ADB:Johann (Herzog von Sachsen)

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Artikel „Johann der Beständige, Kurfürst von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 322–326, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_(Herzog_von_Sachsen)&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 05:09 Uhr UTC)
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Johann der Beständige, Kurfürst von Sachsen, geb. am 30. Juni 1468 (nicht 1467) zu Meißen, der vierte von fünf Söhnen des Kurfürsten Ernst, genoß die gleiche sorgfältige Erziehung wie seine älteren Brüder, brachte einen Theil seiner Jugend am Hofe seines Großoheims, Kaiser Friedrichs III. zu und wohnte den Feldzügen Kaiser Maximilians gegen die Venetianer und die Ungarn bei. Nach des Vaters Tode regierte er das ernestinische Sachsen außer dem Kurland gemeinschaftlich mit seinem Bruder Friedrich dem Weisen in vertrauter und nie gestörter Eintracht, bis dessen kinderloser Tod den bereits 57jährigen Fürsten 1525 zum alleinigen Regenten machte. Sein Regierungsantritt fiel in die schwere Zeit des Bauernkrieges; die Bewältigung des Münzer’schen [323] Aufstandes in Thüringen war das Erste, was ihn in Anspruch nahm. Als aber nach der Schlacht bei Frankenhausen und dem Falle Mühlhausens die Reaction sich mächtig erhob und die Niederlage der Bauern die der Reformation nach sich zu reißen drohte, war er es, der schützend seine Hand über diese hielt und den Versuchen seines Vetters, Herzogs Georg, ihn der evangelischen Sache abwendig zu machen, einen entschiedenen Widerstand entgegensetzte. Er bewährte damit nur die edle Einfalt seines Wesens, die Lauterkeit der Gesinnung, die tiefe Religiosität, mit der er sich schon bei Luther’s erstem Auftreten der evangelischen Lehre zugewendet hatte und die er seitdem niemals verleugnet hat. „Eine zur Zurückgezogenheit geneigte, friedfertige, anspruchslose Natur, in der aber durch ein großes Vorhaben eine Entschlossenheit und Thatkraft geweckt war, die sich demselben vollkommen gewachsen zeigte“, wie Ranke ihn bezeichnet. Indem er die im August 1525 in Weimar versammelte Geistlichkeit seines Landes anwies, in Zukunft das lautre, reine Evangelium ohne menschlichen Zusatz zu predigen, erklärte er sich gleich anfangs mit viel größerer Entschiedenheit für die Reformation als dies Friedrich der Weise je gethan; auch Luthern räumte er auf alle öffentlichen Fragen von Wichtigkeit einen bestimmenden Einfluß ein. Die Unerschütterlichkeit, mit der er, unbeirrt durch die auch gegen ihn wie einst gegen seinen Bruder verlautenden Drohungen, daß er seine Abtrünnigkeit mit dem Verluste der Kur büßen werde, durch die Ränke der Gegner und durch die Feindseligkeit des Kaisers, diesen Standpunkt der Vertheidigung festhielt, hat ihm den Beinamen des Beständigen eingebracht. Den Dessauer Bund und die Agitationen der Altgläubigen gegen die Abgefallenen beantwortete er unverzüglich damit, daß er in Gemeinschaft mit Landgraf Philipp von Hessen Anstalten zu einer engeren Vereinigung der Evangelischen traf. Nachdem beide Fürsten auf einer Zusammenkunft zu Gotha, Februar 1526, sich gelobt hatten, einander mit allen Kräften beizustehen, wenn einer von ihnen wegen des göttlichen Wortes oder der Abschaffung der Mißbräuche angegriffen würde, lud J. die evangelischen Stände Norddeutschlands zu einer Berathung nach Magdeburg, und hier wurde der nach dem Orte der Unterzeichnung der Torgauer genannte Bund geschlossen, durch welchen die Evangelischen zum erstenmale sich als eine feste Partei constituirten. Die nächste Wirkung desselben zeigte sich in der entschlossenen Haltung der Evangelischen auf dem Reichstag zu Speier 1526. J. trat daselbst als ihr anerkanntes Haupt mit Würde und auch äußerlich mit fürstlichem Aufwande auf. Den den Evangelischen günstigen Schluß dieses Reichstages benutzte nun J. sofort um das neue Kirchenwesen in seinem Territorium zu begründen, wozu ohnedies der gänzlich verwahrloste Zustand, in den die Kirche gefallen war, gebieterisch drängte. Schon in Johanns Befehl von 1525, den Ritus aller Kirchen in Sachsen nach dem der Wittenberger zu richten, findet sich der Gedanke ausgesprochen, daß die Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten Sache der landesherrlichen Gewalt sei, und dem entsprechend nahm er jetzt im Einverständniß mit Luther als Nothbischof die von den Bischöfen versäumte oder gemißbrauchte Kirchengewalt selbst in die Hand. Die säcularisirten Kirchengüter wurden nach Möglichkeit vor den zugreifenden Händen des Adels geschützt, durch die von 1527–29 ausgeführte Visitation die Pfarrsprengel so, wie sie im Allgemeinen noch heute sind, abgegrenzt und überhaupt in Gemäßheit der Grundsätze der Reformatoren eine Kirchenverfassung geschaffen, die für alle anderen evangelischen Gebiete mehr oder weniger als Vorbild gedient hat. „Wir kennen“, sagt Ranke, „keinen Fürsten, der sich um die Feststellung der protestantischen Kirche ein größeres Verdienst erworben hätte.“ Infolge der Pack’schen Enthüllungen schloß er zwar mit dem Landgrafen ein Vertheidigungsbündniß, 9. März 1528, hielt aber [324] doch diesen von voreiligen Schritten zurück und vertrug sich schon den 11. Juni zu Staßfurt mit den Kurfürsten von Mainz und von Brandenburg dahin, daß keiner den anderen überziehen noch beschädigen wolle. Die Irrungen mit seinem Vetter Georg, die außer diesem Anlaß auch den vielfach in einander übergreifenden Verhältnissen der beiderseitigen Gebiete entsprangen, wurden Juli 1529 durch den sogenannten Grimmaischen Machtspruch beigelegt. Wie sehr aber die Spannung fortdauerte, trat auf dem Reichstag zu Speier, 1529, zu Tage. J. wurde zwar bei seiner Ankunft von König Ferdinand und den anderen bereits vor ihm eingetroffenen Fürsten feierlich eingeholt, als aber sein Auftreten bei aller Mäßigung doch Zeugniß davon ablegte, daß er für die evangelische Sache muthig einstehen werde, als er seinen Wahlspruch Verbum Dei Manet In Aeternum über der Thür seiner Wohnung und an den Livreen seiner Diener zur Schau stellte und, wie er bereits auf dem ersten Speierer Reichstage gethan, da er keine Kirche erlangen konnte, im Hofe seiner Herberge durch seinen Hofprediger Predigten halten ließ, zu denen trotz Ferdinands Verbote Tausende herbeiströmten, als er der zur Eröffnung des Reichstages celebrirten Messe nicht beiwohnte, änderte sich das Benehmen gegen ihn; selbst der Pfalzgraf und der Mecklenburger „kannten keinen Sachsen mehr.“ Es fehlte auch nicht an Versuchen, den Kurfürsten durch einige Milderungen des Abschieds, welcher weitere Reformen verbot, zur Annahme desselben zu gewinnen, und wirklich scheint J., besonders weil er materiell mit der Verwerfung der schweizer Lehre einverstanden war, vorübergehend geschwankt zu haben. Bald aber kehrte er zu der früheren Haltung zurück; er schloß mit den oberdeutschen Städten ein Bündniß zu dem Zwecke, sich in keiner Weise von dem Speierer Abschied von 1526 dringen zu lassen und übergab an der Spitze der evangelischen Stände die denkwürdige Protestation gegen die Beschlüsse der altgläubigen Majorität, die er auch in seinem Lande öffentlich bekannt machen ließ. Allein obgleich damals aufs neue das Gerücht auftauchte, der Kaiser wolle dem Kurfürsten J. seinen Stand, daß er ein wählbarer Fürst sei, nehmen und auf Herzog Georg übertragen, so fand doch Philipp von Hessen mit seinen Bemühungen, dem drohenden Angriffe durch ein allgemeines Bündniß sämmtlicher Evangelischen zu begegnen, bei ihm kein Entgegenkommen; theils hielt ihn die Scheu sich dem Kaiser zu widersetzen zurück, theils thaten dies die durch seine Theologen genährten Bedenken gegen eine Verbindung mit den Anhängern Zwingli’s; ja während jener durch das Religionsgespräch zu Marburg den großen Riß zwischen den Evangelischen zu schließen versuchte, gelobten sich J. und der Markgraf Georg von Brandenburg zu Schleiz niemanden in das Bündniß aufzunehmen, der auch nur in dem einen oder anderen Punkte von ihrem Bekenntnisse abweiche, und brachten dadurch alle weiteren Verhandlungen über ein allgemeines Bündniß zum Scheitern. Erst als mit der Berufung des Augsburger Reichstages 1530 die feindseligen Absichten des Kaisers offenkundig wurden, verlieh das Bewusstsein seiner evangelischen Ueberzeugung seiner Politik einen kühneren Gang. Des Kaisers Aufforderung zufolge erschien er persönlich zu Augsburg; begleitet von dem Kurprinzen, von Melanchthon, Spalatin und Jonas; bei Karls längerem Ausbleiben schickte ihm J. eine Gesandtschaft entgegen, die jener durch die Einladung zu ihm nach Innsbruck zu kommen, erwiderte, indem er ihn zugleich seinen Unwillen über die Nichtbefolgung des Wormser Edicts sowie über die Verhandlungen wegen des Bündnisses zu wissen that und die Abstellung des öffentlichen Predigens seiner Theologen in Augsburg verlangte. Muthiger als sein Sohn und seine Theologen, die zur Nachgiebigkeit riethen, antwortete J. hierauf mit der Erklärung, er werde den Kaiser in Augsburg erwarten und wies die gemachten Vorwürfe fest und würdig zurück; auch die Forderung des angekommenen Kaisers, an [325] der Fronleichnamsprozession Theil zu nehmen schlug er bestimmt ab. Alt und kränklich wie er war, durchdrang und erhob ihn eine Freudigkeit des Glaubens, die jede Furcht benahm. Umsonst suchte der Kaiser ihn dadurch einzuschüchtern, daß er ihm unter dem ausdrücklichen Anführen der Ketzerei die Belehnung über seine Länder sowie die Bestätigung des Ehevertrages zwischen dem Kurprinzen und Sibylle von Jülich-Cleve, welcher diesem die Eventualnachfolge in diesen Ländern zusprach, verweigerte, umsonst drohte Kurfürst Joachim von Brandenburg, wenn er sich nicht füge, so werde ihn der Kaiser von Land und Leuten jagen und an seiner Person das Aeußerste vollstrecken, selbst den Vorschlag seiner Theologen, er solle sie um sich nicht zu gefährden die Confession nur in ihrem eigenen Namen übergeben lassen, wies er mit den Worten zurück: „Ich will meinen Christus auch mit bekennen“. „Entweder“, rief er, „Gott verleugnen oder die Welt, wer kann zweifeln, was das Beste sei? Gott hat mich zu einem Kurfürsten des Reichs gemacht, was ich niemals werth geworden bin, er mache ferner aus mir, was ihm gefällt!“ Seine Standhaftigkeit wurde der Fels, an den sich die übrigen Protestanten anlehnten. Während der Landgraf heimlich von Augsburg abreiste, wartete J. den Schluß des Reichstages standhaft ab. In tiefschmerzlicher Bewegung verabschiedete er sich vom Kaiser, als dessen offener Gegner aufzutreten er sich jetzt gezwungen sah. Während er seinen Sohn Johann Friedrich nach Köln schickte, um dort gegen die unter Verletzung der gesetzlichen Formen beabsichtigte römische Königswahl Ferdinands feierlich zu protestiren und dadurch auch die baierischen Herzöge ermuthigte, derselben ihre Zustimmung zu versagen, beantragte er nunmehr selbst auf dem nach Schmalkalden auf den 22. Decbr. ausgeschriebenen Convente der Evangelischen ein Vertheidigungsbündniß auch wider den Kaiser; auf einem zweiten Convent, Febr. 1531, kam dasselbe wirklich zu Stande, doch war er es auch, auf dessen Antrag zu Speier im Juni, die Schweizer, weil sie die Augsburgische Confession nicht angenommen hatten, ausgeschlossen wurden; auf dem weiteren Tage zu Frankfurt, December, wurden J. und Philipp von Hessen förmlich zu Häuptern des Bundes gewählt. Auch die sächsischen Stände erklärten auf dem Landtage zu Zwickau dem Kurfürsten einmüthig ihre Bereitwilligkeit für die Augsburgische Confession Gut und Blut einzusetzen unter der Bedingung nur, daß derselbe von dieser illimitirten Bewilligung nicht Gebrauch mache ohne Zustimmung eines von der Landschaft zu ernennenden Ausschusses, wodurch diese bis 1830 bestandene Einrichtung begründet wurde. Diese entschlossene Haltung der Protestanten nöthigte den Kaiser, der ihres Beistandes gegen die Türken nicht entbehren konnte, gelindere Saiten aufzuziehen, und da J. in seiner milden, friedfertigen Art, wennschon zum großen Verdruß des Landgrafen, sich billigen Vermittelungsvorschlägen zugänglich erwies, so kam es am 28. Juli 1532 zu dem sogenannten Nürnberger Religionsfrieden, dem letzten politischen Act, an welchem J. betheiligt war; am 16. August 1532 starb er zu Schweinitz. Das Notificationsschreiben seines Sohnes an die Herzöge von Baiern mit der Angabe, J. sei auf dem Sterbebett zur römischen Kirche zurückgekehrt, ist eine 1610 aufgetauchte Fälschung (vgl. Kreysig’s Historische Bibliothek von Chursachsen, S. 55 und Horn, Historische Handbibliothek III, 294). Mit ihm, sagte Luther, sei die Redlichkeit, wie mit seinem Bruder Friedrich die Weisheit gestorben. Von seiner ersten Gemahlin Sophie von Mecklenburg, verm. am 1. März 1500, gest. am 12. Juli 1503, hinterließ er einen Sohn, Johann Friedrich, von der zweiten, Margarethe von Anhalt, verm. am 13. Novbr. 1513, gest. am 9. Oct. 1521, zwei Töchter, Maria, 1536 Gemahlin Herzogs Philipp I. von Pommern, und Margarethe, gest. 1535, und einen Sohn, Johann Ernst, geb. am 10. Mai 1521, kinderlos gestorben am 6. Febr. 1553, der seit 1539 mit [326] seinem älteren Bruder gemeinschaftlich regierte, bis ihm 1542 durch die Theilung zu Torgau die Pflege Coburg zugewiesen wurde.

Spalatin, Vitae aliquot Electorum saxon. Mencke SS. II, 1103 und Struve, Neu eröffn. histor. u. polit. Archiv (1719) III, 45. Seckendorf, Historia Lutheranismi, II. III. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, III.