ADB:Baldinger, Ernst Gottfried

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Artikel „Baldinger, Ernst Gottfr.“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 4–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baldinger,_Ernst_Gottfried&oldid=- (Version vom 15. Oktober 2024, 03:05 Uhr UTC)
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Baldinger: Ernst Gottfr. B., Arzt, geb. 13. Mai 1738 in Groß-Vargula (einem Dorfe in der Nähe von Tennstädt, Kreis Langensalza) † 21. Jan. 1804. Von seinem Vater, einem evangelischen Pfarrer zum Studium der Theologie bestimmt, bezog er 1754 die Universität von Erfurt, wandte sich hier aber, von einer entschiedenen Neigung für das Studium der Medicin beherrscht, dieser Wissenschaft zu, studirte später in Halle und Jena, wo er 1760 den medicinischen Doctorgrad erwarb, mit großem Beifall Privatvorlesungen über Medicin hielt und den Entschluß faßte, sich in Erfurt als Docent zu habilitiren; beim Wiederausbruch des Krieges 1761 jedoch trat er als Militärarzt in preußische Dienste, machte als solcher die Belagerung von Torgau mit und erlangte später die Genehmigung seiner Vorgesetzten, seine Studien in Wittenberg wieder aufzunehmen. 1768 habilitirte er sich in Langensalza als Arzt und machte sich nicht nur durch seine praktische Thätigkeit, sondern auch durch seine schriftstellerischen Leistungen, besonders durch seine Schrift „Von den Krankheiten der Armee etc.“, Langensalza 1765 (früher lateinisch „De militum morbis etc.“, Wittenberg 1763) so vortheilhaft bekannt, daß er 1768 einen Ruf als Prof. ord. nach Jena erhielt; 1773 wurde er nach Göttingen berufen, 1783 vom Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Cassel zum Dirigenten der Medicinal-Angelegenheiten des Landes und zum Leibarzte ernannt, und folgte 1785 einem Rufe als erster Professor der Medicin nach Marburg, wo ihm die Mission zufiel, in Gemeinschaft mit Stein, Michaelis u. A. der in tiefen Verfall gerathenen Facultät neuen Glanz zu verleihen, wozu ihm bedeutende Mittel zur Ausbesserung einzelner und neuer Anlage anderer wissenschaftlicher Institute zu Gebote gestellt wurden. Dieser Aufgabe unterzog sich B. mit dem größten Eifer: das anatomische Theater wurde umgebaut, der botanische Garten vergrößert, ein chemisches Laboratorium neu gegründet, ein Hebammen-Institut und eine Thierarzneischule angelegt – inmitten dieser rastlosen Thätigkeit ereilte B. aber der Tod.

Trotz mancher Schattenseiten in Baldinger’s Charakter wird die Geschichte ihm einen Platz unter den bedeutendsten ärztlichen Gelehrten seiner Zeit einräumen müssen; er schrieb viel, seine Schriften wurden gerne gelesen, und so war es ihm möglich, bei seinen Zeitgenossen einen Sinn für das Studium der alten classischen Medicin, für medicinische Litteraturgeschichte und andere dahin gehörige Gegenstände, für die er ein specielles Interesse hatte, zu erwecken; er hatte das Glück, ausgezeichnete Schüler – Arnemann, J. C. G. Ackermann, Blumenbach, Sömmering, Meckel u. A. – um sich zu versammeln, auf welche er dieses sein Interesse übertrug und die den von ihm eingeschlagenen Weg weiter verfolgten. Seine sehr zahlreichen Schriften (vgl. das Verzeichniß derselben in Creuzer’s Memoria Baldingeri, Marb. 1804. 4, einen ziemlich vollständigen Auszug daraus in Biogr. med. I. 520) gehören verschiedenen Gebieten der Heilkunde an; eine der ersten und bedeutendsten Arbeiten ist das oben erwähnte Werk über die Krankheiten der Armee nach den in den J. 1761–62 gemachten Beobachtungen, [5] sodann ist B. seit 1766 als Herausgeber verschiedener Zeitschriften thätig gewesen, in welchen er eine Fülle kritischer und historisch-litterarischer Artikel aus seiner Feder niedergelegt hat (so namentlich „Magazin für Aerzte“ in 20 Bdn. Leipz. 1795–1799 und „Medicinisches Journal“. Gött. 1784–96), ferner hat er mehrere Sammlungen kleinerer, werthvoller Schriften und Dissertationen theils vollständig (so namentlich „Sylloge select. opuscul. argumenti med.-pract. VI tomi“. Götting. 1776–82. 8), theils in Auszügen veröffentlicht; ein specielles Interesse hat er biographischen Mittheilungen und der Litteraturgeschichte zugewendet und neben einer großen Zahl von Gelegenheitsschriften vermischten Inhaltes einige kritische Untersuchungen zur älteren Medicin (eine Habilitationsschrift vom J. 1768 in Jena handelt „de lectione Hippocratis, medicis summe necessaria“) veröffentlicht.