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Artikel „Drake, Friedrich“ von Max Osborn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 70–73, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Drake,_Friedrich&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 07:21 Uhr UTC)
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Drake: Friedrich Johann Heinrich D., einer der berühmtesten Bildhauer des 19. Jahrhunderts. Am 23. Juni 1805 ward er in Pyrmont als Sohn eines Drechslermeisters geboren und wuchs dort unter den ärmlichsten Verhältnissen heran. Vom Vater, der als ein erfindungsreicher Tausendkünstler gerühmt wird, scheint er die Geschicklichkeit der Hand und die Lust zu allerlei technischen Beschäftigungen geerbt zu haben. Er wurde darum, als er eingesegnet war, im sechzehnten Lebensjahre zu einem Mechanikus nach Kassel in die Lehre gethan. Vier Jahre hielt er es hier aus. Aber die früh erwachte Neigung zur Kunst trat immer entschiedener hervor und verdichtete sich allmählich zu dem entschiedenen Wunsche, Bildhauer zu werden. Der Kasseler Hofbildhauer Rühl wies den armen Teufel aus materiellen Gründen ab. Er wollte sein Glück in der Ferne, in Petersburg, versuchen, aber in der Wartezeit bis zur Ausstellung des Passes nach Rußland, die er im väterlichen Hause zu Pyrmont verbrachte, modellirte er einige Porträtbüsten, darunter die des Badearztes Mundhenk, eines Verwandten von Rauch, der ihn an den Meister nach Berlin empfahl. So trat der junge D. 1826 als Schüler in Rauch’s Atelier ein. Bis auf eine Studienfahrt nach Italien, die ihn vor allem nach Rom zu Thorwaldsen führte, und gelegentliche kleinere Reisen blieb von da ab Berlin sein Aufenthaltsort. Auch hier galt es zuerst, Entbehrungen zu ertragen und alle Lebensansprüche auf das bescheidenste Maß herabzuschrauben. Eine Schlafstelle auf Hobelspänen war sein erstes Quartier, das sich erst verbesserte, als Rauch, über Drake’s traurige Lage unterrichtet, ihm ein kleines Monatsgehalt und eine menschliche Wohnung bot. Dort richtete sich der werdende Bildhauer mit seiner Schwester, die er aus Pyrmont kommen ließ, ein, und das enge Asyl ward ein Mittelpunkt für den Kreis junger Künstler, der sich um D. scharte, und zu dem u. a. Ernst Rietschel, sein Mitschüler bei Rauch, und Johann Heinrich Strack, der spätere Erbauer der Nationalgalerie, gehörten. In seiner Kunst schloß sich D. aufs engste an Rauch an. Die Mischung aus classicistischer Sehnsucht nach dem reinen Stil der Antike und preußisch-berlinischen Realismus, die den Werken Rauch’s das Gepräge gab, bestimmte auch den Charakter seiner Arbeiten. Ohne die machtvolle schöpferische Kraft des Meisters, ohne die tiefbeseelte Harmonie seiner Formgebung und seinen Reichthum an plastischen Ideen, schuf D., dem die Arbeit sehr leicht von der Hand ging, doch eine lange Reihe von Werken, die sich den Großthaten seines Lehrers unmittelbar an die Seite stellen. Die Genien und Victorien Rauch’s kehren bei ihm wieder, aber während diese ihren Höhepunkt in den Siegesgöttinnen der Walhalla bei Regensburg fanden, wird die entsprechende Gruppe der Arbeiten Drake’s durch die allzu massiv und plump gerathene vergoldete Engelsfigur gekrönt, welche die Berliner Siegessäule schmückt. Rauch’s Compromiß in der Behandlung des Kostümes bei Monumentalstatuen ist auch von D. angenommen worden: auch er suchte, wo es sich ermöglichen ließ, die ihm prosaisch und nüchtern erscheinende moderne Uniform durch einen wallenden Mantel zu verdecken, der wenigstens Gelegenheit bot, etwas antiken Faltenwurf anzubringen. Doch niemals gelang es dem Schüler, auch nicht bei der Statue Schinkel’s vor der Bauakademie in Berlin, die hier an erster Stelle in Betracht kommen würde, diese malerische Drapirung so großartig und so von innen heraus belebt zu gestalten, wie das dem Meister etwa beim Berliner Blücher-Denkmal glückte. Rauch’s großzügige [71] Einfachheit, die dem Winckelmann’schen Ideal der edlen Einfalt und stillen Größe nachstrebte, ward für D. höchstes Vorbild, doch sie erhielt bei ihm einen bürgerlichen Zug, der Rauch fremd war, eine Nuance von Schlichtheit, die sich gelegentlich der Grenze des Eintönigen näherte. Was aber Drake’s Arbeiten, wenn man von dem naheliegenden Vergleich mit Rauch absieht, durchweg auszeichnet, ist das weise und feine Gefühl für die Kunst des Raums, das aus ihnen spricht, die wahrhaft plastische Empfindung, die sie beseelt, der sichere Blick des geborenen Bildhauers, der sich in jedem Augenblick darüber klar ist, wie die jeweiligen Erscheinungen der Natur in die abstracte Sprache der reinen Form zu übertragen sind. Die Ruhe und Würde der classicistischen Berliner Schule in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts haben bei keinem der Künstler, die hinter Rauch einhermarschirten, eine verständnißvollere Pflege gefunden als bei D. Im Gegensatz zu Rietschel, dem Zweiten des bevorzugten Rauch’schen Schülerpaares, der sich von dem, was er in dem Atelier des Meisters gelernt hatte, mehr emancipirte und die dort empfangenen Lehren freier verwerthete, blieb D. ganz im Banne der antikisirenden Anschauung, zu deren Stützen er zählte, obschon er an der späteren Verflachung der „griechischen“ Manier durch die etwas matte und conventionelle „Idealität“, die er mitunter an den Tag legte, nicht ganz schuldlos ist.

Die erste Arbeit, mit der D., im Jahre 1833, an die Oeffentlichkeit trat, war die Gruppe eines sterbenden Kriegers mit einem Genius, die ganz im Stil der Schule gehalten war. Ein Jahr später entstand die „Winzerin“, die vor dreißig Jahren Eigenthum der Nationalgalerie geworden ist; auch hier war es wieder eine Gestalt in antikem Gewande, die der junge Künstler modellirte. 1836 erhielt D. durch Rauch’s Vermittlung den Auftrag, für Osnabrück zu einer Broncestatue Justus Möser’s den Entwurf zu liefern. Die Figur fand lebhaften Beifall, den sie auch heute noch vollauf verdient, und zog eine lange Reihe von Monumentalaufträgen für den Künstler hinter sich her. An der Spitze steht, wenn wir zunächst die wichtigsten dieser Schöpfungen Revue passiren lassen, der Zeit wie dem Werthe nach das 1849 enthüllte Marmordenkmal König Friedrich Wilhelm’s III. im Berliner Thiergarten, das die schlichte, fast bürgerlich einfache Erscheinung dieses Fürsten mit feinem Verständniß im weißen Steine festhält. Der Relieffries, der sich um das runde Postament dieses Standbildes zieht, und der das Leben einfacher Menschen in der Natur in reizvollen, anmuthig mit einander verbundenen Gruppen schildert – eine Idee, die sehr hübsch an den Standort des Denkmals im stadtfernen Parke anknüpft –, ist eines der gepriesensten Werke der Rauch-Schule überhaupt, dessen Ruhm sich freilich nicht ganz unversehrt erhalten hat. Dann folgt das Standbild Rauch’s in der Vorhalle des Alten Berliner Museums, eine Arbeit von sehr angenehm wirkender Ruhe der Linien, ohne jede Pose. Drake’s Gruppe auf der monumentalen Berliner Schloßbrücke, die Schinkel an Stelle der alten „Hundebrücke“ setzte: „Nike krönt den Sieger“ (1857) ist neben der Gustav Bläser’s „Pallas unterstützt den Kämpfer“ mit Recht allgemein als die schönste der acht Marmorschöpfungen anerkannt, die vielleicht die imposanteste Leistung derer um Rauch genannt werden können. Im Jahre darauf schloß sich das vortreffliche Denkmal des Kurfürsten Johann Friedrich in Jena an, eine charakteristische, kraftvoll wirkende Gestalt. Die eherne Reiterstatue König Wilhelm’s I. auf der eisernen Rheinbrücke zwischen Köln und Deutz, auf der Deutzer Seite, das erste Denkmal, das dem späteren Gründer des Reichs kurz nach seiner Thronbesteigung gesetzt wurde, ist leider so ungünstig aufgestellt, daß die überaus tüchtige bildhauerische Arbeit, die [72] hier geleistet ist, lange nicht ihrer Bedeutung entsprechend zur Geltung kommt. Auch hier trat D. neben seinem Mitschüler Bläser auf, dem das Reiterbild Friedrich Wilhelm’s IV., auf dem Kölner Brückeneingang, zufiel. Auf die broncene Victoria der Berliner Siegessäule (1873), bei der es D. zwar gewiß nicht ganz gelang, dem Wesen einer Colossalfigur gerecht zu werden – er half sich einfach mit der Vergrößerung eines kleineren Modells, statt die für den ungeheuren Maßstab passende Formgebung aus diesen Bedingungen selbst zu entwickeln –, der aber doch nicht so tadelnswerth gerathen ist, wie die strengeren Rauchianer immer behauptet haben, wurde bereits hingewiesen. Zum Schönsten aber, was D. modellirt hat, gehört sein, ebenfalls schon genanntes Schinkel-Denkmal vor der Berliner Bauakademie, diese fein gestellte und mit bedeutendem Können durchgebildete Figur mit den gekreuzten Armen, mit dem Stift und der Tafel, welche die Hände halten, mit dem sinnenden, bohrenden Blick und der malerischen Stellung des rechten Fußes, der auf einen Stein gesetzt ist, so daß der Linienfluß des von den Schultern wallenden Mantels sich mannichfaltiger gestaltet. Das ganz schlichte Postament hat in den abgestumpften Ecken vier Karyatiden: Architektur, Malerei, Bildhauerei und Wissenschaft, welche die das Standbild selbst tragende Platte halten. Von den sonstigen Arbeiten Drake’s seien hier nur die wichtigsten und bekanntesten aufgezählt: aus der Frühzeit eine „Madonna mit dem Kinde“, Bildnißstatuetten von Rauch, Schinkel, den Brüdern Humboldt, Goethe, Schiller, ferner eine „Caritas (1835, jetzt im Charlottenburger Schlosse); dann, aus der späteren Periode, ein Wasser speiender Faun in Charlottenhof (1843), die acht Statuen der preußischen Provinzen im weißen Saale des Berliner Schlosses (1844 vollendet), die Marmorstatuen Friedrich Wilhelm’s III. in Stettin (1845, der Berliner Sockelfries wurde hier wiederholt), und in Kolberg, die Standbilder Melanchthon’s in Bretten und in der Schloßkirche zu Wittenberg, die Figuren Friedrich’s des Weisen und Johann’s des Beständigen an dieser Kirche sowie die Reliefdarstellungen der bei der Restaurirung neueingefügten Broncethüren, das Standbild des Fürsten Malte von Putbus im Park des Putbuser Schlosses auf Rügen, das in seiner Schlichtheit mit dem Friedrich Wilhelm’s III. im Thiergarten nahe verwandt erscheint, ferner die Reliefs am Beuth-Denkmal in Berlin, die das Aufblühen der gewerblichen Thätigkeiten unter der Pflege des Gefeierten darstellen, die Statuen der christlichen Tugenden am Grabmal der Herzogin Pauline von Nassau auf dem Friedhofe zu Wiesbaden, eine Colossalstatue Alexander’s von Humboldt (jetzt in Philadelphia) und die Porträtbüsten von Bismarck und Moltke (im Berliner Rathhause), von Friedrich v. Raumer (Nationalgalerie) und von vielen anderen großen Männern seiner Zeit. D. war von gewaltiger Fruchtbarkeit; er arbeitete so viel, daß es ihm gar nicht möglich war, allen den in die Hunderte zählenden Arbeiten, die aus seinem Atelier hervorgingen, die gleiche Liebe und Sorgfalt zuzuwenden. Aeußerlich aber bewegte sich seine Laufbahn seit den ersten Erfolgen in Berlin und dem Möser-Denkmal für Osnabrück in gerader Linie aufwärts zu allgemeiner Anerkennung und höchstem Ruhm. Der einst auf einem Bett von Hobelspähnen in Berlin geruht hatte, baute sich ein prächtiges Heim, das ein Mittelpunkt des künstlerischen und gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt wurde, und in seine Vaterstadt, die er zuerst als armer Mechanikerlehrling verlassen hatte, kehrte er in späteren Jahren als Gatte einer Angehörigen des Pyrmonter Fürstenhauses, der Gräfin Marie von Waldeck, ein, mit der er sich im J. 1859 in zweiter Ehe vermählt hatte. D. starb in Berlin am 6. April 1882.

[73] W. Heinrich, Christian Rauch und seine Schüler Ernst Rietschel und Friedrich Drake. 1884. – Müller-Singer, Allgem. Künstler-Lexikon³ III, 359. Lübke, Geschichte der Plastik.