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Artikel „Cornelius, Peter von“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 484–497, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cornelius,_Peter_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:27 Uhr UTC)
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Cornelius, Peter
Band 4 (1876), S. 484–497 (Quelle).
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Cornelius: Peter von C., geb. 23. Sept. 1783 in Düsseldorf, † in Berlin 6. März 1867. Der berühmteste deutsche Historienmaler neuerer Zeit und Stifter einer großen Schule, ist er zugleich der weitaus einflußreichste unter jenen Meistern, welche zu Anfang des Jahrhunderts den Grund zu einer nationalen Kunst legten, die ihm ihre höchsten Leistungen verdankt. Als Sohn eines Malers und Lehrers an der dortigen Akademie erhielt C. gleich in der frühesten Zeit nur künstlerische Eindrücke, durchwanderte schon als Kind die mit der Anstalt verbundene Antikensammlung und die später nach München übergeführte Galerie, in der ihn besonders Rubens anzog, während er vom Vater Aloisius C., der wie der Director Langer der Mengs’schen Richtung angehörte, schon von Anfang an auf Rafael hingewiesen ward. Hierauf besuchte er vom zwölften Jahre an die Akademie selber, wo sein Talent sich insofern schon früh manifestirte, daß als 1799 sein Vater starb und die Mutter bei einer zahlreichen Familie außer Stand war, ihn zu unterstützen, im Gegentheile er und sein Bruder bald ihr zu Hülfe kamen. Hatte er sich bisher nur in Composition von Schlacht- und Jagdstücken versucht, so zeichnete er jetzt zu diesem Zwecke in Kalender, malte Kirchenfahnen, Portraite etc. Er offenbart also sofort jene erste und größte Fähigkeit, eine reiche Phantasie und ursprüngliches Gestaltungsvermögen.

Tief innerlich und träumerisch scheint ihn aber wie Carstens das ernsthafte, positive Studium, die Bewältigung des Handwerks doch nie recht angezogen zu haben. Voll jugendlicher Schwärmerei liebt er sich mit der Andeutung bei Gestaltung seiner inneren Welt zu begnügen, die ihn weit mehr beschäftigt als die reale. Er ist daher auch in dieser Zeit weit entfernt, ein scharfes Auge für die Natur zu haben, im Gegentheile wirken Kunstwerke der verschiedensten Art mehr auf ihn und die Beweglichkeit, mit der er sich in den verschiedensten Stilformen – nur nie im Naturalismus – versucht, ist das Hervorstechendste bei ihm, der Idealist von allem Anfange an ausgesprochen. – Seine reiche Begabung war aber von einer so einfachen und großartigen Persönlichkeit unterstützt, wie sie nur dem echten Genie eigen zu sein pflegt. Die magische Gewalt über Andere, die er zu allen Zeiten besessen, erwarb ihm denn auch früh zahlreiche Freunde. So lernt er die Boisserée’s schon um 1803 kennen, und macht sich mit ihren romantischen Anschauungen bekannt, die indeß damals offenbar noch nicht recht bei ihm verfingen. Im Gegentheil schwärmt er jetzt noch für Alles durcheinander für die Antike, Rafael und Rubens, Correggio und van der Werff. – Um 1806 bis 1808 verschaffte ihm der Canonicus Wallraff den Auftrag, die Kuppel der Kirche St. Quirin in Neuß mit Gestalten von Aposteln und Engeln grau im grau zu verzieren. Leider haben sich diese Bilder nicht erhalten, sondern fielen einer Restauration zum Opfer.

An verschiedenen Preisaufgaben hatte er sich schon 1803-5 durch Compositionen mythologischer Art betheiligt, doch ohne einen Preis zu erhalten, selbst [485] bei denen der „Weimar’schen Kunstfreunde“ war er nicht glücklicher, wie denn Goethe überhaupt nie recht mit seiner herben Größe zu sympathisiren vermag, seine Tendenz zur Vermischung der Grenzen zwischen Poesie und Malerei sofort erkennt und ihn davor warnt. Ebenso wundert er sich aber auch über die Leichtigkeit, mit der sich der junge Mann nacheinander in sehr verschiedenen Stilformen versucht.

Aus derselben Zeit stammen auch mehrere Oelbilder, die 14 Nothhelfer und eine Anzahl biblischer und sonstiger Compositionen aus der alten Geschichte. Die Nothwendigkeit, sich so früh sein Brod zu verdienen, machte ihn, wie man sieht, bald gewandt sich mit einer gewissen Sicherheit auszusprechen, ein Ganzes hervorzubringen. Sie fügte ihm aber auch den nie mehr gutzumachenden Nachtheil zu, daß er keine ordentliche Schule durchmachen, die Natur, die Gesetze ihrer Erscheinung durch ein gründliches Studium kennen lernen, oder vollends sich bei geübten Lehrern eine gesunde Technik, jene herrliche Erbschaft, welche Mengs hinterlassen, aneignen konnte. Er ward vielmehr daran gewöhnt, alles aus seiner reichen, aber fast nur durch andere Kunstwerke genährten Phantasie zu holen, und die Natur nur im Fluge zu beobachten, zu belauschen, selten aber direct nachzuahmen. Die Armuth drängte ihm die conventionelle Form in der Kunst eben so mit Gewalt auf, als die Abneigung vor einer Gegenwart, deren Druck beständig so hart auf ihm lastete. War doch der Anblick der Fremdherrschaft in den Rheinlanden, des unaufhörlichen Schicksalswechsels, die sie herbeiführte, der grenzenlose Uebermuth der Franzosen ganz dazu angethan jenen Ernst, die großartige Betrachtung des menschlichen Lebens bei dem jungen Manne wachzurufen, die wir überall wahrnehmen, vor allem aber auch jene tiefe Abneigung gegen alles Fremde und besonders Fränkische, die Tendenz zum Zurückgreifen auf das specifisch Deutsche in der Kunst hervorzubringen. Voll Schwärmerei und Ueberschwänglichkeit treten uns doch die starke Vaterlandsliebe, der glühende Franzosenhaß und das feste Bewußtsein des eigenen hohen Berufes, das große Wollen sofort aus seinen Briefen, besonders an den ihm innig verbundenen Fritz Flemming als die festen Punkte in den sonst noch so sehr schwankenden Meinungen entgegen.

Um diese Zeit scheint endlich die romantische Richtung in ihm definitiv die Oberhand erhalten zu haben, denn er schreibt nun auf einmal, daß jetzt sein Bestreben nach der „Dürer’schen Art“ „glühend und streng“ seine Richtung nehme.

Diese Umwandlung vollzog sich in Frankfurt, wohin er im J. 1809 nach dem Tode seiner Mutter, die ihn bis dahin in seiner Vaterstadt festgehalten, zog und zwei Jahre dort verweilte. – Von Arbeiten entstand außer einer heiligen Familie für den Primas, die noch die Anlehnung an die großen Italiener offenbart, eine ziemliche Anzahl Portraite und ein Cyklus von Reisecompositionen, sowie Bilder der verschiedensten Art. Die letzteren zeigen uns in ihrer etwas trockenen und harten Technik bald altdeutsche, vorab Dürer’sche, bald italienische Einflüsse. Aber selbst die Portraite offenbaren ein verhältnißmäßig geringes Studium der ganzen Erscheinung, begnügen sich mit der Auffassung der Persönlichkeit nach Art der Altdeutschen, wenn auch ohne ihre Feinheit des Naturgefühls. Noch mehr ohne ihren glänzenden Farbensinn, der ihm überhaupt abzugehen schien, wie man das aus seinen gleichzeitigen Aeußerungen über Correggio und Titian, wie einer über Rafael entnehmen kann, wo er sagt, daß man ihn nach jedem Kupferstich studiren könne. – An jene Productionen schließen sich angeblich noch ziemlich antikisirende mythologische Bilder im Mumm’schen Hause, die leider nicht erhalten sind. Die entscheidende Wendung seines Talentes durch das Wiederanknüpfen an die altdeutsche Malerei und an die nationale Dichtung, wodurch er uns eine neue geisterfüllte Kunst verschaffen sollte, ließ indeß nicht [486] lange mehr auf sich warten. – Denn bald beginnt nun seine Beschäftigung mit Goethe’s Faust, der damals alle Welt begeisterte, fast gleichzeitig finden wir ihn auch mit dem wieder populär gewordenen Nibelungenlied bekannt geworden, sowie mit der Publication von Alb. Dürer’s Gebetbuch Kaiser Maximilians. – Schreibt er doch selbst höchst bezeichnend für seine Denkungsart an Goethe darüber: „Albrecht Dürer’s Randzeichnungen habe ich von dem Tage an, da ich mein Werk begann, in meiner Werkstätte. Damals, wo ich das Wesen dieser Kunstgattung zu ergründen strebte, schien es mir nöthig, in einer Zeit, wo man so gerne alle Höhen und Tiefen ausgleichen möchte, nicht im mindesten mit dieser schlechten Seite unseres Zeitgeistes zu capituliren, sondern ihm streng und mit offener Stirne den Krieg anzukündigen.“

Man sieht, der junge Mann ist alles eher als naiv, sondern geht jetzt endlich mit Entschlossenheit auf ein bestimmt gewolltes, wohlüberlegtes Ziel aus. Das ist denn auch nicht zu verkennen im Faust, um den es sich hier handelt und der in seiner ganzen Erscheinung eine so geharnischte Kriegserklärung ist gegen die ganze damals herrschende Mengs’sche eklektische Schule. Noch großentheils in Frankfurt gezeichnet, ist das Ringen des Genius höchst interessant, wie es sich durch die dort, und dann die später in Rom entstandenen Blätter zieht. Jene sind die schwächeren, haben oft etwas Ungeheuerliches und Ungeschlachtes, das mit seiner phantastischen Uebertreibung im Zurückgreifen auf die Sprache Dürer’s und Holbein’s dem Goethe’schen Gedicht und dessen so ganz modernem Geiste, wie seinem edeln Maß keineswegs entspricht. C. übersetzt in diesen ersten Blättern den Faust ins sechszehnte Jahrhundert zurück und zwar nicht nur in die Sprache, sondern auch in die Empfindungsweise desselben. Während überdies das Gedicht voll von der Natur unmittelbar abgelauschten Zügen ist, ganz die Dialektik unserer Zeit hat, in den meisten seiner Figuren ein durchaus individuelles Leben zeigt, so ist von dem allem in jenen Frankfurter Blättern nicht eben viel zu erblicken. Man wird nur wenig selbständig der Natur abgewonnenes oder gar Individuelles in ihnen entdecken, und wenn es je einmal vorkommt, ist es mit dem anderen noch nicht recht organisch verbunden. Faust und Mephisto, wie die meisten Uebrigen sind Gestalten voll Kraft, aber viel zu ungeheuerlich.

Am Verleger Wenner findet er aber einen Freund, der ihm die Mittel verschafft, 1811 nach Rom zu gehen. Da macht sich denn der läuternde Einfluß der dortigen Eindrücke, als beginnender Kampf des Classicismus mit der Romantik in den folgenden Blättern bald fühlbar. Obwol gerade sie am meisten an Dürer erinnern, so zeigen sie doch auch erheblich mehr Beobachtung der Natur selber. So ist das Titelblatt voll phantastischer Schönheit ein Muster jener, das Vorspiel zwischen dem Theaterdirector und seinen Freunden eines dieser direct aus dem Leben gegriffenen Gattung und dabei so humoristisch, wie man C. später nie mehr trifft. Vortrefflich ist dann noch Gretchen im Gefängniß, sie wie der Engel hinter ihr voll packender Kraft und großartiger Wahrheit. Ebenso offenbart sich eine oft erschütternde Macht der Auffassung, wie z. B. in der Scene, da der Geist hinter dem „Nachbarin Euer Fläschchen“ bittenden Gretchen steht, wo eine Frau im Vordergrunde schon ganz italienisch aussieht. Ebenso einzelne Figuren des Osterspaziergangs neben dem wilden, grotesken Humor in anderen, in denen man das Studenten- und Turnerthum jener Tage ganz deutlich herausfindet, wie in dem Valentins Tod darstellenden Blatt. Und dabei erscheinen die römischen eher noch specifisch deutscher als die Frankfurter, nur erhoben und gereinigt durch einen mächtig gewachsenen Schönheitssinn. Das gründlich herabgekommene Italien wie Rom selber machen ihm eben anfangs keineswegs einen vortheilhaften Eindruck. Sagt er doch selbst noch ein Halbjahr nach der Ankunft, [487] daß ihm das Wesen der deutschen Kunst erst hier in Italien recht in seiner Glorie erschienen, und wie er es mit Schmerz und Freude fühle, daß er ein Deutscher bis ins innerste Lebensmark sei.

Ist nun von eigentlicher Individualisirung allerdings in den Faustblättern so wenig zu bemerken, als irgend eine unmittelbare Naturnachahmung, so tritt dagegen das Talent der Charakteristik, die Fähigkeit, jede Figur zu einem Typus ihrer Gattung zu erhöhen, endlich die Kraft dramatischer Schilderung schon ebenso auffallend hervor, als die gewaltige Subjectivität des Künstlers überhaupt.

Daß indeß angesichts von Rafael und Michel Angelo ein solches romantisches Bestreben neuen Wein in alte Schläuche zu gießen, nicht allzulange vorhalten konnte, war vorauszusehen. Er vertauscht es daher bald mehr und mehr mit jenem Zurückgreifen auf die edleren Formen, den großen Stil der Früh-Renaissance überhaupt und bestimmt dadurch im Gegensatze zu der antikisirenden Richtung seiner unmittelbaren Vorgänger Carstens und David den Charakter der ganzen neueren deutschen Kunst.

Vor der Vollendung seiner letzten Faustblätter war aber C. schon auf die Nibelungen gerathen, die seiner patriotischen Stimmung in dieser Zeit der Freiheitskriege noch mehr entsprachen, und hatte sie bis auf das Titelblatt vollendet, ehe er zum Faust zurückkehrte. Künstlerisch ebenso werthvoll, macht sich bereits neben dem Dürer’schen der Einfluß der Altitaliener fühlbar, doch ohne den nordisch hünenhaften Charakter irgend zu verwischen. Denn gerade das ist epochemachend an dieser Production, wie sich der Meister in den Geist des altdeutschen Gedichts hineinfindet, die eherne Kraft, den unbeugsamen Muth seiner Helden und auch ihre nordische Rohheit wiederspiegelt. Besonders zeigt das Titelblatt ein Verständniß des Geistes, wie der Formen des Mittelalters, die durch ihre Energie wie ihr hartes, unschönes, aber auch unwiderstehlich packendes Wesen ein in seiner Art einziges Product deutscher Art und Kunst bleibt. – Der deutschen Historienmalerei einen nationaleren und zugleich männlicheren, kräftigeren Charakter gewonnen zu haben, dies unvergängliche Verdienst des C. zeigt sich hier schon im vollsten Beginn. Er selber unterliegt aber jetzt während er aus Deutschland einen freien und vorurtheilslosen, an Goethe, Schiller und Shakespeare gebildeten Geist ohne jede Spur von Bigotterie mitbringt, eine Zeitlang in Rom den katholisirenden Tendenzen des Overbeck und anderer Romantiker, mit denen er fortan verkehrt. Indeß hat ihn die Anschauung dieses Nazarenerthums nicht lange gefesselt, dazu war seine Bildung zu reich, sein Sinn zu groß und unabhängig, so daß man in seinen damaligen Werken kaum andere Spuren davon findet, als die Romantik der Richtung überhaupt. – Ihr gehören auch mehrere Zeichnungen zu Shakespeare, zunächst jene berühmte, die Romeo todt zu Füßen der schlafenden Julia darstellt. Sie ist von seltener Großartigkeit der Auffassung und Macht des Ausdrucks. – Daneben kommen dann bereits mehr im Geschmacke der italienischen Renaissance die drei Marien am Grabe, und die Flucht nach Aegypten bei Freih. v. Schack in München. Diese zeigt vor allem den Einfluß der florentinischen Periode Rafael’s, ist aber freilich durch ihre Ausführung in Oel mehr ein frühes Muster der Mängel seiner ganzen Kunstrichtung als irgend etwas Anderes. Hart, trocken, bunt, ohne Farbensinn oder Naturstudium, dessen Mangel besonders alles Nackte schwach macht, wie ohne rechtes Verständniß des Rafael selber, sieht man auch kein Gefühl für die Vertiefung des Raumes; die Verkürzungen, immer die schwächste Seite der Cornelianischen Kunst, sind auffallend schlecht.

Mittlerweile hatte der Sommer 1813 durch die Befreiungskriege alle Deutschen in Rom so in Aufregung versetzt, daß C. selber zurück und ins Heer eintreten wollte. Nur mit Mühe ward er davon abgebracht. Wie bewußt er [488] aber auf die Herausbildung einer durchaus nationalen Kunst ausging, sieht man aus einer Aeußerung an Wenner bei dieser Gelegenheit: „Es muß der Genius der Nation durchdringen in allen Dingen, bis zum untersten Glied. Denn nicht große Armeen sind der Schutz eines Volkes, sondern sein Glaube, seine Gesinnung! Daß beinahe Alles in unserem Vaterlande anders werden muß, wenn es der Zeit und dem Sinne des Volkes gemäß sein soll, begreift und fühlt ein Jeder. Nicht jeder kann die Quelle des Uebels aufspüren, in meiner Kunst kann ich’s. Ich sehe deutlich, wo es hier fehlt. Die Vorsehung hat mir einen großen Wirkungskreis angewiesen. Möge es ihr doch auch gefallen, daß ich nur einen Stein zu den Grundfesten eines deutschen Kunsttempels lege, so werde ich nicht vergeblich gelebt haben.“

Da war es dann freilich kein Glück, daß die Männer, welche diese deutsche Kunst erst schaffen sollten, ihr Werk in Rom, zwar unter der Einwirkung der Renaissance, aber auch unter der noch stärkeren des Papstthums, der kirchlichen und politischen Reaction begannen, die denn auch den Bestrebungen der Mehrzahl ihren Stempel aufdrückte. – Um so anerkennenswerther ist es, daß C. bei aller gesunden Frömmigkeit sich doch von diesem Nazarenerthum so bald wieder frei machte, und später lieber mit den theuersten Freunden brach, als sich romanisirenden Tendenzen anschloß. – Das romantische Zurückgreifen des C. auf die altdeutsche Kunst, Dichtung und Geschichte, ihr Verknüpfen mit unserer neuen classischen Litteratur-Periode war nicht nur ganz richtig, sondern auch ein ungeheurer Fortschritt, weil er die Malerei wieder zum Ausdruck der nationalen Empfindung, unserer innersten Eigenthümlichkeit machte, ohne die keine Kunstrichtung jemals lange lebendig zu bleiben vermag. Hierin mehr gethan zu haben als alle Zeitgenossen, das sichert ihm seine Bedeutung für alle Zukunft: sich allen Stoffen gegenüber, die ihm Geschichte und Mythe der ganzen Welt boten, immer eine so specifisch deutsche Art der Auffassung und Betrachtung erhalten zu haben, daß er deshalb nie leer und conventionell geworden ist. Und das obgleich der Versuch einer Wiederbelebung der italienisch-classischen Formen durch ihre Durchdringung mit modern deutschem Geiste, den er nun in Rom begann, allerdings nicht so vollständig geglückt ist, als dies bei Goethe mit der griechischen der Fall war. – So hat denn seine Schule in der Illustration, mit welcher er die Losreißung vom bisherigen akademischen Schlendrian begann, im Grunde auch weitaus am meisten geleistet, durch sie unendlich größeren Einfluß auf das deutsche Volk gehabt, mehr Lebendiges, ja Classisches geschaffen als in ihren monumentalen Arbeiten. Hier in dieser mehr andeutenden als ausführenden Art war auch jener Grundsatz, der die Seele seines technischen Schaffens ist, „daß die Kunst eine Fabel sei, bei der es nicht auf die äußere Wahrscheinlichkeit, sondern auf die innere Wahrheit ankomme“, wobei freilich der Schönheit, ihrer Hauptaufgabe ganz vergessen wird, am wenigsten im Wege.

Nach beendigtem Kriege trafen nun allmählich eine Menge deutscher Künstler in Rom ein, die denselben theilweise mitgemacht, und schlossen sich der neuen Richtung mit all der durch die ungeheuren Erlebnisse angefachten nationalen Begeisterung an. So die Gebrüder Veith und Schadow aus Berlin, Konrad Eberhard aus München, Fohr aus Heidelberg, Olivier, Vogel und Julius Schnorr aus Sachsen, Führich aus Wien. Dadurch entstand eine zum Theil überschwängliche, aber auch wahrhaft fruchtbare Thätigkeit. C. selber behandelte nun zunächst wieder mehrere Stoffe religiöser Art, eine Grablegung in drei verschiedenen Versionen u. a. m. Sein wie der Genossen Ideal war aber die monumentale Kunst, die Frescomalerei, in der sie allein jene Wirkung auf die Massen ausüben, der Kunst jene Volksthümlichkeit und den veredelnden Einfluß wieder erobern zu können glaubten, der sie in den classischen Zeiten auszeichnet.

[489] Dazwischen hatte sich C. schon 1814 mit einer schönen Römerin verheirathet und natürlich bei der Armseligkeit aller Verhältnisse seine Sorgen nicht damit vermindert, so daß er eine Periode bittrer Noth durchzumachen hatte. In dieser Trübsal war es der preußische Staat, der wie eben Deutschland selber, so auch der deutschen Kunst in ihren glänzendsten Vertretern wiederum Hülfe bringen sollte. Es geschah das zunächst durch den 1815 nach Rom gekommenen preußischen Consul Bartholdy, einen ebenso gebildeten als kunstsinnigen Mann, der bald den Wunsch aussprach, die Gesellschaftsräume seines neu erworbenen Palazzo Zuccaro al Fresco verzieren zu lassen. C. brachte ihn dazu, sich statt bloßer Verzierungen große Bilder gefallen zu lassen, deren Herstellung er nur gegen Ersatz der Kosten übernahm. Er vereinte sich dazu mit den Freunden und sie wählten, wol aus Rücksicht auf die Nationalität des Bestellers, die Geschichte des ägyptischen Joseph zur Behandlung. C. hat hier die beiden Scenen der Auslegung des Traumes von den magern und fetten Kühen und Jahren, und das Wiedersehen mit den Brüdern in lebensgroßen Figuren dargestellt. Diese Compositionen zeigen bereits den Bruch mit der Romantik, den Uebergang zum Classicismus vollzogen, thun aufs deutlichste dar, wie stark Rafael, vor allem die herrlichen Scenen aus der Apostelgeschichte auf ihn gewirkt, wie rasch sie ihn sich der größeren und edleren Form zuwenden lassen, da die Unzulänglichkeit, das gebundene Wesen der Altdeutschen seinem freien und großartigen Geiste nicht lange zusagen konnte.

Aber zur vollständigen Wiederbelebung des Rafael’schen Stiles gehört auch das gründlichste Studium der Natur wie der Technik, und dies Studium übersprang C. wie seine Genossen. Bei den Bartholdy’schen Bildern findet man indessen einen energischen Ansatz dazu, der leider später wieder verloren ging. Sie erfüllen indeß, besonders das Wiedersehen Josephs mit den Brüdern, die classische Form mit einer so durch und durch deutschen Art des Empfindens, daß sie ebenso wol als echt nationale Kunstwerke bezeichnet werden können, wie es Hermann und Dorothea oder Iphigenie sind. Tritt an ihnen vor allem jenes Bestreben nach scharfer Charakteristik der Gestalten, welches durch alle deutsche Kunst geht, hervor, so berührt um so angenehmer seine innige Vereinigung mit dem herrlichen rythmischen Fluß der Linie, dem reinen und großen Stilgefühl, die der Meister den Cinquecentisten verdankt. – Ferner der tiefe, männliche Ernst, die schöne Wärme besonders in dem das Wiedersehen gebenden Bilde bei Abwesenheit alles leeren Pathos in diesen noch die ganze keusche Gluth und Begeisterung der Jugend zeigenden Erfindungen. – Selbst das Colorit ist unter dem glücklichen Einfluß der classischen Umgebung weit entfernt jene Härte, Kälte und Buntheit zu zeigen, welche den späteren Fresken des Meisters oft so weh thun, es ist vielmehr so bescheiden, harmonisch und ernst, daß man das Ganze als eine Leistung bezeichnen darf, die selbst in der Nachbarschaft von Rafael und Michel Angelo bestehen bleibt. Nicht minder stark ist das Hervortreten einer künstlerischen Eigenschaft, die dem Meister überhaupt in ungewöhnlichem Grade innewohnt, der Deutlichkeit und Verständlichkeit dessen, was er uns zeigen oder erzählen will.

Dies gab dem Marchese Massimo Veranlassung, sich die Säle seiner Villa ebenfalls durch diese Deutschen al Fresco ausmalen zu lassen und zwar mit Bildern aus Dante, Tasso und Ariost, wobei er C. die Divina Commedia übertrug. Derselbe zeichnete nun eine Anzahl Compositionen dazu, von welchen die, welche uns Dante mit Petrus, Jacobus und Johannes in Unterredung, mit ihnen Adam und Stephan, Moses und Paulus darstellt, zum Großartigsten gehört, was er componirt hat.

Indeß war 1816 Niebuhr als preußischer Gesandter nach Rom gekommen und bildete rasch den geistigen Mittelpunkt für die deutschen Künstler. Er fühlte [490] denn auch bald die innigste Freundschaft zu dem jungen Meister und gab sich alle mögliche Mühe, die preußische Regierung für ihn zu interessiren, was auch später gelang. Noch viel höher als dies ist der geistige Einfluß anzuschlagen, den seine freie und große Weltbildung auf denselben ausübte, da ihm vorzugsweise jenes gänzliche Losreißen vom Nazarenerthum zuzuschreiben ist, welches C. von da an zeigt, während die meisten anderen Deutschen sich immer fanatischer in ihre katholische Romantik verrannten und sich mehr und mehr zu einer unleidlichen Secte als Vorläufer der heutigen ultramontanen Partei ausbildeten. – Diesem männlichen und großartig vorurtheilslosen Geist, der sich im Umgang mit Niebuhr befestigt, verdankte er ohne Zweifel auch die hohe Achtung, in der er bald in Rom stand, wo er schon als das Haupt der deutschen Künstler betrachtet ward, als der Kronprinz Ludwig von Baiern, von seiner glühenden Kunstliebe geführt, im Januar 1818 nach Rom kam. Ohnehin viel und gern im Kreise dieser jungen Männer verkehrend, gaben ihm die Arbeiten bei Bartholdy Veranlassung, C. die Ausschmückung zweier Säle seiner neu erbauten Glyptothek mit Fresken zu übertragen. Sie sollten der Darstellung der griechischen Götter und dann der Heroenmythe, also zunächst der Iliade gewidmet werden, als der zwei großen Stoffe, aus denen die antike Plastik, der das Gebäude ja vorzugsweise bestimmt war, ihre Hauptnahrung zog. C. begann die Compositionen zum Göttersaal sofort und hat den größeren Theil derselben noch in Rom entworfen unter den Eindrücken der ihn umgebenden Reste der antiken Welt, die er durch eine Reise nach Neapel noch verstärkte. Nicht minder mächtig war hiebei die Einwirkung der Renaissance, vor allem der Rafael’schen Farnesina und für die Behandlung des Stoffes auch der Umgang mit Niebuhr.

So hat denn diese Wahl des Kronprinzen zu einer Production geführt, die trotz unbestreitbarer Mängel in ihrer Art einzig in der modernen Kunst dasteht. Wenigstens in Bezug auf die geistreiche Auffassung und Bewältigung des Ganzen wie die eigenthümlich großartige Composition des Einzelnen hat ihr dieselbe gewiß nichts Aehnliches an die Seite zu setzen. Cornelius’ Conceptionen prägen sich wie die Rafael’schen dem Gedächtnisse augenblicklich und für ewig ein. Ueberdies hat er jenen Meistern der Renaissance nur die Form entlehnt, seine Auffassung ist entschieden anders, ganz modern deutsch. Weit entfernt von ihrer bezaubernden, naiven Unmittelbarkeit und Frische erscheint sie durchaus bewußt, reflectirend, aber die ernste Hoheit des Sinnes, der aus ihr spricht, packt uns kaum weniger gewaltig. Während ihr Verhältniß zum Stoff durchweg das eines heiteren Spiels bleibt, steht C. demselben wie ein Philosoph gegenüber, der den ganzen poetischen Tiefsinn dieser Mythen und ihrer Personification der Naturgewalten in seinem Zusammenhange darzustellen strebt und der doch wieder Künstler genug ist, daß ihm die mythischen Figuren als lebendige, individuelle Wesen aufgehen. – Dies gilt besonders von dem Göttersaal, wo die Auffassung der drei den Olymp, das Reich des Neptun und die Unterwelt darstellenden Hauptbilder, überaus frappant in der ganzen Erscheinung und geistvoll, sowol in dem Aufbau des Ganzen, als in der Auffassung der einzelnen Gestalten erscheint. Das harmonischste und ergreifendste derselben ist die Unterwelt, das uns Orpheus zeigt, der durch sein Spiel Eurydike von Pluto zu erbitten sucht. Hier sind nicht nur alle Figuren überaus edel und ausdrucksvoll erfunden, sondern auch das Ganze ist so harmonisch und wohlthuend aufgebaut, daß es sich dem besten aller Zeiten unbedingt anreiht. Auch die Ausführung ist hier am befriedigendsten, stört wenigstens nirgends. An der Oberwelt ist die Mittelgruppe, welche die Aufnahme des Hercules in den Olymp, wie seinen Empfang bei Jupiter, das Schmollen der Juno, Ganymed und Hebe umfaßt, besonders glücklich. Am großartigsten bewegt erscheint dann der Zug des Neptun mit Amphitriten, [491] die dem Gesange Arion’s auf dem Delphin lauschen. Hier streift der Künstler dicht an Rafael’s Macht und Größe, wenn er auch dessen Anmuth nicht erreicht. Bleibt neben der frappanten Gestalt das beste an der artistischen Ausführung ihr durchweg classisches Gepräge, die außerordentlich geschickte Raumvertheilung des genial gegliederten Ganzen, das sich so organisch entfaltet, daß es hierin vollkommen unübertroffen dasteht, wie in der scharfen Charakteristik der einzelnen Gestalten, so ist nicht minder bewunderungswürdig der rhythmische Fluß der Linien, der architektonische Aufbau aller Gruppen, das überwältigende dramatische Leben und die oft ganz herrlichen Silhouetten derselben. Außer den erwähnten Compositionen sind noch besonders hervorragend durch geniale Auffassung die Darstellung des Phöbus auf dem Sonnenwagen, der Aurora mit den Parzen, der Nacht, der Diana oder Luna etc. Ueberraschend ist ferner die Verbindung der einzelnen Bilder durch Arabesken gelungen, die einen seltenen Reichthum der Phantasie offenbaren. Da C. nicht nur fast alle diese Compositionen noch in Rom entwarf, sondern auch selbst einen Theil der Cartons, so die Nacht noch dort zeichnete, ehe er im Herbst 1819 nach München übersiedelte, so zeigen sie überall die glückliche Einwirkung der classischen Umgebung.

Dort aber angekommen, traf ihn alsbald die Ernennung zum Director der Akademie in Düsseldorf, und nöthigte ihn auf einige Monate nach Berlin zu gehen, so daß erst im Frühjahr 1820 die Ausführung zunächst mit der Hülfe von Schlotthauer, A. Zimmermann und H. Heß begann. Damit kommen wir leider auf die schwächste Seite des Ganzen. Hat die Mitwirkung jener in der Langer’schen Schule gebildeten Künstler in der Unterwelt noch zu einem schönen Resultat geführt, so war die Hülfe von Cornelius’ eigenen Schülern desto ungenügender. – Deshalb entspricht denn die Malerei leider der Composition in keiner Weise und zeigt jenen Zwiespalt zwischen Wollen und Können, der sich unleugbar im ganzen Werke offenbart.

Tritt schon in den Cartons der Mangel eines gründlichen Naturstudiums, einer ausreichenden Beherrschung der Form, in der mangelhaften Zeichnung der Verkürzungen, der Gelenke, der Köpfe und Hände in dem oft unzusammenhängenden Wesen der Figuren, die der Linie zulieb bald im Boden drinn, bald in der Luft stehen, störend hervor, und steht zu der classischen Composition in einem Mißverhältniß, so ist dies bei der schreiend bunten und stillosen, bald ganz modern süßlichen, bald harten und grellen Färbung nur noch mehr der Fall. – Naturstudium wie technische Meisterschaft, die Beherrschung der Sprache der Kunst fehlen gleich sehr. Unglücklicherweise machte man aber, wie wir schon früher gesehen, aus der Noth eine Tugend und formte die Theorie nach der Praxis, behauptete, der Gedanke, die Composition seien Alles, die Ausführung nichts. Daß Kunst sich von Können herleite, hatte schon Carstens vergessen, jetzt zimmerte man ein förmliches System daraus. Dazu kam die Ungeduld des Königs, der unaufhörlich drängte, und dadurch gerade die Sorgfalt des Studiums, welche unzweifelhaft das mangelnde Können hätte allmählich verbessern müssen, unmöglich machte.

Im Herbst 1820 trat C. sein Amt in Düsseldorf an und arbeitete den Winter über an den Cartons, um im Sommer zum Malen mit den Schülern, die sich rasch um ihn gesammelt, nach München zu gehen. – Dies setzte sich bis zur Beendigung des Göttersaals 1824 fort. Dann begann die Arbeit am trojanischen. Statt einer Verbesserung der Technik durch die größere Uebung zeigt dieselbe aber im Gegentheil ein sehr entschiedenes Erblassen der classischen Traditionen, welche den Meister bisher getragen, und ein Ueberhandnehmen des barbarischen Wesens in der Ausführung, obwol die Composition auch hier noch eigenthümliche Reize genug entfaltet. So vor allem das dramatische Element, [492] jene wunderbare Fähigkeit, den Charakter des Menschen durch sein Handeln und Thun zu entwickeln, in welcher C., nicht nur in der deutschen Schule, fast allein steht.

Finden wir schon im Göttersaal alle Bilder durch überaus geschickt erfundene Motive bewegt, so gab der Zorn des Achilleus, der Kampf um den Leichnam des Patroclus, der Brand von Troja dem Meister Gelegenheit, fast alle Figuren der Iliade in sie aufs schärfste bezeichnender Thätigkeit zu zeigen. – In dieser wie fast in jeder anderen Beziehung ist besonders die letztgenannte Composition mit ihrer erschütternden Gewalt ein wahrhaft classisches Muster, trotz der Rohheit der nach Förster’s Angabe direct durch C. selber besorgten Malerei. – Besonders die von Agamemnon erfaßte und ihm die furchtbare Rache des Schicksals für das Uebel, das er über ihr Haus gebracht, verkündende Cassandra ist eine der erhabensten Inspirationen moderner Kunst. Auch die Figuren des vordrängenden Hector und des weichenden Ajax im Kampfe bei den Schiffen möchten kaum glücklicher zu erfinden gewesen sein. Ebenso die Entführung der Helena, das Opfer der Iphigenie, die Verwundung der Venus u. a. m. Ueberall zeigt der Meister jene herrliche Fähigkeit, das was er sagen, erzählen will, mit der strengsten Oekonomie der Mittel und mit einer einfachen Größe auszusprechen, die immer das Wesentliche an den Dingen mit unfehlbarer Sicherheit herausfindet. Uebrigens ist hier wieder ein stärkeres Hervortreten des nationalen Elements zu bemerken, die homerischen Helden verleugnen ihre Aehnlichkeit mit denen der Nibelungen nur wenig. Während der Ausführung dieser Compositionen ward C. nach dem Tode Langer’s zum Director der Münchener Akademie ernannt und siedelte 1825 ganz dahin über, nachdem sich in Düsseldorf keine Aufträge zu monumentalen Werken für ihn finden wollten.

Da gleich nach der Thronbesteigung des Königs Ludwig dann auch noch Schnorr und Heß zur Akademie berufen und mit großen Aufträgen betraut wurden, so entfaltete sich durch die von allen Seiten zuströmenden Schüler ein so glänzendes Kunstleben, daß man sich bei der Verwilderung des Geschmacks, die durch das Darniederliegen jeder künstlerischen Production während eines Menschenalters eingerissen war, allerdings sehr viel leichter über die Mängel dieser ganzen Kunstrichtung täuschen konnte, als dies heute möglich ist, wo uns ihre Herbigkeit immer wieder zurückstößt.

Von allen seinen künstlerischen Eigenschaften bewährte C. jetzt besonders den überaus großen Reichthum der Erfindung in den Entwürfen zu einer Geschichte der Malerei, die er für die Loggia der Pinakothek 1826–36 in den Abendstunden zeichnete. Leider sind dieselben von Clemens Zimmermann, dem sie vom König ganz gegen Cornelius’ Intention, ja sogar ohne seine Mitwirkung zum Malen übertragen wurden, so leblos ausgeführt worden, daß man sich ihrer an Ort und Stelle kaum mehr zu freuen im Stande ist. Und doch bergen die 25 Kuppelräume mit Lunetten, aus denen das Ganze besteht, in ihrer geistreichen Verbindung realer Geschichte und phantasievoller Symbolisirung eine unermeßliche Fülle schöner und erhabener, tief poetischer Gedanken, glücklicher Motive, die man aber weit besser im Kupferstich genießt.

Da auch die sonst in München in dieser Zeit 1825–35 entstehenden Arbeiten eher eine Verschlechterung als Verbesserung der Technik zeigen, so kann man nicht umhin, die Thätigkeit des Meisters als Lehrers zu untersuchen. – Wenige Künstler haben so viele und bedeutende Schüler gehabt als er. Schon in Düsseldorf hatten sich Kaulbach und Herrmann, Gözenberger, Eberle, Anschütz, Stilke, Stürmer, Karl Schorn, E. Förster und viele Andere um ihn gesammelt, die ihm fast alle nach München folgten, als er endlich ganz dahin übersiedelte. [493] Dort gesellten sich bald noch Ruben, Lindenschmidt, Gassen, Schwind, Hiltensperger, B. Neher und unzählige Andere dazu.

Dennoch hat er gerade als Lehrer im ganzen sehr ungünstig gewirkt, obwol er sehr eifrig war und zu seinen Schülern im schönsten Verhältnisse stand, ja obwol er sie offenbar im Gefühle des eigenen Mangels beständig auf das strengste Naturstudium, auf die genaueste und unaufhörliche Beobachtung des Lebens in seinen charakteristischen Aeußerungen hinwies. Aber alle seine Bemühungen scheiterten an dem Umstande, daß man Andere eben nicht lehren kann, was man selbst nie gelernt hat. Denn der Schüler sieht weit mehr auf das, was der Lehrer macht, als was er sagt. Das, was man Technik nennt, besaß aber weder C. noch irgend einer seiner Freunde, und sie bei den verachteten Zopfmalern oder Akademikern der Mengs’schen Schule zu borgen, waren sie viel zu stolz. – C. selber verstand von der alten Malerei bloß ihren Geist ganz, aber ihre Formenbehandlung, ihr Verhältniß zur Natur nur halb, ihre Technik offenbar gar nicht. Es ist angeführt worden, daß selbst seine Zeichnung des Studiums der Verkürzungen entbehrt, ihnen daher sehr sichtlich aus dem Wege geht. Ebenso ist die damit so genau zusammenhängende Modellirung mangelhaft. Sie hat aber auch den alten nationalen Fehler wieder, der überall in unserer Production von Zeit zu Zeit auftaucht, in die Ausführung selbst der größten Intentionen etwas Kleinliches zu legen, das Detail zu sehr zu betonen. So sind denn alle kleinen Formen bei ihm übertrieben, und die Darstellung der Frauenschönheit z. B. wird ihm dadurch fast unmöglich, da er selbst Kinderkörper in die alter Männer verwandelt. Der Contour ist manierirt hart, die Schatten durch übermäßige Accentuirung des Details in denselben unruhig und körperlos, die Behandlung kleinlich, selbst bei den meist vortrefflich componirten Gewändern, deren ebenso reiche als rhythmisch durchgebildete Erfindung sonst eine der glänzendsten Seiten der Cornelianischen Kunst wäre. Die Malerei treibt dies körperlose Wesen auf die Spitze, da sie gar keine Brechung der Farbe, noch weniger ein Festhalten des Localtons oder graue Uebergangstöne kennt. Von einem Studium des Helldunkels, der Mezzotinten, der Farbenwerthe, der Vertheilung der Localfarben in einem großen Bilde, des Lichtganges, der Erscheinung überhaupt ist keine Spur zu finden.

Noch vor Vollendung der Glyptothek hatte C. sich zu einer neuen großen Arbeit, der Ausmalung der Ludwigskirche anschicken müssen, ein Auftrag, der ihn mit Entzücken erfüllte, selbst nach der Beschränkung, die seine Gedanken bald erfuhren. Um seine classischen Erinnerungen aufzufrischen, ging er 1830 wiederum nach Rom in der Absicht, dort die Cartons auszuführen, nachdem er einen guten Theil der Entwürfe zum Ganzen schon früher gezeichnet. Dasselbe stellt die Weltschöpfung, Erlösung derselben durch das Christenthum und endlich das Gericht dar. Hier haben wir zunächst seinen Kunstwerth festzustellen. Dieser ist unbestreitbar sehr bedeutend, wenn auch keineswegs die Frische und den Reichthum der Erfindung in den Glyptothek-Fresken erreichend, wo der herrliche Stoff dem Maler so unvergleichlich günstiger war als die monotone und arme christliche Mythe. Nichtsdestoweniger hat C. in der Betrachtung der Weltgeschicke überhaupt, wie der Auffassung der christlichen Traditionen, hier eine strenge Größe und Erhabenheit des Sinnes und der Darstellung entfaltet, in der ihn kein Moderner erreicht. Aber das Packende, Gefangennehmende der Glyptothek hat die Ludwigskirche freilich nicht. Obwol gläubiger Katholik ist er übrigens doch frei von allem tendentiösen Wesen, ja er trägt, wenn auch nicht so viel wie Michel Angelo, doch immer noch ein gut Theil heidnischer Philosophie in die Betrachtung der christlichen Dinge. Es zeigt sich das ganz besonders in der Auffassung Gott Vaters, der ihm zu einer Art Jupiter wird. Ueberhaupt tritt [494] hier die Anlehnung an den großen Florentiner kaum weniger heraus als die an Rafael.

Zunächst ward die Kreuzigung 1831 in Rom gezeichnet. Ihre römischen Soldaten sind mit den trojanischen Helden noch durchaus verwandt, und hier ist C. selbst der gemalten Phrase nicht entgangen. Vortrefflich, ebenso menschlich edel als rührend, erscheint indeß doch Christus selber, alles Uebrige ist weniger ergreifend, und nicht ohne Kälte gemacht. Bedeutender und eigenthümlicher wird der Maler in der Anbetung der heil. drei Könige, die selber nicht nur grandios gedacht sind, sondern wo auch Gott Vater, der in den Wolken über der Hütte thront, eine erhabene Majestät zeigt. Die Feierlichkeit der Anordnung, die uns das Mythische, Symbolische des ganzen Hergangs so recht einleuchtend macht, ist freilich durch eine ganze Welt von der naiven Auffassung z. B. eines Correggio in der Nacht getrennt. Alles ist zu einem repräsentativen Vorgang aufgelöst. Die sämmtlichen Personen auf diesen beiden, ja auf allen Bildern mit Ausnahme des Gerichts erfüllen ein Amt, eine Function mit aller ernsten Hoheit, es ist aber ein mystischer Traum, kein wirklich pulsirendes Leben, das sich hier vor uns abspielt. – Dieses reflectirte Christenthum bleibt ebenso weit hinter der Lebensfülle der griechischen Götter und Helden der Glyptothek zurück, als die traumhaften Gestalten des Dante hinter den plastischen des Homer. Dies gilt auch vom dritten der Bilder, der Weltschöpfung, wo Gott Vater den Gestirnen ihre Bahnen weist. Hier hat sich der Maler ganz an Michel Angelo gehalten und allerdings eine Erhabenheit erreicht, die nur wenig hinter jenem zurückbleibt. Leider beeinträchtigt die rohe und bunte Färbung das Bild gar sehr, indem sie ihm die unangenehmste Körperlichkeit gibt.

Weitaus die bedeutendste der Productionen ist das die Hinterwand des Chores ausfüllende colossale jüngste Gericht, dessen Carton der Meister 1834 in Rom zeichnete, nachdem er kurz zuvor Frau, Tochter und Schwester nacheinander verloren. Ohne Zweifel hat die dadurch erzeugte Gemüthsstimmung einen günstigen Einfluß auf diese Production gehabt, und ihre Wärme wie Lebendigkeit gesteigert. Zurückgekehrt führte er dieselbe dann von 1885–1840 in allen Theilen selbst aus. Schon dadurch hat sie unendlich gegen die andern wie gewöhnlich von Schülern mittelmäßig und ungleich gemalten Bilder gewonnen. Auch hier ist die Verwandtschaft mit der Dante’schen Auffassung des Christenthums unverkennbar, dabei begegnen wir aber bei der sich an das Hergebrachte im Ganzen haltenden, dasselbe nur sinnvoller und schärfer durchdenkenden, interessanter gliedernden Composition einem mächtigen dramatischen Leben, einer wahren Fülle von mehr oder weniger eigenthümlich und edel erfundenen Gestalten, gepaart mit tiefem erhabenem Ernst und einer Großartigkeit der Betrachtung, wie Angemessenheit der Empfindung, neben der ein Rubens kalt und frivol, Michel Angelo, wie überlegen sonst immer, doch durchaus heidnisch aussieht. Hier hat sich C. aus dem etwas conventionellen Wesen, mit dem er in den übrigen Bildern ringt, herausgearbeitet und ist wieder nicht nur er selber geworden, sondern repräsentirt auch vollständig die Bildung und Anschauung seiner Zeit. – Nicht unserer jetzigen – sondern einer Periode, die, indem sie noch die heiligen Ueberlieferungen achtungsvoll festhält, sie doch mit einem neuen Geiste durchdringt, diese christlichen Figuren zu symbolischen auflöst, die einen Proceß, der großentheils im Innern der Menschen vorgeht, äußerlich darstellen. – Das Ganze ist zugleich mit so viel größerer Freiheit und Meisterhaftigkeit gemacht, daß man es Alles in Allem immer die bedeutendste Schöpfung der Münchener Schule nennen muß, die überdies in der ganzen modernen Production dieser Art nicht ihres Gleichen findet.

[495] Während der Ausführung war C., der sich inzwischen wiederum mit einer Römerin verheirathet, zur Erholung 1838 nach Paris gegangen, wo er mit den größten Ehren empfangen ward, ja der König Ludwig Philipp ihn selber in Versailles herumführte und zur Tafel lud. Dagegen fand sich in München bald eine wachsende Opposition gegen ihn. Durch Klenze und noch weit mehr Gärtner, den Architekten des Baues, war er in der Gunst des Königs erschüttert und mit auffälliger Zurücksetzung behandelt worden.

Auch sonst war seine Mission dort vollendet, seine ganze Schule war eigentlich nicht mehr möglich. Sie hatte nur immer deutlicher geoffenbart, wie unfähig sie sei, sich weiterzubilden. Das Eintreten einer realistischen Periode war nach dieser idealistischen so unvermeidlich als nothwendig.

Da man seiner letzten und größten Schöpfung bei ihrer Vollendung sehr im Gegensatz zu der einstigen Vergötterung höchsten Ortes nicht einmal die Anerkennung hatte zu Theil werden lassen, die sie unter allen Umständen verdiente, da sie denn doch nicht nur über alles gleichzeitig Geschaffene hoch emporragt, sondern auch in der alten Kunst nur Michel Angelo diese Aufgabe mit überlegener Kraft gelöst hat, so nahm C. die Anerbietungen Friedrich Wilhelms IV. um so eher an.

Am 22. April 1841 kam er nach Berlin, dort wie unterwegs überall wie ein Fürst empfangen. Im Herbste machte er dann eine Reise nach England, in Köln, Düsseldorf, Brüssel und London selbst ebenfalls überall hochgefeiert. Die nächste Arbeit, die er nach der Rückkehr nun vollendete, war die Zeichnung zu dem berühmten Glaubensschild, den der König von Preußen als Taufpathe des ersten Sohnes der Königin Victoria, des jetzigen Prinzen von Wales, demselben schenkte und dessen Gedanke der war, daß er alles Gemeine von ihm abzuhalten habe. Als Kunstproduct gehört er durch Composition wie vortreffliche technische Ausführung gewiß zu den edelsten Erzeugnissen unserer Zeit. Der Haupttheil desselben ist die auf der friesartigen Einfassung dargestellte Reise des Königs zur Taufe nach England, wo der Meister ein merkwürdiges Beispiel gibt, wie ein an sich sehr nüchterner, moderner Vorgang durch die Kunst in eine höhere ideale Sphäre gerückt, ihm die tiefste geistige Bedeutung gegeben werden kann.

Den Abweg dieser symbolisirenden Richtung sieht man in jenem „Christus in der Vorhölle“, den er nach dem Glaubensschild für den Grafen Raczynski in Oel malte; ein Bild, das in seiner schwer verständlichen Mystik und überdies in einer dem Meister ganz fremd gewordenen Technik gemalt, trotz großer Schönheiten der Composition im Einzelnen, doch keinen Eindruck machen konnte. Es entsprach denn auch den in Berlin herrschenden Anschauungen so wenig, daß es von der Presse mit einer wahren Fluth von Gemeinheit überschüttet wurde.

Gleichzeitig mit diesen Arbeiten hatte C. auch die Leitung der meist nach Schinkel’s Entwürfen ausgeführten Freskoarbeiten am Museum übernommen, die freilich auch nichts weniger als glücklich ausgefallen sind, was wiederum mancherlei Mißstimmung erzeugte. – Diese Verhältnisse trieben nicht am wenigsten C. 1843 auf ein Jahr nach Rom.

Dort schritt er zur Ausführung des großartigen Auftrages, den ihm König Friedrich Wilhelm IV. gleich bei seiner Berufung nach Berlin gegeben, dem Schmuck der in Form des berühmten Campo santo zu Pisa geplanten großartigen Friedhofshalle. Erst 1844 zurückgekehrt, vollendete er dann die Entwürfe in kleinem Maßstabe in Berlin 1845, bei dem Reichthum dieser in Contouren gezeichneten Compositionen ein Beweis außerordentlicher Productivität in so vorgerücktem Alter. Obwol sich durchaus in dem einmal gebahnten Geleise bewegend und keine eigentlich neue Wendung seines Talentes zeigend, sind sie doch, zwar [496] nicht das künstlerisch Schöpferischste, das bleiben die Glyptothek-Fresken, aber der Intention nach das Erhabenste, was der Künstler geschaffen.

C. theilt die vier Wandflächen in quadratische Felder, die durch die kolossalen Gruppen der acht Seligkeiten, also der Darstellung derjenigen Tugenden, die das ewige Leben verleihen, in Nischen als Bildwerke gedacht, getrennt werden. Jedes Feld theilt sich dann wieder in das Hauptbild, die darüber befindliche Lunette und eine Predelle, die durch Ornamentstreifen gesondert sind. Das erstere enthält nur Scenen, die dem neuen Testamente ihre Stoffe entlehnen, während die oberen und unteren dem Grundgedanken desselben entsprechende Beispiele meist aus dem alten bringen.

Würde es zu weit führen alle die schönen Motive zu beschreiben, die der Meister in diesen Compositionen niedergelegt hat, so genüge das rein künstlerische derselben zu besprechen, so weit es in den Entwürfen und ausgeführten Cartons vorliegt. Diese letzteren verleugnen indeß jenes stetig vorschreitende Ermatten des Alters in keiner Weise, das sich bekanntlich zuerst darin äußert, daß man nicht mehr vermag über die allgemeine Charakteristik hinaus die Figuren bis zu wirklich lebendiger Individualisirung zu vollenden, überhaupt nicht mehr Energie und Lust genug hat es genau zu nehmen, das Einzelne gründlich durchzuarbeiten, sondern daß man sich auf das einmal eingelernte, aufs Gedächtniß verläßt, und dadurch manierirt und monoton erscheint. Man thut daher am besten, sich diese bewunderungswürdigen Compositionen in den ersten Entwürfen oder den bei Wigand erschienenen Facsimile-Stichen Thäter’s anzusehen, wo man den reinsten Genuß hat. Die außerordentlich reiche Gestaltungskraft des Meisters überrascht einen dann immer wieder, manches ist von blendender Conception, so unter den acht Seligkeiten die Traurige, Barmherzige, Herzensreine, der Friedfertige, die allemal den Begriff mit vollendeter Klarheit, erhabener Schönheit personificiren. – Ebenso die meisten dem alten Testamente und seinen reichen Stoffen entnommenen Lunetten- und Predellen-Bilder, von den großen die Ehebrecherin vor Christus, Pauli Bekehrung, die Ausgießung des heil. Geistes, übrigens mit sehr auffallender Benützung der Schule von Athen gemacht, Petrus und der Kämmerer. Endlich die nach Dürer’s und Palma giovine’s Vorgang componirten apokalyptischen Reiter, Tod, Krieg, Pest und Hungersnoth, welche die Menschheit niederwerfen. – Letztere Composition hat der Meister auch als Carton am frühesten ausgeführt und bei ihr noch einen wilden Humor, eine Energie entwickelt, die bei den späteren nur zu sehr nachläßt. In anderen offenbart sich dann um so glänzender jener Geist strenger Erhabenheit, der durch das Ganze zieht und dem Künstler wie der Nation, die ihn hervorgebracht, zur höchsten Ehre gereicht. – Neu wird er hier indeß nur insoferne, als er einen ganzen großen Kreis von Empfindungen schildert, die er bisher nicht behandelte und an der Art, wie er es thut, beweist, daß er die Natur wohl beobachtete, wenn auch selten oder gar nie unmittelbar nachahmte. In dieser Beziehung sind besonders die vielen in den Predellen behandelten idyllischen Stoffe von großem Reiz. Künstlerisch interessanter und eigenthümlicher sind die Arbeiten aus der ersten Lebenshälfte des Meisters ohne allen Zweifel dennoch, weil er hier fast nur Typen, aber keine Individuen mehr gibt. Und zwar obgleich er jetzt einen viel weiteren Horizont, eine Macht und Größe, einen Reichthum, eine Ueberlegenheit des Geistes zeigt, die mit der freiwilligen Beschränkung auf den Rahmen des Christianismus oft ganz sonderbar contrastirt, ja wie in den apokalyptischen Reitern beinahe entgegengesetzt wirkt. Indessen kommt es der Darstellung sehr zu Gute, daß er sich wenigstens von allem Confessionellen noch viel ferner als in der Ludwigskirche hält, nicht nur ganz auf die Bibel beschränkt, sondern auch ihre Erzählungen meist als symbolische betrachtet.

[497] Dieser Richtung gehört auch jene „Erwartung des Gerichts“, die er nach den Ideen des Königs als letzte größere Arbeit componirte. Ueberfüllt und unverständlich zeigt die Composition auch sonst nur noch das Alter. Der Meister selber war allmählich wieder ganz katholisch geworden, was ihn indeß nicht abhielt, noch im 78. Jahre eine 20jährige Frau zu heirathen, nachdem er längst wieder Wittwer geworden. – Entfernt sich seine Art des Schaffens durchaus von unseren heutigen Forderungen, steht selbst der Renaissance nur durch den Stil, die Formensprache nahe, so blieb sie doch interessant genug. Bei einem ungeheueren Gedächtniß beobachtete er nicht nur auf seinen zahlreichen Spaziergängen oder überall, wo er sich aufhielt, beständig die Natur, sondern arbeitete auch seine Compositionen so vollständig im Kopfe aus, daß er sie dann auf dem Papier eigentlich bloß nach dem Bilde, das fest vor seinem Sinne stand, copirte und zwar mit einer ziemlich ungeschickten Hand, aber doch solcher Bestimmtheit, daß er selten einen Strich zweimal machte. Deshalb sehen seine Entwürfe eigentlich aus, als ob sie nicht erfunden, sondern auf einem Original mühsam durchgezeichnet wären. Auch beim Malen ging er selten zweimal über eine Stelle weg, was freilich der Schnelligkeit mehr zu Gute kommt als der Vollendung.

Flößt das großartig sorglos einfache und doch so bestimmte Wesen, das uns wie aus allen seinen Werken, auch aus seinen Briefen entgegentritt, das Offene und Biedere, die stolze männliche Festigkeit, mit der er selbst einer Herrschernatur, wie es König Ludwig war, aufs gewaltigste imponirte, sich nie vor ihr beugte, die höchste Achtung ein, so stieß ein gewisses majestätisches Prophetenthum doch oft genug wieder zurück, da es ihn auch, bei aller Neidlosigkeit, in einer manchmal geradezu unglaublichen Weise verhinderte fremdes Verdienst irgend anzuerkennen, wenn es seinem Ideale nicht entsprach.

Dafür verwendete er sich dann mit aller Aufopferung für Dinge und Menschen, die ihm sympathisch waren, wie z. B. für Genelli, dessen Begabung er sehr hoch stellte, ja er hatte Anerkennung auch für jedes hingebende Studium der Natur, obwol es seiner eigenen starken Subjectivität nicht möglich war.

Nachdem C. lange Jahre von dem ihm verhaßten Berlin abwesend seine Zeit meistens in Rom zugebracht, kehrte er 1860 dahin endlich zurück, um es nicht mehr zu verlassen. Unablässig an den Cartons für die doch längst aufgegebene Friedhofshalle fortarbeitend, schlief er sanft und schmerzlos am 6. März 1867 ein. Der neuen Zeit längst fremd und unverständlich geworden, wie sie ihm, hat er das Nahen des Tages unserer nationalen Größe doch am frühesten in seinen Werken verkündigt, ja ihn mit seltenem Erfolg heraufführen geholfen.

Allerdings fehlt ihnen nicht nur die Vollendung der Form, sondern auch jene Originalität derselben, die nur das Ergebniß eines erneuten und selbständigen Studiums der Natur sein kann. C. aber hat, wie wir gesehen, seinen Stil durchaus schon vorhandenen Kunstwerken entlehnt, gibt Kunst aus zweiter Hand. Daher kann man seine Schöpfungen nicht in dem unbedingten Sinne classisch nennen, wie die eines Schiller oder Goethe, Mozart oder Beethoven, wenn sie auch unzweifelhaft einen hohen, ja unvergänglichen Werth haben.