ADB:Führich, Joseph Ritter von

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Artikel „Führich, Joseph Ritter von“ von Bernhard Grueber in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 185–189, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:F%C3%BChrich,_Joseph_Ritter_von&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 00:36 Uhr UTC)
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Führich: Josef Ritter v. F., Historienmaler, wurde am 9. Febr. 1800 zu Kratzau, einem zwischen Reichenberg und Zittau unweit der böhmisch-sächsischen Grenze gelegenen Landstädtchen geboren, wo sein Vater das Gewerbe eines bürgerlichen Anstreichers, Malers und Vergolders betrieb und nach Art der Landleute vom Ertrage einiger Grundstücke lebte. Die Jugend- und Bildungsgeschichte Führich’s, welcher ohne anderen Unterricht, als ihn eine gewöhnliche Dorfschule bietet, sich vom Hirtenjungen zu einem der bedeutendsten Künstler unserer Zeit emporarbeitete, ist eben so interessant als lehrreich. Nachdem der junge F. die Elementarschule seines Geburtsortes, welche sich in keiner Weise von der eines Dorfes unterschied, durchgemacht, hütete er während zweier Sommer die Kühe und Schafe, indem er nebenbei seinem Vater beim Anstreichen von Schränken, Bettstellen und anderen Geräthschaften half. Wie einst Giotto, zeichnete der Knabe in seinem Hirtenleben alle Gegenstände, welche ihm vorkamen: Thiere und Menschen, Bäume, Felsen und Wasserfälle, jedoch meist auswendig, ohne die Natur zu Rathe zu ziehen. Eine mit Holzschnitten ausgestattete Bibel und einige Kupferstiche, dann die in den nächstgelegenen Kirchen befindlichen Altarbilder regten den streng katholisch erzogenen kaum 14jährigen Knaben an, sich in kirchlichen Darstellungen zu versuchen. Er malte nun, ohne je Unterricht im Zeichnen erhalten zu haben, die verschiedenartigsten Bilder, sogar Altarblätter, radirte auf Kupfer und erwarb sich durch diese Arbeiten in seiner von allem Weltverkehr abgeschlossenen Heimath ein gewisses Ansehen, weßhalb Graf Christian von Clam-Gallas, zu dessen Herrschaften Kratzau gehörte, sich veranlaßt fühlte, den jungen Künstler zu unterstützen und ihm den Besuch der Kunstakademie in Prag zu ermöglichen. Siebzehn Jahre alt trat F. in die Schule des damaligen Akademiedirectors Bergler ein und begann seine Studien nach der herkömmlichen akademischen Manier, indem er gleichzeitig seine sehr mangelhaften Kenntnisse zu bereichern suchte. Bei der überwiegend poetischen Anlage des jungen Künstlers waren es begreiflicher Weise die Dichter, welche ihn anzogen, zunächst wirkten bestimmend auf ihn ein Schiller, Tieck, Novalis, Schlegel und Wackenroder. Uebrigens war es keine regelmäßige Lectüre, welche F. betrieb, eben so wenig als er sich an ein strenges künstlerisches Studium gewöhnen konnte. Unsicher hin- und hertastend, las er Romane, Geschichtsbücher, Kirchenväter, Streitschriften und wissenschaftliche Abhandlungen ohne große Auswahl, [186] malte die verschiedenartigsten Bilder, zeichnete für die Bohmann’sche Kunsthandlung in Prag eine Reihe von Compositionen aus der böhmischen Geschichte und neigte sich mit Entschiedenheit der eben blühenden romantischen Schule zu. Neben mehreren Illustrationen zu Bürger’s „Wildem Jäger“ und einer mehrmals umgearbeiteten Composition des „Vater Unser“, entstand während seines Prager Aufenthaltes ein Cyklus von 15 Zeichnungen zu Tieck’s Genofeva, welche zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf den 25jährigen Verfertiger lenkten und ihm eine Pension zur Reise nach Italien verschafften. In Rom schloß sich F. an Overbeck, Veit, Koch und Schnorr an, und arbeitete gemeinschaftlich mit diesen an den Fresken in der Villa Massimi, wo er drei ursprünglich Overbeck übertragene Bilder aus Tasso’s befreitem Jerusalem nach eigenen Ideen vollendete. Ein grau in grau gemalter Fries, welcher das ganze Tasso-Gemach umzieht und die einzelnen Bilder vervollständigt, wurde zum größten Theil von F. componirt und ausgeführt, weil Overbeck Rom verließ, um die Portiunculacapelle in Assisi auszumalen. Nach Vollendung der Fresken in der Villa Massimi wendete F. seine Thätigkeit beinahe ausschließlich der religiös kirchlichen Richtung zu und kehrte nach dreijährigem Aufenthalte in Rom und nachdem er zuletzt in Florenz eingehende Studien der dortigen älteren Kunstwerke gemacht, als ein von ganz Europa anerkannter und geehrter Künstler in seine Heimath zurück, wo er seit dem J. 1834 erst als Custos, dann als Professor an der kaiserl. Akademie zu Wien einen ausgedehnten Wirkungskreis fand. Hier begründete er eine Componirschule, hielt öffentliche Vorträge über geschichtliche Kunst und versammelte um sich einen Kreis ausgezeichneter Schüler, von denen Dobyaschofsky, Emler, Klein, Lebert, Madjera, Noltsch, Reinhart, Plattner, Staudinger, Schönbrunner, Vogler und die beiden Wörndle späterhin als tüchtige Künstler bekannt wurden. Als ausübender Künstler fertigte er nach seiner Rückkehr aus Italien zuerst eine große Zeichnung für den Fürsten Metternich, die Begegnung Jakobs und der Rachel darstellend; dann wurden ziemlich gleichzeitig einige Altarbilder, darunter ein großes für die Stadtkirche zu Packau, in Angriff genommen und als Nebenbeschäftigung die schon früher gezeichneten Illustrationen zur Genofeva in Kupfer radirt. Diesen Blättern folgte ein fernerer Cyklus von 11 Federzeichnungen: „Der Triumph Christi“, welchen F. späterhin (1839) ebenfalls radirte und für welchen ihm die große goldene Medaille verliehen wurde. Ununterbrochen fleißig und mit großer Leichtigkeit arbeitend, fertigte der Künstler zwischen 1829, als er aus Italien zurückkehrte und 1854, als ihm der Auftrag zu Theil wurde, die Alt-Lerchenfelderkirche in Wien mit Fresken auszustatten, eine so große Anzahl von Gemälden, Zeichnungen und Radirungen, daß es geradezu unmöglich ist, auch nur die Hauptwerke aufzuzählen. Bei seinem rastlosen Schaffen verfiel er nie in Flüchtigkeit oder Oberflächlichkeit; gleich dem Dürer und Benozzo Gozzoli führte er jedes Pflänzchen im Vordergrunde, jede Linie des Hintergrundes mit gleicher Liebe und Gewissenhaftigkeit aus. Dem obigen Zeitraume gehören an die durch Radirung, Stich und Lithographie mehrmals vervielfältigten Kreuzwegstationen, welche er in je verschiedenen Compositionen zwei Mal, nämlich auf dem St. Lorenzberge in Prag und in der Johannes Nepomukkirche in Wien al fresco ausführte; dann die Oelbilder: „Christus auf dem Weg zum Oelberge“ – „Josua mit seinem Heere vor Jericho“ – „Die trauernden Juden“ – „Boas und Ruth“ – „Maria und Josef auf der Reise nach Bethlehem“ – „Moses, wie er von Gott die Gesetztafeln erhält“ – „Christus während des Sturmes im Schiffe schlafend“ – „Der Traum des hl. Josef“ – „Die Geburt Christi“ – „Der Fischzug Petri“ – „Das Urtheil Salomonis“ – eine Pieta und viele andere Zeichnungen und Oelgemälde, welche sich in Kirchen, öffentlichen Gallerien und Privatsammlungen [187] befinden und die durch Lithographie oder Stich in den weitesten Kreisen bekannt geworden sind.

Der Bildercyklus in der Alt-Lerchenfelderkirche bezeichnet einen besonderen Abschnitt in Führich’s Leben. Die Leitung des ganzen Werkes war ihm anvertraut und der Grundgedanke gehört ausschließlich seinem Geiste an. Die Vorhalle zeigt die Schöpfungsgeschichte in ihren Beziehungen zum neuen Testamente, das Schiff enthält die Hauptmomente aus dem Leben Christi, am Triumphbogen sind Verklärung und Verspottung des Heilands angebracht und in der Kuppel die acht Seligkeiten. Als Hauptbild für die Tribune wurde die Dreieinigkeit gewählt, unterhalb derselben der geöffnete Himmel mit seinen Heiligen hereinblickt. An diese Bilder reihen sich zahlreiche in den Seitencapellen befindliche an, deren Ausführung die Maler Kupelwieser, Schulz, Ed. Engerth, Binder, Blaas, Dobyaschofsky, C. Mayer und Schönmann übernahmen. Die Vertheilung der Arbeiten unter so viele Künstler wirkte allerdings etwas störend, war aber nicht zu vermeiden in Anbetracht der vorgeschriebenen kurzen Ausführungszeit. Wegen seiner um diese Kirche erworbenen Verdienste wurde F. 1861 in den Ritterstand erhoben und mit dem Orden der eisernen Krone ausgezeichnet, nachdem er bereits das Ritterkreuz des päpstlichen Gregoriusordens und des baierischen Michaelsordens erhalten hatte. Die Akademien zu München und Berlin ernannten ihn zu ihrem Mitgliede, Kaiser Maximilian von Mexiko übersandte ihm das Officierskreuz des Guadelupeordens und Papst Pius IX. wegen eines mit Miniaturen verzierten Missale das Comthurkreuz des Gregorordens. Mit zunehmendem Alter nahm die Thätigkeit Führich’s eher zu als ab, auch zeigte seine schöpferische Kraft nicht die mindeste Abnahme. Nach Vollendung der Alt-Lerchenfelder Bilder wurden die geistreichen Blätter: „Die Kirchenuhr“ und „Das alte und neue Rom“ ausgeführt, die Kirche von Schönlinde im nördlichen Böhmen erhielt ein schönes Madonnabild, es entstanden zwei sehr bedeutende Gemälde für die freiherrlich Schack’sche Gallerie in München und ein drittes für die päpstliche Nuntiatur, worauf der Künstler zwei große Altarbilder für die Stiftskirche zu Raigern in Mähren malte. Diesen folgten ein Altarwerk für die Kirche in Vöslau bei Wien, ein für den Kronprinzen Rudolf im Jahre 1870 bestimmtes Bild, den „Kaiser Rudolf von Habsburg und seine Begegnung mit dem Priester“ darstellend, dann ein vom Prälaten Willim zu Wien bestelltes Gemälde für einen Hausaltar. Wenn wir noch zwei dem Purgatorio Dante’s entnommene Compositionen für den König Johann von Sachsen, eine Reihe von Aquarellen für den Grafen von Czernin, eine große Darstellung des Abendmahles für das Refectorium des Kapuzinerklosters in Wien und ein großes Altarbild für die Kirche von Stockerau nennen, geschieht es nicht sowol um dieses Verzeichniß zu vervollständigen, als um die ausgebreitete Thätigkeit und den Phantasiereichthum des Künstlers näher zu bezeichnen. Im J. 1872 wurde F. auf Grund eines neuen Gesetzes pensionirt und ihm zugleich das Comthurkreuz des österreichischen Franz-Josefs-Ordens verliehen. Diese Pensionirung, welche gegen seinen Wunsch erfolgte, erhöhte nur die Arbeitslust des noch immer jugendfrischen Künstlers, indem sie ihm zugleich größere Muße für seine vielen Unternehmungen gewährte. Seit dieser Zeit publicirte er den mit 30 Zeichnungen ausgestatteten Psalter und das Buch des Thomas von Kempen von der Nachfolge Christi mit mehr als 50 Illustrationen, ferner die Erzählung vom „Verlorenen Sohne“ in acht Blättern, das Buch Ruth und „Der arme Heinrich“, welche Werke mit Ausnahme des Verlorenen Sohnes in Alphons Dürr’s Verlage zu Leipzig erschienen sind; früher bereits erschienen von ihm der „Bethlehemitische Weg“ und „Er ist auferstanden“, ersterer mit 12, der andere mit 15 Zeichnungen. Rüstig und munter, voll von Plänen über neu anzufertigende Werke, feierte der greise Künstler seinen 75. Geburtstag im Kreise seiner Freunde, [188] nicht ahnend, daß seinem Wirken nur noch eine kurze Frist vergönnt sei. Er starb nach einem kurzen, dem Anschein nach nicht gefährlichen Unwohlsein am 13. März 1876, nachdem er zwei Jahre vorher seine Gattin, mit welcher er 42 Jahre in glücklicher Ehe gelebt, verloren und den meisten seiner Freunde ins Grab nachgesehen hatte. – In F. verlor die kirchliche Malerei ihren hervorragendsten Vertreter, kein zweiter Künstler, selbst nicht Overbeck, hat das Wesen des Katholicismus mit solcher Tiefe erfaßt und mit solcher Fülle neuer Ideen bereichert. Glaube, Leben, Wissen und Kunst waren bei F. zu einem einheitlichen untrennbaren Ganzen verschmolzen, die Kunstübung erschien ihm als Gottesdienst, weshalb er auch andere als religiöse Bestrebungen ignorirte. Daher spiegelt sich auch in seinen ganz dem Gemüthe entsprungenen Werken sein Inneres getreu wieder: er war der beste Hausvater, der theilnehmendste Freund und für seine Schüler der wohlwollendste besorgteste Lehrer. Seine äußere Erscheinung war gentlemanlike und sein schönes freundliches Gesicht zeigte nichts von jener ascetischen Strenge, welche man gemäß seiner Schriften voraussetzen mochte. Wenige Künstler des Alterthums wie der Neuzeit verfügten über einen so reichen Fond technischer Mittel, als F.: er malte mit gleicher Virtuosität in Oel, Fresko und Aquarell, verstand zu lithographiren, in Kupfer zu radiren und mit dem Grabstichel umzugehen, zeichnete unübertrefflich mit der Feder, mit Sepia und Tusche. Dabei ist seine Zeichnung höchst correct und bewegt sich im gefälligsten Linienfluß, das Colorit harmonisch und es zeichnen sich alle seine Werke durch Adel und den geläutertsten Formensinn aus. Daß F. von den Schwächen nicht freiblieb, an welchen die kirchliche Kunstrichtung leidet und die überhaupt unvermeidlich sind, wenn man diesen Standpunkt festhält, ist beinahe selbstverständlich: wie denn die herkömmlich typischen Gesichter und Gewänder der biblischen Hauptfiguren eine individuelle Beseelung und naturgemäße Durchbildung zur Unmöglichkeit machen. Auf den Oelgemälden pflegte er gewöhnlich seinen vollen Namen oder die zusammengezogenen Anfangsbuchstaben (J F) anzubringen, seine Radirungen aber versah er mit einem Monogramm. Die meisten seiner Bildercyklen haben mehrere Auflagen erlebt, so sind von seinen berühmten Kreuzwegstationen, von denen F. selbst die erste Auflage radirte, während die zweite und dritte durch Petrak in Kupfer gestochen wurden, zwei fernere Auflagen in verkleinertem Maßstabe, im ganzen also fünf Ausgaben erschienen, von zahlreichen unbefugten Nachbildungen abgesehen. Das „Vater Unser“, die „Genofeva“, der „Bethlehemitische Weg“, der „Triumph Christi“ sind ebenfalls schon in mehreren Auflagen erschienen und von dem geistreichen, 1860 entworfenen, Blatte: „Das Alte und Neue Rom“, gestochen von Ludy, wird so eben ein neuer Stich angekündigt. Die Zeichnungen zum „Buche Ruth“, eine der letzten und ausgezeichnetsten Arbeiten des Meisters, wurden von H. Merz in Kupfer gestochen, seine übrigen neueren Werke: „Er ist auferstanden“ – „Der Psalter“ – „Thomas von Kempen“ – „Der arme Heinrich“, sind von Gaber und Oertel in Holzschnitt ausgeführt worden. Durch diese zahlreichen Publicationen hat F. einen unermeßlichen Einfluß auf die katholische Welt geübt, auch haben seine Werke eben so sehr in England und Frankreich, wie in Deutschland große Verbreitung gefunden. Auch als Schriftsteller war der Meister thätig, indem er seine künstlerischen Anschauungen unter dem Titel: „Ueber Kunst“, 4 Hefte, Wien, veröffentlichte. Durch diese Schrift, in welcher über alle nicht religiösen Kunstbestrebungen der Stab gebrochen wird, und durch Herausgabe der „Denkblätter für unsere Zeit“, in welchen die gegenwärtig herrschende Selbstsucht, Ueberbildung und Verschrobenheit in geistreicher, aber sehr scharfer Weise verspottet wird, hat sich der Künstler viele Feinde zugezogen, nachdem er bereits im J. 1848 als Freund der Redemtoristen vom aufgeregten [189] Pöbel insultirt worden war. Der Verfasser dieser Zeilen stand seit vielen Jahren mit F. in persönlichem Verkehr und hat die meisten seiner Arbeiten durch eigene Anschauung kennen gelernt; außerdem wurden benützt:

Klar’s Taschenbuch Libussa, Jahrgang 1844, mit einer Selbstbiographie Führich’s. Prag. Josef Ritter v. Führich, Lebensskizze von Freundeshand zusammengestellt, Wien 1875. Lukas von Führich, Kurze Biographie des Ritters Josef v. Führich. Aachen, in der litterarischen Rundschau, 1876.