Sponsel Grünes Gewölbe Band 2/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den II. Band des Tafelwerkes – Prunkschüsseln und Kannen

Reliefs Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 2 (1928) von Jean Louis Sponsel
Prunkschüsseln und Kannen
Neue Gefässformen
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PRUNKSCHÜSSELN UND KANNEN

Daniel Kellerthalers Taufgerät der Wettiner, Tafel 48 u. 49. Seine inhaltliche und formale Bedeutung rechtfertigt eine eingehendere Würdigung. Das Taufbecken hat eine regelmäßige aber stark bewegte Form. Diese wird dadurch gebildet, daß drei runde vertiefte gleichgroße Teller zu einem großen Becken vereinigt sind, indem ihre drei Bodenscheiben eine kleinere die Mitte bildende runde Scheibe berühren, während ihre erhöhten Ränder, da wo sie einander durchdringen würden, nicht in gleicher Höhe fortgeführt sind, sondern mit je einem Drittel ihrer Länge eine dreiteilige Erweiterung des Mittelfeldes bilden, die als Tragboden für die auf drei Delphinen ruhende abnehmbare rundplastische Gießergruppe zu dienen hat. Die Dreipaßform des Taufbeckens erhält eine Bereicherung, indem in den Winkeln der aneinander stoßenden Tellerränder drei umrahmte Hochfelder angesetzt sind. Auch werden die Ränder der drei vereinigten Teller noch dadurch besonders gegliedert, daß an den äußersten Stellen des Randes je ein ovales umrahmtes Querfeld aufgelegt ist. Während der dreiteilige Schüsselrand nur durch profilierte Leisten umrahmt ist, sind die angesetzten und aufgelegten Felder durch bewegte Rollwerkrahmen eingefaßt, zu denen als Bereicherung noch neben den vorspringenden Hochfeldern rundplastische Engelpaare kommen, die auf Festons sitzen. Diesen Engelpaaren entsprechen drei ebensolche rundplastische Engelpaare, die auf der Erweiterung des Mittelfeldes aufgelegt sind. Jedes Paar trägt einen Blumenfeston und läßt zwischen sich den Platz frei für die drei die Gießergruppe stützenden Delphine.

Die Dreipaßform der Taufschüssel ist nicht etwa nur gewählt, um den sonst üblichen Beckenformen eine neue Form gegenüberzustellen, sondern sie hat auch symbolische Bedeutung für die Dreieinigkeit, die in Relief auf dem Mittelfeld dargestellt ist, auf deren Namen die Taufe vollzogen wird (nach Matth. 18, 19). Das Mittelfeld mit der Dreieinigkeit wird unmittelbar berührt von den drei großen Rundfeldern, die durch die Dreipaßform entstanden sind. Diese haben figurale Szenen von gleichem Maßstab, wie das Mittelbild. Der Maßstab der Figurengrößen wird dann etwas verringert auf den Bildern der drei am Rand an die einspringenden Winkel der Dreipaßform angesetzten Felder. Erheblich kleiner ist aber die Größe der Figuren auf den Bildern der drei auf den Tellerrand aufgelegten querovalen Felder und hiermit stimmt dann auch der Maßstab der daneben auf dem Tellerrand selbst befindlichen Szenen überein. [97] Der reiche Eindruck, den die verschiedenen Relieffelder des vielgegliederten Beckens hervorrufen, wird noch durch die Farbe erhöht, indem die Bodenflächen und die umrahmten Felder aus weißem Silber bestehen, während die Randflächen und alle Umrahmungen und deren Verzierungen vergoldet sind.

Während alle bildlichen Darstellungen radial nach der Mitte zu gestellt sind, hat allein die Darstellung der Dreieinigkeit im Mittelfeld eine einseitige Orientierung. Sie hat die entgegengesetzte Richtung, wie die eine der drei größeren Rundszenen, auf der die Darstellung des Christkindes im Tempel gezeigt wird. Eines der drei am Rande radial angefügten Hochfelder kommt so zur gleichen Orientierung mit dem Bilde des Mittelfeldes und kann also mit diesem zusammen betrachtet werden. Indem diese beiden Bilder die Hauptansicht des Taufbeckens bilden, ist auch das Bild des Hochfeldes mit besonderer Bedeutung auf die verheißene Wirkung der Taufe gewählt worden: die Auferstehung Christi. Alle übrigen bildlichen Darstellungen können nur durch Drehung des Beckens und entsprechende Einstellung der Blickrichtung betrachtet werden.

Für die Wahl der bildlichen Darstellungen war natürlich das Bekenntnis des Bestellers und seiner Familie bestimmend. Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (reg. 1611–1656) hatte das evangelisch-lutherische Glaubensbekenntnis. Für dieses war für die Taufe Martin Luthers zuerst 1526 erschienenes zweites Taufbüchlein, die bedeutend gekürzte und gereinigte Ausgabe des ersten Taufbüchleins von 1523, maßgebend, die er dem kleinen Katechismus anfügte. Die darin zum Ausdruck gebrachte Auffassung über das Sakrament der Aufnahme in die christliche Kirche, die allgemein im frühesten Kindesalter vorgenommen wurde, ließ den Täufling teilnehmen an dem sündentilgenden Tod und der Auferstehung Christi und betrachtete also die Taufe als ein Bad der Wiedergeburt, als den Beginn des sittlichen Lebens. Darum war auch mit der Taufe, mit der die Auferstehungshoffnung aufs engste verbunden ist, die Geste des Kreuzeszeichens durch den Täufer verbunden, so in Sachsen mit den Worten: „Weil Jesus Christus auch für dich am Kreuze gestorben ist, empfange das Zeichen des Kreuzes, beides an Stirn und Brust“, wodurch symbolisch auf die Verbindung des Täuflings mit Christi Tod hingewiesen wurde und seine dadurch ermöglichte Erlösung von Sünde und Tod und die Einführung in die Auferstehung. Es kommt also durch das Mittelbild mit der [98] Dreifaltigkeit der Sinn der Taufe nicht unmittelbar zum Ausdruck, eine Darstellung des Gekreuzigten wäre hier bezeichnender dafür gewesen. Der Verfasser des Programms für die bildlichen Szenen der Taufschüssel entschloß sich aber doch, die Dreieinigkeit in das Mittelfeld zu bringen und Christi Kreuzestod ganz fortzulassen. Das geschah zunächst wohl im Anschluß an den Taufbefehl bei Matth. 28, 19. Auf dieses Wort Christi bezieht sich auch Luther in dem kleinen Katechismus bei der ersten Frage, was ist die Taufe?: „Die Taufe ist nicht allein schlecht Wasser, sondern sie ist das Wasser in Gottes Gebot gefaßt und mit Gottes Wort verbunden, da unser Herr Christus spricht: taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“ (Matthäi am letzten, 28, 19). Bekanntlich wird gerade diese Stelle bei Matthäus nicht mehr als eine ursprüngliche angesehen (vgl. Ztschr. für neutest. Wiss. 1901. S. 275 ff.), man erblickte aber darin eine Anordnung des auferstandenen Erlösers. Tatsächlich ist die lutherische Auffassung über die Taufe seit der Reformation auf dem Evangelium des Paulus aufgebaut, das in seinen Briefen ausgesprochen ist (Gal. 3, 27), wonach in der Taufe die wunderbare Gnadengabe der mystischen Vereinigung mit Christus enthalten ist und der Segen der Auferstehung. (Rom. 6, 2–6). „Oder wisset ihr nicht, daß so viele wir auf Christum Jesum getauft sind, wir auf seinen Tod getauft sind? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber samt ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode, so werden wir auch seiner Auferstehung gleich sein, dieweil wir wissen, daß unser alter Mensch samt ihm gekreuziget ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen.“ (Vgl. Holtzmann, Handcommentar z. N. T. 2. Aufl. Frbg. 1892. S. 128 ff.) (Vgl. J. Weiß, Die Schriften des N.T. II. Bd. Göttingen 1907. Absch. 21. 35). Danach wurde auch in der alten Kirche die allein auf den Namen Christi vollzogene Taufe schon als gültig erachtet und einzelne Kirchenväter haben dies auch erhärtet, durch den Hinweis darauf, daß wer den Christus allein genannt habe, damit auch zugleich die Dreieinigkeit bezeichnet habe. Schon frühzeitig wurde aber die Taufformel dreiteilig in bezug auf Vater, Sohn und Geist angewendet, und die kirchliche Sitte hielt diese trinitarische Form fest (vgl. Rietschel, S. 49.) Das mag also Grund und Anlaß dafür gewesen sein, daß das Mittelfeld des Taufbeckens anstatt mit einer Darstellung des Gekreuzigten mit der Dreifaltigkeit [99] ausgestattet wurde. Das über dem Mittelfeld angefügte Hochfeld wurde darum dann auch nicht mit dem Gekreuzigten ausgefüllt, wodurch eine Konkurrenz mit der Bedeutung des Mittelfeldes entstanden wäre, sondern mit der Auferstehung Christi, die die für den Täufling wichtigste Gnadenwirkung vor Augen rückte.

Die Taufhandlung, die in den frühesten Zeiten ein Untertauchen des ganzen Körpers in fließendes Wasser voraussetzte, und mit der durch Handauflegen die Überleitung des heiligen Geistes verbunden war, wozu noch andere symbolische Handlungen hinzukamen, war schließlich auf ein sinnbildliches Übergießen des Täuflings am Hinterkopf und auf das Aussprechen der Taufformel eingeschränkt worden. Wesentlich war hierbei das Wort Gottes, das der Täufer verkündete, die dadurch bewirkte Überleitung des Geistes Christi in den Täufling, „denn ohne Gottes Wort ist das Wasser schlecht Wasser und keine Taufe“ (Luther). Die dieser heiligen Handlung zugeschriebene Wirkung kommt in der Schlußformel Luthers zum Ausdruck: „Der allmächtige Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der dich anderweit geboren hat, durchs Wasser und den heiligen Geist, und hat dir alle deine Sünde vergeben, der stärke dich mit seiner Gnade zum ewigen Leben. Fried mit Dir. Amen.“ Für diese kirchliche Zeremonie war nicht mehr, wie noch im Mittelalter, ein Untertauchen erforderlich und darum war an die Stelle des Taufkessels die Taufschüssel getreten, die um so leichter zur allgemeinen Geltung kam, als die Taufe nicht als eine gottesdienstliche Gemeindefeier, sondern als eine nur das Kind und seine Paten betreffende Handlung betrachtet wurde. Daß aber die kurfürstliche Familie ihre eigene Taufschüssel sich herstellen ließ und nicht die Geräte der Kirche in Gebrauch nahm, das war wohl durch die Einrichtung einer Hauskapelle und die Einführung der Haustaufe hervorgerufen. Ein bestimmter Anlaß für die Herstellung der Schüssel scheint nicht darin bestanden zu haben, daß Kurfürst Johann Georg eine kinderreiche Familie hatte, denn die meisten seiner Kinder sind vor der Vollendung unserer Taufschüssel zur Welt gekommen und getauft worden. Vielmehr scheinen mir die verschiedenen Jahreszahlen, die der Hersteller der Taufschüssel und seines Gießers an einzelnen Teilen seinem Monogramm hinzugefügt hat – 1613, 1614, 1615 und (am Gießer) 1617 – darauf hinzudeuten, daß das Herrannahen des Jubiläums der Augsburgischen Konfession den Kurfürsten zu der Bestellung veranlaßt hat.

[100] Für die Verteilung der bildlichen Darstellungen auf die verschiedenen Felder des Taufbeckens war natürlich deren Ordnung und Größe bestimmend. Nächst dem Mittelfeld nehmen die drei großen Rundfelder den ersten Rang ein. Nach der autoritativen Geltung der Auffassung Luthers von der Bedeutung und Wirkung der Taufe und nach der herrschenden kirchlichen Typologie hätte es wohl nahe gelegen, daß für diese drei Felder vor allem Christi Opfertod, oder dann Szenen gewählt worden wären, die Luther selbst in vorbildliche Beziehung zur Taufe gesetzt hatte. In seinem ersten Taufbüchlein hatte Luther das im Anschluß an die Taufe an Gott zu richtende Fürbittegebet an Stelle des bisher üblichen Gebetes geändert in das sogenannte Sintflutgebet. Es beginnt mit den Worten: Allmächtiger ewiger Gott, der du hast durch die Sintflut nach Deinem gestrengen Gericht die ungläubige Welt verdammt, und in den folgenden Relativsätzen wird noch der Durchzug Israels durchs rote Meer und die Taufe Christi im Jordan herangezogen. Es wird also das Gebet mit einer dreifachen Typologie für die Taufe ausgestattet, die gewählten Vorbilder müssen also als die bedeutendsten von Luther gewertet worden sein.

Bei der Auswahl der Bilder für die Taufschüssel tritt eine andere Bewertung ein, im wesentlichen veranlaßt durch die Absicht, für die Kindertaufe aus der Geschichte des alten Bundes aus Christi eigener Kindheit die Vorbilder anzuführen. Mit der Taufe war die Namengebung verbunden, ebenso wie bei den Juden mit der Beschneidung (Luk. 1, 59). Auf der Taufschüssel werden hieraus zwei Szenen gemacht. So wird zunächst unter dem Mittelfeld (mit der Dreieinigkeit) die Darstellung des Christkindes im Tempel zu Jerusalem (Luk. 2, 22) gezeigt, ferner links vom Mittelfeld die Beschneidung. Die Hinzufügung der von der Beschneidung getrennten Darstellung war wohl veranlaßt durch die Erwägung, daß hierbei Simeon die ihm von dem Heiligen Geist eingegebene Offenbarung bekundete (Luk. 2,25–35): „Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes in Israel“ und in den Worten zu Maria: „Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel.“ Die Beschneidung als Symbol des von Gott mit Abraham geschlossenen Bundes (1. Mos. 24, 4), wodurch der Beschnittene in den Bund Gottes mit Israel aufgenommen war, wurde als Vorbild für die christliche Taufe betrachtet. [101] Der Vergleich mit der Beschneidung dient auch als Beweis dafür, daß die Taufe nur einmal stattfinden sollte, ebenso wie die Beschneidung (Melanthon, Loci praecipue Theologici. De Baptismo S. 105), so war also auch deren Darstellung für den Schmuck der Taufschüssel wohl angebracht. Es folgt dann, rechts von der Dreieinigkeit, die Taufe Christi durch Johannes im Jordan. Diese gilt als Vorbild für die Buße, die Johannes predigte und in seiner Taufe versinnlichte. So sagt ja auch Luther im vierten Hauptstück des kleinen Katechismus auf die vierte Frage, „Was bedeutet denn solch Wassertaufe?“ „Es bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäufet werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Geist, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe.“ Wichtig ist auch noch bei der Taufe Christi, was darüber Matthäus 3, 13–17 berichtet: „Und da Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser; und siehe, da tat sich der Himmel auf über ihm. Und er sah den Geist Gottes gleich einer Taube herabfahren und über ihn kommen. Und siehe eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Darauf wird auch in der Darstellung selbst Bezug genommen, indem nicht nur aus den geöffneten Wolken des Himmels die Taube des Heiligen Geistes in einer Strahlenglorie herabschwebt, sondern auch Gott Vater selbst, während Johannes aus einer Muschel über das Haupt des im Flusse stehenden Christus Wasser ausgießt, sich segnend niederbeugt. Am jenseitigen Ufer des Flusses stehen drei erwachsene Engel und halten ein Tuch bereit, um Christus nach der Taufe damit zu bekleiden. Auch diese Szene kann als Vorbild betrachtet werden für die von Luther im zweiten Taufbüchlein noch vorgesehene Bekleidung des Täuflings nach der Taufe mit dem „Westerhemd“ (von vestis), dem Kleide der Unschuld und Reinheit, eine symbolische Handlung für die geistige Ausstattung durch die Taufe mit den Gaben des Christentums. – Die Taufe Christi im Jordan hat nun allerdings nach heutiger Auffassung mit der Einsetzung der christlichen Taufe und der Auffassung über deren Bedeutung nichts gemein, aber früher wurde doch bei der Taufe auf diese Bezug genommen. Heute wird Luthers „Sintflutgebet“ vielfach nicht mehr angewendet in dem Taufzeremoniell. Auch weil der in jenem Gebet enthaltene Hinweis auf die Sintflut und den Durchzug Israels durch das Rote Meer dem unmittelbaren Verständnis der Christen heute fernliegt, ist jenes Gebet als für unsere Zeit ungeeignet außer Gebrauch gesetzt worden. (Vgl. [102] G. Rietschel, Lehrbuch der Liturgik, II. Berlin 1909, S. 118.) Doch wird immerhin noch die Typologie der Sintflut und des Durchzugs durch den Jordan als biblisch begründet angesehen durch 1. Petr, 3, 20 ff. und 1. Korr. 10, 1 ff. Für die Herstellung des bildlichen Schmuckes der Taufschüssel war über die Taufe Christi offenbar die Auffassung Luthers in seinem Sintflutgebet noch durchaus maßgebend, die er mit den Worten ausdrückt: „Und durch die Taufe deines lieben Kindes, unseres Herrn Jesu Christi, den Jordan und alle Wasser zur seeligen Sündflut und reichlicher Abwaschung der Sünden geheiligt und eingesetzt.“ Es scheint fast, als sei bei Feststellung des Programms für die Ausstattung des Taufgerätes die Taufe Christi im Jordan durch Johannes nicht bloß als Typus, sondern noch in besonderer erhöhter Bedeutung dargestellt worden, denn diese wird noch einmal bildlich dargestellt, aber zugleich zur Mitwirkung bei der Taufhandlung. Dies kann nicht in der gleichen Absicht geschehen sein, dann wäre ja eine der beiden Szenen überflüssig. Es soll vielmehr aus dem Gießer das Wasser über Christus hinweg auf den Täufling ausgegossen werden, so ist dieser auf Christus und seinen Tod getauft, Christus wohnt nunmehr in ihm, „denn wieviel euer auf Christum getauft sind, die haben Christum angezogen.“ (Gal. 3, 27.)

Als Gießer soll nicht eine bloße Kanne verwendet werden, wie eine solche für ein früher entstandenes Taufbecken im Grünen Gewölbe als hinreichend erachtet wurde, sondern es wird dafür eine rundplastische gegossene silbervergoldete Gruppe der Taufe Christi hergestellt, die nichts anderes als eine Attrappe der Taufkanne ist. Als Behälter für das Taufwasser hat ein abgebrochener Baumstamm zu dienen, an den Johannes sich anlehnt, während Christus vor ihm kniet. Das oberste Stück des Baumstammes läßt sich abschrauben, um das Wasser in seine Höhlung zu gießen. Die Figur des Johannes ist derartig mit dem Baum verbunden, daß bei dem Neigen der Gruppe das Wasser durch dessen hohlen Körper und Arm fließen muß und aus einem Loch an des Johannes Hand in die Muschelschale, die er über Christi Haupt hält, herabfließen muß. So nimmt also der Täufling direkten Anteil an der bildlich vorgeführten Taufe Christi. Man kann sich nicht vorstellen, daß dies bloß als eine Spielerei oder aus einer Laune des Künstlers heraus so hergestellt worden wäre, vielmehr muß jedenfalls der Geistliche, der offenbar bei der Auswahl und Austeilung der bildlichen Szenen des Taufgeräts mitgewirkt und entscheidenden Einfluß ausgeübt hat, völlig mit dieser Bereicherung des Taufvorgangs [103] einverstanden gewesen sein. Daß die Gruppe des Gießers auch schon bei Erfindung der Dreipaßform des Taufbeckens mit in Rechnung gestellt war, obwohl sie die letzte der Jahreszahlen – 1617 – trägt, während wie schon erwähnt das Taufbecken nach den Jahreszahlen 1613 bis 1615 hergestellt wurde, – das beweisen die um das Mittelfeld des Beckens eingerichteten Plätze für die Aufstellung des Gießers mit seinen drei durch Delphine gebildeten Füßen.

Vielleicht kann zur weiteren Erklärung für die nochmalige Darstellung der Taufe Christi in der Gießergruppe ein scheinbar nebensächlicher Umstand dienen. Der Baumstamm, an den sich Johannes anlehnt, ist nicht in erster Linie entstanden, um dem Johannes als Stütze zu dienen oder das Taufwasser in sich aufzunehmen. Er ist ein abgestorbener Stamm auf steinigem Boden, ohne Äste, Zweige und Laubwerk – er ist Symbol des Judentums –, um den sich ein Weinstock – das Symbol der christlichen Kirche – emporwindet. An seinem Fuß liegt eine Axt. Johannes der Täufer aber predigte (Luk. 3, 3 ff.) die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. Den Israeliten, die zu ihm kamen, sich taufen zu lassen, antwortete er: „Sehet zu, tut rechtschaffne Früchte der Buße; und nehmet euch nicht vor, zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; welcher Baum nicht gute Früchte bringet, wird abgehauen und in das Feuer geworfen.“ Denen die ihn für Christus hielten, antwortete er (Luk. 3, 16): „Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber ein Stärkerer nach mir, dem ich nicht genugsam bin, daß ich die Riemen seiner Schuhe auflöse; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen; in desselbigen Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen, und wird den Weizen in seine Scheuer sammeln, und die Spreu wird er mit ewigem Feuer verbrennen.“ Wenn man sich dieser Worte des Johannes erinnert, dann wird man dieser Gruppe auch eine höhere Bedeutung beimessen und man wird die Vergegenwärtigung der Taufe Christi in der allen Bilddarstellungen des Taufbeckens überlegenen vollrunden Gruppenbildung ihre Berechtigung zuerkennen. Nicht, daß Christus sich taufen ließ, „um alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Matth, 3, 15), d. h. weil er einen irdischen Leib erhalten hatte – das wurde schon auf einem der drei Rundfelder gezeigt, – ist das Wesentliche an dieser Gruppe, sondern der Hinweis auf die Wirkung der christlichen Taufe und auf Christus selbst, [104] der die Gläubigen von der Macht der Sünde, die den Tod wirkt, befreit und ihn in der Lebens- und Geistesgemeinschaft mit ihm von der Herrschaft der Sünde und des Todes erlöst und zu einem neuen Leben befreit durch die sühnende Wirkung seines eigenen Todes. Dadurch, daß das Taufwasser über das Bildnis Christi auf den Täufling ausgegossen wird, ist ein Hinweis darauf gegeben, daß mit Aussprechen der Taufformel durch den eigentlichen Taufakt der Täufling auf den Namen Christi getauft wird, d. h. in das Verhältnis der Zugehörigkeit zu Christus eintritt, nach dem Willen seiner christlichen Eltern und Paten, in der er zuzunehmen die Pflicht auferlegt erhält, durch tägliche Reue und Buße, die aus seiner fleischlichen Natur ihn berückende Sünde nicht über sich herrschen zu lassen. Zu dieser täglichen Reue und Buße wird aber der Täufling gestärkt durch den mit der Taufe empfangenen heiligen Geist. So deutet also die Gruppe des Taufgießers darauf hin, daß die Segenswirkung der Taufe jedem Täufling unterschiedslos zuteil wird, der durch den Glauben an Jesum Christum als seinen Erlöser sich durch den Geist Gottes treiben läßt zu sittlicher Erneuerung, zur Überwindung des sündigen Fleisches und zum Leben im Geiste, das ihm die Auferstehung und ewiges Leben verbürgt, „Wer aber nicht glaubet (und so lebt), der wird verdammet werden“. Wenn uns also dabei die Gruppe an die Worte des Johannes erinnert, daß Christus uns mit dem Heiligen Geist und dem Feuer taufen wird, so werden wir damit zugleich an Luthers Erklärung der Wassertaufe zur dritten Frage erinnert, „Wie kann Wasser solche große Dinge tun“: Wasser thut’s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, so mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, so solchem Worte Gottes im Wasser trauet; denn ohne Gottes Wort ist das Wasser schlecht Wasser und keine Taufe; aber mit dem Worte Gottes ist’s eine Taufe, das ist ein gnadenreich Wasser des Lebens und ein Bad der neuen Geburt im Heiligen Geist; wie St. Paulus sagt zu Tito im dritten Kapitel: „Gott macht uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland, auf daß wir durch desselben Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung. Daß ist gewißlich wahr“. Die Buße, die Johannes predigte und durch seine Taufe versinnlichte, als symbolische Reinigung durch das Wasser, war nur ein Ruf zur sittlichen Umkehr und Buße, zum Gehorsam gegen die heiligen Gottesordnungen. Die Taufe auf den Namen Christi, ursprünglich ein dreimaliges Untertauchen, ist [105] nach Paulus nicht mehr bloß Sinnbild der Buße, sondern sie versetzt den Täufling durch Gottes Wort in Verbindung mit Christus mit seinem sündentilgenden Tod durch das Untertauchen und mit der Auferstehung durch das Emporkommen, der Täufling erhält somit durch die Taufe die Anwartschaft auf die Auferstehung. Mit der Wassertaufe verbindet sich jetzt die Vorstellung der Geistestaufe (baptismus flammis). Das Wort Gottes, das, wie Luther sagt, mit und bei dem Wasser ist, vermittelt diese und der Heilige Geist wird durch Handauflegung auf den Täufling übergeleitet. Ist der Täufling durch den Glauben an Jesus Christus als den Erlöser zu der Taufe gelangt, dann ist diese nicht bloß eine Wassertaufe geblieben, sondern sie wirkt als Geistestaufe, Christus wohnt in ihm, Röm. 8,9–10, dann wird er durch dessen Gnade mit innerer Notwendigkeit von dem heiligen Feuer christlichen Lebens erfüllt, dem die Auferstehung zuteil wird. „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ Röm. 8,1–17. Hierfür war aber ein bildlicher Ausdruck nicht zu finden, und darum fehlt er auf den Bildern der Taufschüssel. So mag die bei dem eigentlichen Taufakt als Taufmittel verwendete Gruppe des Gießers hervorgerufen sein, um den Gedanken nahezulegen, daß der Täufling auf Christi Namen und auf seinen Tod getauft werde. Durch diesen aber wird er erfüllt mit Geist und Feuer, auf daß er getrieben werde nicht aus bloßem Pflichtgefühl, sondern durch das lodernde Feuer der Begeisterung, durch innere Notwendigkeit, durch seine Verbindung mit Christus zu täglicher Reue und Buße und zu der Wiedergeburt im Heiligen Geist und ewigem Leben.

Nun war bekanntlich durch die Lehre des Augustinus von der unwiderruflichen Verdammnis der Ungetauften seit dem fünften Jahrhundert, um so früh als möglich den Menschen der Gnade teilhaftig werden zu lassen, die Kindestaufe allgemein geworden und der Glaube der Taufzeugen galt als stellvertretend für den Glauben des unmündigen Kindes. Auch Luther hatte an der Kindestaufe festgehalten, obwohl der Einwand der Wiedertäufer nicht zu widerlegen war, daß Kinder noch ohne Vernunft sind und noch nicht glauben können. Er hatte dafür die Überzeugung gewonnen, der Glaube der Kirche und der Taufzeugen wirkt durch ihre Fürbitte in den Kindern den zur Taufe nötigen Glauben. Später erkannte Luther, daß der Glaube der Täuflinge zur Taufe nicht die Vorbedingung bilde, wenn auch er ihn stets annimmt, sondern an Gottes Wort und Gebot liegt es alles, wie er im großen Katechismus schreibt. Daher war also in der lutherischen Kirche die Kindestaufe beibehalten [106] worden. Die Berechtigung dazu erblickte sie in der Taufeinsetzung durch Christus, Matth. 28, 18 ff., und in dem Evangelium der Kinder, Mark. 10, 13 ff.

So war also für den bildlichen Schmuck der Taufschüssel, den die dem Range nach den drei Schüsselbildern folgenden Bilder der angefügten Hochfelder fortsetzen, zunächst eine Darstellung dieser Kinderszene angebracht. Diese befindet sich auf dem links von dem Mittelfelde am Rande eingefügten Felde. Die Darstellung steht völlig im Einklang mit dem Bericht des Markus.

Die nächste dieser drei Darstellungen ist die Auferstehung Christi. Diese ist gewählt wegen der Zueignung seines Todes an die Täuflinge. So sagt Paulus in seinem Brief an die Römer 6, 3: „Wisset ihr nicht, daß alle, die wir in Jesum Christum getauft sind, die sind in seinen Tod getauft.“ Das (ursprünglich die Taufe bildende) Untertauchen in das Wasser gilt als Kreuzigung und als ein mit Christo Begrabenwerden, das Wiederauftauchen als Lebensgemeinschaft mit dem Auferstandenen. Wie dieser der Sünde gestorben ist, so sind die Täuflinge von der Macht der Sünde erlöst und in einen neuen Lebenszustand versetzt, der sie durch die Gemeinschaft mit Christus befähigt, in einem sittlich neuen von der Macht der Sünde freien Leben zu wandeln, das ihnen die Hoffnung gibt, das unvergängliche Leben des Auferstandenen zu teilen. So wird auch in dem dritten Hochfeld die Auferstehung von den Toten gezeigt und das Jüngste Gericht. Darauf verweist Markus 16, 16, wo Jesus nach seiner Auferstehung sich den Jüngern offenbart und spricht: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden“, weil, wie Paulus an die Römer schreibt, 6, 14, die Gläubigen nicht unter der Sünde stehen, sondern unter der Gnade, welche die Macht der Sünde über sie durch die Taufe auf den Tod Christi gebrochen hat und sie zu einem neuen sittlichen Leben befähigt hat. (Vgl. Holtzmann Hand-Commentar zum N.T., Freiburg i. B., 1892, S. 132.) Unter Hinweis auf jene Verheißung Christi antwortet darum Luther auf die zweite Frage, „Was gibt oder nützet die Taufe?“: „Sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöset vom Tode und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben.“ Die Vorstellung von dem Jüngsten Gericht stand hiermit nicht in direkter Verbindung, sie muß aber dem Künstler als Mittel dienen, die ewige Seligkeit der gläubigen Christen im Bilde vorzustellen.

Alle diese Bilder stehen also mit der Taufe selbst in engem Zusammenhang. [107] Dazu kommt nun noch die bildliche Ausstattung der Ränder der drei Teller, die in ihrer Vereinigung das Taufbecken bilden. Aus dieser werden durch die besondere Umrahmung und durch die mit den größeren Füllungen übereinstimmende Silberfarbe die Mittelschilder jedes Teiles herausgehoben. So haben diese also auch vor den übrigen Randszenen den Vorrang. Das Bild unter dem Mittelfeld enthält eine Szene, die nicht anders als die Heilung des Aussätzigen Syrers Naeman vom Aussatz im Jordan durch den Propheten Elisa gedeutet werden kann, die seine Bekehrung zu dem Gott Israels zur Folge hatte. Die Taufe des Kämmerers aus dem Mohrenland (A. G. 8. 38) kann nicht damit gemeint sein, denn dann müßte der Täufer mit dem Täufling im Wasser stehen. Hier aber steht der Mann allein im Flusse und wendet sich der Gruppe zweier am Ufer stehenden Männer zu, mit dem einen im Gespräch verbunden. Links steht ein Reitpferd mit Knecht, in der Ferne rechts Reisewagen mit Begleitung, so läßt sich also an den Feldhauptmann des Königs von Syrien denken, der im Land Israel von seinem Aussatz Heilung suchte. Wenn auch Elisa bei der siebenmaligen Waschung des Syrers im Jordan, die er ihm anempfohlen hatte, damit er rein würde, nicht zugegen war, so läßt doch die künstlerische Freiheit der Darstellung zu, daß wir bei den beiden vornstehenden Männern an den Propheten Elisa und seinen Knecht Gehasi denken. Der zuerst ungläubige Feldhauptmann, der die Wasser in Damaskus besser denn alle Wasser in Israel hält, ward von seinen Knechten dazu überredet, das geringfügige Gebot zu erfüllen. „Da stieg er ab und taufte sich im Jordan siebenmal… und ward rein.“ Durch diesen Erfolg seiner Waschung im Jordan wird Naeman zu dem Glauben bekehrt, „daß kein Gott ist in allen Landen außer in Israel.“

Man kann also in der Wahl dieses Ereignisses einen Hinweis darauf erblicken, daß, wie die Selbsttaufe des ungläubigen Syrers im Jordan durch ihre Wirkung erst in diesem den Glauben gepflanzt hat, so auch in den Kindern, die noch ohne Glauben zur Taufe gelangen, in magischer Weise der Glaube erwirkt werde. (G. Rietschel, Liturgik, S. 110.) Es kann aber auch die Wahl der Darstellung dadurch begründet gewesen sein, daß die Wirkung der Waschung durch den Jordan erfolgt ist, zu dem ja auch Johannes aus der Wüste kam, um zu taufen. Wenn auch Luther keinen Unterschied machte in dem Wasser, das zur Taufe verwendet wurde, und in der alten Kirche alle Orte, die Wasser darboten, als zur Taufe geeignet angesehen und benutzt wurden, so war doch [108] der Wunsch, im Jordan die Taufe zu empfangen bei vielen rege (Rietschel, Liturgik, S. 41), so bei Konstantin dem Großen. Es wird auch berichtet, daß die sächsischen Kurfürsten von ihren Pilgerfahrten nach Jerusalem Wasser aus dem Jordan nach Hause brachten, um es hier zur Taufe zu verwenden. Will man den Ort des Wunders im Jordan für die Wahl des Bildes nicht als entscheidend ansehen, dann bleibt noch der durch das Bild gegebene Hinweis auf den Ursprung der Taufe durch den heilkräftigen Erfolg von Waschungen in reinem Wasser, die schon im Alten Testamente vielfach vorgeschrieben und auch als symbolische gottesdienstliche Handlungen angewendet wurden, so insbesondere als Sinnbild des Übergangs von heidnischer Unreinheit zu dem heiligen Bundesvolk.

Die Szene auf dem Randfelde links von dem Mittelbild versinnlicht den Taufbefehl Christi, Matth. 28, 19. Der Ort der Handlung liegt hier vor dem Tore einer Stadt, während der auferstandene Jesus die Jünger auf einen Berg in Galiläa beschieden hatte, (nach dem Ev. des Markus 16, 14–16 in einem Zimmer). Noch eine andere Abweichung läßt die Deutung wohl unsicher erscheinen, doch habe ich eine andere Erklärung nicht finden können. Zudem würde es ein Fehler sein, wenn Christi Taufbefehl an dem Becken nicht zur Darstellung gekommen wäre. Bei Matthäus heißt es: „Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen und sprach: ‚Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin, und machet zu Jüngern alle Völker, indem ihr sie taufet auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes; und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Die Haltung und Bewegung der Arme läßt auf eine solche Rede und Aussendung der Apostel schließen. Da steht links auf dem Feld eine Gruppe von Männern in kurzen Überhängen und Kopfhauben, die offenbar darauf warten, daß man zu ihnen komme. An den drei vorderen voll sichtbaren Gestalten bemerkt man, daß sie Klappern in den Händen haben. Wenn die Ausführung deutlich genug sein soll, so erkenne ich an den Männern hohle Augen und Wangen und abgestorbene Nasen. Dann müssen also Aussätzige dargestellt sein, die durch ihre Klappern wegen der damit verbundenen Ansteckungsgefahr das Herantreten Gesunder verhindern sollen, die auffällige Tracht würde aus dem gleichen Umstand zu erklären sein. Auch könnte die Abwendung des bärtigen Apostels neben Christus darauf gedeutet werden, daß der Auftrag zunächst dessen Widerstreben verursacht hat. [109] Es läßt sich aber keine Stelle finden, die zu diesem Vorgang die direkte Unterlage böte. Die Gruppe der Aussätzigen kann also in übertragenem Sinn als eine Gruppe von Heiden, die in Unreinigkeit dahinleben, zu gelten haben. Der Taufbefehl Christi gilt ja für alle Völker, also auch die unreinen Heiden. Die Charakterisierung der Heiden als Unreine kann schon im Anschluß an die vorangegangene Szene des Syrers Naeman gewählt worden sein.

Das dritte der Felder des Randes enthält die Darstellung des reuevoll nach dem Sündenfall zu Gott Vater kommenden ersten Menschenpaares und seine Vertreibung aus dem Paradiese. Das Bild kann in zweierlei Hinsicht mit der Taufe in Zusammenhang gebracht werden. Einmal um zu zeigen, wie die Sünde und der Tod in die Welt gelangten und um auf die Belastung der Menschheit mit der Erbsünde hinzuweisen. Die Auffassung bestand, daß jeder Mensch von Geburt an durch Erbsünde vom Satan besessen sei. Es ging auch in der alten Kirche der Taufe der Exorcismus, die Errettung von der Herrschaft der Sünde voran durch Anblasen von Seiten des Täufers, doch wurde schon von Luther der Exorcismus gekürzt. Die Beschwörung des unreinen Geistes war aber hinreichend begründet durch die Lehre des Paulus, Röm. 7, 14–23, daß der Mensch vermöge seiner fleischlichen Natur wider besseres Wissen und Wollen der Macht der Sünde unterworfen ist, daß nicht der Mensch, sondern die ihn beherrschende Sünde das Subjekt des bösen Tuns ist. Eine Bezugnahme auf den Exorcismus fehlt hier in den bildlichen Szenen. Der Sündenfall von Adam und Eva ist nur als Sinnbild für die sündliche Natur der Menschen, nicht als Zeichen der Erbsünde durch das geschichtliche Faktum des ersten Sündenfalles vorgeführt zu denken. Die Darstellung des Sündenfalls kann auch daran erinnern, wie Röm. 5, 12–21 ausgeführt wird, daß durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod zu allen Menschen, weil alle gesündigt haben. So wird Adam als Gegenbild gegen Christus vorgeführt, der der neuen ihm angegliederten Menschheit durch den Segen der Gerechtigkeit und Gnade das ewige Leben bringt, die Auferstehung der Toten. Die Darstellung kann aber in anderer Hinsicht doch noch eine engere Bezugnahme auf die Taufe haben. Diese scheint mir in der Antwort auf die vierte Frage: „Was bedeutet denn solch Wassertaufen“, für die Wahl dieser Szene zu finden zu sein: „Es bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäufet werden.“ So wird auch im Bilde die Reue von Adam und Eva eindrucksvoll dargestellt.

[110] Standen die seither besprochenen Darstellungen auf den verschiedenen Feldern des Taufbeckens teils in engem, direkten Zusammenhang mit der christlichen Taufe selbst, teils in nahem, vorbildlichem Zusammenhang mit ihr, so sind an den vergoldeten Rändern des Taufbeckens in kleinerem Maßstabe noch Ereignisse des Alten Testamentes dargestellt, die nur symbolisch mit den Wirkungen der Taufe in gedankliche Verbindung gebracht werden können. Zwei von diesen Ereignissen sind schon von Luther in seinem zur Taufe gehörigem Gebet im gleichen Sinne erwähnt: die Sintflut und der Durchzug der Israeliten durch den Jordan. Als drittes derartiges Ereignis ist hier der Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer hinzugefügt.

Der Rand des unter dem Mittelfeld mit der Dreifaltigkeit liegenden Tellers der Darbringung Christi ist belebt mit dem Durchzug der Israeliten durch den Jordan und dem Fall von Jericho. Links von dem Mittelfeld des Randes (mit der Heilung des Syrers Naeman im Jordan) bewegt sich der Zug durch den Jordan von dem steil abfallenden, abgerissenen und erstarrten Flußwasser nach rechts zu. Im Vordergrund stehen, durch höheres Relief hervorgehoben, zwei Krieger oder wohl Josua mit einem Begleiter, der einen Stein auf dem Rücken hat. Der Zug, der durch ganz flaches Relief etwas in die Ferne gerückt wird, ist durch diese Gruppen in zwei Hälften gegliedert, wovon die hintere (links) die von Kriegsleuten begleitete von Leviten getragene Bundeslade sichtbar werden läßt, die vordere (rechts von der Gruppe) den Zug von Frauen enthält, von denen einige Gefäße auf den Köpfen tragen. In diesem Zug bemerken wir einen Haufen Steine, von denen einer aufgehoben wird, wie es Josua geboten war, daß für jeden der zwölf Stämme ein Stein aus dem trockenen Bette des Jordan solle genommen werden, damit er an der Stelle, wo die Bundeslade durch den Fluß getragen worden war, aus den zwölf Steinen solle ein Denkmal errichten zum ewigen Gedächtnis daran, daß „Israel ging trocken durch den Jordan.“ (Josua Kap. 3 u. 4).

Rechts von dem Mittelschild des Randes ist der Untergang von Jericho dargestellt. (Josua Kap. 6.) Wieder bildet eine in höherem Relief dargestellte Gestalt, die wieder als Josua aufzufassen ist, den Repoussoir, so daß die in flachem Relief dargestellte Szene mehr in die Ferne gerückt ist. Josua steht diesmal auf der linken Seite des Feldes neben einem Felsen. Der an ihm vorbeiziehende Zug der Kriegsleute, die nach rechts zu weitergehen, enthält vor ihm die Gruppe der Priester, die die Bundeslade tragen, unter denen die sieben [111] Posaunenbläser. Einige Türme der im Hintergrund über dem Zug ragenden Festung Jericho sind davon schon ins Fallen geraten.

Der Rand des Tellers mit der Beschneidung enthält links von dem Mittelfeld mit der Szene des Taufbefehls den Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer. Wieder wird durch Figuren mit höherem Relief des Vordergrundes der dargestellte Vorgang in die Ferne geschoben, diese Gestalten stehen am Meeresufer. Zwischen zwei Paar stehenden männlichen Gestalten ist eine aus dem Meer zum Ufer heraufkommende Frau mit Kind zur Hälfte sichtbar. Die Gruppe rechts am Uferrand ist als Moses mit Aaron zu deuten, Moses hebt seinen Stab hoch und teilt dadurch das Meer für den Durchzug der Israeliten. (2 Mos. Kap. 14, 1–22). Rechts von dem Mittelfeld sehen wir auf dem Tellerrand die Wogen des Meeres wild zusammenschlagen und in der Ferne die Krieger Ägyptens darin versinken. In der Mitte vorn suchen sich zwei Reiter vergebens aus den Fluten zu retten. (2 Mose Kap. 14, 23–28), diese wieder in höherem Relief dargestellt.

Die Bezugnahme auf die Taufe wird in dem Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer schon von Melanchthon ausgesprochen. (Loci S. 105) „Sicut iter Israelitum per mare rubrum fuit imago afflictionum Ecclesiae et liberationis, ita mersio in Baptismo imago est afflictionum et liberationis.“ In dem 1. Brief Pauli an die Korinther 10, 1–3 sind schon Worte enthalten, die für diese Auffassung den Anhalt boten: „unsere Väter sind alle unter der Wolke gewesen und sind alle durchs Meer gegangen, und sind alle auf Mose getauft mit der Wolke und mit dem Meer.“ In der Fortsetzung dieser Stelle des Briefes konnte ein Hinweis darauf erblickt werden, daß durch die Taufe auf Christus die Gläubigen der Gnade Gottes versichert seien, daß sie von der Sünde nicht überwunden würden: „und haben alle einerlei geistliche Speise gegessen und haben alle einerlei geistlichen Trank getrunken; sie tranken aber von dem geistlichen Fels, der mitfolgte, welcher war Christus. Aber an ihrer Vielen hatte Gott kein Wohlgefallen; denn sie wurden niedergeschlagen in der Wüste. Das ist aber uns zum Vorbilde geschehen, daß wir uns nicht gelüsten lassen des Bösen, gleichwie jene gelüstet hat… Es hat Euch noch keine denn menschliche Versuchung betreten; aber Gott ist getreu, der euch nicht lässet versuchen über euer Vermögen, sondern machet, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß ihr’s könnt ertragen.“ (1. Kor. 10, 3–6. 13).

[112] Der Dritte der Teller, die zu dem Taufbecken zusammengefügt sind, auf dessen Randfeld die Reue von Adam und Eva gezeigt wird, enthält auf dem Rand die Darstellung der Sintflut. Links von dem Randfeld das Wasser der Sintflut, darauf in der Ferne die Arche Noäh, über der aus den Wolken schon die Strahlen der Sonne herniederschießen, während vorn in höherem Relief noch zwei Felsen hervorragen, auf denen sich Menschen und Tiere zu retten suchen. Rechts von dem Randfeld in der Ferne Gruppen von in den Fluten versinkenden Menschen und Tieren und vorn in der Mitte wieder ein Fels, auf dem Menschen und Tiere ihre letzte Zuflucht suchen. Die ganze Darstellung erhält ihre Bezugnahme auf die Taufe durch den 1. Brief des Petrus 3, 18–21: „Sintemalen auch Christus einmal für unsere Sünden gelitten hat, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führete, und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. In demselbigen ist er auch hingegangen, und hat geprediget den Geistern im Gefängnis, die vor Zeiten nicht glaubten, da Gott harrte und Geduld hatte zu den Zeiten Noahs, da man die Arche zurüstete, in welcher wenige, das ist acht Seelen, gerettet wurden durchs Wasser, welches nun auch uns selig macht in der Taufe, die durch jenes bedeutet ist; nicht das Abtun des Unflats am Fleisch, sondern der Bund eines guten Gewissens mit Gott, durch die Auferstehung Jesu Christi...“ (1. Petr. 3. 18–21.) So stellt es auch der Apostel Paulus dar in dem Brief an die Römer Kap. 8. 1–39, deren Inhalt in dem Handcommentar zum N. T. (2. Aufl. S. 143) von Holtzmann wie folgt zusammengefaßt wird: „In denen, welche in der Gemeinschaft Christi stehen, erweist sich der ihnen mitgeteilte Geist Christi als die neue Lebensmacht, durch die sie schon jetzt zur Erfüllung der sittlichen Anforderungen des Gesetzes befähigt, zugleich aber ihres künftigen herrlichen Lebens als Söhne und Erben Gottes vergewissert werden. Die in der Gemeinschaft des Auferstandenen stehen, sind von jeder Verdammlichkeit freigesprochen, weil der Geist Christi sie von der Herrschaft der Sünde und des Todes befreit und zu einem neuen Leben befähigt hat, in welchem sie den Willen Gottes wirklich zu erfüllen vermögen.“ – Diese figurale Ausstattung des Randes der Vorderseite wird wiederholt auf den Randszenen der Rückseite des Beckens, die die gleichen Motive und Kompositionen, doch jedesmal im Gegensinn und in weniger scharfer Treibarbeit, vor Augen fuhren.

Die dekorative Ausstattung der Rahmen aller Bildfelder ist in maßvoller [113] Weise durchgebildet. Das kleinere Mittelfeld wird durch einen reliefierten Früchtekranz herausgehoben, als Umrahmung der drei größeren Rundfelder dient die Hohlkehle der Tellerform mit einem profilierten Innenrand, die Hohlkehle wird durch aufgesetzte Zierstücke leicht belebt. Barockgeschweiftes Rollwerk umrahmt dann die drei Hochfelder, jedes noch flankiert von einem Engelpaar in vollrunder Form auf Festons. Ähnliches Rollwerk haben die drei kleineren Querfelder des Randes, die durch Festons und Köpfe belebt werden. Den stärksten Kontrast dazu bilden die drei Engelpaare um das Mittelfeld in vollrund gegossenen Gestalten, die da, wo die drei Teller einander durchdringen, den Platz freihalten für die Aufstellung der Gießergruppe, die von drei Delphinen getragen wird. Bei allem Reichtum der Form und der Ausstattung ist doch die Taufschüssel von keiner Überladung beunruhigt, alles ist daran wohl bemessen und rhythmisch abgewogen.

Auf der Rückseite der Taufschüssel bilden die drei zu der Gesamtform verbundenen Teller eine gemeinsame vertiefte Zone, auf der drei aus Ranken mit je einem Cherubimskopf gebildete gegossene Füße aufsitzen. Die vertiefte Zone hat, um das kleinere mit Fruchtbündel verzierte Rundfeld der Mitte radial angeordnet, je eine Engelbüste in Ranken und Rollwerk; nur solches barockes Rankenwerk bedeckt in Treibarbeit die drei aus den Ecken vorspringenden Felder und trennt die kleinen figuralen Szenen des Randes in die drei, ebenso wie auf der Vorderseite jedesmal in zwei Hälften gegliederten Darstellungen der Sintflut, des Durchzugs durch das Rote Meer und des Durchgangs über den Jordan.

Der Reichtum und die Mannigfaltigkeit der figuralen Motive des Taufbeckens kann einzeln nicht gewürdigt werden. Die Sicherheit in der Beherrschung aller Bewegungsmotive der Körper ist unübertrefflich, nicht minder die Gewandbehandlung. Wie das alles in malerischem Reliefstil in verschiedener Abstufung von dem stärkeren Hervortreten der Gestalten vorn zu dem geringeren Abheben im Mittelgrund bis zu flachstem Relief in der Ferne behandelt ist, wie überzeugend der Eindruck der Raumtiefe sowohl beim Innenraum, wie der freien Natur erreicht wird, das zeugt von dem höchstentwickelten künstlerischen Vermögen und vollendetem Takt der Erfindung und Ausführung. Doch ist der Künstler dabei unter dem Einfluß der Zeitempfindung, die vor mancher Körperwindung nicht zurückscheut, um die virtuose Überwindung aller Schwierigkeiten in Haltung und Bewegung zum Ausdruck zu bringen. [114] Es tritt dies aber in dem Gesamteindruck nicht störend in Erscheinung. Von ausgesprochenem Manierismus hat sich der Künstler ferngehalten. Das Taufgerät ist ein Werk, das den besten Erzeugnissen klassischer Entwicklungsperioden ebenbürtig angereiht zu werden verdient.

Ein zweites Mal hatte Daniel Kellerthaler eine runde vergoldete Silberschüssel 1618 herzustellen, die auch gelegentlich Taufschüssel genannt wird; sie ist im Besitz der Sophienkirche in Dresden, und es ist wohl anzunehmen, daß die Kurfürstinwitwe Sophie, gest. 1622, die der Kirche ihre besondere Gunst zuwandte, die Schüssel gestiftet hat. Daß sie kirchlichen Zwecken dienen sollte, das läßt schon das getriebene Relief in der Schüssel annehmen. Aus Wolken mit Engeln und Cherubimsköpfen fliegt mit flatterndem Gewandsaum nach links ein Engel, der mit ausgebreiteten Armen ein über seinem Haupt wehendes Schriftband hält mit der Inschrift: Gloria in excelsis deo in terra pax Hominibus bonae voluntatis 1618. Der geringe Durchmesser von 23,5 cm macht es nicht wahrscheinlich, daß dabei an eine Taufschüssel gedacht war. Das Bild hat die gleichen Vorzüge wie das Relief der Anbetung unter der Engelglorie. Es ist überhaupt an den Werken Daniel Kellerthalers, die nach ihren eigenhändigen Datierungen bis zu vierundzwanzig Jahre auseinanderliegen, keine wesentliche stilistische Wandlung wahrnehmbar. Das lehrt im Vergleich mit der großen Taufschüssel das zweite große Hauptwerk des Meisters auf Tafel 50.

Das Rosenwasserbecken von Daniel Kellerthaler von 1629. Es ist eine silbervergoldete Prunkschüssel, im Boden mit der Darstellung des Wettstreits von Apoll und Marsyas vor dem Thron des Königs Midas. Die Wahl der Darstellung ist wohl ein Anzeichen für die am Hof zu Dresden erwachte Pflege der Musik. Die Schüssel sollte nach ihrer herkömmlichen Bezeichnung als Handwaschbecken dienen, wie solche in früheren Jahrhunderten vor und nach der Mahlzeit bei Hofe herumgereicht wurden. Doch ist die Gewohnheit der Anfertigung ähnlich großer Prunkschüsseln damals weit verbreitet gewesen, ohne daß ein bestimmter Zweck ihre Herstellung veranlaßt hätte. Das gleiche gilt ja auch für die Prunkschilde. Eine mit erworbene Prunkkanne auf Tafel 51 läßt daran denken, daß der Herstellung solcher Ziergeräte zum mindesten eine praktische Zweckbestimmung beigelegt wurde. In der Regel dienten solche Werke zur Aufstellung auf sogenannten Tresors bei festlichen Gelegenheiten. Dementsprechend ist die bildliche Ausstattung der Schüssel so [115] angeordnet, daß deren eine Längsseite als die Grundfläche für die Figuren des großen Bildes im Boden gedacht ist. Im Gegensatz zu dieser Orientierung nach einer Haupthandlung ist allerdings die Randfläche mit einem getriebenen Kinderzug geschmückt, der auf allen Seiten nach der Mitte orientiert ist, ebenso die in vollrund gegossenen Figuren am Rand gelagerten Flußgötter, Nymphen und Kinder. Der Beschauer, der alle Einzelheiten genießen will, muß also die Schüssel auf den Tisch stellen und um sie herumgehen. Eine solche Zweispältigkeit wurde indessen bei der herrschenden Vorliebe für die Form einer Schüssel, an der die feinste Blüte des Kunsthandwerks sich entfalten sollte, mit in Kauf genommen.

Unser Rosenwasserbecken zeigt nun wieder das Bestreben des Meisters, eine reicher entwickelte Form zu finden, als die herkömmliche runde oder ovale Schüsselform. Das ist ihm auch gut gelungen, indem er die ovale Grundform in der Längsachse in Kreisbogen erweitert. In den vier Achsenendungen ist der Rahmen durch ein von Voluten umgrenztes Feld erweitert. Diese Ausladung ist von gelagerten Figuren flankiert und hat noch eine Fortsetzung durch eine angesetzte Muschel erhalten, in der je ein Putto sitzt. Die Umfassung der Schüssel ist dadurch und durch angesetzte Masken in den einspringenden Ecken ungleich unruhiger geworden, als bei der Taufschüssel. Es muß dies nicht unbedingt als ein Fortschreiten des barocken Formempfindens aufgefaßt werden, es war schon in dem Bestreben nach reichster Auszierung begründet. Im Vergleich mit diesem plastischen Leben ist der Kinderzug auf der Rahmenfläche mit seinem diskreten Relief noch direkt von Frührenaissancegeist erfüllt. Die Kinderszenen eines Peter Flötner und der deutschen Kleinmeister sind nicht ursprünglicher und natürlicher, als die hier dargestellten. Dieser Kinderzug wird an den vier Achsenendungen unterbrochen, indem hier in den vier Rahmenfeldern in zartestem malerischen Relief von hohem Reiz vier Szenen der gleichen mythologischen Fabel dargestellt sind. Der erhöhte Rahmen ist durch die ornamental ausgestattete Hohlkehle von dem Hauptbild gut losgetrennt.

Der entscheidende Augenblick der Fabel des Wettstreits von Apoll und Marsyas nimmt die ganze Bodenfläche des Beckens ein, wobei die Figuren des Vordergrunds in stärkerem Relief herausgetrieben sind, der im Mittelgrund stehende, die Laute schlagende Apoll aber schon flacher sich abhebt, der dahinter stehende Marsyas und der fast in der Mitte des Feldes thronende Schiedsrichter [116] Midas mit noch anderen Gestalten der Gruppe mehr in den Hintergrund eingebettet sind. Damit ist in virtuosester Weise eine malerisch vertiefte Bildwirkung erzielt, die als höchste Vollendung dieser Zwischengattung zwischen Malerei und Plastik anerkannt werden muß.

Die zu dem Becken gehörige Kanne auf Tafel 51, 1 entfernt sich von diesem Stil doch schon recht stark. Die Kanne ist, ebenso wie der Gießer zu dem Taufbecken, in allen ihren Teilen gegossen, auch sind die vier den Fuß bildenden Bügel, wie die als Schaft dienende Vase mit ihren beiden Tritonenkindern der Arbeit an jenem noch einigermaßen verwandt; Fuß und Schaft, ebenso auch der geschweifte Henkel mit dem darauf gelagerten Faun, sind in ihren Formen nicht ungewöhnlich und haben vieles gemeinsam mit anderen Werken der Spätrenaissance. Aber der Gefäßkörper der Kanne mit seinem ovalen Grundriß und seinem durch eine untere Einziehung etwa birnenförmigen Längs- und Querschnitt ist vollständig mit barockem Geist erfüllt. Die Grundform kann man nur ahnen, nicht sehen; sie ist ganz durchsetzt mit verschiedenem, plastisch gebildeten jagdbaren Getier, das aus dem Körper wild herauszustürmen scheint, am weitesten vorstoßend der als Ausguß gebildete Delphin. Das steht mit den reinen Umrißlinien, die die Renaissance bevorzugte, in schroffstem Gegensatz. Man denke an die Kannen eines Peter Flötner und Elias Geyer im 1. Band auf Tafel 12 u. 30. Eine solche Formenbildung mag bei Stilpuristen Anstoß erregen, doch muß man zugeben, das Wagnis dieser barocken wilden Gestaltung ist geglückt. Es gibt auch in Marmor ähnliche Bildungen, ebenso auch im Kupferstich jener Zeit.

Der obere Teil des Gefäßes ist nicht gewölbt, sondern wagrecht abgeschnitten. Auf einem flachen Deckel sitzt hier eine Muschel mit hochragender Schnecke, auf der sich der mit einem wehenden Tuch nur an Lenden und Schulter umhüllte nackte Midas, an seinen Eselsohren erkennbar, in ungezwungener vorgebeugter Körperhaltung niedergelassen hat. Auch diese bewegte Sitzfigur ist in Gegensatz zu den gestreckten traditionellen Krönungsfiguren von Spätrenaissancepokalen ungleich lebensvoller, ja natürlicher. Auf einer Ranke hinter der Muschelschnecke liegen die Insignien der Königswürde. Wenn nicht diese als König Midas gekennzeichnete Gestalt die Kanne krönte, würde man nicht vermuten können, daß sie als zugehörig zu dem Rosenwasserbecken erfunden sei. Eher als zugehörig zu einer Jagdgarnitur. Nun war ja die Jagd das von deutschen Fürsten jener Zeit das am leidenschaftlichsten ausgeübte [117] geübte sportliche Vergnügen, die Jagd galt geradezu als zu den Tugenden und Pflichten des Herrscherberufs unerläßlich, und Kf. Johann Georg I. war selbst auch ein passionierter Jäger. So kann also die ungewöhnliche Umkleidung des Gefäßkörpers mit jagdbaren Tieren auch nur zur Charakterisierung der Königswürde des Midas gewählt worden sei, zugleich auch als Huldigung an den Besitzer. Das Ganze jedenfalls eine originelle Leistung des Dresdner Meisters.

Eine gewisse formale Verwandtschaft kann man in der Drachenkanne des Christoph Jamnitzer (Tafel 52, 2) erblicken. Das Stück befand sich sicher längst in Dresden, bevor die Midaskanne entstand. Sein Meister lebte in Nürnberg von 1563 bis 1618. Die birnenförmige Kanne mit ihren Schneckenbuckeln unter der Einbuchtung, ihren vier großen glatt scheinenden herzförmigen Buckeln der oberen Zone ist aus der Ageleyform des Spätrenaissancepokals entwickelt, in der ja bekanntlich gotische Form enthalten ist. Hier an der Drachenkanne bemerken wir noch andere gotische Reminiszenzen, der Fuß und der Deckel sind aus dem Vierpaß entwickelt. Das ganze krause Verzierungswerk, das ja den barocken Zeitgeist nicht verleugnet, ist gleichfalls den krausen Verzierungen gotischer Gefäße nachempfunden. Die Kanne mit ihrem prächtigen langhalsigen Drachenkopf als Ausguß und der als Henkel emporgewundenen Schlange, deren Leib sich oben in ein Zwillingspaar spaltet, ist ein Zeichen dafür, daß die reineren Formen der Renaissance ihre Entwicklungsmöglichkeiten in Deutschland erschöpft hatten und daß strebende Meister die Abhängigkeit von jenem fremden Formempfinden aufzugeben sich bemühten, wofür wir ja auch in dem gotisierenden Pokal jener Zeit eine bezeichnende, allgemeiner gewordene parallele Erscheinung besitzen. Das noch von Renaissancemotiven abhängige Ornament hat auch schon lebhaften barocken Schwung, die vier Löwenmasken des Deckels aber mit ihren herabhängenden Mäulern haben schon die weichen Bildungen des Knorpelwerks. Der geflügelte aufwärts blickende Genius der Spitze des Deckels, als Motiv noch Renaissance, aber in Stellung und Haltung auch schon von neuem Leben erfüllt. Die Kanne bekundet das gleiche originelle Stilempfinden, das ihr Meister in seinen durch den Kupferstich verbreiteten Erfindungen zum Ausdruck gebracht hat.

Auf derselben Tafel 52 ist eine bauchige Kanne abgebildet, das Werk eines Augsburger Meisters aus der Familie Grill, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts tätig war. Die Kanne ist also höchstwahrscheinlich später [118] entstanden, als die des Nürnberger Meisters. Sie huldigt noch der Gefäßform einer vorangegangenen Generation, indem für den Gefäßkörper die Eiform gewählt ist. Doch ist hierbei das ursprüngliche Gefühl der Renaissancekünstler für die Ponderation der Formen verlorengegangen, die Vase hat keinen organischen Wuchs. Der kurze glatte gebuckelte Fuß könnte für irgendein anderes Gefäß entstanden sein, an der Berührungsstelle mit dem Gefäßkörper fehlt die federnde Kraft eines Traggliedes. Der Eikörper wächst zwar weiter zu einem in Gegenschwingung ansteigenden Hals und Ausguß, doch ist dieser zu kurz geraten und der von einem Kinderkopf balanzierte Henkel, an sich in doppelter Kurve gut geschwungen, muß einen langen Arm vorstrecken, um die Rückseite des Ausgusses zu erreichen. Das Modell des Henkels scheint wie der Fuß ursprünglich für ein anderes Gefäß bestimmt. So ist auch über die getriebene Szene des Bauches vorn und hinten ein Köpfchen aufgesetzt, das die Szene stört. Diese selbst enthält in getriebenem Relief den Zug von Neptun und Amphitrite, dadurch wird aber die Umrißlinie allenthalben ohne sichtbaren Zusammenhang buckelig. Bei der Vase des Christoph Jamnitzer ist die Verzierung der vier großen herzförmigen Buckel so zart gehalten, daß die Form bestehen bleibt und die gepunzte Verzierung nur etwa als Zeichnung erscheint. Bei der Kanne von D. Kellerthaler streben dagegen die Tiergestalten überall deutlich erkennbar aus der Grundform heraus und wir fühlen die Berechtigung jeder dadurch veranlaßten Veränderung des Umrisses, hier an der Vase des Augsburgers können wir bei dem Gewimmel von Gestalten die Ursache der vielen Verbeulungen der Eiform nicht genügend erkennen und sind unbefriedigt. Vorher waren schon in Italien ähnlich verzierte bauchige Kannen entstanden, die offenbar als Vorbild gedient haben. Der Hersteller der Vase schaltet auch schon im Aufbau mit überkommenen Formen, ohne sie zu organischem Wachstum zu vereinigen.

Wir haben schon bei den beiden Hauptwerken des Daniel Kellerthaler gesehen, wie der Silberschmied schon davon Gebrauch macht, Gefäßkörper, die früher getrieben wurden, durch den Guß herzustellen. Wenn er auch eine ganze große Figurengruppe, die Taufe Christi, gegossen herstellte, so hatte er für solche Werke allerdings u. a. schon bei der Daphne des Wenzel Jamnitzer einen Vorläufer. Kleinere Gefäßteile, wie die Vase oder Figur des Schaftes und des Deckels und allerlei Bügel und Ranken wurden ja schon noch früher in der Werkstatt des Silberschmieds gegossen. Gegenüber der Technik des Gusses [119] im kleinen stellt größere Anforderungen der Guß der bewegten Figurengruppen, die als Fassung einer ovalen Schale aus Chalzedonachat verwendet wurden auf Tafel 51, 2. Im 17. Jahrhundert war die Herstellung von Ziergefäßen aus härteren und wegen ihrer Farbe, ihres Glanzes und ihrer Lichtaufnahme geschätzten Steinsorten von Italien aus in Deutschland weit verbreitet. Größeren künstlerischen Aufwand erhielten zuerst die in Gold gefaßten Steingefäße, wie wir im 3. Band sehen werden. Bei dieser Schalenfassung hat ein Silberschmied von besonderer plastischer Veranlagung die Schale benutzt, um in gegossenen Figuren, völlig abweichend von der herkömmlichen Konstruktion von Ziergefäßen, ein reizvolles Kunstwerk zu gestalten. Die glänzende Politur des in Wellen gemusterten Chalzedonachats weckt die Erinnerung an den Glanz der Oberfläche des Wassers. Es ist auch möglich, daß die Schale zur Aufnahme von Flüssigkeit bestimmt war, vielleicht auch, daß sie als Einsatz zu einer ovalen Handwaschschüssel dienen sollte, ähnlich dem Rosenwasserbecken. Einer dieser Umstände oder beide mögen die Motive des Trägers und der Randverzierung der Schale bestimmt haben. Der getriebene ovale Sockel ist schon mit allerhand Muscheln und Schnecken besetzt, darüber bildet dann die gegossene, barock bewegte Gruppe eines Tritonen neben einem Hippokampen den Träger der gemuschelten Schalenfassung. Ebenso wie hier die Breitseite als Schauseite behandelt ist, so ist auch auf der Breitseite der ovalen Schale hinter dem Schalenrand eine gegossene Gruppe aufgesetzt; auf dem Rand einer flachgewölbten von zwei Delphinen flankierten Muschelschale sitzt Venus und zeigt einem Amor das Gehäus einer Seeschnecke. Die barock bewegte Formenbildung beider Gruppen läßt das unbezeichnet gelassene kleine Kunstwerk in das 17. Jahrhundert ansetzen. Ihr Verfertiger mag sich mehr als Bildschnitzer, denn als Silberschmied betätigt haben. Man könnte ihn wohl unter den Elfenbeinschnitzern zu suchen haben, etwa in Jakob Zeller, der 1620 die große von Neptun getragene Fregatte mit dem Wappen des Kf. Joh. Georg I. und seiner brandenburgischen 2. Gemahlin hergestellt hat. Die Ausführung der Silberarbeit könnte dann Daniel Kellerthaler übernommen haben, falls er nicht doch auch als ihr Urheber zu erachten sein wird.

Eine große ovale Prunkschüssel mit getriebener figuraler Arbeit auf Tafel 53, bei der sicher das ovale über den Boden erhobene Mittelfeld, das nur ornamental ausgestattet ist, als Einsatzfläche für ein Gefäß entstanden [120] ist, wird durch seine Marken als eine Arbeit des Leipziger Silberschmieds Elias Geyer bezeugt. Wir wissen über sein Leben nur, daß er 1589 Meister geworden ist. Er war ein vom Dresdner Hof mit Recht geschätzter und vielbeschäftigter Meister. Auch er zeigt sich in diesem Werk von barockem Formempfinden erfüllt. Die ovale Prunkschüssel will ihre figuralen Darstellungen nur von der einen Breitseite her betrachtet wissen und zwar nicht nur die durch das ovale Mittelfeld unterbrochene Darstellung einer figurenreichen Hirsch- und Eberjagd, sondern auch die in vier Feldern des flachen Randes von Ranken eingefaßten Tierkampfszenen. Doch stehen in nicht allzu auffälligem Gegensatz hierzu die in den vier Achsenendungen auf den Rahmen aufgesetzten zentral orientierten Kinderköpfe, denen wieder die kleineren in den Diagonalen des Randes aufsitzenden des unteren Randes widersprechen. Der figural verzierte Boden der Schale bildet eine zwischen dem erhöhten Mittelteil und dem Rahmen liegende konkav zum Rand ansteigende Zone. Auf eine den Boden abtrennende Hohlkehle ist verzichtet, um so mehr Platz für die figuralen Szenen zu gewinnen. Doch liegt es auch schon in dem ganzen Charakter des von barockem Rollwerk großzügig umspielten Rahmens, eine solche abgetrennte, der Renaissance gemäße, architektonische Gliederung auszuschalten, von der allein das Mittelfeld noch berührt erscheint, doch wohl nur wegen seiner Bestimmung als Gefäßeinsatz. Bei genauerem Zusehen bemerkt man indessen auch hier an den untermischten in Ranken endigenden Fratzen barocke Formelemente.

Die wilde Hetzjagd auf Hirsche, zu der von links und rechts je zwei Reiter heransprengen, während vorn die Hirsche schon von Hatzrüden angefallen sind, gemahnt an Jagdbilder von Rubens oder Snyders. Nach der Tracht der Jäger ist das Werk doch schon um 1610 anzusetzen. Das hohe Relief, in dem diese Szenen gebildet sind, genügt aber dem Meister nicht, um das stürmische Vordringen nach vorn eindringlich zu veranschaulichen. Und so überschreitet er die dem Relief gesetzten Grenzen und er überbietet auch das, was allein mittels der Treibarbeit möglich ist, indem er mit aufgesetzten Teilen den Vorderrumpf je eines der rechts und links heransprengenden Pferde frei aus dem Grund heraustreten läßt, ebenso auch den Kopf eines Hirsches. In dem oberen Teil der Zone wird die Jagd in flacher werdendem Relief in die Tiefe des Waldes fortgesetzt. Dort ist oben ein Eber von den Hatzrüden gestellt worden, Jagdknechte stehen bereit mit ihren Spießen und Reiter sprengen heran, ihm den Fangstoß zu geben. Das ist nun alles je weiter nach hinten in [121] perspektivisch verjüngten Maßen dargestellt und es ist von den herausstürmenden Gestalten unten bis zu den kleineren vom Grund sich abhebenden Figuren oben eine Illusion von vorn und hinten, wie sie dem Maler möglich ist, zu geben versucht und solange erreicht, als man gewillt ist, sich ihr hinzugeben. Bei den vier Tierkämpfen auf dem Rand sind die Gestalten vor eine ferne Landschaft gesetzt. Alles ist in glänzender Technik ausgeführt.

Auf dem von dem Leipziger Meister eingeschlagenen Weg, in Form einer Schüssel ein nur von ovalem Rahmen eingefaßtes Reliefbild aus dem gehöhlten Grund herauszutreiben, geht ein Augsburger Meister etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch einen Schritt weiter. Es scheint, daß die Marke richtig auf Hans Philipp Schweigger gedeutet wird, der 1673 gestorben ist, Tafel 54. Die ovale Schüssel hat einen erhöhten Rand und ein erhöhtes Mittelfeld, Rand und Mittel sind in den Diagonalen durch erhöhte Stege verbunden, so daß vier vertiefte Felder von dem Rahmenwerk umschlossen werden, die wie Durchblicke durch Öffnungen wirken. Der Rand ist nirgends von dem Boden der Schüssel scharfkantig abgesetzt, alles ist in weichen Übergängen gebildet und mit Knorpelornament in Relief verziert, untermischt mit Tierfratzen, die zumeist so orientiert sind, daß ebenso wie bei den getriebenen Figuren in den scheinbaren Durchblicken das Oben und Unten des Ovals gewahrt bleibt. Die vier Figuren sind oben und unten Frauen auf Wolken gelagert, Mittag und Nacht, an den beiden Seitenfeldern schreiten Männer auf Wolken nach links zu, links aus dem Bild heraus, rechts in dieses hinein, Morgen und Abend. Nur das Feld links hat noch im Mittelgrund zwei kleinere sitzende Frauen um eine Erdkugel beschäftigt. Alle Gestalten sind in guten, nicht übertriebenen Verhältnissen entwickelt. Es scheint fast, als habe dem Künstler die Erinnerung an Deckenbilder vorgeschwebt. In der Luft hinter den Wolken sind in hauchzarter Punzenarbeit, wie wir sie u. a. schon von der Drachenkanne des Christoph Jamnitzer kennen, noch Figurenszenen hinzugefügt. Die Form einer Schüssel war dem Künstler nur ein willkommener Vorwand, um daran seine Kunst des Reliefs zeigen zu können.

Ein anderer vielbeschäftigter Augsburger Meister Johann Andreas Thelot, 1654–1734, zeigt mit der von ihm bezeichneten und 1714 datierten getriebenen Prunkschüssel den inzwischen eingetretenen Stilwandel vom Barock zu den klassizistischen Formen, die in der höfischen Kunst besonders in Geltung kamen. Tafel 55. Das zierliche dünne Ornament des Randes bezeichnet man [122] gewöhnlich als spätes Louis XIV., es zeigen sich schon Anfänge des dann dazu kommenden Laub- und Bandelwerks der Régence. Es zeigt sich aber auch anderweitig an der Schüssel die Abkehr vom barocken Überschwang der Formen. Zunächst ist von der ovalen Barockform zu der runden Form der Schüssel wieder zurückgekehrt, wie sie vorher schon zu allen Zeiten üblich und in der Renaissance auch besonders für große Prachtschüsseln beliebt gewesen war. (Vgl. Bd. I, 12). Der Rand wird wieder vom Boden der Schüssel abgegrenzt, hier in steiler Rinne, die daran geschlossene in Zwischenräumen mit wieder radial gestellten acht Masken und einem rundum laufenden Rankenbehang reliefierte wagrechte Randleiste wird nach außen nach zwei glatten Leisten durch einen halbrunden wieder laufend reliefierten Wulstring abgeschlossen. Das ist jetzt wieder wohl abgewogen und formal gemäßigt. Noch bescheidener ist die Umrahmung des runden Mittelfeldes. Dieses ist ja allerdings mit seinem Relief einer ruhenden Venus nach einer Achse disponiert, was der Künstler wohl nicht anders einrichten zu können glaubte. Dagegen ist die ganze breite Zone des Bodens rundum mit einem figurenreichen Relief geschmückt, das radial disponiert ist, so daß also der Außenrand ringsum den Erdboden bildet für die darauf opfernden oder lagernden, musizierenden, tanzenden und trinkenden Gruppen eines Bacchanals. Der Beschauer muß die Schlüssel drehen, um die einzelnen Gruppen genießen zu können. In der Bildung der Körperformen ist der Kanon eines Rubens wieder aufgegeben und der eines Raffael angenommen. So ist die Prunkschüssel ein höchst charakteristisches Zeugnis für den Eintritt eines andersgearteten, gemäßigten und an klassischer Kunst geschulten Formgefühls. Eine Kanne zu der Schüssel ist nicht vorhanden; sie würde ganz die gleichen künstlerischen Grundsätze erkennen lassen.