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Artikel „Hoffstadt, Friedrich“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 618–619, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffstadt,_Friedrich&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 14:36 Uhr UTC)
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Hoffstadt: Friedrich H., geb. 1802 zu Mannheim. Nach dem Tode seines Vaters (fürstl. Leining. Regierungsrath zu Amorbach) kam H. 1815 nach München, wo sein Oheim, der Staatsminister v. Zentner, den Knaben im Voraus zum Juristen bestimmte, obwol seine künstlerische Laufbahn frühzeitig hervortrat. H. studirte in Erlangen und Landshut, prakticirte in München und Anspach, wurde Stadtgerichts-Assessor zu Memmingen, dann in München, dann als Stadtgerichtsrath 1833–1842 dem baierischen Abgeordneten zur Bundes-Centralcommission in Frankfurt a. M. beigegeben und 1844 zum Appellationsgerichtsrath zu Aschaffenburg befördert, wo er jedoch schon am 7. September 1846 starb. Ungleich bedeutender ist die Stellung, welche H. als Künstler, insbesondere als Erforscher und gründlichster Kenner des Spitzbogenstiles, beanspruchen darf. Schon auf der Hochschule füllte er seine Mappen mit originellen Zeichnungen nach Burgtrümmern, Thoren, Rathhäusern und Kirchen; die mondbeglänzte Zaubernacht der Romantik begeisterte auch ihn zu einem Bildercyclus zu Fouqué’s „Zauberring“ und zu anderen Schöpfungen. Alsbald aber wendete er sich mit ganzer Kraft dem Studium der mittelalterlichen Architectur zu, sammelte und copirte alte Dombaurisse, Grabsteine, Miniaturen und Handschriften, welche auf die Technik der alten Meister Bezug hatten, machte Gypsabgüsse und Zeichnungen von Ornamenten, Waffen, Geräthen, Münzen, Siegeln, Sculpturen und brachte dadurch auf lehrreiche und anregende Art den Gesammtcharakter der altdeutschen Kunst zur Anschauung und zum Verständniß. Von großem Einflusse wurde er auf Keim und Karl Ballenberger, welchen er aus einem gewöhnlichen Steinmetz zu einem tüchtigen Meister und Maler machte und mit welchem er gleichzeitig im Gebiete der Glasmalerei gelungene Versuche anstellte. In München stiftete H. mit gleichgesinnten Freunden, wie Franz Graf Pocci, Ludw. Schwanthaler, Frhr. v. Bernhard, Fr. v. Aufseß u. A., die „Gesellschaft für deutsche Alterthumskunde zu den drei Schilden“, welche zum Mittel- und Stützpunkt seiner Sammlungen diente und eine Art altdeutscher „Fabrika“ (Bauhütte) darstellen sollte. Für diese Gesellschaft entwarf H. eine Reihe von geistvollen Zeichnungen auf Stein, welche, als Neujahrsgaben an die Mitglieder vertheilt, heute [619] schon sehr selten geworden. In der poesievollen Verbindung von Architectur und Malerei sind diese Blätter der beredte Ausdruck seiner edlen, großen Seele, seines begeisterten Strebens und seines tüchtigen Könnens. Leider löste diese Gesellschaft nach Hoffstadt’s Uebersiedelung nach Frankfurt sich auf; ihre Sammlungen gingen über in den „Historischen Verein von Oberbaiern“, welcher diese Tendenzen im engeren Sinne der Provinzialforschung weiter bildete, während Freiherr v. Aufseß die daselbst empfangene Anregung später durch die Gründung des Germanischen Museums bethätigte. Die Resultate seines Forschens legte H. in seinem „Gothischen ABC-Buch“ oder „Grundregeln des gothischen Stils für Künstler und Werkleute“ nieder, welches 1840 bei H. Keller in Frankfurt a. M. begann und nach Hoffstadt’s Tode von Joh. Claudius v. Lasaulx fortgesetzt und durch Professor Dr. J. F. Lange (in Marburg) beschlossen wurde. (Eine französische Ausgabe besorgte der Architect Aufschlager in Straßburg.) Diese Grundregeln sollten jeden Künstler und Werkmann befähigen, selbständige Compositionen nach eigener Erfindung in allen Kunstzweigen dieses Stiles zu entwerfen und ausführen zu können, indem dieses Grundbuch oder dieser architectonische Generalbaß auf eine populäre Art zeigt, wie alle Formen aus der descriptiven Geometrie entwickelt werden und zugleich aus alten Steinmetzmeisterstücken und anderen älteren Quellen den Beweis liefert, daß auf diese Art die alten Meister verfahren sind. Das mit einem prachtvollen von H. componirten Titelblatt ausgestattete Werk enthält eine Reihe von Vorlegeblättern, auf denen die Constructionen mit erklärendem Text nachgewiesen werden, eine Abhandlung über Geschichte und Restauration der deutschen Baukunst und ein Wortverzeichniß über die Kunst- und Handwerksausdrücke der damals noch mit besonderer Vorliebe als „gothisch“ bezeichneten Spitzbogenarchitectur. Ihre Gesetze hatte keiner vor ihm tiefer erforscht und erkannt. Leider blieb ihm die praktische Ausübung seines Wissens und der kühnste Wunsch seines Herzens, selbst einen Dom zu bauen, verwehrt; er mußte sich mit der Theorie begnügen, deren Früchte freilich viele Andere, z. B. Daniel Jos. Ohlmüller (der Erbauer der gothischen Kirche in der Au bei München) in ausgedehnter Weise genossen. – H. war ein Autodidakt im strengsten Sinne des Wortes; er hat nie eine Kunstschule besucht und gründliche Anweisung erfahren. Deßungeachtet lieferte er viele Zeichnungen und Risse für Geräthe, Glasfenster, Grabmonumente, zur Restaurirung von Kirchen und Burgen; auch entwarf er einen wahren Schatz von landschaftlichen Compositionen, welchen mit dem gesammten Nachlaß die königliche Akademie der Künste zu München erwarb. Sein Einfluß auf Frhrn. v. Aufseß war ebenso mächtig, wie auf J. H. v. Hefner-Alteneck, welchen er zur Herausgabe der „Trachten des christlichen Mittelalters“ und der „Kunstwerke und Geräthschaften“ ermuthigte und unterstützte. Schwer lastete auf ihm der Conflict mit seiner juridischen Thätigkeit; als durch König Ludwig’s I. Vermittelung derselbe gelöst und H. in den Stand gesetzt werden sollte, sich ganz der Kunst zu widmen, nahte ihm der Tod. H. war seit 1837 mit einer Tochter des Inspectors K. F. Wendelstadt vermählt, sein aus dieser Ehe stammender Sohn Ludwig H. (geb. 1843), welcher sich in Paris bildete und neuestens an der Bergstraße und in Reichenhall (Neue protestantische Kirche) viele Bauten ausführte, berechtigt zu den schönsten Erwartungen.

Vgl. Nekr. von Fr. Beck in Nr. 243–246 der Münchener Polit. Ztg., 1846, abgedruckt im IX. Jahresbericht des histor. Ver. von Oberbaiern, 1846, S. 82–92, und in Gwinner, Nachträge zu den Frankfurter Künstlern, 1867, S. 34 ff.