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Artikel „Aufseß, Hans von“ von Georg Wolfgang Karl Lochner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 655–658, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Aufse%C3%9F,_Hans_von&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 05:28 Uhr UTC)
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Band 1 (1875), S. 655–658 (Quelle).
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Aufseß: Hans Freiherr von und zu A., geb. 7. Sept. 1801, † 6. Mai 1872, ist einem der ältesten Adelsgeschlechter Frankens entsprossen, das im Mittelalter Bischöfe und Domherren aus seiner Mitte hervorgehen sah und, nachdem es sich der Reformation angeschlossen hatte, Staatsmänner und Kriegsmänner berühmten Namens gestellt hat. Frühe verwaist, genoß er guten und sorgfältigen Unterricht, so daß er schon 1816 die Universität Erlangen bezog, wo er sich der am 1. Dec. 1817 entstandenen Burschenschaft mit voller Hingebung an die von ihr getragene Idee eines einigen, freien Deutschlands anschloß. Als im Febr. 1822 ein Auszug der gesammten Studentenschaft nach dem alten Universitätsorte Altdorf stattfand, eilte auch er, damals schon von Erlangen abgegangen, herbei und die am 5. März 1822 zurückkehrende Schaar sah es gerne, daß er an ihrer Spitze den Zug der Heimkehrenden eröffnete. Er promovirte als Doctor der Rechte, heirathete Fräulein Charlotte von Seckendorff [656] und gedachte nun das Leben eines freien Landedelmanns führend und im Kreise einer zahlreichen und schön aufblühenden Familie lebend, für das deutsche Vaterland, fern von allem demagogischen Treiben, durch die Wissenschaft, und zwar durch Förderung der Kenntniß der Vorzeit, den vaterländischen Sinn neu zu stärken und zu beleben. Eine durch eigene Mittel sorgfältig gesammelte Bibliothek und Alterthümersammlung sollte nach seiner Ansicht die Grundlage bilden, auf welcher ein Verein, zu dem er alle und jede empfängliche Gemüther herbeiziehen zu können hoffte, das für den Einzelnen zu groß und zu schwierig werdende Werk weiter förderte. Im Herbste 1833 veranlaßte er zu diesem Ende eine Zusammenkunft in Nürnberg, welche aber bei aller Anerkennung der Idee, dennoch sich nicht im Stande fand, selbstthätig in die Sache einzutreten, theils weil die Anwesenden nur zum kleinen Theile Männer vom Fache waren, – Spindler und Wilhelm von Chézy waren auf einer Lustreise hiehergekommen, ein im Leben Kaspar Hauser’s bekannt gewordener Gendarmerieofficier mochte wol als Späher, ob nicht etwas Demagogisches eingeschmuggelt werden sollte, sich den Anschein eines Wissenschaftsfreundes gegeben haben, – theils weil die damals viel geltende Stimme des Karl Heinrich von Lang sich mit gewohntem Hohne gegen das Riesenunternehmen erhob, theils, weil die allgemeine Stimmung damals zu sehr durch Zeitbewegungen in Anspruch genommen, theils, weil der Unternehmer selbst keine Berühmtheit war, so daß außer einem nach ein Paar Jahren entstandenen Nürnbergischen Lokalverein, der aber auch nur ein todtgeborenes Kind war, obgleich er nach Außen hin längere Zeit für bestehend galt, das Unternehmen scheiterte. A. war aber nicht der Mann, einen mit solcher Innigkeit und Liebe gefaßten Plan durch engherzige Abkehrungen von demselben fallen zu lassen. Er hielt den Plan fest, vermehrte seine Sammlungen fortwährend, und wirkte ununterbrochen, so weit es ihm möglich war, für denselben. Als im Herbst 1846 der erste Germanisten-Verein zu Frankfurt zusammentrat, fand sich A. ebenfalls daselbst ein und legte eine Denkschrift vor, in der sein Gedanke reifer und vollständiger entwickelt war. Hier nun waren entschieden vorzugsweise Männer vom Fache beisammen, die Gebrüder Grimm, Dahlmann, Gervinus, Uhland, Ranke, Schmeller und Andere, – aber A. hatte wieder dasselbe Schicksal. Dann kamen die Jahre 1847 und 1848, in denen ein großer Theil des fränkischen Adels vor der durch Demagogen aufgewiegelten Menge auf ihren Landsitzen sich bedroht fand und die verhältnißmäßig größere Sicherheit in den zwar auch bewegten aber doch mehr Schutz darbietenden Städten aufsuchte. Zu diesen gehörte auch A., der mit dem größten Theil seiner damals schon sehr angewachsenen Sammlungen nach Nürnberg zog, und bald ein eigenes Haus, nahe am Thiergarten-Thor, käuflich erwarb. Während dieses Aufenthaltes nun gelang es ihm, das Germanische Museum zu gründen, als dessen Stiftungstag der 17. Aug. 1852 anzusehen ist, an welchem Tage an der zu Dresden, unter Vorsitz des damaligen Prinzen, nachmaligen Königs Johann von Sachsen gehaltenen Versammlung der deutschen Geschichts- und Alterthumsforscher die Gründung eines deutschen Nationalmuseums und zwar mit dem Sitz zu Nürnberg beschlossen und Freiherr von A., der seine ganze Bibliothek und Kunstsammlung demselben vorläufig als Grundstock auf 10 Jahre unentgeltlich überließ, als dessen erster Vorstand ernannt wurde. Die Anerkennung des Museums als einer Stiftung zum Zwecke des Unterrichts, mit der Eigenschaft und den Rechten einer juristischen Person, erfolgte von Seiten der königl. bairischen Regierung im Febr. 1853, und nun konnte A., obgleich noch immer nicht unerhebliche Schwierigkeiten zu bewältigen waren, sich glücklich preisen, am Ziele seiner Bestrebungen angelangt zu sein.

Das Museum selbst gibt durch den seit 1853 erscheinenden monatlichen [657] Anzeiger und seine Jahresberichte Auskunft über seine Thätigkeit. Ebenfalls der unermüdlichen Thätigkeit des Gründers ist es zuzuschreiben, daß dem Museum endlich die ehemalige Carthause zu Nürnberg als fester Besitz überlassen wurde, worüber sich der vierte mit Ende 1857 ausgegebene Jahresbericht eingehend ausspricht, so wie auch, daß gleich von Anfang an ausgezeichnete Männer an die Anstalt als Beamte gezogen wurden, von denen Dr. Frommann und Dr. v. Eye noch jetzt an derselben wirken, andere aber, wie Dr. Bartsch in Heidelberg, Dr. Barack in Straßburg, Dr. Johannes Falke in Dresden, Dr. Jakob Falke in Wien, Dr. Müller in Hannover, u. s. w. sich einen litterarischen Namen erworben haben, dessen Begründung in die Anfänge des Germ. Museums zurückreicht. A. beschied sich selbst, kein Gelehrter zu sein, wußte aber in den meisten Fällen seine Mitarbeiter glücklich zu wählen, er selbst behielt sich nur die Anordnung und Leitung des Ganzen vor, und ein organisatorisches Talent besaß er in hohem Grade. Dabei war er eine umgängliche, der Geselligkeit zugethane Natur. Nie aber verlor er seine Hauptaufgabe, für das Museum thätig zu sein, aus den Augen und versäumte nichts, demselben bei Hoch und Niedrig Freunde zu erwerben, so daß die anfangs prekäre Existenz der nur auf freiwillige Beiträge gestützten Unternehmung jetzt, da seine Nachfolger in gleichem Geiste zu wirken fortfuhren, als gesichert angesehen werden darf. Nachdem A. zehn Jahre lang die Vorstandsschaft des Germ. Museums bekleidet hatte, fand er sich, laut der dem Anzeiger von 1862 Nr. 8 beigegebenen Beilage in der am 17. Aug. 1862 gehaltenen Conferenz und Feier der zehnjährigen Existenz der Anstalt, veranlaßt, seine Stelle niederzulegen, worauf er zum Ehrenvorstand auf Lebenszeit ernannt wurde. Die Gründe, die ihn zu diesem Schritte bewogen, sind zwar nicht öffentlich ausgesprochen, ergeben sich aber leicht aus der weiteren Geschichte des Museums. Hinfort für sich selbst in wissenschaftlicher Muße zu leben, war ein Grund, der auch wol eingewirkt hat. Er kaufte das Gut Kreßbrunn am Bodensee, wo er in der Beschäftigung mit der Geschichte seines Geschlechts den größten Theil seiner Zeit zubrachte, obgleich ihn theils die Angelegenheiten des Germanischen Museums, das ihm natürlich noch immer am Herzen lag, theils andere Geschäfte von dort zu Reisen veranlaßten. Für seine Geschlechtsgeschichte hatte er die umfassendsten Vorarbeiten gemacht, wie er denn ein unermüdlicher Arbeiter und stets mit der Feder bereit war. Von seinen Schriften seien hier erwähnt: „Geschichte des Hauses Aufseß“, 1. Heft. Baireuth 1838. – „Historische Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse zu Aufseß“, Nürnb. 1842. – „Ueber den Ehescheidungsgrund in der christlichen Kirche“, Baireuth 1838. – „Rechtsverhältniß des Privatgottesdienstes und des öffentlichen Gottesdienstes“, Erlangen 1845. – „Sendschreiben an die erste allgem. Versammlung deutscher Rechtsgelehrten“, Nbg. 1846. – „Schicksale des Schlosses Freienfels“, Baireuth 1866. – „System der deutschen Geschichts- und Alterthumskunde“, 1853. – „Denkschrift an die deutsche Bundesversammlung“, 1853. Zu kleineren Schriften veranlaßte ihn Polemik verschiedener Art, namentlich Angriffe auf das Bestehen und das System des Germ. Museums. Seine Gesundheit schien unanfechtbar, er war mäßig in seiner Lebensweise. Seit 1870 aber litt er an asthmatischen Beschwerden. Leider glaubte er sich 1872 der Einladung zu dem Stiftungsfest der Universität Straßburg nicht entziehen zu dürfen und begab sich, obgleich krank und matt, dahin. In Straßburg war es ihm doch nicht möglich, der Feier beizuwohnen. Das Zimmer hütend, ward er leider am Abend des Festtages durch ein Mißverständniß das Opfer einer thätlichen Mißhandlung (vgl. Correspondent von und für Deutschland vom 12. und 13. Mai 1872). Sofort abgereist, führte er noch bis zu seiner Ankunft in Münsterlingen [658] am 4. Mai sein Tagebuch fort. Am 6. starb er; am 11. wurde er in seinem Stammschloß Aufseß beerdigt.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 658. Z. 2 v. o. hinzuzufügen: Nekrol. von Pocci im 35. Jahresbericht des histor. Ver. f. Oberbayern. [Bd. 4, S. 794]