorbeerblatt, Pinsel und Stift ruhen in der niederhängenden Rechten. Das broncene Standbild ist von so unmittelbar packender Wirkung, wie sie zumeist nur von einer vollendeten Schöpfung der Natur auszugehen pflegt. Angesichts dieses Werkes beklagte es König Ludwig um so tiefer, daß es ihm nicht gelang, R. und seine Werkstatt dauernd für Baiern zu gewinnen. Die bei der Ausführung der Dürerstatue gemachten unliebsamen Erfahrungen hielten den Künstler von der Annahme einer Berufung ab. Doch förderte er nach Kräften die Kunstinteressen in Baiern und nahm sich energisch der Nürnberger [774] Gießerei in Gemeinschaft mit Burgschmiet, dem Gießer der Dürerstatue an, wie er zuvor in Verbindung mit Stiglmayr die Einrichtung der Münchener Erzgießerei geleitet hatte.

Der ideale Zug, der den beiden letzterwähnten Werken in hohem Grade eigen ist, war zugleich die treibende Kraft, welche den Typus der für den Prachtbau der Walhalla bei Regensburg bestimmten Victoriengestalten ins Leben rief. Durch König Ludwig’s Einsprache zur wiederholten Abänderung seiner ursprünglichen Absichten durch Vereinfachung der äußeren Ausdrucksmittel angeregt, hat R. den Inhalt des Nikebegriffs in einer Folge von sechs blühenden Siegesgöttinnen mit Kränzen individualisirt, welche sinnbildlich die Erwartung, die kühne Theilnahme am Kampfe, die Freude, den Jubel, und Triumph, endlich die Trauer über die Opfer des Krieges darstellen. Veränderte Wiederholungen mit besonders feiner Nüancirung im Ausdruck modellirte R. gleichzeitig im Auftrage des Königs Friedrich Wilhelm’s IV.; von diesen wurden die lebhaft einherschreitende Victoria im Triumph und die den Frieden bringende Siegesgöttin mit Kranz und Palme in Erz gegossen und im Schloßgarten zu Charlottenburg auf hohe Säulen gestellt. Als segnende Friedensgöttin mit dem Attribut des Füllhorns fand die letztere mit der sich krönenden und der trauernden der Walhalla-Victorien ihren Platz im Palais des Prinzen Wilhelm. –

Zu den wenigen Werken Rauch’s, welche die unverhüllte Schönheit der menschlichen Gestalt feiern, gehört die im Auftrage des Kaisers von Rußland angefertigte Modellskizze eines Narciß, durch Lazzarini für den Grafen v. Redern in Marmor übertragen. Es entstand ferner das edle Marmorbild einer Danaide, ein Werk von tiefer Empfindung und vollendetem Reiz, dessen Wiederholung, im Saale der neuen Orangerie bei Potsdam aufgestellt, der König von Preußen anordnen ließ. Die „Euridike, der Musik des Orpheus lauschend“, blieb durch den Tod des Auftraggebers unausgeführt. Dem antiken Kreise gehört auch jenes liebliche Satirknäbchen an, welches im Rosengarten von Charlottenhof auf einer Amphora liegend als Brunnenfigur verwendet ist, sowie das fließend componirte Relief einer bacchischen Scene, deren Fassung in Marmor von R. an Klenze geschenkt, gegenwärtig nicht nachweisbar ist.

Der Idealplastik stehen auch die zum Theil aus der Umarbeitung der Knaben am Franckedenkmal entstandenen anmuthigen Kinderfiguren nahe, die in den Darstellungen des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung gipfeln. R. stiftete die Kleinen in Marmor als Weihegaben in die Kirche seiner Vaterstadt Arolsen. Die geflügelte Mädchengestalt der letzteren arbeitete er später (1855) in einen Knaben um, der mit einer Lotosblume in der Linken, die Rechte mit Sehnsucht nach oben erhebt. Ursprünglich für das Grab seines Bruders, des Castellans, in Bornstädt bestimmt, schmückt das kleine sinnige Standbild jetzt Rauch’s eigene Ruhestätte. – Seine religiöse Empfindung verkörperte R. damals auch in einem Christuskopfe, der in einem Medaillon am Denkmal Niebuhr’s und dessen Gattin auf dem Friedhofe zu Bonn angebracht ist, wo auch der weniger anziehende, um zwanzig Jahre später entstandene Christuskopf für die Grabstätte der Gebrüder Boisserée sich befindet. – Hieran reiht sich noch ein 1832 vollendetes Grabrelief, welches Sir Edward Cooper dem Andenken seiner Gattin in Dublin widmete.

Rauch’s spätere Lebensjahre der künstlerischen Vollreife und des Erfolges wurden bis zu seinem 74. Lebensjahre durch das colossale und gestaltenreiche Denkmal Friedrich’s des Großen in Anspruch genommen. Es galt, die weltgeschichtliche Bedeutung des Monarchen und seiner glänzenden Umgebung in einem ebenbürtigen Monumentalwerke der Zukunft sichtbar zu gestalten. Die [775] Geschichte dieses umfassenden Unternehmens in allen Phasen der Entwicklung hat K. Eggers in Rauch’s Biographie mit Benutzung alles einschlagenden Quellenmaterials eingehend mitgetheilt. Schon seit dem Ableben des Königs (1786) wurden zahlreiche Entwürfe zu einem würdigen Denkmale ausgearbeitet. R. selbst hat 15 Jahre an mühevolle Vorarbeiten verwendet, bevor ihm der auf den ersten Entwurf vom Jahre 1825 zurückgreifende Auftrag definitiv zu Theil wurde. Jener Skizze stand zunächst die Absicht einer Trajanssäule entgegen, an deren Stelle der Meister fünf Jahre später ein Reiterdenkmal mit sechs weiteren Reiterstatuen am Fußgestell entwarf. Den Gedanken einer Säule, vor welcher ein Reiterstandbild des Königs in römischer Tracht beabsichtigt war, veränderte R. in einen neuen Entwurf einer selbständigen Reiterfigur im Zeitkostüm mit den Standbildern seiner Feldherren, den der König mit Ersetzung der letzteren durch die allegorischen Gestalten der vorzüglichsten Regententugenden an den oberen Ecken des Fußgestelles 1839 zur Ausführung genehmigte. Am 1. Juni 1840 wurde der Grundstein gelegt und das Reiterstandbild sofort in Angriff genommen. Friedrich Wilhelm IV. jedoch hielt nach Besteigung des Thrones an dem älteren, bereits populär gewordenen Entwurfe mit den Feldherrengruppen am unteren und den Cardinaltugenden am oberen Fußgestell fest. Unter Mitwirkung zahlreicher Kräfte aus dem Künstler- und Gelehrtenstande, welche die mannichfachsten Aenderungen in Einzelheiten bedingte, ist das Denkmal im wesentlichen nach diesem Plane ausgeführt.

Ueber Granitstufen erhebt sich der gesammte Statuenbau in Erz bis zu 43 Fuß Höhe empor. Auf einem unteren Sockel von Granit mit einer Broncebekrönung ruht der Hauptkern des Piedestals, um dessen Masse sich 21 lebensgroße Statuen gruppiren. Vier hervorragende Heerführer zu Roß halten die stark vorspringenden Ecken inne, während Flachreliefs mit figürlichen Darstellungen auf jeder Seite die Grundflächen des Sockels zieren. Die zahlreichen Kriegshelden des großen Friedrich, die Stützen seiner Kraft und seines Ruhmes, sind durchgehends nach authentischen Porträts im Zeitkostüm dargestellt, von besonders anziehender Wirkung die an der hinteren Schmalseite des Sockels versammelten Männer des Friedens, die Träger und Vertreter der höheren Culturbestrebungen, über welchen die Reliefs segensreicher Genien erscheinen. Die Vorsprünge mit den vier Reiterstatuen werden von mächtig geschweiften Consolen getragen, mit denen sich symbolisch figürlicher Schmuck verbindet. Auf langen Inschrifttafeln, welche den Raum zwischen den vier Ecken ausfüllen, sind die Namen jener verewigt, denen aus Mangel an Platz die statuarische Verherrlichung versagt bleiben mußte. An den Ecken des oberen Sockeltheiles, der durch kräftige Gesimse nach oben und unten begrenzt ist, thronen die Idealstatuen der Herrschertugenden: die Stärke, Gerechtigkeit, Weisheit und Mäßigung. Die zwischen diesen allegorischen Gestalten angebrachten Tafeln mit friesartig wirkenden Reliefs schildern das Werden und Walten des Königs unter dem fördernden Schutze höherer Kräfte. Hoch oben, Alle überragend, erhebt sich das grandiose Reiterstandbild des Königs in seiner auf Jahrhunderte hinaus gebietenden geistigen Kraft und Hoheit. Wie er im plastisch bedeutsamen Königsmantel auf seinem modernen englischen Pferde dasitzt, ist er nach dem Ausspruche H. Grimm’s zwar nicht der ächte alte Fritz, sondern der historisch reconstruirte der neueren Zeit, wie ihn A. Menzel geschaffen.

Bezüglich der gesammten Composition läßt sich ein Mangel an organischem und kräftigem Zusammenhang des Einzelnen mit dem Ganzen nicht verhehlen. Die Verbindung des Plastischen mit dem architektonischen Kern erscheint gelockert und ohne Uebergang. Von diesen und kleineren Mängeln, welche R. nicht verschuldete, abgesehen, ist das Friedrichsdenkmal dasjenige Werk Rauch’s, in [776] welchem seine Kunst gipfelt, und das ihm unter den ersten Meistern aller Zeiten einen dauernden Platz sichert. Mit kühnem Griff ist eine plastische Gesammtwirkung erzielt, für welche im Bereiche des künstlerischen Schaffens sich kein unmittelbares Vorbild darbot. Die Enthüllung des Denkmals am 31. Mai 1851 gestaltete sich zu einer allgemeinen vaterländischen Feier.

Von den nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm’s IV. geschaffenen Werken Rauch’s ist noch in erster Linie das Grabdenkmal des Königs Friedrich Wilhelm III. im Mausoleum zu Charlottenburg (1842–46) zu nennen, welches den entschlafenen Herrscher auf dem Sarkophage ruhend darstellt, bekleidet mit dem die Generalsuniform verhüllenden Feldmantel. – Dem Denkmal der Königin Luise daselbst entspricht in der Anordnung die tiefempfundene Grabstatue ihrer Schwester, der Königin Friederike von Hannover (1843–47), eine Arbeit Rauch’s, in der unverkennbar ein Fortschritt zur freieren künstlerischen Behandlung zu Tage tritt. – Ihr folgt die Grabstatue des Königs Ernst August von Hannover (1852–55) in Husarenuniform und Königsmantel ruhend. – Von den Skizzen mehrerer Fürstenstandbilder gelangte nur die Erzstatue des Großherzogs Paul Friedrich von Mecklenburg für Schwerin in kurzem Waffenrock, mit Hermelinmantel und Friedensschwert (1843–46) zur Ausführung. – Mit dem Blücherdenkmal zu einer herrlichen Gruppe vereint, wurden am 21. Mai 1855 die broncenen Colossalstatuen York’s von Wartenberg (1852–55) und Gneisenau’s (1853–55) enthüllt, jener in energisch selbstbewußter Haltung, mit der Hand am Degengriff, zur That entschlossen, dieser in lebhafter Action des Befehls. Erztafeln mit Inschriften, von Victorien gehalten, schmücken die vorzüglich gegliederten Granitpiedestale.

Mustergültig sind nicht minder die Porträtstatuen Kant’s und Thaer’s, beide in Civiltracht ihrer Zeit und von anspruchsloser Erscheinung. Das Standbild des Philosophen in Königsberg (1856–64) ist in geänderter Vergrößerung nach dem Vorbilde der charakteristischen Gestalt am Friedrichsdenkmal ausgeführt. – Trotz seines hohen Alters vermochte R. der Statue des berühmten Theoretikers der Landwirthschaft, Thaer (1857 modellirt), eine so unmittelbare Frische und mit Hindeutung auf die praktischen Verdienste des Mannes eine so ansprechende Naivetät zu verleihen, wie sie wol nur von einer Künstlerkraft in jüngeren Jahren erwartet wird. – In diesen von den bekanntesten Werken Rauch’s ausgefüllten Zeitraum gehören auch noch mehrere Victoriabüsten und eine erhebliche Anzahl von Porträtbüsten, welche den höchsten Anforderungen individueller Durchbildung Genüge leisten. Von denen, die R. durch Meisterwerke dieser Gattung verherrlichte, sind hauptsächlich zu nennen: König Friedrich Wilhelm IV., die Königin Elisabeth, Hufeland und Staegemann, ferner Ladenberg, Beuth, A. v. Humboldt, Wadczek und Borsig.

Nach einer Lieblingsidee des Königs modellirte R. in seinem vorletzten Lebensjahre die höchst wirksam aufgebaute, mächtige Mosesgruppe nach dem 2. Buche Moses Cap. 17, V. 10–17. Der Gründer des alten Bundes sitzt während der Schlacht seines Volkes mit den Amalekitern betend auf der Höhe. Aaron und Hur stützen die emporgestreckten Arme des Führers. Diese von der gewohnten Thätigkeit des Künstlers abweichende Aufgabe, deren innere Bedeutung einer plastischen Darstellung im Grunde widerstrebt, ist in der Linienführung der Composition wie in der stilistischen Behandlung der energischen Gestalten tadellos gelöst. Auf die Ausführung in Marmor durch den Meister selbst mußte verzichtet werden. Von A. Wolff vollendet wurde die Gruppe in der Vorhalle zur Friedenskirche bei Potsdam aufgestellt. – Unter der Fülle der von R. hinterlassenen Modelle und Vorstudien zu ausgeführten Arbeiten finden sich auch manche in der Skizze verbliebenen Entwürfe vor, u. A. die Gruppe [777] Goethe’s und Schiller’s in Idealtracht vom Jahre 1851. – Das Motiv der Skizze einer Reiterfigur im Kampfe mit einem Löwen benutzte A. Wolff zu seinem Seitenstück der Amazonengruppe von Kiß vor dem alten Museum zu Berlin. –

Bis in sein spätes Greisenalter rüstig und thätig, wandelte R. noch wie ein Jüngling unter seinen Genossen mit frischen und klaren Zügen. Sein schöner und ausdrucksvoller Kopf, der zu vielen Bildnissen Anlaß gab, erweckte den Eindruck, als wenn er aus seinen eigenen Meisterhänden hervorgegangen wäre. In der bekannten Porträtstatue unter den Säulen des Museums zu Berlin hat Drake den Meister in seiner von ächt männlicher Schönheit beseelten Gestalt der Zukunft vor Augen gestellt.

Seit den römischen Tagen bestrebt, den Bildungsgehalt seiner Zeit durch Studium und Gedankenaustausch mit Dichtern, Künstlern und Gelehrten nach Kräften sich anzueignen, ergriff R. mit sichtlicher Liebe jede Gelegenheit, auf Reisen im In- und Auslande von Leben und Kunst der Fremde im weitesten Sinne Kenntniß zu nehmen und sie auf sich einwirken zu lassen. Auf der Höhe seines Lebens angelangt, fand er überall Anerkennung und Bewunderung und trug wie selten ein Künstler seiner Zeit die höchsten Ehren davon. Eine besondere Freude wurde am Lebensabende ihm dadurch zu Theil, daß seine Enkelin Eugenie d’Alton mit Felix Schadow, dem jüngsten Sohne des Altmeisters Schadow sich vermählte. Doch war er nur noch wenige Jahre Zeuge des jungen Glückes.

Seit dem Jahre 1855 leidend, sah er sich zu wiederholten Curen in Karlsbad genöthigt. Im Spätherbst 1857 verschlimmerte sich das Uebel, von dem er durch eine Operation in Dresden befreit zu werden hoffte. Vier Wochen vor Vollendung seines 81. Lebensjahres starb R. daselbst am 3. December 1857. Die Genien des Glaubens, der Liebe und Hoffnung, die seine kunstreiche Hand gebildet, umstanden in der Werkstatt seine irdische Hülle. Die Bildhauerkunst hatte in ihm ihr Haupt verloren. Doch aus seinem Wirken und Schaffen, aus der reichen Saat seiner Werke erblühte in der von ihm begründeten Schule neues Leben.

R. war wie wenige Künstler als Lehrer zu wirken und einen bestimmenden Einfluß zu üben vor allem dadurch berufen, daß er seine Schüler mit unerbittlicher Strenge an das Studium fesselte und seine Lehren durch das eigene Beispiel beglaubigte. Die großen Erfolge seines Künstlerlebens wurzelten in dieser rastlosen Hingebung an die Arbeit. Langsam und sicher zur Meisterschaft heranreifend, bei jedem Werke um die Palme ringend, schuf er auf gründlichem Verständniß für jede Aufgabe eine Fülle von plastischen Werken, welche sein Talent ursprünglich nicht zu gewähren schien. Gewissenhaft auf die Gesetze der natürlichen Erscheinung, auf einen gesunden Realismus bedacht, läuterte er dieses Streben zugleich durch formalen Anschluß an die mustergültige Antike und bethätigte seinen auf das Ideale gerichteten plastischen Sinn. Hierbei soll nicht geleugnet werden, daß manche seiner Werke eine gewisse Kühle athmen und an Uebergewicht der Eleganz leiden. Doch bleibt sein Hauptverdienst ungeschmälert, die äußere Natürlichkeit Schadow’s und Thorwaldsen’s ausschließlichen Classicismus zu einer höheren Einheit verschmolzen zu haben.

Seiner Schule, zu der namentlich Rietschel, A. Wolff, Drake, Wredow, Kiß, Bläser, Afinger, Fr. Tieck, E. Wolff, K. u. L. Wichmann, Schievelbein, Heidel und viele Andere gehören, gebührt das Verdienst, die Principien und Lehren des Meisters für die Plastik unserer Tage nutzbar gemacht zu haben.

Die an öffentlichen Stätten errichteten Monumente Rauch’s sind von dauernder, sittlich erhebender Einwirkung auf das Volk und bilden eine unversiegliche [778] Quelle künstlerischen Genusses. Seitdem vollends am 17. December 1865 im königl. Lagerhause zu Berlin aus dem künstlerischen Nachlasse des Meisters das Rauch-Museum gebildet und eine möglichst vollständige Sammlung seiner Werke in Abgüssen angestrebt und fast erreicht ist, bietet sich für das Studium die beste Gelegenheit zur Vergleichung des Einzelnen unter einander, wie auch eine vortreffliche Uebersicht über die künstlerische Entwicklung Rauch’s in seinen Werken. –

Vgl. Deutsches Kunstblatt, Februar 1858, S. 33–45. – Das Rauch-Museum. Sammlung von Modellen der Werke Christian Rauch’s im königl. Lagerhause zu Berlin, verzeichnet von Karl Eggers. Berlin 1877. – Christian Daniel Rauch von Friedrich und Karl Eggers. 4 Bde. Berlin 1873–1887. – Kunst und Künstler des 19. Jahrhunderts: Joh. Gottfr. Schadow und Christian Daniel Rauch von Karl Eggers. Leipzig 1882.

[765] *) Zu Bd. XXVII, S. 387.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: verananschaulicht