ADB:Fuchs, Johann Nepomuk von
Jacquin, unter dessen Einfluß F. Naturwissenschaft und mit besonderer Vorliebe Chemie studirte. Doch absolvirte er die medicinische Wissenschaft und erwarb sich darin den Doctorgrad in Heidelberg. Zur Praxis ging er aber nie über, vielmehr zog ihn der damals auf der Höhe des Ruhms stehende „Lehrer der Mineralogie für ganz Europa“, Werner, nach Freiberg, wo F. sich besonders dem Studium der Mineralogie widmete. Hier war es auch, wo er mit dem später berühmten Crystallographen Weiß sich befreundete. Nach einem Besuch in Berlin, wo er mit Karsten, V. Rose[WS 1] und besonders mit Klaproth bekannt wurde und in Paris, wo er mit Hauy verkehrte, unternahm er einige mineralogische Reisen und kam 1805 nach München zurück, um nach bestandener Prüfung die Stelle eines Privatdocenten der Chemie und Mineralogie an der hohen Schule in Landshut zu übernehmen. Das bei seiner Prüfung von ihm untersuchte Fossil aus dem Kirchholz bei Reichenhall (eine Art Melaphyr: Sillit) gab Veranlassung zu seiner ersten mineralogischen Publication: „Analyse eines wackeartigen noch unbenannten Fossils“, 1805. Seine Beförderung zum ordentlichen Professor der Chemie und Mineralogie erfolgte schon 1807. In dieser Zeit befaßte sich F. eifrig mit Ofenbau- und Heizeinrichtungen, erfand die sogen. Weingeistlampe der Chemiker und verbesserte das Löthrohr. Mit den erstaunlich einfachsten Hülfsmitteln versuchte er sich in der Mineralanalyse, leistete aber trotzdem vorzügliches, wie seine Publicationen beweisen: „Ueber Gehlenit“ (Schweigger’s Journ. 1815. 377), in Verbindung mit dem ihm innig befreundeten Gehlen über verschiedene Zeolithe (das. 1816, Bd. XVIII. 1), wobei er sich in einen siegreichen Streit mit Hauy verwickelte, was seinen wissenschaftlichen Ruf wesentlich förderte. In diesen Arbeiten findet sich bereits die Theorie von den vicarirenden Bestandtheilen angedeutet, indem F. bemerkte, daß man den Sauerstoffgehalt der Kalkerde und des Eisenoxyds (wie er damals glaubte) zusammenrechnen müsse, um bei einigen Zeolithen eine gesetzmäßige Relation der Gemengtheile zu erhalten, daß mithin Eisenoxyd als Stellvertreter von Kalkerde angesehen werden könnte. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, meint er, werden die Resultate der chemischen Analysen der Mineralien verhindern, unnöthig viele Gattungen aufzustellen. Zugleich erinnert er an die Gruppe des Alauns und des Feldspaths, in welchen ähnliche Stellvertretungen Platz zu greifen scheinen. Es ist in diesen Anschauungen ganz unzweideutig die Grundlage der vier Jahre später von Mitscherlich aufgestellten Lehre des Isomorphismus enthalten. Hieran reihen sich weiter die Arbeiten über einige [166] phosphorsaure Verbindungen (das. 1816. XVIII. 288), über Lasionit und Wawellit, in welchem Mineral er den selbst von Klaproth übersehenen Bestandtheil, die Phosphorsäure, entdeckte (das. 1818. XXIV. 121); über Aragonit und Strontionit (das. 1819. XIX. 113); über Lazulith (das. 1818. XXIV. 373); über Wagnerit (das. 1821. XXXIII. 269); über Nephelin und Cyanit (das. 1821. XXXIII. 377) und über die Entstehung der Porzellanerde (Denkschr. d. Ak. d. Wiss. VII. 65–88) an. In letzterer Abhandlung zeigt F. die Entstehung der Passauer Porzellanerde aus einem neuen Mineral, dem Porzellanspath, bei welcher Umwandlung sich Opal abscheide und legt bereits den Grund zu seiner späteren, so fruchtbaren Entdeckung über die „Kieselerde“ und über das sogen. Wasserglas. Mit Vorliebe praktischen und technischen Untersuchungen zugewendet, befaßte er sich damals auch vielfach mit Fragen der Färberei, der Zuckersiederei aus Runkelrüben, der Bierbrauerei und entdeckte den Weg, auf künstliche Weise Ultramarin herzustellen (1819). 1823 folgte F. einem Rufe der Akademie als Conservator der mineralogischen Sammlung nach München und inaugurirte seinen neuen Wirkungskreis durch einen Vortrag über das von ihm entdeckte, für die Technik so wichtige Wasserglas, sowie durch eine geistreiche Rede zur Stiftungsfeier der Akademie (1824): „Ueber den gegenseitigen Einfluß der Chemie und Mineralogie“, in der er zwar der Mineralogie ihre Selbständigkeit und ihre Bedeutung für Chemie wahrte, jedoch sich entschieden auf die Seite der Chemie stellte, als einer für die Mineralogie unentbehrlichen Beihülfe, im Gegensatz zu denen, welche sich mit den sogen. naturhistorischen Eigenschaften der Mineralien nach blos äußerlichen Kennzeichen begnügten. F. erklärte, daß man mit Mineralspecies einen ganz anderen Begriff verbinden müsse, als mit Thier- oder Pflanzenspecies; dieselbe sei gegenüber der blos äußeren Charakteristik und selbst gegen die Definition von Hauy, welche die Mineralspecies durch die nämliche Krystallisation bei gleicher chemischer Constitution bedingt annahm, aufzufassen als der Inbegriff von Mineralien, welche gleiche Krystallisation und gleiche oder doch gleichmäßige (unter Hinweisung auf die vicarirenden Gemengtheile) chemische Constitution habe. Später änderte F. seine Anschauungen, indem er diese Gruppirung „Formation“ nannte und den Hauy’schen Begriff von Species wieder aufnahm. Ganz besonders hervorragend sind auch die Untersuchungen über die praktische Verwendung des Wasserglases („Ueber ein neues Produkt aus Kieselerde und Kali“ in Kastners Arch. f. ges. Nat. V. 385) und „Ueber Kalk und Mörtel“ (Erdm. Journ. 1829. VI.), welche als für die in unserer Zeit so wichtig gewordene Cementbereitung und die Darstellung des hydraulischen Kalkes aus inländischem Rohmaterial bahnbrechend und grundlegend zu bezeichnen sind, und über die Eigenschaften, Bestandtheile und chemische Verbindung der hydraulischen Mörtel (Dingler’s pol. Journ. 1833. 271), eine von der Gesellschaft der Wissenschaften in Harlem gekrönte Preisschrift. Diesen glücklichen Erfindungen des Wasserglases und der Bereitung des hydraulischen Kalkes auf technischem Gebiete schließt sich würdig auf wissenschaftlichem Felde seine Theorie über den Amorphismus fester Körper (N. Jahrb. f. Ch. u. Phys. VII. 418–434) an. F. wies nach, daß das Starre zweierlei Zustände besitzen könne, den der Gestaltung und Gestaltlosigkeit, und daß ein Körper in beiden Zuständen ganz verschiedene Eigenschaften annehmen könne, wie z. B. die Kieselerde als Bergkrystall und als Opal. Berzelius glaubte, diesen Amorphismus auf die sogenannte Isomerie zurückführen zu können, wogegen sich F. in seinen Abhandlungen „Isomerismus und Amorphismus“ (Erdm. Journ. f. p. Ch. 1845. VII. 345) mit Erfolg vertheidigte und seine Theorie rechtfertigte. Auf ein unsicheres Feld wagte er sich in dem Kampf gegen den damals in überschwenglichster Weise blühenden Vulkanismus durch seinen akademischen Vortrag „Ueber die Theorie der Erde“, [167] 1837, weil er sich hier einseitig auf den Standpunkt des theoretischen Chemikers stellte, ohne daß ihm die Erfahrungen des praktischen Geologen zu Gebote standen. F. spricht den Grundsatz aus, daß geologische Erklärungen und Auffassungen nur als richtig anzuerkennen wären, wenn dieselben in voller Uebereinstimmung mit den Erfahrungen der Chemie ständen. Obwol manches von dem, was F. damals zu begründen suchte, sich nicht als haltbar erwies, so ist diese Arbeit doch von epochemachender Bedeutung und bezeichnet einen Wendepunkt in der genetischen Geologie. F. wurde dadurch der Begründer des Neuneptunismus, der in jüngster Zeit von Bischof und Anderen weiter entwickelt wurde. Den Granit läßt F. aus einem amorphen oder wässerig flüssigen Urzustande der Erde herauskrystallisiren, allen kohlensauren Kalk der Felsmassen als ursprünglich im Wasser gelöst, sich aus dieser Lösung zur Felsbildung ausscheiden, ohne dem organischen Reich eine Mitwirkung zuzugestehen. Die Gebirgsverrückungen sind ihm Folgen des Zusammenziehens beim Uebergang der Gebirgsmassen vom amorphen in den krystallischen Zustand, wobei Senkungen und Einstürze erfolgen müssen. Berzelius wendete sich mit scharfer und zum Theil ungerechter Kritik gegen diese neue Lehre, die unbestreitbar das Verdienst hat, der Chemie ihr Recht bei Beantwortung genetisch-geologischer Fragen erobert und bleibend gewahrt zu haben (Jahresb. 1840. 730; Wagner’s Urwelt 1845. 35). Inzwischen weisen auch die übrigen Arbeiten von F. aus dieser Zeit über mineralogische, chemische und technische Gegenstände eine Fülle von wichtigen Entdeckungen nach. Es sei nur beispielsweise an die wichtige Methode der Trennung von Eisenoxyd vom Oxydul durch kohlensaure Kalk- oder Baryterde (Schweigger’s J. 1831. II. 184) oder durch metallisches Kupfer (Erdm. J. 1839. XVII. 160), an die Darstellung des Goldpurpurs, des Lithions, an die Entdeckung des Triphylins (Erdm. J. V. 316), an die Analyse der Jod-haltigen Adelheidsquelle der Soole von Kissingen etc. erinnert. Unter Beibehaltung seiner bisherigen Stellung wurde F. 1835 auch als Oberbergrath zum Mitglied der obersten Bergbehörde ernannt, um hier namentlich bei der Verhüttung der Bodenmaiser Kiese thätig einzugreifen, konnte sich jedoch in diesem Kreise nicht heimisch machen und schied bald wieder aus demselben. F. war auch Mitglied des Obermedicinalausschusses. Schon seit 1832 beschäftigte sich F. mit der sogen. Bierprobe, die er für polizeiliche Zwecke auf eine höchst einfache Weise mittelst der Auflösungsfähigkeit des Chlornatriums in Wasser zu lösen versuchte (Hallymetrie, Dingler’s Pol. J. 1846. 62. 302). Sehr merkwürdig ist, daß F. schwer dazu zu bewegen war, seine Vorträge über Mineralogie zu publiciren; es bedurfte hierzu eines starken Drängens von Seite A. Wagner’s, der sie dem III. Band seiner Naturgeschichte 1842 beigab. Diese Mineralogie enthält namentlich in dem chemischen Theile sehr wichtige Beiträge, durch welche andere Lehrbücher vortheilhaft ergänzt werden. Eine der letzten Arbeiten Fuchs’ war die über die physikalischen Eigenschaften des Eisens, das er als eine dimorphe Substanz ansah, das Stabeisen als tessaral, das Roheisen als rhomboëdrisch krystallisirt. Daraus leitete er dessen verschiedene Eigenschaften und namentlich die Doppelnatur des Stahls – als Legirung beider mit einander – ab und erklärte das Brüchigwerden des Stabeisens bei längerer Verwendung, z. B. in Form von Achsen aus der Umbildung der ursprünglich fasrigen Textur in eine mehr oder weniger krystallinisch körnige durch fortgesetzten Schlag und Stoß. Die praktische Verwerthung des von ihm entdeckten Wasserglases blieb bis zu seinem Lebensende eine Lieblingsbeschäftigung, die endlich zu der von ihm Stereochromie genannten praktischen Benützung führte, nämlich eine Anwendung des Wasserglases, um auf Mörtelgrund hergestellte Gemälde wetterbeständig zu machen; eine Kunst, deren Vorzüge v. Kaulbach durch die Herstellung seiner großen Wandgemälde nach dieser Methode anerkannte und verewigte [168] („Bereitung, Eigenschaften und Nutzanwendung des Wasserglases mit Einschluß der Stereochromie“, eine Abhandlung, die er kurz vor seinem Tode beendigte, 1855). F. war bei Gründung des polytechnischen Vereins, den er lange Zeit als Vorstand leitete, im Interesse der Verbindung der Wissenschaft mit der Technik thätig, im Sinne seines Mottos: „Die Wissenschaft ist der Leitstern der Praktik; und diese verirrt sich ohne jene leicht ins düstere und unbegrenzte Reich der Möglichkeit“. F. erhielt vielfache Zeichen allseitiger Anerkennungen seiner Verdienste für Wissenschaft und Praxis; er wurde zum Mitgliede der Akademien der Wissenschaften in Berlin und Wien ernannt, erhielt die höchsten baierischen Orden, den Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft, den preußischen rothen Adlerorden III. Classe; wurde 1852 geheimer Rath und in den erblichen Adelstand erhoben. Trotz seiner Kränklichkeit erreichte F. ein hohes Alter und blieb bis zu seinem Ende geistig frisch und thätig. Ihm zu Ehren trägt ein Mineral den Namen Fuchsit.
Fuchs: Joh. Nep. v. F., Dr. der Medicin, Geheimer Rath, einer der bedeutendsten Mineralogen unseres Jahrhunderts, geb. am 15. Mai 1774 zu Mattenzell, † am 5. März 1856 zu München. F. entstammt einer wenig begüterten einfachen Bauernfamilie in dem kleinen Dorfe Mattenzell des baierischen Waldes bei Falkenstein unfern Regensburg. Im benachbarten Kloster Frauenzell erhielt er seinen ersten Unterricht, bei dem er so glänzende Geistesanlagen verrieth, daß die Klostergeistlichen ihm den Besuch des Gymnasiums in Regensburg (1791–94) ermöglichten, natürlich um ihn für den geistlichen Stand zu bestimmen. Aber nach Vollendung seiner philosophischen Studien verspürte F. so wenig inneren Beruf für diesen Stand, daß er zur Medicin überging und die Universität Wien aufsuchte. Hier war es besonders- v. Kobell, Akad. Denkrede auf J. N. v. Fuchs 1856. Kaiser, Gesammelte Schriften von Fuchs.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ siehe Wikipedia: Valentin Rose, der Jüngere, Vater von Gustav Rose und Heinrich Rose.