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Artikel „Mengs, Anton Raphael“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 348–354, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mengs,_Anton_Raphael&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 08:46 Uhr UTC)
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Mengs: Anton Raphael M., Historienmaler, geb. am 12. Mai 1728 in Aussig, † in Rom am 29. Juni 1779. Unstreitig der Hervorragendste unter den deutschen Malern des vorigen Jahrhunderts ist er jedenfalls auch der einzige von ihnen, der es bei Lebzeiten zu europäischem Rufe, zu gleicher Geltung von Madrid bis Petersburg, von London bis Neapel gebracht hat und dessen Wirkung sowohl durch seine Bilder als durch seine zahlreichen Schriften, besonders aber durch seine große Schule sich bis in unsere heutige Zeit hinein erstreckte. – Sind seine Werke trefflich genug um wohl für alle Zeiten Bewunderung zu verdienen, so trugen zu seiner Berühmtheit doch auch die fast romanhaften äußeren Lebensumstände, unter denen sich sein Talent entfaltete, kaum weniger bei, wie man sofort sehen wird.

M. war der Sohn eines sehr geschickten Miniatur-, Email- und Oelmalers, des Ismael Mengs, eines in Kopenhagen geborenen, aus Sachsen stammenden, sehr geistvollen und gebildeten aber tyrannischen und schrullenhaften, wenn auch sonst über viele Vorurtheile seiner Zeit erhabenen Künstlers. Die Mutter war eine Lausitzerin, die aber früh starb, nachdem sie den Gatten mit vier Kindern beschenkt, unter denen der zu Ehren der beiden künstlerischen Ideale des Vaters Anton Raphael getaufte berühmte Maler das dritte war. Der barbarisch strenge Vater ließ diesen Kindern eine Erziehung angedeihen, die jedes nicht ganz gesunde Talent anscheinend hätte ersticken müssen, wie es dem älteren Bruder geschah, wie es aber dem hochbegabten jüngeren offenbar sehr wohl bekam. Ebenso seinen beiden Schwestern, die dadurch zu sehr geschickten Miniaturmalerinnen herangebildet wurden. Das Haus des Malers M. lag in einer abgelegenen Gegend von Dresden und konnte eine Malerakademie von vier kleinen Kindern genannt werden, welcher der mürrische Vater mit der Ruthe in der einen, mit der Bleifeder in der andern Hand als Präsident und Zuchtmeister vorstand. Seine Strenge war der Art, daß sie den ältesten Sohn zum Davonlaufen [349] trieb, ohne daß sich jener jemals wieder um ihn bekümmert hätte. Die drei übrig bleibenden Kinder theilten sich in seine Portion Prügel und lernten dabei von ihrem wenig gesprächigen Vater zeichnen, von der geschwätzigen Magd aber sprechen. So erzählt Bianconi, offenbar nach Mengs’ Mittheilungen selber. Jedenfalls hatte diese Methode den außerordentlichen Vortheil, dem Knaben das rechtzeitig beizubringen, was man in der frühen Jugend am leichtesten lernt, was aber bei unserem heutigen unsinnigen Erziehungssystem regelmäßig schmählich versäumt wird: die technische Fertigkeit. Der alte Mengs erzählte später, daß er viele Mühe gehabt habe, die große natürliche Lebhaftigkeit seines Sohnes zu bändigen und ihn zu jener Strenge und Reinheit der Zeichnung zu bringen, die er als ein offenbar sehr einsichtiger Lehrer durchaus verlangte. Nach zwei Jahren ließ er ihn malen, ohne daß er jedoch die Zeichnung vernachlässigen durfte. Im Gegentheil mußte er alle Tage mindestens zwei Figuren von Rafael oder Correggio im Umriß zeichnen. Aus dem Hause kamen die Kinder nur Nachts, wo sie Ismael spazieren führte, damit sie doch frische Luft schöpften. Dafür besuchten sie weder Kirche noch Schule, welches letztere jedenfalls kein geringer Vortheil war. Die Fortschritte des Sohnes unter dieser mit eiserner Consequenz durchgeführten Leitung waren so, daß sie den Vater ermuthigten, schon 1740 mit seinen Kindern auf drei Jahre nach Rom zu gehen „um ihre Ideen zu erhöhen und Rafael kennen zu lernen“. Dort zeichnete der Sohn nun auch unausgesetzt nach Rafael oder nach der Natur, lernte überdies im Atelier Benefiale’s die Technik der Malerei kennen. Der Ruf des kleinen Deutschen fing bald an sich in ganz Rom zu verbreiten, und als 1744 der Papa Mengs mit seinen Kindern nach Dresden zurückkehrte und sie wiederum von aller Welt abschloß, wurden die Arbeiten des sechszehnjährigen jungen Menschen doch bald so bekannt, daß der König sie sich kommen ließ und entzückt von denselben, besonders von den zwei heute noch berühmten Selbstporträten in Pastell, fortan sein wärmster Beschützer ward, sich sofort von ihm malen ließ und ihm alle seine Arbeiten abnahm. Dieser Beifall war wohlverdient, wenn auch alle übrigen in dieser Zeit entstandenen und heute noch erhaltenen Arbeiten jene offenbar noch in Italien unterm unmittelbaren Einfluß Rafael’s hervorgebrachten Selbstporträte nicht erreichen. Diese sind aber auch in Auffassung und Behandlung gleich classisch, übertreffen die aller Zeitgenossen, sowohl des Sylvestre als des Liotard und der Rosalba Carriera, die am Dresdener Hofe beschäftigt gewesen. Sie waren indeß nur der Anfang einer unendlich langen Reihe von Bildnissen, meist in Oel, die durchaus selbständig, wie sie es sind, oft classisch genannt werden müssen, allerdings aber wie sich das bei einem so viel belagerten Hofmaler von selbst versteht, auch sehr ungleich von Werth erscheinen. Leider wurden sie in alle Welt zerstreut, so daß man deren nur in Dresden mehrere beisammen sieht, sonst in München, Wien, Florenz und Rom immer nur einzelne in den Gallerien trifft, wo man sie aber sofort an der überaus gediegenen Zeichnung und Modellirung, dem fast emailartigen Schmelz der Farbe erkennt. Im Ganzen blieben sie seine besten Leistungen, weil sie allein jenen ausgesprochen nationalen und individuellen Charakter zeigen, der allen übrigen Productionen des M., wie hochachtbar auch immer, doch schon durch die Umstände versagt bleiben mußte, unter denen sie entstanden. In Dresden ward nur noch der berühmte, Pfeile schleifende Amor in Pastell fertig, eine so gesunde, fein studirte und liebenswürdig schalkhafte Arbeit von jugendlich frischer Empfindung, daß sie ihren großen Ruf wohl verdient und ein ungeheurer Fortschritt neben dem gezierten und verlogenen Wesen genannt werden muß, welches alle Zeitgenossen bei solchen Gegenständen zeigen.

Erst jetzt, als Günstling des Königs, durfte der junge Künstler nun auch [350] die für andere Sterbliche damals hermetisch verschlossene berühmte Gallerie besuchen, wo er sofort eine solche Leidenschaft für Correggio faßte, daß man die Spuren davon neben denen Rafael’s fast auf allen seinen Bildern sieht. Nun erwachte aber auch bald wieder die Sehnsucht nach Rom, wohin die ganze Familie schon 1746 wieder zog, nachdem sie vorher Correggio in Parma und Titian in Venedig ihren Besuch gemacht. Dieses frühe Verlassen des vaterländischen Bodens war aber für M. ein außerordentlicher Nachtheil. Ohne in seiner Empfindung jemals ein Italiener zu werden, hörte er doch auf als Maler ein Deutscher zu sein. Das giebt seiner Kunst etwas charakterloses, es fehlt ihr die feste Grundlage volksthümlichen Wesens. Seine Bilder haben darum bei aller sonstiger Trefflichkeit immer etwas Anempfundenes, das nun noch lange der Fluch der deutschen Kunst bleiben sollte, sowohl bei seinen Schülern als bei den Meistern der ihnen folgenden antikisirenden Richtung, den Carstens, Schick etc., wie denn ja selbst Cornelius unter dem Nachtheil der zu langen Expatriirung litt.

Dazu war M. durch das Taufen auf Raphael und Correggio der Eklekticismus schon in der Wiege mit auf den Weg gegeben worden! In Rom malte er nun erst eine ziemlich süße Magdalena, die heute noch in der Dresdener Gallerie zu sehen und das Porträt seines Vaters ebendort. Dann begann er seine Madonna – und indem er ein Modell zu derselben suchte, fand er in der schönen Marguerita Guazzi, die ihm dazu diente, zugleich seine Frau. Um sie besitzen zu können, wechselte der Jüngling sogar seinen Glauben und die Familie folgte ihm darin. Selbst der Vater, „weil in einer wohleingerichteten Familie nie zweierlei Meinungen herrschen dürften“. Diese vielbesprochene Conversion gab der Madonna erst das richtige Relief in Rom und der Besuch des Mengs’schen Hauses ward um so mehr Modesache als das schöne Original derselben und die beiden hübschen Schwestern des Malers die Anziehungskraft desselben sicherlich nicht verminderten. Sie und die Madonna bereiteten ihm auch einen guten Empfang, als er 1749 nach Dresden zurückkehrte. Daß die letztere ihn jedenfalls auch verdiente, kann man im Wiener Belvedere sehen, wo sie unter lauter klassischen italienischen Bildern hängend, durchaus wie ihres Gleichen aussieht, was den meisten modernen verzweifelt schwer fallen dürfte. M. ward nun Hofmaler und mit Porträten und sonstigen Bestellungen überhäuft. – Unter den letzteren füllten die Bilder für die neuerbaute katholische Kirche den Hauptplatz aus. Das Hochaltarblatt, eine Himmelfahrt Christi, die er nur in Rom vollenden zu können meinte, führte ihn wieder nach der ewigen Stadt. – Er war aber noch lange nicht fertig, als der siebenjährige Krieg ausbrach, der ihn nunmehr aller Hülfsquellen beraubte, die er aus Dresden bezog und ihn zur Aufsuchung neuer Bestellungen nöthigte. Gleichzeitig war auch Winkelmann nach Rom gekommen, der sich nun rasch an den berühmten Landsmann anschloß und jedenfalls viel zur Vervollständigung seiner Bildung beitrug, wenn er auch sonst keineswegs günstig auf ihn einwirkte, weil er ihn vom Studium Raphael’s und Correggio’s weg zu dem der Antike drängte, die einer specifisch malerischen Anschauung in ihrer Bestimmtheit wenig günstig ist, ihn häufig zu Verkennung der Grenzen zwischen Malerei und Plastik veranlaßte. – So fing er jetzt an in seinen Oelbildern oft viel zu plastisch zu modelliren. Dies zeigt sich gerade an der Himmelfahrt, als sie viele Jahre später in Madrid endlich fertig ward. Dennoch ist sie ein hochachtbares Bild in ihrer Art. Der Christus ist sogar ganz vortrefflich, edel in den Formen wie dem Ausdruck und herrlich leuchtend gemalt. Dagegen erscheint Gott-Vater, der ihn oben in der Glorie erwartet, vielleicht etwas zu körperlos. Die Apostel und heiligen Frauen unten sind wohl gut componirt aber erinnern in ihrer antikisirenden Art etwas zu sehr an colorirte Gypsfiguren. Der Ausdruck aller ist aber so natürlich wahr und angemessen, [351] daß man dies Bild wie die meisten anderen des M., doch einen ungeheueren Fortschritt gegen die manierirte und verlogene Süßlichkeit des Zopfes nennen muß, wenn es ihm auch weder da noch später gelang, die Antike so frei zu benutzen, als Raphael und Michel-Angelo es thaten.

Diese und andere Schöpfungen machten dann auch solches Aufsehen in Rom, daß sich bald Schüler aller Nationen um den jugendlichen Meister schaarten, zum großen Verdrusse des Karl Maratti, dessen Bilder freilich Mengs’ Naturgefühl nie erreichen, aber seine Fehler übertreiben.

Wohl durch Winkelmanns Einfluß erhielt er jetzt vom Cardinal Albani ein großes Deckenbild der von ihm neuerbauten Villa, jetzt Torlonia, in Fresko zu malen. Es stellt Apoll unter den neun Musen dar und offenbart allerdings sehr die Anlehnung an Raphael – so sehr, daß man es im ersten Augenblick ihm direct zuzuschreiben geneigt ist. Das spricht aber denn doch wohl recht sehr für seine Vortrefflichkeit und ist mehr als sich seither irgend Jemand rühmen konnte. Die Farbe wenigstens ist dabei von einer blühenden Frische, die noch über Raphael hinausgeht, wenn es auch unserem Gefühle nicht völlig entspricht, daß Apoll völlig nackt unter den doch ganz bekleideten Musen steht. Diese letzteren sind aber um so reizender gelungen, wenn ihnen auch die frische Naturwüchsigkeit und naive Anmuth der Raphaelischen nicht in gleich hohem Grade eigen ist.

Noch vor diesem hatte M. ein großes Deckenbild in S. Eusebio in derselben Technik gemalt, die er in Rom erst wieder eingeführt hatte, nachdem sie dort beinahe ganz in Vergessenheit gekommen war. Es stellt den Heiligen in der Glorie dar, und begründete eigentlich den Ruf des jungen Künstlers in Rom durch seine im Vergleich zur übrigen zeitgenössischen Production so edle und natürliche Composition. Dem Deckenbild in der Villa Albani folgte ein Altarblatt in Sulmona. Dazwischen entstanden ein meisterhaftes Porträt des Cardinals Archinto und zwei noch bessere des Papstes Clemens XIII. Daß sie ihm übertragen wurden beweist, welches Rufes er sich bereits in Rom erfreute. Ihnen folgte ein großes Altarbild für die Kapelle in Caserta im Auftrag der Königin von Neapel, der Tochter seines sächsischen Protectors August III. Seine Ueberbringung gab Veranlassung, sie und den König noch vor dessen Abreise nach Spanien, dessen Thron er geerbt, zu porträtiren. Ebenso noch einige Hofleute. Diese Bilder bewirkten sofort seine Ernennung zum spanischen Hofmaler mit dem für jene Zeit glänzenden Gehalt von 6000 Scudi = 28 000 Mark. Im August 1761 reiste er denn auch mit seiner ganzen Familie nach Madrid ab, wo er alsbald eine Masse von Aufträgen erhielt, besonders viele königliche Gemächer in Fresko ausmalte. Neben einer Unzahl von Porträten wurden auch noch das Dresdener Bild und eine Kreuzesabnahme fertig, die schönen Aufbau mit einfacher und natürlicher Empfindung wohlthuend vereinigt. Ferner ein heiliger Joseph, der im Traume vom Engel zur Flucht ermahnt wird. Die Fresken aber die er in Concurrenz mit dem berühmtesten Freskanten der damaligen Zeit, dem Venetianer Tiepolo malte, zeigen ihn diesem mehr als gewachsen, so die „Aufnahme des Herkules in den Olymp“, die „Aurora und die vier Jahreszeiten“, die jenem an natürlichem Ausdruck weit überlegen sind. Einen gefährlicheren Nebenbuhler bekam er freilich später in dem genialen Goya, der überdies als Spanier die nationale Empfindung und größere Originalität für sich hatte. – Einstweilen verleideten ihm die italienischen Nebenbuhler und der Haß der Eingebornen, der bei einer vom König ihm übertragenen Reorganisation der Akademie zu vollem Ausbruch kam, den Aufenthalt so, daß er 1769 kurz nach dem Wiedereintreffen Goya’s in Madrid, dasselbe krank verließ. Unterwegs, schon in Parma und Florenz unaufhörlich Porträte malend, im letzteren die [352] ganze großherzogliche Familie für den König von Spanien – traf er nach zweijähriger triumphartiger Reise 1771 wieder in Rom ein, nachdem er schon in Florenz die Ernennung zum Präsidenten der Akademie von San Luca empfangen hatte.

Er malte nun unter anderem ein „Noli me tangere“ und für den König von Spanien jene berühmte „Heilige Nacht“, wo er in directe Concurrenz mit Correggio tritt. Indeß hat er doch nur die Disposition der Massen, aber keinerlei einzelne Figur von ihm entlehnt. Das Ganze macht den liebenswürdigsten Eindruck, ja nicht nur können die Engel oben sich ganz gut neben denen des Correggio sehen lassen, sondern das überaus geistvoll und doch ganz natürlich und unbefangen aussehende Kind ist sogar dem ganz unbedeutenden des letzteren entschieden vorzuziehen, weil es die Bewunderung der sich hinzudrängenden Hirten besser motivirt erscheinen läßt. Auch die Madonna ist voll überaus großer Lieblichkeit und in den Hirten finden wir den Maler selber vortrefflich gegeben in dieser Metamorphose. Nur die anderen bleiben in ihrer antikisirenden Art weit hinter den so natürlichen des Allegri zurück, sind nicht so frisch aus der Natur gegriffen. Immerhin ist das Bild so gediegen in allen Theilen durchgeführt, daß es seinen großen Ruf vollkommen rechtfertigt. In der Gallerie Lichtenstein in Wien ist nur eine schlechte Variante des Madrider Originals. Allerdings ist M. nicht immer so natürlich und wohlthuend als hier, der ihn beherrschende Hang zur Reflexion und zum Theoretisiren beeinträchtigt oft die Frische und Unmittelbarkeit der Empfindung bei ihm. Es zeigt sich das besonders in den sonst herrlich ausgeführten Fresken, mit denen er jetzt das Papyruszimmer der vaticanischen Bibliothek schmückte. Da sieht man die sonst reizend erfundene Figur der Geschichte auf dem Rücken der demüthig zu ihren Füßen liegenden Zeit schreibend und dabei auf Janus blickend, der ihr dictirt und was derlei geschraubte Allegorien mehr sind. Ausgeführt sind sie aber so blühend frisch und herrlich leuchtend, die Putten, welche die einzelnen symbolischen Figuren verbindend umspielen, sind auch so reizend erfunden, daß man wohl sieht, wie der Maler nicht umsonst nach und nach mit 20 solcher kleiner Genien von seiner Margaretha Guazzi beschenkt worden war, so daß er sie zuletzt von Madrid nach Rom zurückschickte, um sich von solch allzu großer Thätigkeit zu erholen. Daß er sogar seinem Winkelmann alle Rechte auf sie intermittirend abtreten wollte, schiene ein Uebermaß von Freundschaft, das unglaublich wäre, wenn es nicht der letztere in seinen Briefen selber erzählt hätte.

Durch alle diese Arbeiten war Mengs’ Ruf nach und nach zu außerordentlicher Höhe gestiegen und wie man gestehen muß, mit vollkommenem Recht. Nicht wenig trug zu demselben auch sein beständiger Umgang mit berühmten Schriftstellern und vornehmen Männern aller Nationen bei, durch den er die sociale Stellung der Künstler überhaupt, wie die Achtung vor den Deutschen in nicht geringem Maße hob. Ebenso durch seine vielen Schriften über Kunst, die in alle europäischen Sprachen übersetzt wurden. In vielem heute ungenießbar, besonders im kunstphilosophischen Theil, enthalten sie doch eine überraschende Menge seiner praktischer Bemerkungen und gesunder Maximen, die nach und nach in Fleisch und Blut aller akademischen Lehrthätigkeit übergegangen sind, bis heute ihre Geltung behalten haben. Ihn selber hat das Theoretisiren indeß so wenig gefördert als andere Künstler, und man muß bei ihm sehr genau unterscheiden, was der Doctrin und was der ihn weit richtiger führenden Inspiration seines unzweifelhaft sehr bedeutenden Talentes angehört. Zum ersteren ist jedenfalls der jetzt entstandene „Antonius mit Cleopatra“, ein noch ziemlich zopfiges Werk zu rechnen. Ebenso „der heilige Petrus auf dem Throne“ im Wiener [353] Belvedere, der obwohl besser, fast zu plastisch gemacht, doch ein sehr kühles akademisches Product genannt werden muß. – Den größeren Theil der Zeit mußte er jetzt indeß auf Porträte verwenden in Rom wie in Neapel. Die seiner Freunde, des spanischen Gesandten Marquis Azara, der auch sein Biograph ward, und des Baron Edelsheim gehören zu seinen besten neben mehreren, in denen er sich selber mit großer Meisterschaft darstellte. So die jetzt in der Münchener Pinakothek und der Florentiner Maler=Sammlung befindlichen, die zu den unbedingt trefflichsten Arbeiten der Zeit zählen. Nunmehr traf ihn auch ein Befehl des Königs von Spanien, wieder nach Madrid zur Vollendung seiner dort angefangenen Arbeiten zu kommen. Ungern gehorchend reiste er 1772 ohne seine Familie hin und arbeitete dort mit fieberhafter Eile, um nur bald zurückkehren zu können. Es entstanden von neuen Fresken dort unter anderen eine „Apotheose Trajan’s“ und ein „Tempel des Ruhmes“, dann eine „erzürnte Zeit, das Vergnügen entführend“ u. A. m. Nach drei Jahren hatte er indeß seine Gesundheit dort so ruinirt, daß ihn zuletzt der König selbst wieder zurückschickte, obwohl er ihn sehr ungern mißte und ihm eine Menge Bestellungen, wie die Ernennung zum Director der spanischen Akademie in Rom mit auf den Weg gab. Ganz erschöpft kam er dort im Winter 1775 an um alsbald wieder die grenzenloseste Thätigkeit zu entfalten, wozu ihn auch seine große Familie und der fürstliche Aufwand, den er zu machen gewohnt war, so wie seine große Sammellust nöthigten, obwohl er für seine Zeit ganz außerordentliche Preise erhielt. Auch die Geselligkeit nahm ihn sehr in Anspruch, ebenso die Musik, die er sehr liebte und seine gelehrten Arbeiten. Sprach er, der nie eine Schule besucht, doch außer seiner Muttersprache noch ausgezeichnet Italienisch, Französisch und Spanisch, verstand Latein und Englisch. Nicht lange nach seiner Rückkehr hatte er das Unglück, seine Frau zu verlieren, die er trotz des Ausleihens sehr geliebt zu haben scheint. Um seinen Schmerz zu vergessen, arbeitete er unaufhörlich fort, zumeist an jener lieblichen Verkündigung Mariä, die sein Schwanengesang werden sollte und jetzt als sein bestes Werk im Belvedere hängt. Den Einfluß Correggio’s nirgends verleugnend beweist sie doch auch, daß er sich in Madrid den Murillo sehr angesehen hatte, an den sowohl das schwärzliche Colorit als die den herabsehenden Gott Vater wie die unendlich demüthige Maria umflatternden allerliebsten Engel erinnern. – Neben der Himmelfahrt und der Nacht ist es jedenfalls sein bestes religiöses Bild, voll wohlthuenden Gefühls und großer Meisterschaft der Darstellung, wenn auch ohne hervorragende Eigenthümlichkeit, wie das bei seinem Eklekticismus selbstverständlich erscheint. Kurz vor der Vollendung raffte ihn der Tod hinweg zur Trauer von ganz Europa, das sich um seine nachgelassenen Werke förmlich riß, während alle Höfe sich in Sorge für die Familie überboten. Sein Einfluß auf die Kunst des Jahrhunderts muß denn auch ein sehr großer genannt werden, sowohl durch seine zahlreichen und sehr bedeutenden Schüler, unter denen Casanova, Maron, Guibal, Ratti, Knoller, Ig. und Chr. Unterberger als die bedeutendsten anzuführen sind. Gewirkt hat er aber auf fast alle Zeitgenossen und Nachfolger, ja alles, was sich von technischer Tradition an den deutschen Akademien durch Füger, Bergler und Caucig in Wien, Langer in München, Matthäi und Hartmann in Dresden, Hetsch in Stuttgart, Nahl in Cassel u. A. gerettet hat, ist auf ihn zurückzuführen. Ja selbst David hat neben und um ihn in Rom die ersten Eindrücke und jene Tendenz zur malerischen Verwerthung der Antike empfangen, ohne ihn je an echtem Kunstgehalt irgend zu erreichen.

Allerdings litt M. schwer unter dem Umstande, daß er, in Rom und Madrid in ganz kosmopolitischer Stellung lebend, des nationalen Bodens entbehrte, [354] ein ungeheuerer Nachtheil, unter dem so viele Künstler vor ihm und nach ihm von Poussin bis auf Thorwaldsen, Overbeck und Winterhalter gelitten haben und der ihren Werken das Individuelle der Empfindung, das Racemäßige der Production nimmt, das ja selbst ein Rubens erst gewann, als er den Boden der Heimath wieder betrat. Seine Bilder, mehr aus der Bewunderung und dem Studium anderer Kunstwerke als aus der Beobachtung der Natur hervorgegangen, entbehren überdies allerdings jener zwingenden Gewalt einer mächtigen Subjectivität, wie sie selbst die des an Können so tief unter ihm stehenden David und des Cornelius besitzen. Aber wo er wirkliche Naturanschauungen giebt, wie in der Nacht und seinen vielen Kindergestalten oder Porträten, dann in den köstlichen Fresken, wird er unvergänglich fortleben und außerdem das Verdienst für sich beanspruchen können, die deutsche Kunst aus der Verlogenheit des Zopfes erst wieder auf einen gesunderen Weg geleitet und sich nach dieser Seite hin ein weit größeres Verdienst erworben zu haben, als die ihm folgende antikisirende, ja selbst die romantische Periode anerkennen wollten.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 354. Z. 16 v. o.: Vgl. Distel in der Zeitschr. f. bildende Künste, N. F., II, 279. [Bd. 36, S. 790]