ADB:Thaer, Albrecht Daniel
Voltaire gehaltene französische und englische Lectüre, während er den altclassischen Sprachen erst in den letzteren Jahren der Schulzeit ein größeres, durch Privatunterricht belebtes Interesse gewidmet sein ließ. Im Alter von 18 Jahren schloß er mit der Schulbildung ab und begab sich nach Göttingen, um dort Medicin zu studiren. Von dem üblichen Studiengange abweichend, befolgte er eine dem eigenen Streben entsprechende Richtschnur, suchte durch Privatstudien diejenigen Collegia zu ersetzen, welche ihn nicht befriedigten und lebte in den ersten Semestern ungezwungen nach studentischer Weise. Bald indeß wieder von seiner großen Neigung zum Philosophiren ergriffen, separirte er sich, um mit einigen Gesinnungsgenossen einen engeren Cirkel zu bilden, in welchem er namentlich mit Johann Anton Leisewitz einen intimeren Verkehr führte. Schon früh als Assistenzarzt bei Professor Schröder verwendet und nach dessen Tode auch bei Baldinger in gleicher Eigenschaft functionirend, beschäftigte er sich viel mit der Behandlung der ihm zugänglich gewordenen Patienten und bewies dabei vorzügliche Beobachtungsgabe, sowie großen Scharfsinn in seinen Conclusionen. Er begnügte sich nicht mit den Anschauungen der damals herrschenden medicinischen Schule, sondern suchte im Wege der Forschung wie der Reflexion das Wesen der Krankheit tiefer zu erfassen und darnach auch die Regeln der Heilkunde zu [637] modificiren. Mit dem Vertrauen und der Werthschätzung seiner Lehrer beglückt schritt er gegen Ende des vierten Studienjahres zur Doctorpromotion, welche er auch mit Auszeichnung auf Grund seiner von neuen Auffassungen getragenen Dissertation: „de actione systematis nervosi in febribus“ erlangte. Auf den Wunsch seines Vaters ging er zunächst nach Celle zurück, um dort bis auf weiteres in dem Bereiche der väterlichen Praxis mitzuwirken. Diese Aufgabe gewährte ihm jedoch wenig Befriedigung, da sie ihn nicht selten schwere innere Kämpfe bestehen ließ, wenn er sich genöthigt sah, entweder gegen seine Ueberzeugung zu handeln und seine wissenschaftlichen Principien zu verleugnen, oder mit den Methoden der älteren, auf ihre Erfahrungen gestützten Aerzte zu brechen. Unter solchen Umständen konnte er sich in Celle nicht behaglich fühlen, und wenn er auch seinen medicinischen Studien weitere Ausdehnung geben oder sich wieder in philosophischen und metaphysischen Betrachtungen ergehen mochte, so mußte ihm doch eine Befreiung aus jenen Schranken erwünscht sein. Da erhielt er durch seinen Freund Leisewitz, mit dem er einen lebhaften Briefwechsel geführt hatte, die willkommene Aufforderung zu einer gemeinschaftlichen Reise nach Berlin, um dort in einen Kreis neuer Beziehungen zu treten. Mit Empfehlungen von Lessing ausgerüstet, begaben sich die beiden Freunde im Herbste 1776 nach der preußischen Metropole, in deren Gelehrtenkreisen beide schon dem Namen nach bekannt geworden waren. Obwol ihr Aufenthalt dort nur drei Monate währte, so fühlte sich Th. doch durch den anregenden Verkehr mit wissenschaftlichen Capacitäten, sowie durch die ihm in den ersten Classen der Gesellschaft entgegengebrachten Sympathien sehr angezogen, und besondere Genugthuung gewährte es ihm, von verschiedenen Seiten zur Uebersiedelung nach Berlin aufgefordert worden zu sein. Auf seiner Rückkehr nach Celle besuchte er auch Lessing in Wolfenbüttel und nahm die herrlichsten Eindrücke von dem fesselnden Charakter wie von der geistigen Erleuchtung dieses Mannes mit. Nur noch kurze Zeit hatte er in Celle neben seinem bejahrten Vater die ärztliche Praxis auszuüben, und während der letztere sich mehr auf die amtlichen Functionen beschränkte, so durfte jener nunmehr auch als Arzt nach freiem Ermessen schalten und walten. Durch seine überall bezeugte Tüchtigkeit und Gewissenhaftigkeit gewann er sehr bald Ansehen und Beliebtheit und wurde namentlich seitens der vornehmeren Familien als Hausarzt sehr geschätzt. Nach dem 1778 erfolgten Tode seines Vaters wurde er mit dem Amte des Stadtphysicus betraut und bald darauf auch zum kurfürstlich hannoverschen Hofmedicus ernannt. Im Jahre 1786 vermählte er sich mit Philippine v. Willich, einer Tochter des Vicepräsidenten vom Appellationsgerichte, welche durch ihre vorzüglichen Charaktereigenschaften und Geistesgaben nicht nur des Gatten häusliches Glück zu begründen, sondern auch die sociale Position desselben zu heben vermochte. Zur Verschönerung seines Privatlebens erwarb er sich demnächst ein vor dem Hehlener Thore bei Celle belegenes Landhaus mit Garten, wo ihm bald die Einrichtung und Pflege der Gartenculturen eine Lieblingsbeschäftigung für seine Mußestunden bot.
Thaer: Albrecht Daniel Th., Dr. med., kurfürstlich hannoverscher und königlich englischer Hofmedicus in Celle, später königlich preußischer Geheimrath, Mitglied des Staatsrathes, Professor der Cameralwissenschaften zu Berlin und Director der königlich akademischen Lehranstalt des Landbaues in Möglin, Ritter hoher Orden und Ehrenmitglied vieler gelehrten und ökonomischen Gesellschaften, † zu Möglin am 26. October 1828. Als der einzige Sohn des kurfürstlich hannoverschen Hofmedicus Dr. Joh. Friedrich Th. in Celle am 14. Mai 1752 geboren, verlebte er die Zeit des ersten Jugendalters im elterlichen Hause, wo er wegen Kränklichkeit bis zum 13. Jahre von Hauslehrern unterrichtet wurde. Schon in früher Kindheit durch den Tod seiner Mutter hart betroffen, mußte er großentheils der Erziehung durch Hauslehrer überantwortet werden, da auch sein dienstlich vielfach in Anspruch genommener Vater ihn nicht consequent überwachen konnte. Phantastisch und sentimental angelegt nahm er eine schwärmerische Gemüthsrichtung an, welche später unter dem Einfluß der freigeistigen Tendenz seines Sprachlehreres Ferry noch weitere Geltung erlangte und ihn selbst auf den Standpunkt eines Freidenkers führte. An der Schule fesselte ihn hauptsächlich der Unterricht in der Mathematik und Geschichte, sowie die im Geiste einesUm jene Zeit stellten sich auch die ersten Anlässe zu einer Wendung in seinem Lebensgange ein; die ärztliche Praxis gewährte ihm ungeachtet des bereits erworbenen Rufes keine Befriedigung mehr, denn die Unzulänglichkeit der medicinischen Kenntnisse und Hülfsmittel bereitete ihm manche peinliche Sorge und aus seinem Mitgefühl für die darunter am meisten leidenden Patienten erwuchsen ihm oftmals bittere Qualen. Vergeblich bemühte er sich, durch Studien und Forschungen gegen jene Hemmnisse anzukämpfen, aus den hin und wieder in der Praxis erzielten Erfolgen konnte er keine Berufsfreudigkeit wiedergewinnen und so wurde das Verlangen bei ihm rege, seine Kräfte ehestens anderen Berufsaufgaben widmen zu dürfen, um in einer durch solche Fesseln [638] nicht gebundenen Wirksamkeit mehr für das Wohl seiner Mitmenschen thun zu können. Die Verwirklichung dieses Wunsches suchte er nunmehr auf dem Gebiete der Landwirthschaft zu erreichen; er hatte seit 1784 als Mitglied des engeren Ausschusses der königlichen Landwirthschaftsgesellschaft zu Celle vielfach Gelegenheit gehabt, sich einen Einblick in die landwirthschaftlichen Verhältnisse zu verschaffen und deren große Mißstände kennen zu lernen. Im Vertrauen auf seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse, sowie auf die ihm zur Benützung zugänglichen litterarischen Quellen und auf seinen eigenen Scharfblick fühlte er sich daher berufen, die Hebung der landwirthschaftlichen Zustände seiner Heimath zur nächsten Hauptaufgabe seines Lebens zu machen. Dieser Absicht gemäß kaufte er nun einen Complex von Grundstücken in der Nähe seines Landhauses, errichtete daselbst die nöthigen Baulichkeiten und stellte auch die erforderlichen Viehstände auf, um mit diesen Fonds einen kleinen landwirthschaftlichen Betrieb nach rationellem System ins Werk setzen zu können. Zwar mußte er anfänglich dabei mit vielen Schwierigkeiten kämpfen und infolge des Mangels an Erfahrungen aus der landwirthschaftlichen Praxis auch manche Einbußen erleiden, allein er hatte doch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewirthschaftung des Bodens richtig erkannt und konnte von Jahr zu Jahr mehr Beweise für die Richtigkeit der von ihm adoptirten Principien darbringen. Durch zweckmäßige Cultivirung des Bodens und durch Einführung des Fruchtwechsels im Feldbau wußte er die Erträge der Ländereien zu heben und eine vermehrte Futterproduction zu sichern, durch Einführung der Stallfütterung bei der Haltung von Nutzviehständen bewirkte er zugleich eine Steigerung ihrer Nutzungen, sowie die Vergrößerung der Düngerproduction, und damit war der Erhaltung der Fruchtbarkeit des Bodens wieder Vorschub geleistet. Diese wirthschaftlichen Resultate erregten daher sehr bald das Interesse der Landwirthe von nah und fern, und es gingen ihm viele Aufforderungen zur Abgabe von Gutachten über landwirthschaftliche Verhältnisse zu. Unter solchen Umständen fand Th. auch bald Veranlassung, als landwirthschaftlicher Schriftsteller thätig zu sein; die erste Schrift von ihm, welche in den Fachkreisen weitere Aufklärung verbreiten sollte, erschien 1791 unter dem Titel: „Unterricht über den Kleebau und die Stallfütterung für den lüneburgischen Landwirth“, auch wurden verschiedene von ihm ausgearbeitete Commissionsgutachten in der Festschrift zur Saecularfeier der königlichen Landwirthschaftsgesellschaft veröffentlicht. Als Ergebniß seiner litterarischen Studien schrieb er 1798 seine „Einleitung zur Kenntniß der englischen Landwirthschaft“, begann im Jahre darauf mit der Herausgabe der „Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft“, lieferte 1800 eine neue Bearbeitung von Bergen’s „Anleitung zur Viehzucht mit Zusätzen und Berichtigungen“, verfaßte 1803 eine „Beschreibung der nutzbarsten neuen Ackergeräthe“ und gab eine Uebersetzung von Benjamin Bell’s „Essays on agriculture“ heraus.
Während dieser Zeit hatte er seine ärztliche Praxis immer mehr eingeschränkt und suchte dem medicinischen Berufe ungeachtet seiner Ernennung zum königlichen Leibarzt durch Georg III. von England hauptsächlich nur durch Ausübung seiner amtlichen Functionen Rechnung zu tragen, dagegen widmete er sich theils mehr den naturwissenschaftlichen und nationalökonomischen Studien, theils der weiteren Information im Bereiche der landwirthschaftlichen Praxis, um zur Förderung des Landbaues noch besser befähigt zu werden. Zufolge der von verschiedenen Seiten erhaltenen Einladungen unternahm er mehrere Reisen nach Holstein, Mecklenburg und Brandenburg, wo er manche Wahrnehmungen zur Erweiterung seines Gesichtskreises, wie zur besseren Begründung seiner Auffassungen machen und wichtige persönliche Beziehungen anknüpfen konnte. Da sein Landgut vielfach von Landwirthen Deutschlands und benachbarter Staaten aufgesucht wurde, [639] um daselbst eine Quelle der Belehrung zu finden, so begann er 1802 mit einigen Vorlesungen, welche für einen engeren Kreis von Landwirthen berechnet waren. Der Erfolg dieser Lehrthätigkeit bestärkte ihn in dem Entschluß, ein landwirthschaftliches Lehrinstitut auf breiterer Basis zu gründen und solches nach den Erfordernissen eines umfassenden Studiums auszurüsten. Aber die dortigen localen Verhältnisse, sowie die Zeitumstände erwiesen sich nicht günstig für die Ausführung eines solchen Planes, die Besetzung Hannovers durch die Franzosen mußte den Gedanken an eine Subventionirung durch den Staat illusorisch machen, und Th. kam zu der Ueberzeugung, daß er ein anderes Operationsfeld für sich zu wählen habe. Wiewohl er zunächst auf die Pachtung des Domänenamtes Wehnde bei Göttingen reflectirte und für das in Aussicht genommene Lehrinstitut eine gedeihliche Entwickelung durch dessen Verbindung mit der Universität zu sichern hoffte, so wurde ihm dieser Plan durch ablehnende Haltung der hannoverschen Behörde vereitelt. Inzwischen hatte er aber auch durch seinen ausgebreiteten Ruf das Interesse des Königs Friedrich Wilhelm III. für sich gewonnen und war zu wiederholten Malen durch Cabinetsschreiben mit Anerkennungen von demselben ausgezeichnet worden. Gleichzeitig wurde er auch durch den preußischen Staatskanzler, Freiherrn v. Hardenberg, der ihm noch aus der Göttinger Studienzeit befreundet geblieben war, privatim aufgefordert, nach Preußen zu übersiedeln, wo ihm bessere Aussichten für die Durchführung seines Reformwerkes eröffnet werden könnten. Da nun schon die Reiseeindrücke, welche Th. in der Mark Brandenburg aufgenommen hatte, sowie die von den dortigen Grundbesitzern ausgegangenen Anregungen gleichfalls dafür sprachen, so ließ er sich bereit finden, seinen Wirkungskreis unter gewissen Bedingungen für die Sicherung seines Lehrberufs nach Preußen zu verlegen. Infolgedessen wurde er durch königliches Decret vom 19. März 1804 zum königlich preußischen Geheimrath, sowie zum Mitgliede der physicalischen Abtheilung der Akademie der Wissenschaften in Berlin ernannt und zur Gründung eines landwirthschaftlichen Lehrinstituts im preußischen Staate autorisirt, für welchen Zweck ihm sofort ein angemessenes Areal im Oderbruche als Erbpachtgut gegen Entrichtung des etatsmäßigen Canons überwiesen war. Da die Lage dieses Areals ihm nicht besonders geeignet erschien, machte er von der Befugniß, dasselbe zu verkaufen, Gebrauch und erwarb das Gut Möglin bei Wriezen an der Oder. Nachdem er noch eine kurze Frist zur Regelung seiner Verhältnisse in Celle benützt und seine dortige kleine Lehranstalt aufgehoben hatte, zog Th. mit Familie und in Begleitung seines Mitlehrers Einhof aus der alten Heimath fort, um seinen Wohnsitz auf dem Gute Möglin zu nehmen und sich dort ganz dem intendirten Reformwerke zu widmen. Wider Erwarten gerieth er jedoch sehr bald in eine mißliche Lage, da er gegen Mißgeschick aller Art anzukämpfen hatte. Schon beim Umzuge durch den Verlust seiner sämmtlichen Manuscripte und einiger werthvoller Sammlungen hart betroffen, wurde er auch durch verschiedene wirthschaftliche Calamitäten in den ersten Jahren heimgesucht, durch Neuerungen in dem Wirthschaftsbetriebe zu manchen Einbußen genöthigt und außerdem durch die baulichen Aufwendungen für die Errichtung des neuen Lehrinstitutes stark in Anspruch genommen. Dazu kam noch die Bedrückung durch die französische Occupation, welche den Rest von Kräften zu absorbiren drohte, so daß er seinen Ruin vor Augen zu haben glaubte. Dennoch arbeitete er mit ungebrochenem Muthe an seinen organisatorischen und wissenschaftlichen Aufgaben weiter, vermochte mit geringen Mitteln doch an der Hebung der Gutswirthschaft, wie an dem Ausbau und der Pflege seiner Lehranstalt fortzuwirken und durfte bereits im J. 1808 die Aufforderung zur Abhaltung einer Versammlung von distinguirten Landwirthen in Möglin ergehen lassen, um von seinen wirthschaftlichen Einrichtungen und [640] Erfolgen, von seinen weiteren Plänen wie von dem Gedeihen des neuen Lehrinstitutes Zeugniß abzulegen. Bald darauf zum ordentlichen Staatsrath an dem Ministerium des Innern ernannt, mußte er auch eine Mitwirkung auf dem Gebiete der Agrargesetzgebung übernehmen und sich namentlich bei der Lösung der wichtigen Aufgaben betheiligen, welche die Legalisirung der freien Verfügung über den Grundbesitz und die Befreiung des Bauernstandes zum Zwecke hatten. Im J. 1810 wurde er noch mit einer Professur für Cameralwissenschaften an der neuerrichteten Universität zu Berlin betraut und sah sich infolgedessen zur Theilung seiner Lehrthätigkeit genöthigt, so daß er seitdem in den Wintersemestern an der Universität und während der Sommersemester in Möglin docirte. Hatte er schon seit 1805 eine Zeitschrift unter dem Titel: „Annalen des Ackerbaues“ (resp. „Annalen der Fortschritte der Landwirthschaft“) herausgegeben, deren Fortsetzung von 1812 an als „Möglin’sche Annalen der Landwirthschaft“ bezeichnet wurde, so vollendete er auch inzwischen bis 1812 die Ausarbeitung seiner „Grundsätze der rationellen Landwirthschaft“, womit er sein Hauptwerk, das noch heute als bezeichnend für den Standpunkt der Thaer’schen Schule gelten kann, den Berufsgenossen übergab. Daneben verfaßte er einige kleinere Schriften und Abhandlungen, welche theils landwirthschaftlich technischen Inhaltes, wie: „Versuch der Ausmittelung des Reinertrags der Grundstücke“ Berlin 1813, und der „Leitfaden zur allgemeinen landwirthschaftlichen Gewerbelehre“ 1815, theils rein wissenschaftlicher Tendenz waren. Der letzteren Richtung entsprachen sein in der Berliner Akademie der Wissenschaften gehaltener Vortrag: „Ueber die Gesetze der Natur, welche der Landwirth bei der Veredlung seiner Hausthiere beobachtet hat und befolgen muß“, sowie die Abhandlungen: „Ueber die sich fortpflanzenden Abarten der cultivirten Pflanzen“ 1813, und „Gegenwärtiger Standpunkt der Theorie über den Ertrag und die Erschöpfung der Ernten im Verhältniß zum Reichthum des Bodens“. Außerdem sind noch verschiedene Schriften von ihm behufs Regelung der damaligen Agrargesetzgebung verfaßt worden, von welchen besonders zu erwähnen sind: „Entwurf zu einer vollständigen neuen Gemeinheitstheilung“ 1809, sowie die „Amtliche Instruction für die Generalkommissarien und Oeconomiecollegien“, welche in Verbindung mit den von ihm ausgearbeiteten Edicten von 1811: „Zur Beförderung der Landescultur“ und „Zur Regelung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“ erschien und noch durch seinen 1815 gedruckten „Entwurf einer Instruction, nach welcher die Abschätzungsprincipien von den erwählten ökonomischen Deputationen für jeden Kreis bestimmt werden sollten“, ergänzt wurde. Durch eine so vielseitige Inanspruchnahme genöthigt, für eine thunliche Entlastung zu sorgen, ließ sich Th. seit 1815 theils durch Professor Franz Körte in seiner Lehrthätigkeit vertreten, theils durch seinen aus dem Kriege verwundet heimgekehrten jüngsten Sohn bei der Wirthschaftsführung unterstützen, auch gab er im J. 1819 seine Lehrthätigkeit an der Universität gänzlich auf, um fortan seine Thätigkeit für Möglin zu concentriren. Seit dieser Zeit wurde dem dortigen Institute das Prädicat: „königlich akademische Lehranstalt des Landbaues“ verliehen. Wiewohl Th. schon in früheren Jahren sich mit tieferem Verständniß den Aufgaben im Bereiche der Thierproduction zugewandt und namentlich in der Schafzucht und Wollproduction eine erfolgreiche Thätigkeit entfaltet hatte, so durfte er nunmehr in dieser Richtung, wo es galt, den erst kurz zuvor nach Deutschland versetzten Zweig der Merinozucht zu hoher Einträglichkeit zu bringen, noch eine Hauptaufgabe als Züchter und Wollproducent sich stellen. Von wissenschaftlicher Auffassung geleitet vermochte er binnen relativ kurzer Zeit eine solche Veredelung der von ihm gehaltenen Merinoschafe im Wege der Züchtung herbeizuführen, daß ein hoher Grad von Ausgeglichenheit und eine derzeit unübertroffene Vollkommenheit in der Wollqualität bei seiner Zuchtheerde [641] erreicht wurde. So war der Mögliner Merinostamm schon zu Anfang der 20er Jahre auf den Gipfelpunkt in der Production edler Wolle gehoben, und Th. galt als eine der ersten Autoritäten auf diesem Gebiete; ihm wurde nicht nur in dem Verein deutscher Wollzüchter entscheidende Competenz zugestanden, sondern auch durch den 1823 nach Leipzig berufenen Wollzüchterconvent unbedingte Anerkennung und dankbarliche Verehrung gezollt. Seinem gemeinnützigen Streben gemäß war er auch darauf bedacht, die Resultate seiner bezüglichen Ermittelungen und Erfahrungen litterarisch darzulegen, indem er schon 1816 eine Abhandlung über „Die Abarten der Merinoschafe, ihre Entstehung und Vervollkommnung“ publicirte und 1825 eine Schrift: „Ueber Wolle und Schafzucht“ als neue Bearbeitung eines französischen Werkes von Perault de Jotemps herausgab.
Nachdem Th. schon 1817 anläßlich seines Ausscheidens aus dem Staatsrathe mit dem Rothen Adlerorden III. Classe ausgezeichnet und 1819 zum Geheimen Ober-Regierungsrathe ernannt, als solcher auch öfters von dem Ministerium oder dem Könige in Anspruch genommen war, wurden ihm bei Gelegenheit seines 1824 gefeierten Doctor-Jubiläums noch die erhebendsten Ehrenbezeugungen dargebracht. Eigenhändige Gratulationsschreiben von den Königen von Preußen und Württemberg, Ordensdecorationen von den Regenten Bayerns, Württembergs und Sachsens, poetische Lobpreisungen ehrten den Jubilar vor der ganzen Welt, wie ihm die Ernennung zum Ehrenmitgliede seitens vieler gelehrten Gesellschaften und ökonomischen Vereine Deutschlands als schätzbare Anerkennung seines ruhmvollen Namens gelten durfte; aber nicht um Ruhm geizend fühlte er sich wohl am meisten beglückt durch die vielen Beweise inniger Dankbarkeit und Verehrung, welche ihm aus den Kreisen von Freunden, Schülern und Angehörigen gespendet wurden. Da er seit mehreren Jahren wiederholt von rheumatischen Beschwerden heimgesucht war, enthielt er sich nunmehr der ihn nach außen ziehenden Thätigkeit und wandte sich der Sorge für die Zukunft seines Institutes zu, indem er seinen jüngsten Sohn Albrecht Philipp zum Nachfolger im Lehrberufe wie in der Bewirthschaftung seines Grundbesitzes instruirte. Dabei war er immer noch litterarisch als Herausgeber der Möglin’schen Annalen thätig und nahm auch regen Antheil an allen für das Gedeihen der Landwirthschaft wichtigen Vorgängen. Durch ein schmerzliches äußeres Leiden im Winter 1827 auf das Krankenlager geworfen, suchte er noch im Besitz geistiger Frische seine Lehrthätigkeit beharrlich fortzusetzen und ertrug die schwere Heimsuchung mit Ergebung bis seine Kraft durch ein im Frühjahre 1828 hinzugetretenes Gehirnleiden gebrochen und seinem Wirken ein Ende bereitet wurde. – Er war die erste Autorität, welche dem landwirthschaftlichen Gewerbe eine wissenschaftliche Basis zu geben suchte; ein Reformator auf dem Gebiete der Agrarverfassung war er unablässig darauf bedacht, die Landwirthschaft von schweren Fesseln und Mängeln zu befreien, er stand auch als Vorkämpfer für den rationellen Betrieb in den Reihen der competenten Praktiker da. Obschon anfänglich von Landwirthen vielfach verkannt und namentlich von Praktikern mit Mißtrauen betrachtet bezw. abfällig beurtheilt ging er unbeirrt, aber stets kritisch beobachtend seinen mit erleuchtetem Scharfblick erfaßten Zielen nach, und er erntete für sein uneigennütziges, mit reichen Erfolgen gekröntes Wirken den seltenen Dank, daß er von den Berufsgenossen als der von weitgreifender Fürsorge beseelte „Vater Thaer“ geehrt wurde. Noch heute können die ihm in Celle, Berlin und Leipzig gesetzten Denkmäler ein ehrenvolles Zeugniß von solcher Gesinnung geben.
- Vgl. W. Körte, Albrecht Thaer. Sein Leben und Wirken als Arzt u. Landwirth. Leipzig 1839. – Desgl. Thaer’s Grundsätze der rationellen Landwirthschaft, neue Ausgabe. Berlin 1880.