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Artikel „Joachim I., Kurfürst von Brandenburg“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 71–78, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Joachim_I.&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 03:16 Uhr UTC)
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Joachim I., Kurfürst von Brandenburg, geb. am 21. Februar 1484, † am 11. Juli 1535. Aeltester Sohn des Kurfürsten Johann Cicero und der Margaretha von Sachsen, hatte er unter Leitung des Bischofs Dietrich von Lebus (Bd. V. S. 182) eine gelehrte Bildung empfangen und neben humanistischen, theologischen und historischen Studien in die entlegenen Gebiete der Medicin, Astronomie und der schwarzen Kunst (Astrologie) sich hineingewagt. Der Ruhm, den der Ruf seiner vielseitigen Kenntnisse, den seine lateinischen Reden zumal auf den Reichstagen diesem „Cicero teutonicus“ und „deutschen Nestor“ eintrugen, der briefliche und persönliche Verkehr, in dem er mit gelehrten Zeitgenossen, dem Schwaben Eitelwolf v. Stein, dem Meißner Juristen Dietrich v. Dieskau, dem Abt Johann Tritheim vom Kloster Hirsau und dem Astronomen und Historiker Johann Carion stand, welchen letzteren er seit 1522 als Hofmechanikus nach Berlin in seinen Dienst zog, erfüllten den Fürsten mit einem starken Selbstgefühl und anspruchsvollem Sinn, auf den auch die Prophezeiung Carion’s, daß dem kurfürstlichen Geschlechte der Hohenzollern das Königthum [72] und die höchste Würde in der Christenheit beschieden sei, nicht ohne Einfluß blieb. Die äußeren Umstände zeigten sich seinem Streben günstig. Beim Tode seines Vaters (9. Januar 1499) noch nicht 15 Jahre alt, wurde er dennoch sogleich von seinem zum Vormunde bestellten fränkischen Oheime, Friedrich dem älteren (Bd. III. S. 480), für mündig erklärt und empfing zugleich mit seinem erst zehnjährigen Bruder Albrecht die Huldigung der Stände. Diese Mitregierung Albrechts hörte bald auf, indem derselbe frühzeitig in den geistlichen Stand trat; wol aber hat er, nachdem er seit 1513 zum Erzbischof von Magdeburg und Administrator des Domstiftes von Halberstadt und ein Jahr darauf zugleich zum Kurfürsten von Mainz erhoben worden war, trotz seiner hohen Rangstufe zeitlebens dem Willen seines Bruders sich untergeordnet und dadurch in nicht geringem Maße den Einfluß desselben gehoben und unterstützt. Auch die Vetter von der fränkischen Linie, die Söhne Friedrichs des Aelteren, von denen der älteste und der vierte Sohn, Casimir und Johann, im Dienste Spaniens und am Kaiserhofe, der zweite, Georg der Fromme, am Hofe der Jagellonen in Ungarn und Böhmen, im Laufe der Jahre zu gewichtigen Stellungen gelangten, während der dritte, Albrecht, seit 1512 als Hochmeister des D. O. in Preußen waltete, und welche sämmtlich in dem Kurfürsten J. den Senior des Hauses achteten, boten ihm starke Handhaben, wenn er in die allgemeinen politischen, nationalen oder religiösen Bewegungen seines Zeitalters einzugreifen sich entschloß. Aber idealen Interessen abgekehrt, kriegerische Thätigkeit scheuend, haushälterisch sparsam, in starkem Maße auf reellen Gewinn bedacht, dazu in der Zuversicht überlegener Einsicht pedantisch und gegen Widerstrebende selbst hart und willkürlich, fand er unter den Bestrebungen seiner fürstlichen Zeitgenossen die Erweiterung und feste Begründung seiner landesherrlichen Gewalt als die seiner Natur am meisten zusagende Aufgabe, der alle seine anderen Interessen sich unterordneten, und in diesen Bestrebungen hat er Anerkennenswerthes geleistet. Allerdings bedurfte die Mark eines energischen Gebieters. Seuchen, Mißwachs und Getreidenoth, die in seinen ersten Jahren (1501–3) im Lande herrschten, boten ihm Gelegenheit, die Schäden derselben in ihren schlimmsten Aeußerungen, als ihre gewichtigste Ursache aber die Mißachtung der Gesetze und der sie handhabenden fürstlichen Autorität zu erkennen. Der Adel ging darin den übrigen Ständen mit dem schlimmsten Beispiele voran, indem er Selbsthülfe, namentlich Wegelagerung gegen die ohne erkauftes Geleit seine Gemarkung betretenden Fremden als eine ihm zukommende Befugniß betrachtete und in der Uebung dieses Schirmrechtes zahlreichen adelichen und nichtadelichen Raubgesellen, die sich ihnen anschlossen, den Vorwand zu gesetzlosem Treiben verlieh. Die Geschlechter der Kökeritze, Lüderitze, Kracht und Itzenplitz hatten sich darin sprichwörtliche Berühmtheit erworben. Das blutige Strafexempel, welches der Fürst bald nach seinem Regierungsantritte an dem v. Lindenberg, der, obgleich sein Hofbeamter, an einem Raubanfalle theilgenommen hatte, vollziehen ließ, erntete unter seinen Adelsgenossen statt der Reue nur Erbitterung und sie klagten bei dem Vormunde des Fürsten über den Verächter ihres Standes. Der v. Otterstedt erfrecht sich nicht nur an das Schlafgemach Joachims die Warnung anzuheften: „J. hüte dich, wo wir dich finden, so henken wir dich“, sondern wird auch bei einem versuchten Ueberfalle auf den durch die Köpenicker Haide ziehenden Fürsten eingefangen. Unnachsichtig ließ J. ihn viertheilen und seinen Kopf auf dem Köpenicker Thore der Hauptstadt aufstecken, worauf noch in demselben Jahre mehr als 70 Ritter und Knechte als seine Genossen hingerichtet wurden. Die harte Strafe wäre wol geeignet gewesen, dem 1504 erlassenen Edicte, welches die Gemeinden zum Aufsuchen und Einbringen der Räuber ermächtigte, Nachdruck zu geben. Aber als die Frankfurter den Wegelagerer [73] v. Bomsdorf, den sie auf ihrem Gebiete eingefangen hatten, kraft des ihnen dafür zustehenden Rechts hatten hinrichten lassen, zürnte der Kurfürst, daß sie dem Edelmann, der ein Verwandter des Bischofs von Lebus war, keine Zeit gelassen, die Gnade des Landesherrn anzurufen und überdies die Execution an einem Festtage vollzogen hatten, und strafte sie mit dem Interdicte des Diöcesanbischofs, sowie mit der Entziehung der hohen Gerichtsbarkeit. Die Anhänger v. Bomsdorf’s sahen sich dadurch ermuthigt, ihrerseits die auf die Nachbarmärkte ziehenden Frankfurter beiderlei Geschlechts aufs grausamste zu mißhandeln, und der unglücklichen Stadt blieb, da der Kurfürst ihr keine Hülfe gewährte, nichts übrig als durch Anwerbung von 100 Reitern für ihre Sicherheit zu sorgen. Ebenso wenig konnte der sich weise dünkende Fürst eine Stärkung des Rechtsgefühls seiner Unterthanen daraus erwarten, daß er 1509 auf die Beschuldigung, daß Juden eine geweihte Monstranz durchstochen und das Blut einiger Christenknaben ausgesogen hätten, 38 Juden in Berlin verbrennen und alle ihre Glaubensbrüder, nachdem die Androhung ihres Schicksals auch nicht einen einzigen zum Glaubenswechsel bestimmt hatte, aus der Mark vertreiben ließ. Wie sehr er daher auch in seiner Strenge gegen die Friedensbrecher beharrte, deren er 1525 binnen kurzer Zeit 75 einfing und mit der Todesstrafe belegte, dauernde Ruhe wurde nicht gewonnen. Während die Friedensstörer, so lange der Kurfürst mit den pommerschen Fürsten haderte, jenseits der pommerschen Grenze jederzeit Schlupfwinkel fanden, verübte der Räuber Kohlhase acht Jahre lang (1523–31) an der sächsischen Grenze die wildesten Frevel. Mehr erreichte der Fürst dadurch, daß er vielen seiner verwilderten Edelleute durch Ansiedelung auf wüste Flecken oder neu erworbenen Boden oder durch Verwendung im Hof und Staatsdienste Neigung zu friedlichem und ehrenvollem Erwerbe einflößte. In viel gedeihlicherer Weise noch übte und stärkte J. seine landesherrliche Gewalt durch seine Versuche, die Gesetzgebung und das Gerichtswesen in der Mark möglichst einheitlich zu gestalten. Mit seinen besseren Zeitgenossen glaubte er in der Heranbildung eines gelehrten Richterstandes und in der Verschmelzung der in bunter Mannichfaltigkeit im Lande geltenden Partikularrechte mit dem römischen (dem Kaiser-)Rechte die dafür geeignetsten Mittel zu finden. Dieser Reform sollte zunächst die Universität Frankfurt a/O. den Weg bahnen. Wenn sein Vater ihre Gründung betrieben hatte, damit den Märkern Gelegenheit geboten werde, „das Kleinod der Wissenschaften in der Heimath zu gewinnen“, so kam es dem Sohn, der am 25. April 1506 ihre Eröffnung zu Stande brachte, ganz besonders auf die Förderung der Rechtsgelehrsamkeit an. Der erste Kanzler, Bischof Dietrich von Lebus, war Dr. der Rechte in Bologna geworden, der erste Ordinarius der Juristenfakultät, Johann Blankenfeld (Bd. II. S. 689) hatte, nachdem er gleichfalls in Bologna promovirt war, in Rom und Leipzig neben der Theorie auch die Praxis des Kaiserrechtes betrieben. Demnächst gab er dem obersten landesherrlichen Gerichte, dem sogen. „Gericht in des Markgrafen Kammer“, welches bereits seit der Mitte des 15. Jahrhunderts mit dem mittelmärkischen Lehnshofe vereinigt worden war, und seit derselben Zeit ungefähr den Namen des Kammergerichtes führte, wahrscheinlich im J. 1526 (bekanntlich ist die sogen. Kammergerichtsordnung von 1516 nur ein Entwurf) eine neue Organisation, welche im Wesentlichen in dreifacher Beziehung den Absichten des Kurfürsten entsprach, einmal darin, daß von den 12 Beisitzern desselben vier von dem Kurfürsten aus der Zahl seiner vertrauten Räthe gewählt wurden, von denen einer, der Kanzler, als sein Stellvertreter den Vorsitz führte, die anderen acht zwar von den einzelnen Corporationen der Stände präsentirt, jedoch von ihm bestätigt wurden und durch den ihm geleisteten Diensteid den Charakter landesherrlicher Beamten erhielten, wie er denn nicht ohne Absicht die Anordnung der Bestätigung [74] der Stände nicht unterzog. Indem er ferner dieses Gericht nicht nur zur einzigen obersten Instanz für die Land-, Stadt- und Dorfgerichte der Mittelmark, zu einer höheren Instanz von allen Appellationen aus den übrigen Marken und zugleich zum zuständigen Forum der Prälaten und Schloßgesessenen erhob, hemmte er theils den Mißbrauch und die Unordnungen, die vielfach aus der Verschleppung der Processe an ausländische geistliche oder weltliche Gerichtshöfe entstanden waren, weshalb er auch die Berufung an das Reichskammergericht nur ungern gestattete, theils stellte er sich darin allen Klassen seiner Unterthanen, den Hintersassen der Gutsherren und der Städte, sowie den Armen insgesammt, denen die vier Procuratoren des Kammergerichts unentgeldlich dienen mußten, als den obersten Herrn dar, der sie vor dem Druck der Privilegirten zu schützen befugt und im Stande war. Endlich aber sollte in diesem Gerichte überall, wo die landesüblichen Gesetze nicht ausreichten, das Kaiserrecht zur Anwendung kommen, und daher unter den Beisitzern mindestens zwei promovirte Juristen sich befinden. In weiterer Verfolgung seines Planes hat der Kurfürst nicht nur seit 1511 zu verschiedenen Malen Bestimmungen des Kaiserrechtes, deren Reception auf deutschen Reichstagen beschlossen worden, als Landesgesetz publicirt, sondern auch mit Zustimmung der Stände am 9. Oct. 1527 die Joachimische Constitution veröffentlicht, ein Gesetzbuch, welches zur Beseitigung der „Rechtsunordnung“ im Bereiche des Erbrechts, unter Beibehaltung einzelner älterer Landessatzungen das Kaiserrecht für Erbfälle und einige damit verwandte Gebiete zum allgemeinen Landesgesetze erhob. – In entsprechender Auffassung seiner landesherrlichen Rechte und Pflichten griff J. in die Verwaltung des Landes ein. Ein glücklicher Zufall, der Heimfall der Grafschaft Ruppin nach dem Aussterben der männlichen Linie dieses Grafenhauses im J. 1524, machte es möglich, ein bedeutendes bisher fast souveränes Lehen mit den unmittelbaren kurfürstlichen Besitzungen zu vereinigen. Ingleichen sicherte er sich durch glückliche Unterhandlungen mit den Nachbarn den Besitz der Grafschaft Zossen (1516), der Neumark (1517) und durch Einlösung des Pfandes der Gebiete von Peitz und Teupitz. Die klägliche Lage der in ihrem Wohlstande geschädigten Städte der Mark, von der er sich durch persönlichen Besuch nähere Kenntniß verschaffte, gab ihm Gelegenheit, ohne Widerstand zu finden, vornehmlich in seiner „Polizeiordnung von 1515“ eine „Reformation“ derselben vorzunehmen, durch welche er theils auf eine gleichmäßige Organisation der Stadtobrigkeiten hinarbeitete, welche er zur Beseitigung innerer Unordnungen, namentlich gegen die Widersetzlichkeit der Zünfte mit stärkerer Gewalt ausstattete, theils den Verkehr, den Gewerbefleiß und den Landbau zu fördern sich bemühte. Ein besonderes Gesetz vom 3. Januar 1523 beseitigte durch Feststellung einer Rangordnung unter den märkischen Städten eine Hauptquelle damals häufig unter ihnen ausgebrochenen Haders. So wohl gemeint aber auch hierbei die Absicht des Landesherrn sein mochte, und wie vorsorglich er auch durch eine gute Verwaltung seiner Finanzen den Ständen möglichst jede Veranlassung abschnitt, ihre Autorität zu erweitern, so entbehrten doch auch diese Anordnungen jedes nachhaltigen Erfolges. Man erkennt vielmehr aus den Landtagsacten, namentlich dem Abschied des J. 1523, daß die Ausführung derselben dadurch, daß dem Fürsten geeignete Organe zur Beaufsichtigung fehlten, nur in mangelhafter Weise zu Stande kam. Selbst seine gewichtigste Schöpfung, die Universität Frankfurt, mit der prunkenden Zahl von 1000 Studirenden eröffnet, sank, nicht ohne die Schuld des Fürsten, sehr bald zu einem Schatten herab. Wenn trotz dieser Mängel das fürstliche Regiment der Mark zum Wohle des Ganzen dennoch eine feste Grundlage gewann, so haben dagegen die engherzigen Rücksichten, die ihn in der Handhabung der auswärtigen Politik, sowie in den religiösen Angelegenheiten [75] leiteten, meistens nur Mißgriffe und Mißerfolge herbeigeführt. Während er in den ersten 10 Jahren den damaligen wichtigen Reichsinteressen, der angestrebten Reform der Reichsverfassung, sowie den Reichskriegen nur geringe Theilnahme zuwandte, verfolgte er um so lebhafter die Ereignisse in Scandinavien, nachdem er nach seiner Vermählung mit Elisabeth, Tochter König Johanns I. von Dänemark, am 6. Februar 1500 durch eine von seinem Schwiegervater ausgestellte Erklärung Anwartschaft auf Schleswig-Holstein erhalten hatte, und diese Rücksicht bestimmte ihn in dem Kampfe, den die Hansestädte in Verbindung mit Schweden für ihre Handelsfreiheiten gegen Dänemark führten, trotzdem daß er für bestimmte Jahrgelder den Schutz von Hamburg und Lübeck gegen jeden feindlichen Angriff übernommen hatte, dennoch durch diplomatische Einmischung die Sache Dänemarks zu begünstigen. – Nichts konnte ihm als deutschen Reichsfürsten und, seitdem 1511 sein Vetter Albrecht Hochmeister des Deutschen Ordens geworden, als Verwandten näher liegen als die Befreiung dieses Ordens von der polnischen Oberherrschaft zu begünstigen. Aber die Besorgniß, daß dieser Orden, zu Kräften gekommen, die an seinen Vorfahren Friedrich II. 1443 verpfändete Neumark wieder einlösen werde, drängte jeden anderen Gedanken zurück, erst als der Orden, von Noth getrieben, am 25. Oct. 1517 für immer dem Rechte der Einlösung entsagte, gestattete der Kurfürst den deutschen Söldnern, welche dem Orden zu Hülfe kamen, freien Durchzug durch sein Land, zu einer weitergehenden Betheiligung kam es nicht. Bei den während der J. 1517–19, in den letzten Jahren Kaiser Maximilians und nach seinem Tode geführten Verhandlungen über die Nachfolge im Reiche zählte der Kurfürst zu der überwiegenden Mehrzahl derjenigen deutschen Fürsten, deren Parteinahme wesentlich durch den persönlichen Gewinn, den sie aus derselben zu ziehen erwarteten, bestimmt wurde. Schon im Frühjahr 1517, wo er den nebst seinem Enkel Karl in den Niederlanden Hof haltenden Kaiser besucht, bemüht sich dieser sichtlich, den Kurfürsten durch Gunstbezeigungen, namentlich durch Bestätigung und Erweiterung seiner Anwartschaft auf Schleswig-Holstein für die Wahl Karls zu gewinnen. Dennoch unterhandeln bald darauf des Kurfürsten Gesandte in Abbeville mit König Franz I. und schließen mit diesem (Juli 1518) ein Abkommen, wonach J. die Wahl des französischen Königs zu unterstützen verheißt und dagegen das Versprechen erhält, daß sein Kurprinz mit der Hand der Prinzessin Renata, Tochter König Ludwigs XII., eine Mitgift von 1 500 000 Sonnenthalern und ein Jahrgeld von 8000 Livres, der Kurfürst selbst ein gleiches Jahrgeld für Werbungen auf Kosten Frankreichs empfangen soll. Da diesem Vertrage aber die Klausel beigefügt war, daß des Kurfürsten Unterstützung erst dann eintreten solle, wenn der Thron erledigt, wenn eine freie Wahl stattfinde und mit den übrigen Kurfürsten eine Verständigung versucht wäre, so meinte der Kurfürst noch freie Hand behalten zu haben, um auch bei der anderen Partei seinen Vortheil suchen zu können. Als er daher, begleitet vom Kurprinzen, am 9. August 1518 zum Reichstage nach Augsburg kam, seinen Bruder Albrecht durch Vermittelung des Kaisers mit der Kardinalswürde bekleidet fand, selbst aber vom Kaiser das Anerbieten der Vermählung seines Kurprinzen mit der Enkelin desselben, Isabella, und einer Mitgift von 400,000 Duc. empfing, auch gleichzeitig Mißtrauen gegen die französischen Versprechungen in ihm rege geworden, trug er kein Bedenken, zumal da die Augsburger Fugger über einen Theil der kaiserlichen Mitgift sogleich Obligationen ausstellen sollten, dem kaiserlichen Enkel seine Wahlstimme zuzusagen. Ehe jedoch die Ratifikation Erzherzog Karls aus Spanien eintraf, war Kaiser Maximilian am 12. Januar 1519 gestorben, allseitig glaubte man sich der für die Wahl übernommenen Verpflichtungen entbunden, selbst die Fugger weigerten sich, die versprochenen Obligationen [76] auszuhändigen. Der Wahlkampf begann jetzt aufs neue, für Brandenburg, wie es sich anließ, unter günstigen Aussichten. König Franz, dem vor allem darum zu thun war, seinen habsburgischen Gegner vom Kaiserthron auszuschließen, gab seinen Agenten den Auftrag, wofern sie seine Wahl nicht durchzusetzen vermöchten, jedenfalls die des Königs Karl durch die Wahl eines Dritten zu verhindern. Niemand war geneigter, auf eine solche Eventualität hin sich an Frankreich anzuschließen als Kurfürst J.; je größere Abneigung gegen die Person eines französischen Bewerbers sich kund gab, um so mehr Aussicht schien die Wahl eines von der französischen Partei begünstigten deutschen Fürsten – und das konnte nur er sein – zu haben. Nachdem er sich daher überzeugt, daß alle Anerbietungen Karls auf Täuschung hinausliefen, schloß er am 8. April 1519 mit Frankreich einen neuen Vertrag ab, nach welchem Franz, wenn er selbst gewählt werde, dem Kurfürsten die Statthalterschaft in Deutschland zusicherte, wenn diese Wahl nicht zu erreichen wäre, mit allen Mitteln den Kurfürsten zur Krone zu befördern versprach. Aufs neue wurde dem Kurprinzen die Prinzessin Renata zugesagt, die Mitgift auf 200,000 Duc. erhöht, deren erste Hälfte am 1. Mai, also noch vor der Wahl gezahlt werden sollte. Mit allem Eifer hat darauf der Kurfürst sein Ziel verfolgt und zu diesem Behufe insbesondere auch die Anwerbung eines deutschen Söldnerheeres zur Unterstützung der Wahl, natürlich auf Kosten Frankreichs betrieben, immer in der Hoffnung, daß, wenn die beiden Hauptbewerber sich gegenseitig hinlänglich geschwächt und unmöglich gemacht hätten, seine eigene Wahl sich leichter werde durchsetzen lassen. Aber die von Frankreich erwartete günstige Erklärung hierüber blieb aus, schließlich scheute sich Franz, auch die Waffen anzuwenden, während das Heer des schwäbischen Bundes im Interesse Karls Frankfurt, die Wahlstadt, umlagerte. Als J. dann unmittelbar vor dem Wahltage auf einer Zusammenkunft in Mainz mit den Anhängern Frankreichs seine Wahl zur Sprache brachte, trat ihm der mächtigste derselben, Kur-Trier, mit Entschiedenheit entgegen. Joachims Bruder, Albrecht von Mainz, hatte schon längst sich für Karl erklärt. So war denn forthin bei der Wahlhandlung in Frankfurt nur von Friedrich von Sachsen und Karl von Spanien die Rede; die Ablehnung des ersteren entschied am 28. Juni 1519 die Wahl des letzteren; auch J. sah sich, freilich erst im letzten Augenblick, genöthigt einzuwilligen. Das Mißlingen dieser Pläne und Hoffnungen brachte den Kurfürsten in eine mißliche Stellung zum Reiche; der neue Kaiser war ihm gram; des Kurfürsten Erbieten, gegen ein Jahrgeld ihm zu Diensten zu sein, ward von Karl mit bitterem Hohn zurückgewiesen. Daß jener trotzdem dem Kaiser (im Mai 1521) zum Zustandebringen des Wormser Edicts behülflich war, konnte Karl nicht bestimmen, ihm weitere Demüthigungen zu ersparen. Kurz nach der Abreise des Kurfürsten von Worms belehnte Karl den Herzog Bogislaw X. von Pommern mit diesem Lande in einer Form, welche die Rechte des Kurfürsten in bedenklicher Weise in Frage stellte, und um ebendiese Zeit erhielt König Christian II. von Dänemark vom Kaiser Zusicherungen, welche Joachims Anrechte auf Schleswig-Holstein in starkem Maße schmälerten. Kein Wunder daher, daß der gekränkte Fürst, als seit 1524 vieler Orten deutsche Stände aus Besorgniß vor den zugleich mit seinen Siegen in Italien wachsenden autokratischen Bestrebungen des Kaisers über den Anschluß an eine auswärtige Macht und die Aufstellung eines Gegenkönigs planten, sich alsbald dieser Opposition anschloß, aufs neue mit Frankreich, daneben auch mit den Feinden des Kaisers in Rom und Neapel anknüpfte; die kaiserlichen Räthe hatten ihn im Verdacht, daß seine Gedanken aufs neue auf die deutsche Krone gerichtet seien. Aber Handlungen, die so kühnen Entwürfen entsprachen, lagen ihm ferne; die Nachrichten von der Schlacht von Pavia und der bald danach erfolgten Gefangennahme [77] seines Agenten Dietrich von Schönberg in Italien, mit welchem zugleich seine Correspondenzen mit den Feinden Karls in die Hände des letzteren fielen, schlugen seinen Muth danieder; er suchte fortan nur noch durch Dienstwilligkeit den Kaiser sich geneigt zu machen, und dazu boten die religiösen Angelegenheiten eine günstige Gelegenheit. – Der gelehrte Fürst war von der Anregung der Wittenberger Reformation nicht unberührt geblieben; er hat Luther persönlich aufgesucht; die Nothwendigkeit, seinen Unterthanen die Bibel in deutscher Sprache zugänglich zu machen, leuchtete auch ihm in dem Maße ein, daß er die Verbreitung der Uebersetzung Hieronymus Emser’s in der Mark begünstigte. Aber neben anderen untergeordneten Motiven, der Eifersucht auf das aufblühende Wittenberg und seiner Spannung mit dem sächsischen Kurhause, fürchtete er durch Zulassung einer freien Bewegung auf kirchlichem Gebiete die von ihm so eifrig gehandhabte innere Ordnung zu gefährden. Nachdem er sich dann einmal gegen die neue Richtung ausgesprochen hatte, erhärtete sich sein Eigensinn zu schroffster Feindseligkeit gegen dieselbe; jede Regung unter den Unterthanen für dieselbe wurde mit Gewalt niedergehalten; einen Tumult, welcher 1530 in Stendal darüber ausbrach, daß die große Menge die neuen Kirchenlieder, welche in Magdeburg eingeführt waren, singen wollte, mußte die Stadt mit 10000 fl. und Beschränkung ihrer bisher genossenen Zollfreiheit büßen. Die Stände aber billigten solche Strenge, durch welche, wie ihnen vorgehalten wurde, die Bauernkriege von ihren Grenzen fern gehalten worden waren. Dieselbe feindselige Haltung gegen die Wittenberger bewahrte der Kurfürst dann auch in seinen reichsständischen Beziehungen; er eiferte für die Ausführung des Wormser Edicts, schloß sich am 2. Juli 1525 dem auf die Ausrottung der lutherischen Ketzerei gerichteten Dessauer Bündnisse an, reiste nebst dem gleichgesinnten Herzog Georg von Sachsen dem aus Italien kommenden Kaiser im Frühjahr 1530 bis Innsbruck entgegen, um ihn zum Einschreiten gegen die protestirenden Reichsfürsten zu bestimmen, erging sich auf dem darauf folgenden Reichstage in Augsburg gegen die evangelischen Fürsten in so verletzenden Aeußerungen, daß selbst der Kaiser diesen voreiligen Eifer tadelte, half dann mit nicht minderem Eifer jenen den Protestanten feindlichen Reichstagsabschied zu Stande bringen, welcher die bedrohte Partei zu dem schmalkaldischen Bunde sich zu vereinigen nöthigte, betrieb trotz des Widerspruches jenes Bundes die Wahl des Erzherzogs Ferdinand zum römischen Könige und nahm endlich, auch als der Kaiser sich zur Nachgiebigkeit gegen die Schmalkaldener gezwungen sah, im November 1533 an der Bildung des schon auf die Vertheidigung der altkirchlichen Lehre sich beschränkenden hallischen Bündnisses den lebhaftesten Antheil. Wenn er in diesem beharrlichen Kampfe für seine Ueberzeugung zugleich auch den Kaiser sich zu befreunden hoffte, so erreichte er dies um so weniger, da die gewinnsüchtigen Absichten, die auch hierbei hervortraten, den Fürsten in der Achtung des Kaisers nicht heben konnten. Was ihn zu so eifriger Beförderung der Wahl König Ferdinands treibt, sind schließlich, wie er selbst seinem Sohne am 19. August 1530 im geheimen eröffnet, die von seinem „gnädigen Kaiser“ angebotenen Vortheile: eine redliche Summe Geldes, auch jährliche Pension, die Ausrichtung einer Heirath für seinen Sohn Hans mit 100,000 fl. Ehegeld und Anwartschaft eines Anfalls, der auch 200,000 fl. eintragen würde. So ist es denn erklärlich, warum der Kaiser weder für diese Dienstleistungen, noch für die Kriegshülfe, die er unter Führung des Kurprinzen 1531 im Türkenkriege leistete, zu einer Gegengabe sich bestimmen ließ. Wol aber trafen ihn von anderer Seite her empfindliche Nachtheile, zunächst zerfiel er dadurch mit seinen Vettern in Franken, welche sämmtlich der neuen Lehre huldigten, insbesondere mit dem Hochmeister Albrecht, dessen mit der Säcularisation Preußens verbundenem Uebertritte er feindlich entgegenstand, [78] was zunächst die Folge hatte, daß, als Albrecht nach Abschluß des Krakauer Friedens 1525 von dem Könige Sigismund von Polen mit dem Herzogthum Preußen belehnt wurde, nur die jüngere, nicht die ältere Linie des hohenzollerischen Hauses an der Mitbelehnung Theil hatte. Dagegen wurde der neue Herzog Schwiegersohn und Bundesgenosse des schleswig-holsteinischen Herzogs Friedrich, welcher nach der Vertreibung König Christians II. 1523 auf den dänischen Königsthron berufen worden war, und seitdem dem Kurfürsten J., als dem Schwager Christians II., schon wegen dessen Ansprüche auf Schleswig-Holstein feindlich entgegentrat, namentlich darin, daß er den pommerschen Herzogen Barnim X. und Georg in ihrem Widerstande gegen die erneuerten Lehnsansprüche Brandenburgs seine Kriegsmittel zu Gebote stellte. Dem Kurfürsten aber erschien diese ihn von Norden bedrohende Gefahr so groß, zumal wenn die noch im alten Glauben verharrenden pommerischen Herzoge dadurch zum Abfall von demselben verleitet werden sollten, daß er der Vermittelung benachbarter Fürsten sich bedienend im Schlosse Grimnitz am 26. August 1529 einen Receß unterzeichnete, gemäß welchem er allen Lehensansprüchen auf Pommern entsagte und nur das Heimfallsrecht beim Aussterben des herzoglichen Geschlechts zugesagt erhielt; indem er zugleich seine Tochter Margarethe dem Herzoge Georg vermählte, hoffte er diesen der alten Kirche zu erhalten. Der Vertrag hielt jedoch Georgs Nachfolger, Herzog Philipp, nicht ab, schon nach 3 Jahren in Verbindung mit seinem Oheim Barnim auf dem Landtage zu Treptow 1532 der neuen Lehre in Pommern den Sieg zu verschaffen. Auch in den dänisch-deutschen Verwickelungen der J. 1530–35, in denen er früher eine Rolle gespielt hatte, sah er sich, weil er nirgends einen Rückhalt hatte, von jeder Betheiligung ausgeschlossen. Selbst sein eigenes Familienleben wurde durch diese starre religiöse Haltung zerrüttet. Seine fromme Gemahlin, die dänische Prinzessin Elisabeth (Bd. VI. S. 14), die er selbst durch eheliche Untreue schwer verletzte, fiel, seitdem sie sich der wittenbergischen Lehre zuneigte, zumal als er erfuhr, daß sie in seinem Schlosse Ostern 1527 das hl. Abendmahl nach dem neuen Ritus genossen hatte, in schwere Ungnade und vermochte nur, indem sie – am 25. März 1528 Nachts verkleidet in das kursächsische Gebiet entfloh, den schweren Gefahren, die sie bedrohten – er schwankte zwischen Scheidung, Gefängniß und Lebensstrafe – zu entgehen. Auch die Söhne des Kurfürsten schwankten; dennoch gedachte der Kurfürst seine Mark über seinen Tod hinaus in dem alten Wesen zu erhalten; in einer Klausel des Hallischen Bundes verpflichtete er seinen Nachfolger in demselben zu verbleiben, beide Söhne wurden an katholische Prinzessinnen verheirathet; sein Testament verordnete, daß sie mit ihren Landen unverrückt im alten Glauben verharrten, an Eidesstatt mußten beide darüber ihm ein Versprechen ablegen. In derselben patriarchalischen Anschauungsweise theilte er, über die Hausordnung seines Großvaters sich hinwegsetzend, seine Lande unter seine beiden Söhne. Die Vergeblichkeit seiner Bemühungen ließ sich vorhersehen.

Leuthinger, Opera. Droysen, Preuß. Politik, II. 2. Heydemann, Elemente der Joachimischen Constitution. Isaacsohn, Gesch. des Preuß. Beamtenthums, I.