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gewöhnlich als spätes Louis XIV., es zeigen sich schon Anfänge des dann dazu kommenden Laub- und Bandelwerks der Régence. Es zeigt sich aber auch anderweitig an der Schüssel die Abkehr vom barocken Überschwang der Formen. Zunächst ist von der ovalen Barockform zu der runden Form der Schüssel wieder zurückgekehrt, wie sie vorher schon zu allen Zeiten üblich und in der Renaissance auch besonders für große Prachtschüsseln beliebt gewesen war. (Vgl. Bd. I, 12). Der Rand wird wieder vom Boden der Schüssel abgegrenzt, hier in steiler Rinne, die daran geschlossene in Zwischenräumen mit wieder radial gestellten acht Masken und einem rundum laufenden Rankenbehang reliefierte wagrechte Randleiste wird nach außen nach zwei glatten Leisten durch einen halbrunden wieder laufend reliefierten Wulstring abgeschlossen. Das ist jetzt wieder wohl abgewogen und formal gemäßigt. Noch bescheidener ist die Umrahmung des runden Mittelfeldes. Dieses ist ja allerdings mit seinem Relief einer ruhenden Venus nach einer Achse disponiert, was der Künstler wohl nicht anders einrichten zu können glaubte. Dagegen ist die ganze breite Zone des Bodens rundum mit einem figurenreichen Relief geschmückt, das radial disponiert ist, so daß also der Außenrand ringsum den Erdboden bildet für die darauf opfernden oder lagernden, musizierenden, tanzenden und trinkenden Gruppen eines Bacchanals. Der Beschauer muß die Schlüssel drehen, um die einzelnen Gruppen genießen zu können. In der Bildung der Körperformen ist der Kanon eines Rubens wieder aufgegeben und der eines Raffael angenommen. So ist die Prunkschüssel ein höchst charakteristisches Zeugnis für den Eintritt eines andersgearteten, gemäßigten und an klassischer Kunst geschulten Formgefühls. Eine Kanne zu der Schüssel ist nicht vorhanden; sie würde ganz die gleichen künstlerischen Grundsätze erkennen lassen.

NEUE GEFÄSSFORMEN

Daß um jene Zeit die Form des deutschen Renaissancepokals wieder aufleben könne, dafür bot die andersgeartete höfische Kultur keine günstigen Vorbedingungen. Für die drei um diese Zeit noch hergestellten Pokale im Grünen Gewölbe gibt es nur noch vereinzelte ähnliche Stücke an anderen Orten. Sie bilden auch Ausnahmen unter den Gefäßformen vom Anfang des 18. Jahrhunderts und sie sind auch nicht entstanden, um als Trinkgefäße benutzt zu werden, sondern um von allen Seiten angeschaut zu werden und zwar nicht als Kunstformen von Pokalen, sondern als Träger einer Sammlung