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Artikel „Schlotthauer, Joseph“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 554–561, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlotthauer,_Joseph&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 13:49 Uhr UTC)
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Schlotthauer: Joseph S., Historienmaler, geb. am 14. März 1789 zu München. Sein Vater war Theaterdiener am kurfürstlichen Hoftheater zu Mannheim und 1783 mit demselben nach München gekommen; die Dürftigkeit seines Einkommens gestattete nicht bei der Bestimmung des künftigen Berufes seiner vielen Kinder deren Neigungen und Talente abzuwägen, sondern zwang die nächste Gelegenheit zu irgend einem Erwerbe zu ergreifen. So kam es, daß S. der jüngste von sechs Brüdern, trotz seiner großen Neigung zur Kunst das Schreinerhandwerk erlernen mußte. Als Lehrling benützte er die kurzen Freistunden um sich im nothwendigsten Lineal- und Freihandzeichnen zu üben; später genoß er den Unterricht an der Feiertagsschule, um sich mit gemeinnützigen Kenntnissen, wie Mechanik, Physik, Chemie vertraut zu machen und legte so den ersten Grund zu seinen späteren weit greifenden Forschungen. Doch blieb er seiner Hauptneigung zur Malerei getreu; sie folgte ihm, nachdem S. als Geselle auf die Wanderschaft ging, geleitete ihn ins Vaterhaus zurück und ließ den Unverzagten endlich die Mittel und Wege finden, seinem innerlichen Drange Genüge zu leisten. Schon hatte er sich, ein Autodidakt im strengsten Sinne, so weit gefördert, um an der Akademie die Prüfung zu bestehen und Aufnahme zu finden, als die Militärpflicht ihn traf und 1809 in den Tiroler-Krieg führte. In der sicheren Zuversicht, bald möglichst wieder der Kunst leben zu [555] dürfen, trat S. in das neuerrichtete Corps freiwilliger Jäger, in deren Mitte er, nicht ohne Fährlichkeiten, den Feldzug bestand und zum Korporal vorrückte. Als Soldat zeichnete S. während des Krieges allerlei Pläne und Karten für die Generale und malte in Aquarell den Tirolern kleine Bilder, Namensheilige und dergleichen, wodurch der nichts weniger als rauhe Krieger sehr beliebt wurde. Nach Auflösung des Schützencorps wäre S. zum Lieutenant avancirt, aber die Liebe zur Kunst gewann die Oberhand; so bezog er die unter Langer florierende Akademie, wo trotz der rhetorischen Form und dem hohlen Pathos doch coloristisch etwas Tüchtiges zu lernen war. Er oblag der Kunst mit einer Liebe und Ausdauer, welche diesen von den höchsten Idealen beseelten Künstler zeitlebens charakterisierten. Als reife Probe seines Könnens erschien schon 1814 auf der Ausstellung der Akademie ein Kinder-segnender Heiland. Dann arbeitete S. seiner inneren Veranlagung folgend in stiller Unverdrossenheit weiter an seiner eigenen Ausbildung; gedrückt von Leiden und schweren Mühseligkeiten, unter inneren Seelenkämpfen und sorgenbelastet für sich und die Seinen, malte der fromme tiefgläubige Mann außer mehreren Portraits fast ausschließlich nur religiöse Gegenstände. Es war die Zeit, wo Martin Boos, Feneberg, Goßner, Lindl und „die Stillen im Lande“, im Gegensatze zu dem früheren Rationalismus auf eine wunderliche Mystik verfielen und in ihrer Manier Zeichen und Wunder thaten. S. folgte, ebenso wie Ringseis, Brentano und Sailer als aufmerksamer und reger Beobachter dem überraschenden Treiben, womit das neue Anklopfen der Geisterwelt begann, bis er alsbald ermüdet und durch Cornelius in eine ganz neue Bahn künstlerischer Thätigkeit gelenkt, dem ganzen spiritistischen Rummel den Rücken wendete. Sein reines, lauteres Streben ging, wie bei den alten Meistern von Siena, auf Innigkeit und Tiefe des Ausdrucks, auf Adel und Wahrheit der Form und das ihm dieses nicht selten und in hohem Grade gelang, beweisen mehrere Bilder, darunter beispielsweise ein dornengekrönter Christuskopf (welcher 1819 in den Besitz des geistvollen Sammlers und Kunstschriftstellers Herrn von Quandt zu Dresden gelangte) und eine ähnliche Wiederholung desselben (Eigenthum der gräflichen Familie Pocci), welche von Schreiner auf Stein gezeichnet, alsbald typisch wurden. Ebenso das feierliche Haupt eines „Salvator mundi“ und einer in reiner Unschuld leuchtenden „Madonna“, insbesondere aber das Bild einer „heiligen Familie“ – St. Joseph vorlesend an einem Tische, ihm gegenüber Maria mit dem Ausdrucke des andächtigen Zuhörens gleichfalls sitzend; zu ihren Füßen spielt das himmlischee Kind mit einem Lämmchen – welches in seiner ungesuchten Schlichtheit und ächt deutschen Naivetät, in allen Formaten nachgebildet, im Stich (von Adrian Schleich, Steindruck (Schreiner) und Photographie, als Glasbild und Farbendruck vervielfältigt, eine beinahe unverwüstliche Probehaltigkeit bewies und die größte Popularität gewann, so daß es nur zu oft ohne den Namen des Künstlers in die weite Welt ging.

Als im Jahre 1819 Peter Cornelius nach München kam, suchte er tüchtige Gehülfen, mit welchen er sein großes Werk, die Fresken der Glyptothek, auszuführen gedachte. Sein Adlerauge fand den rechten Mann in S., welcher ihm bald mehr wurde als die Anderen: der treueste Herzensfreund des großen Meisters, sein eigentlichster Johannes und seine hülfreich ausführende Hand. Erst vergrößerte S. mit feinfühligstem Verständnisse einige Zeichnungen des Meisters und malte nach den Farbenskizzen desselben etliche kleine Bilder in den Feldern und Cassetten des Plafond (z. B. den Carton zum „Abend“. Vgl. Kunstblatt 1821 S. 275) und warf sich dann mit solcher Energie und so glücklichem Erfolge auf die ihm früher ganz fremde Technik der Freskomalerei, daß Cornelius seine helle Freude darüber äußerte. Im Wetteifer mit [556] Heinrich Heß und Clemens Zimmermann that er es diesen nicht nur gleich, sondern überflügelte sie im Glanz der Farbe, insbesondere aber durch sein heute noch bewundernswerthes Helldunkel. Im Jahre 1822 malte S. schon selbständig die „Aurora mit Tithonus zu Jupiters Füßen“, die „Luna mit den Hesperiden“, die „Diana im Bade“ und „Diana mit Endymion“; zu seinen weiteren Leistungen zählen die „Hochzeit des Peleus und der Thetis“ (1825), das „Urtheil des Paris“, die „Vermählung“ und „Entführung der Helena“ (1828); mit Cornelius malte er den „Streit des Achill“, den „Kampf um die Leiche des Patroklus“ und die „Zerstörung Trojas.“ Auch war S. betheiligt am „Reich des Neptun“, am „Olymp“ und der „Unterwelt“, wo besonders die im herrlichsten Clair-obscur gemalte Gestalt der Eurydice als eine der vorzüglichsten Fresko-Leistungen genannt zu werden verdient. S. hat nach dem Zeugniß des Grafen Raczynski – welcher in seiner „Geschichte der neueren Kunst“ (1840, II, 300) Schlotthauer’s Antheil an den einzelnen Bildern besonders aufzählt – „bewiesen, daß Niemand in München besser malte als er; man darf sogar annehmen, daß Alle, die in der Glyptothek malten, ohne selbst den Meister Heinrich Heß auszunehmen, aus Schlotthauer’s Beispiel nützliche Lehren gezogen haben.“

Im Jahre 1825 machte S. mit seiner jungen Frau eine Hochzeitsreise nach Oberitalien und ging dann 1830 mit Cornelius nach Rom. Im Februar 1831 wurde S. Professor an der Münchener Akademie, wo er sich fast ausschließlich der Heranbildung junger Talente widmete. Er that dieses mit einer wirklich beispiellosen Hingebung als ein ächt väterlicher Freund, bahnte seinen Schülern die Wege, sorgte für die Mittel, den meist dringend Bedürftigen eine Existenz zu bereiten, verhalf ihnen durch seine Empfehlung zu Aufträgen und stand ihnen immerdar bei mit Rath und That. Dazu zählte in erster Reihe Johann Schraudolph, Karl Högerl (aus Regensburg, † 1830 zu München, welchen S. bei seiner Reproduction des „Holbein’schen Todtentanzes“, München 1832) verwendete, dann Thomas Gruggenberger († 1882), Ludwig Moralt († 1888), Ulrich Halbreiter, F. G. Lacher (1809–1882), Max Hailer, Jos. Holzmaier († 1859) u. s. w. Mit den Letztgenannten ging S. im Herbste 1834 nach Mailand, um im Auftrage des reichen Frl. Emilie Linder (geb. 1797 zu Basel, † 1867 zu München) das Abendmahl des Lionardo da Vinci zu copieren. Außerdem wirkte S. auch auf die, ebenso artistischen wie historischen Studien obliegenden jungen Leute, welche unter dem Titel einer „Gesellschaft zu den drei Schilden“ (1831–1838) in feuriger Begeisterung zur Erforschung der deutschen Vorzeit zusammen traten. Dazu gehörten Fr. Hoffstadt, der tiefsinnige Erforscher des Spitzbogenstyles, der edle, vielseitige Graf Franz Pocci, die Maler Karl Ballenberger, Ludwig Zenker, Jos. Scherer, die Architekten Domenik Quaglio und Hermann Keim, der Bildhauer Ludwig Schwanthaler, der Dichter Friedrich Beck (geb. am 20. Juni 1806 zu Ebersberg, † 80. Aug. 1888 zu München), der edle Sulpiz Boisserée und die beiden Rechtsgelehrten Fr. Freiherr von Bernhard und Hans Freiherr von Aufseß, der nachmalige Gründer des Germanischen Museums zu Nürnberg, wozu die Idee schon in der „Gesellschaft zu den drei Schilden“ wurzelte. Schlotthauer’s Thätigkeit als Lehrer hatte alsbald die des Malers völlig absorbiert, um so mehr als eine Menge von Verbesserungen, Entdeckungen und Erfindungen, welche sich ihm größtentheils zufällig aufdrängten, den rastlosen Mann mit immer neuen Versuchen vollauf in Anspruch nahmen. Mit einer nur dem Lionardo da Vinci vergleichbaren Vielseitigkeit arbeitete S. an technischen Problemen. Schon in früher Jugend fertigte S. einen praktikablen Löwen, welcher damals am Wagen des „Sarastro“ in der „Zauberflöte“ zur Verwendung kam und lange im Gebrauch blieb, nachdem [557] dessen aus Pappendeckel cachierter Vorgänger mitten auf der Bühne abgebrochen und mit der sichtbaren Hälfte des darinnen verborgenen Knaben zum großen Vergnügen des Publicums in die Coulissen zurückgelaufen war. Dann kamen Apparate zur Reinigung der Zimmerluft in einfachster Form, ein Spritzkrug mit Zerstäubungs-System zur Vertilgung des Ungeziefers und dergleichen nützliche Hauseinrichtungs-Gegenstände mehr, darunter auch ein ziemlich complizirtes Bierfaß mit einem je nach dem Inhalt sinkenden Deckel, in welchem sich der „Stoff“ immerdar in gleicher Frische erhielt und durch völligen Abschluß der Lufteinwirkung ein sogenanntes „Abstehen“ des Getränkes unmöglich war – ein für kleine Wirthschaften und Haushaltungen höchst erwünschtes, durch seine Construction jedoch ziemlich theueres Fahrniß, so daß es trotz den Jahre lang gelungenen Proben doch beim ersten Modell verblieb. Ungleich wichtiger und weittragender führten ihn seine Kenntnisse in der Mechanik und Anatomie auf ein neues Heilverfahren bei Verkrümmungen der Wirbelsäule, wobei S. die Flexion in Anwendung brachte. Ein krankes Kind seines Freundes Cornelius, an dessen Herstellung die Aerzte verzweifelten, erhielt durch Schlotthauer’s Behandlung heile und gerade Glieder. Der Fall erregte Aufsehen, das Zutrauen wuchs und S. vollführte überraschende Kuren; unzählige arme, verwahrloste und verkrüppelte Kinder wurden durch seine Bandagen, deren Wirkung Gundelreben-Bäder unterstützten, gesund und hergestellt. S. begründete, unter der Assistenz von Dr. Homer, mit dem Corsetten-Fabrikanten Ignaz Pruner eine vielbesuchte orthopädische Heilanstalt, welche bald an Umfang gewann, bis S. 1844 nach Italien ging und sich mit ungetheilter Kraft der Enkaustik zuwendete. Doch blieb S. bei vielen Aerzten, wozu in erster Reihe Geheimrath Dr. von Ringseis gehörte, eine Autorität und stand mit seinem Wissen bereitwilligst bei. Schließlich vererbte er dieses an den jungen Säckler Hugo Krieger (geb. 27. Februar 1830), welcher durch treffliche Bandagen Schlotthauer’s Aufmerksamkeit erregt und dessen Intentionen verständnißinnigst erfaßt hatte. Obschon über das Alter der gewöhnlichen Schulbildung hinaus, erwarb Krieger möglichst die fehlenden Studien, hospitirte die Universität, warf sich mit Feuereifer auf Chirurgie und Anatomie, besuchte Wien, Paris, London und Petersburg und eröffnete dann 1855 eine auf Schlotthauer’s Principien basierte orthopädische Anstalt, welche einen wirklich europäischen Ruf erzielte und nach Krieger’s schon am 5. Mai 1880 erfolgtem Ableben unter der Leitung des Geheimraths und Generalstabsarztes Dr. von Nußbaum heute noch florirt. (Vgl. über Krieger den interessanten Artikel von Dr. v. Nußbaum in dem von K. v. Reinhardstöttner u. K. Trautmann herausgegebenen „Jahrbuch für Münchener Geschichte“ 1889. 3. Jahrgang S. 177 ff.) Während S. in beinahe ganz unfreiwilliger, immerhin aber weittragender Weise dem orthopädischen Heilverfahren oblag, war sein contemplatives Sinniren auf eine neue Maltechnik gerathen. Als ausgezeichneter Praktiker kannte er längst die Schattenseiten der Frescomalerei und forschte nun nach einem neuen Bindemittel zwischen Grund und Farbe. Oberbergrath Joh. Nep. von Fuchs hatte das Wasserglas in Anwendung zu bringen gesucht. Die ersten Proben machte 1834 Theodor Kaufmann, ein Schüler Kaulbach’s, im Neuen Königsbau, aber ohne Erfolg; auch G. Hiltensperger vermochte nichts mit diesem widerstrebenden Material auszurichten, ebensowenig F. X. Fernbach. Fuchs wendete sich an den gerade in der Allerheiligen-Kirche malenden Heinrich Heß, aber auch hier mißlang der Versuch das Wasserglas unter die Farben zu mischen, welche sich zu Klumpen verzogen, während die Pinsel wie Draht unbrauchbar verhärteten. Nun suchte Fuchs Hülfe und Rath bei S. Dieser, mehr in der Chemie der Farben erfahren, bereitete einen neuen Grund nach anderer Methode; aber das neue Bindemittel [558] taugte noch nicht, dunkelte und hellte die Farben zu ungleich. Auch das abgedampfte Wasserglas blieb unbrauchbar. Nun fiel S. darauf, das Gemalte durch Wasserglas zu fixiren. Dagegen that nun Fuchs Einsprache. Doch schienen die Proben vielversprechend. Zuerst wurde von unparteiischer Hand im Hofe des Baumeister Gärtner versuchsweise ein Kopf gemalt und König Ludwig davon benachrichtigt. Nach vielen fördernden Experimenten und großen pecuniären Opfern kam S. mittelst einer von ihm construirten Spritze und einem drehbaren, mit Borsten-Bürsten besetzten Cylinder zu einer originellen Fixir-Methode. An Kaulbach’s altem Atelier (in der Nähe des jetzt überbauten „Holzgartens“) wurden 1845 durch A. Hesselberg († am 13. März 1883) zwei farbenprächtige Pfauen gemalt, welche allen mit Feuer und Eis, im Sommer und Winter über sie verhängten Unbilden widerstanden, ihr Colorit behielten und erst beim Abbruch des berühmten Ateliers schnöde demolirt wurden. Fuchs, welcher schon längst verzweifelnd am Gelingen seiner Projecte, sich ganz davon abgewendet hatte, sprang plötzlich um, als Oberbaurath W. Stier von Berlin kam und gab die „Stereochromie“ als seine eigene Erfindung aus. Das Ganze bildete eine lange Kette von Leiden und Opfern für S., welcher aus eigenen Mitteln die zahllosen Versuche und Präparate bestritten hatte und nun selbst den Ruhm davon verlieren sollte.

Im Herbste 1844 wurde S. mit einer (aus Dr. von Schafhäutl, Prof. Louis und Reinsch bestehenden) Commission nach Pompeji gesendet zur eingehenden Prüfung der antiken Wandmalerei. S. gewann die Ueberzeugung, daß die Alten noch ein weiteres und zwar mineralisches Bindemittel in Anwendung brachten, welches die unzerstörbare Dauerhaftigkeit der Farben erzielte; er glaubte dieses Arcanum gefunden zu haben, wozu eine verbesserte Bereitung des Malgrundes und eine völlig neue Zubereitung der Farben in Angriff genommen wurde. So gelangte er zu neuen Verbesserungen und brachte seine Methode für Wand- und Staffeleibilder zur Anwendung und ermöglichte ein Colorit, welches leuchtender und lebhafter wirkte als das bisherige Fresco; auch war damit die große Annehmlichkeit verbunden, daß der Maler nicht mehr an den nassen Kalk und dadurch zu einer bestimmten Tagesarbeit gebunden war, sondern die Malerei auf trockenem Grunde, gleichviel ob auf einer Mauer- oder Leinwandfläche, in beliebigen Abständen und Pausen erfolgen konnte. Viele Sorge verschaffte ihm freilich der Umstand, daß anfangs manche Farben sein Bindemittel nicht annahmen oder nach dem Auftrage sich änderten, nachdunkelten oder verblaßten. S. aber ermüdete nicht; die Probleme reizten nur seinen Denk- und Scharfsinn, er experimentirte weiter, bis er zuletzt jeden Widerstand überwand. Jeder Maler, welcher mit Schlotthauer’s eigenen Präparaten probeweise hantierte, bekannte freudig überrascht, daß diese Technik höchst angenehm sei, weit über der Oelmalerei und dem Fresco stehe und ganz überraschende Effecte in Leuchtkraft und Farbenwirkung gewähre. Schlotthauer’s Atelier schien darüber freilich in ein wahres Laboratorium verwandelt und ähnelte der Küche eines Alchymisten: Bis an die hohe Decke hinauf waren alle Wände mit Repositorien vertäfelt, in welchen unzählige Gläser, Büchsen, Kolben und Phiolen standen, während auf den langen Tischen, in den Herden und Oefen alle möglichen Arcana kochten, brodelten und destillirten. Die zu einem ganzen Capital sich aufstauenden Kosten, wozu auch der Unterhalt eines nicht besonders geistreichen Amanuensis kam, bestritt unser muthiger, für seine Entdeckungen zu den größten Entbehrungen und Entsagungen opferbereiter Forscher, welcher zuletzt nicht nur seinen ganzen Besitz, darunter ein kleines, an der Isar gelegenes Häuschen mit Garten, veräußerte, sondern auch die materielle Hülfe seiner Freunde in Anspruch nahm und aus den noch zu gewinnenden Resultaten der deutschen [559] Wissenschaft und Forschung ewigen Ruhm und goldene Berge versprach. An der Verbesserung dieser Probleme arbeitete und brütete er fort, wie ein ächter Adept; selbst als seine Versetzung in den Ruhestand ihm die unentbehrlichen Räume der Akademie zu entziehen drohte, experimentirte er weiter und selbst in den letzten Monaten seines plötzlich sinkenden Lebens dachte der völlig mittellos gewordene Mann noch an den Erwerb eines Hauses und den Bau großartiger Oefen. Der Fluch des idealen Autodidakten verfolgte ihn auch auf diesen, seine Kräfte weit überschreitenden chemischen Versuchen. Von allen möglichen Geschäften, Fragen und künstlerischen Anliegen umdrängt, von weiteren Problemen verfolgt, notierte er im täglich mehr anwachsenden Trubel oft wochenlang nichts über seine gelungenen Experimente, vertrauend auf sein wunderbar starkes, zuletzt doch auch schwindendes Gedächtniß; hantierte dann allein auf gut Glück ohne Wage und Maß und verbrauchte Kräfte und Zeit, ohne ein durchgreifendes Ergebniß erzielt zu haben. Ueberzeugt daß seine weiteren Erfindungen nach deren völliger Lösung von einer internationalen Gesellschaft, sei es in Frankreich, England oder Amerika mit offenen Armen und baarer Sicherheit zur Realisirung im Großen aufgenommen werden müßten, dictierte er noch auf dem Sterbebett seinem langjährigen Freunde, dem Geheimrath von Ringseis, die letzten Capitel seiner „Mineral-Malerei“ als völligen Abschluß seines Werkes, welches sich als systematisches Ganzes nach seinem Ableben nicht vorgefunden haben soll. [In jüngster Zeit tauchte abermals eine verbesserte Maltechnik auf durch den Chemiker Adolf Keim, welcher auf Schlotthauer’s Principien weiter baute. Ihm gelang nach unsäglichen Schwierigkeiten die Gründung einer „Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren“ (als Centralorgan derselben erscheinen die nun schon im siebenten Jahrgang befindlichen von Keim zu München redigirten „Technischen Mitteilungen für Malerei“), auch etablirte Keim ein eigenes Laboratorium und eine nach seinem Verfahren organisirte Farbenfabrik „zur Herstellung witterungsbeständiger Wandmalereien, fixirbarer Staffelei- und Gobelinsgemälde.“] Möglich daß Schlotthauer’s Manuscript mit dem, von unbefugten Händen aufgeräumten Nachlaß mißkannt und verschleudert wurde, wie denn überhaupt Schlotthauer’s Hinterlassenschaft mit einer pietätlosen Hast, Unkenntniß und Planlosigkeit in einer Auction vertrödelt wurde, welche einer völligen Zerstörung gleichkam.

Neben Schlotthauer’s eigenen Leistungen als Maler und außer der verzweigten Thätigkeit als Lehrer und Inspector der Akademie entstanden fast gleichzeitig mit der Orthopädie und der Mineralmalerei in seinem nimmermüden Geiste weitere, großartige Probleme, welche zeitweise mit verzehrender Hast in Angriff genommen wurden und deren unausbleibliche Lösung wieder die Mittel zur unausgesetzten Förderung und Vollendung der anderen Erfindungen bieten sollte. Da sein, nächst der (damals noch nicht durch rationelle Uferbauten regulirten) Isar gelegenes Häuschen vielfach von schweren Ueberschwemmungen gefährdet wurde, so dachte S. auf die Construction einer automatisch-arbeitenden Maschine, wodurch nicht nur seinem Anwesen, sondern allen Anwohnern des Isarstromes und aller anderen Bergwasser auf möglichst billige Weise eine bleibende Sicherheit entstehen müsse. Alles mit tiefdurchdachter Gründlichkeit beginnend, unternahm S. zahllose Messungen über die längs den Ufern und in den verschiedenen Breiten des Rinnsals dahinfließende Wasserkraft; in seinem Nachlaß fand sich ein fast meterhoher Ballen von strengwissenschaftlich gezeichneten Foliobogen, welche voll Ziffern und Messungen, mit charakteristisch colorierten Schraffierungen, die jeweilig zur Verfügung stehende Stromkraft darlegten. Darauf fußend construierte S. eine Art Floß- und Wasser-Pflug, welcher durch verstellbare Pflugscharen und durch die Strömung des Wassers selbst in Thätigkeit gesetzt, ein [560] neues, tieferes Rinnsal zieht, dadurch die Stromschnelle in die Mitte versetzt und kostspielige Uferbauten überflüssig macht. S. arbeitete mit Feuereifer an dem kleinen, mit minutiösester Sorgfalt durchgebildeten Modell, welches vom Erfinder dann wieder über wichtigeren Dingen beiseite geschoben, bei der vorgenannten Nachlaß-Auction als zerbrochenes Kinderspielzeug verworfen wurde, wobei auch die zahllosen Zeichnungsbogen mit den unübersehbaren Berechnungen und Messungen als „Maculatur“ mitgingen! – In seinem Garten erbaute S. in richtiger Voraussetzung des allgemein steigenden Eisverbrauchs einen Keller nach eigener Invention, zu dessen Ausführung ein einziger Holzstoß genügte; der Keller stand je fünf Fuß unter und über der Erde und war mit getheertem Pappendeckel – einem damals noch selten verwendeten Material gedeckt; durch die originell durchgeführte Luftcirculation erzielte S. die Herstellung eines Kunsteises, welches in dieser Behausung den ganzen Sommer durch währte. S. beschloß auf sein mit geringem Kostenaufwand glänzend bewährtes System ein Patent zu nehmen, fand aber über immer neuen Problemen niemals Zeit die darauf bezüglichen Schritte zu thun, bis das Ganze unausgenützt zerfiel und Andere aus ähnlichen Unternehmungen erklecklichen Nutzen zogen. Auch ventilirte S. theilweise die Idee, gute ächte Originalarbeiten im Gebiete der Plastik und der Malerei durch mechanische Reproduction vervielfältigen zu lassen, damit die Meisterwerke der Kunst auch Minderbemittelten, insbesondere armen Schulen, Gemeinden und Kirchen, zur bleibenden Anschauung gebracht werden und dadurch zur weiteren Bildung und Sittigung gereichen sollten. Doch verleitete ihm bald die Speculation einiger, seine idealen Anschauungen durchkreuzender Fabrikanten, seine wohlmeinenden Initiativen, so daß der sonst außerordentlich duldsame und langmüthige Mann mit ungewöhnlicher Energie gegen die fernere Ausübung sich verwahrte. Dieses edelmüthige Bestreben, überall gemeinnützig im höheren Sinne zu wirken, zeigte S. bei jeder Gelegenheit, sowohl in der Akademie, im Atelier, wie im eigenen Heim. Mit der seinen Schülern unermüdlich empfohlenen Sittenreinheit und Einfalt des Herzens ging er selbst als Muster voraus; hoch und heilig liebte er die Kunst und verabscheute unlauteren Dünkel. Alles was zur höheren Bildung, zur wahren Erhebung der Seele und des Gemüthes beitragen konnte, war ihm willkommen, besonders liebte er die Pflege des Gesanges und der Musik, wie er denn selbst eine vorzügliche Stimme besaß und auf einer alten, aus Elfenbein und Ebenholz ungewöhnlich gebauten Mandoline seine eigenen Phantasien übte. Zu seinen Schülern zählten die beiden Schraudolph, Joseph Anton Fischer, Jos. Holzmaier, der geniale immer aber arm gebliebene und nie nach Verdienst gewürdigte Balthasar Lempenzeder, ferner Ulrich Halbreiter, Ludwig Moralt, Max Hailer, Joseph Kranzberger, der vielgewandte Ludwig Schnitzelbaumer, Julius Frank, Fr. Reigers, Andreas Lochner, Anton und Nikolaus Baur, Karl Baumeister, Wilhelm Hauschild, Jos. Glatz und viele Andere.

Nach dem übereinstimmenden Zeugniß seiner Zeitgenossen anerkannten Alle Schlotthauer’s Verdienst als Maler und Lehrer und bestätigten die Vielheit seines Wissens, wie die ungetrübte Lauterkeit und Wahrhaftigkeit seines Charakters. Er war eine edle Seele, ohne Falsch und Trug von nur zu großer und deßhalb auch oftmals mißbrauchter Herzensgüte. Seine ebenso anspruchslose Gattin, welche im seltensten Einklang ganz zu ihm paßte, starb 76 Jahre alt, am 8. Mai 1868, er folgte ihr schon am 15. Juni 1869.

Vgl. Hermann Marggraff in No. 135 „Allgemeine Zeitung“ 1845. – Raczynski 1840. II. 299 ff. III. 225 ff. – Nagler 1845. XV, 281 ff. – E. Förster, Geschichte d. deutschen Kunst 1860. V. 127. – Fr. Pecht, Gesch. der Münchener Kunst im XIX. Jahrh. 1889. S. 80. – Carriere in Westermann’s [561] Monatsheften. 1888. Oktober S. 62. – G. H. v. Schubert, Selbstbiographie 1856, III. 614. – Bericht des Münchener Kunstvereins für 1869. S. 55. – Beil. 170 „Allgemeine Zeitung“ vom 19. Juni 1869. – Münchener „Propyläen“ 1869. S. 669 ff. – „Histor.-Polit. Blätter“ 1889. 104. B. S. 649 ff.