ADB:Schievelbein, Friedrich Anton Hermann

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Artikel „Schievelbein, Friedrich Anton Hermann“ von Lionel von Donop in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 188–191, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schievelbein,_Friedrich_Anton_Hermann&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 19:18 Uhr UTC)
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Schievelbein: Friedrich Anton Hermann S., Bildhauer, wurde am 18. November 1817 zu Berlin als der jüngste Sohn eines Tischlermeisters geboren. Seiner Eltern beraubt, fand der verwaiste Knabe in der Familie einer älteren Schwester liebevolle Aufnahme. Der Landschaftsmaler Trautmann ertheilte ihm den ersten gründlichen Unterricht in der Kunst und erweckte in ihm die Lust, Maler zu werden. Später besuchte er die Akademie seiner Vaterstadt und trat als Schüler in die Werkstatt des Bildhauers Ludwig Wichmann, unter dessen fürsorglicher Anleitung sein Talent sich schnell entwickelte.

Seine erste Marmorarbeit aus dem Jahre 1836 war das als Lichtschirm bestimmte Porträtmedaillon der Fürstin von Liegnitz, auf der Rückseite mit der Darstellung der drei Künste nach einem Modell seines Lehrers. Auf der akademischen Ausstellung von 1838 sah man von S. zwei anmuthige Statuetten, Porträts des Frl. Charlotte v. Hagn als Gretchen in Goethe’s Faust und des Frl. Sophie Löwe im Costüm der Oper „Der Postillon von Lonjumeau“. Nachdem der junge Künstler drei Jahre lang unter Wichmann gearbeitet hatte, folgte er einem Rufe des Bildhauers Herrmann nach St. Petersburg, wo er bei gutem Verdienste zahlreiche decorative Arbeiten zu übernehmen hatte und in technischer wie in allgemein künstlerischer Richtung sich weiter auszubilden Gelegenheit fand. Zur plastischen Ausschmückung des Concertsaales in dem neuerbauten Winterpalais lieferte er mehrere Musenstatuen, dann den größten Theil eines Frieses, die Nacht mit ihren Träumen darstellend, ferner eine Reihe von Kindergestalten im Alexandersaal und mehrere Götterfiguren in den Zwickeln der dortigen Bögen. Für die Isaakskirche modellirte er die zahlreichen in Bronce gegossenen und vergoldeten Engel auf der Galerie, welche die Kuppel umgibt.

Nach vorübergehendem Aufenthalte in seiner Vaterstadt kehrte S. auf einige Zeit nach St. Petersburg zurück, um in Verbindung mit Herrmann noch einige Arbeiten für das Leuchtenbergische Palais auszuführen. Außerdem schuf er dort selbständig verschiedene Werke für russische Privatleute, Anstalten und Kirchen.

Inzwischen errang S. 1841 in der Concurrenz um den Staatspreis bei der Akademie der Künste in Berlin den Sieg. Die Aufgabe war die Darstellung der Merope, Königin von Messene, welche im Begriff, ihren Sohn Aegytos unerkannt zu tödten, von dem alten Erzieher des Kindes in ihrem Vorhaben gehindert wird. Der Sieger erwarb damit das Stipendium einer dreijährigen Studienreise nach Italien. Zugleich erging an den jungen Künstler die ehrende Aufforderung, sich an der Concurrenz um eine der Gruppen, welche die Berliner Schloßbrücke schmücken, zu betheiligen. Als er 1843 in Rom verweilte, erhielt er den Auftrag zur Ausführung seiner Skizze und kürzte infolge dessen seinen Aufenthalt im Süden um zwei Jahre ab. Die Modell- und Marmorarbeit beschäftigte ihn neben anderen Arbeiten bis zum Jahre 1853. Aus seiner Gruppe „Pallas Athena den Krieger im Gebrauch der Waffen unterrichtend“, leuchtet ein feines, durch das Studium der Antike geläutertes Schönheitsgefühl. Die Bewegung des unbekleideten Jünglings, der zum Lanzenwurf ausholt, steht im wirksamen Gegensatz zur Ruhe und Würde der Göttin, welche mit leichter Hand den Schaft richtet.

Als mit der Regierung Friedrich Wilhelm’s IV. ein regeres Kunstleben begann, wurde auch S. vielfach beschäftigt. Außer kleineren Arbeiten lieferte er 1844 auf Wichmann’s Veranlassung für den Bau des königl. Opernhauses ein Modell, die Muse Erato darstellend. Im folgenden Jahre entstanden seine [189] Bildhauerarbeiten zur damaligen Prunkkammer des königl. Schlosses zu Berlin, zwei Reliefs zum Kamine „Minerva mit einem Giganten kämpfend“ und „Tritonen mit einer Muschel“, ferner acht Medaillons zu den Thüren mit den vier Jahreszeiten und Elementen, sowie sechs Köpfe in Medaillons: Vulkan und Venus, Pluto und Proserpina, Neptun und Amphitrite. Hieran schlossen sich 1846 zur Ausschmückung der Paradekammer des Schlosses zwei Köpfe, Paris und Helena und das Modell zu einem Wandleuchter: Knaben Schwäne zügelnd. –

Die dem Talente Schievelbein’s entsprechendsten Aufgaben lagen im Bereiche der Idealplastik, zu der auch der große, in Stuck ausgeführte figürliche Relieffries (200 Fuß lang, 5 Fuß hoch) im griechischen Hofe des Neuen Museums mit der Schilderung der Zerstörung von Pompeji und Herkulanum gehört. Diesen um die vier Hofwände sich herumziehenden Reliefbildern, eine Schöpfung von großem Reichthum poetischer Erfindung, ist ein unzureichender Standort angewiesen, der das Werk nicht zur Geltung gelangen läßt. Die Formgebung des zum Theil frei und nach malerischen Gesichtspunkten behandelten decorativen Werkes ist allgemein gehalten und der Antike nachgebildet. Doch die dramatisch bewegten und wechselnden Scenen der entfesselten Naturgewalt, des Schreckens und Verderbens, wie der Errettung beweisen eine außerordentliche Regsamkeit der Phantasie des Künstlers. Das kleine Gipsmodell zu diesem umfangreichen, in einzelnen Gruppen harmonisch gegliederten Hauptwerke Schievelbein’s, das zuerst auf der Berliner Ausstellung von 1850 bekannt geworden, ist mit Auslassung zweier kleiner Figurenstreifen, in einem Verbindungscorridor des mittleren Geschosses der Nationalgalerie zu Berlin angebracht.

Als Gegenstück zu Hagen’s „Grazie, welche den Pegasus besänftigt“, modellirte S. die Gruppe „Pegasus von der Muse getränkt“, welche in Zinkguß 1860 auf dem Dachviereck des Schinkel’schen Museums zu Berlin aufgestellt einen nicht minder ungünstigen Platz als jenes Relief im griechischen Hofe erhalten hat.

Vorwiegend für decorative Zwecke thätig schuf der Künstler noch zahlreiche Figuren, meist in idealer Gewandung und schön componirte Reliefs im Stilcharakter der Antike. Hierher gehören die im J. 1851 entstandenen Tonreliefs für das neue Portal in Sanssouci, den Auszug, siegreiche Heimkehr aus der Schlacht, die Nemesis und Victoria darstellend. – Als zierliches Werk von Schievelbein’s Hand ist eine der beiden Thongruppen auf dem Eingangsthore zur ehemaligen Borsig’schen Fabrik am Oranienburgerthor (1861–62) bemerkenswerth, in welcher der Ingenieur das Modell einer Locomotive trägt. – Gleichzeitig entstand die allegorische Figur des Handels und der Industrie, mit der Mauerkrone auf dem Haupte, welche den westlichen Giebel des Stadthauses in Breslau schmückt. – In den folgenden Jahren arbeitete S. an den von Stürmer und Stützel für das Orangeriehaus zu Potsdam in Marmor übertragenen Modellen, Medaillons mit genreartigen Darstellungen der Monate Januar (Schlittschuhläufer), Februar (Tänzerin mit der Maske), März (Säemann), April (Wollschur), Juni (Heuernte) und October (tanzende Winzerin). – Die auf dem Dache des königl. Schlosses (Portal V) zu Berlin 1864 errichteten allegorischen Gestalten der Hochherzigkeit und Tapferkeit mit Porträtzügen von Mitgliedern der königl. Familie stellte S. in einer Art antikisirender Gewandung dar. Bei solchen aus der Ferne gesehenen Arbeiten schien ihm eine feinere Durchführung entbehrlich.

S. war auch auf dem Gebiete religiöser Plastik heimisch. Zu früheren Arbeiten dieser Gattung gehören sechs colossale Apostelgestalten: Petrus, Jacobus major, Jacobus minor, Paulus, Simon und Thomas für die lutherische Kirche [190] in Helsingfors, in Zink gegossen (1847), deren Gipsmodelle er späterhin der Katharinenkirche zu Brandenburg schenkte, ferner aus dem Jahre 1848 die Engelgestalten, welche auf der Kuppel des Berliner Schlosses das Dach der Laterne tragen. – Als Symbol des Dankes für Errettung aus Lebensgefahr ließ Friedrich Wilhelm IV. durch S. einen „Schutzengel“ (Modellskizze 1854) an der Brandenburger Chaussee bei Potsdam errichten. Die jugendliche Gestalt im Pilgerkleide schreitet voll stiller und feierlicher Anmuth leicht dahin, die Rechte wie zur Abwehr eines drohenden Unheils erhoben. – In ruhiger, der gläubigen Gesinnung zugewandter Auffassung bewegt sich der schön componirte Entwurf Schievelbein’s zum Johannisbrunnen (1858), den der Verein für religiöse Kunst in der evangelischen Kirche zu Berlin leider nicht ausführen ließ. Die kleine Modellskizze zeigt Johannes den Täufer auf einer Brunnensäule stehend und das Heil verkündend, unter ihm ergießt sich aus den Köpfen der vier symbolischen Geschöpfe der Evangelisten das Wasser des Lebens. Der Unterbau des Denkmals erweitert sich dergestalt, daß vier größere Bassins das überfließende Wasser aufnehmen. Die Wirkung der Predigt spiegelt sich in den zwischen den Bassins unten angebrachten Figuren, welche den reumüthigen Zöllner, den forschenden Pharisäer, den sich unterrichtenden Krieger und die gläubige Mutter mit ihrem Kinde darstellen. – Nur in wenigen Abgüssen ist die Statuette eines „Christus am Marterpfahl“ (1860) verbreitet, eine Arbeit von ungewöhnlicher Innigkeit und Tiefe der Empfindung beseelt. – Ebenfalls für den christlichen Kunstverein componirte S. das anmuthige Relief „Winterabend“ (1857), neben welchem die zwei Figuren „Frühling“ und „Winter“ (1855) für die Villa des Bankier Eichborn zu Breslau zu nennen sind.

In eine andere Formenwelt führte den Meister die Aufgabe für ein großes Hochrelief, welches er mit den dazu gehörigen Zwickelfiguren zur Ausführung in gebranntem Thon 1856 für die Dirschauer Eisenbahnbrücke modellirte. Während Bläser „die Einweihung der Brücke durch Friedrich Wilhelm IV. am Westportal“ übernahm, stellte S. an dem Ostportal den Hochmeister von Marienburg, Winrich v. Kniprode, zu Roß dar, welcher die heidnischen Litthauer besiegt und zum Christenthum bekehrt hat; durch Herbeirufen von Künstlern und Gelehrten befördert er Recht, Kunst und Wissenschaft in dem neu eroberten Ordenslande. Der geschichtliche Vorgang der Unterwerfung ist nur durch einen Gefesselten angedeutet und das Hauptgewicht auf die Gruppe des beglückten Volkes gelegt. Die Composition ist einfach und würdevoll gehalten, die Charakteristik breit und kräftig in den Formen. Das wasserdicht hergestellte Thonwerk, von March in Charlottenburg gebrannt, erwies sich auch in technischer Hinsicht, bei einer Länge von 22 Fuß und einer Höhe von 12 Fuß, als eine meisterhafte Leistung.

Als Gegenstück zu Bläser’s „Albrecht von Brandenburg“ entwarf S. 1860 das Modell zum colossalen Standbilde des ersten Ordensmeisters Hermann v. Salza, das von March geformt, am westlichen Portal der Nogatbrücke zu Marienburg seine Aufstellung fand. Die mächtige Monumentalfigur in schöner mittelalterlicher Tracht ist eine freie Phantasieschöpfung des Künstlers. – Von decorativer Bedeutung sind auch die Colossalstatuen Luther’s und Melanchthon’s (1861) in der Universitätsaula in Königsberg und die Thonstatue Rafael’s (1864) in der Akademie zu Pesth, welche in der Auffassung an Hähnel’s Vorbild erinnert. S. war auch mit der Ausführung der Statue Winkelmann’s nach dem Modell Wichmann’s beschäftigt.

Unter Schievelbein’s trefflichen Bildnissen ist die Colossalbüste G. Schadow’s an der Vorderseite des Schadow’schen Hauses zu Berlin zu nennen, ferner die zur Verwendung im Friese „Der Untergang Pompejis“ 1850 modellirten Büsten [191] Stüler’s und v. Olfers’, sowie die des Ministers v. Stein, des Grafen v. Arnim-Boitzenburg (1864) und des Finanzministers v. Hansemann (1866), dessen Medaillon zum Grabmal gleichfalls von S. herrührt. – Von den übrigen Porträtreliefs sei das Bildniß von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1859) in der Gedenkhalle des damaligen Kronprinzlichen Palais und das des Majors Friccius, des Erstürmers des Grimmaischen Thores in Leipzig erwähnt, dessen Büste S. auch modellirt hat. – Bei den Concurrenzen behufs größerer monumentaler Aufgaben vermochte sich indeß Schievelbein’s Talent nicht zu behaupten. Seine Bewerbungen um die Denkmale für Wellington zu London, Schiller in Berlin, Arndt in Bonn, Schinkel in Neuruppin und Friedrich Wilhelm III. in Berlin blieben ohne Erfolg. Doch wurde ihm gelegentlich der letztgenannten Concurrenz mit dem zweiten Preise die Zusicherung eines Staatsauftrages zu Theil. Daraufhin übernahm er im J. 1860 die Ausführung des Denkmals für den Minister v. Stein auf dem Dönhofsplatze in Berlin. Das von S. modellirte Broncegußwerk, im Gesammtaufbau nicht gerade seine glücklichste Schöpfung, seit 1864 in den wesentlichen Grundzügen der Form festgestellt, wurde durch seinen Schüler Johannes Pfuhl vollendet und erst 1875 enthüllt. In der Auffassung und Formgebung des Ganzen erkennt man den jüngeren Zögling der von G. Schadow und Rauch begründeten und gepflegten Berliner Bildhauerschule, dessen natürliche Begabung derartigen Aufgaben weniger entsprach, als den im Sinne der Antike zu behandelnden Aufgaben. – Für das reich ausgestattete Postament zu Bläser’s Reiterstatue Friedrich Wilhelm’s III. in Köln, mit welchem er 1864 beauftragt wurde, hinterließ er nur die Skizzen und Entwürfe, zum Theil auch die Hülfsmodelle mehrerer Figuren. – S. gehört nicht zu den epochemachenden Meistern, welche der Kunst neue und ungewohnte Bahnen angewiesen. Mit hingebendem Fleiße und feingebildetem Sinne, mehr für den plastischen Ausdruck der Ruhe und Milde, als der Kraft und Energie begabt, hat er die Erbschaft der Rauch’schen Schule treu gepflegt und für die moderne Neubelebung der Antike mit Erfolg gewirkt.

Seit 1853 Mitglied der Berliner Akademie, wurde S. 1860 zum Professor ernannt und 1866 Mitglied des Senats. – Angestrengte Thätigkeit verstärkte in seinen letzten Lebensjahren ein hartnäckiges Brustleiden, das ihn wiederholt zu Erholungsreisen in den Süden nöthigte. Noch nicht 50 Jahre alt starb er in der Blüthe seiner künstlerischen Kraft an den Folgen einer Brustfellentzündung zu Berlin am 6. Mai 1867.

Von seinen Schülern, welche sich in der Theilnahme an seinen größeren Werken zu selbständigem Schaffen heranbildeten, sind Schindler, Geyer, Schweinitz und Pfuhl als die tüchtigsten zu nennen.

Vgl. Die Grenzboten 1866, 1. Bd., S. 430–434. – Die Dioskuren 1860, Nr. 43; 1862, Nr. 35; 1867, Nr. 19. – Deutscher Künstlernekrolog. Von Dr. A. Andresen 1867, XVII, S. 30 ff. – Vossische Zeitung 1887, 29. April, Nr. 197. – National-Zeitung 1867, 21. Mai. – Zeitschrift für bildende Kunst. Herausgeg. v. C. v. Lützow, 1868, 3. Bd., S. 25–30. Von J. Lessing. – XLVI. Kunstausstellung der kgl. Akademie der Künste. Berlin 1868, S. III–VI. – Katalog der kgl. National-Galerie. 7. Aufl. 1885. III. Abth. S. 244–245.