Auf daß sie alle eins seien/Briefe von 1918–1921 (Rektor Hans Lauerer)

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Auf daß sie alle eins seien
Briefe aus dem Feierabend 1921–1928 »
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Briefe aus der Zeit der Zusammenarbeit mit Rektor Lauerer 1918–1921


Aus der Chronik des Mutterhauses


1918 9. 7. Wahl des Pfarrers Lic. Hans Lauerer von Großgründlach zum Rektor der Diakonissenanstalt.
1918 1. 9. Einführung durch Rektor Eichhorn.
1918 Die ersten Hilfsschwesternkurse.
1918 8. 11. Gottesruhe Windsbach wird Filiale.
1918 7./8.11. In München ruft Eisner die Republik aus.
1918 9. 11. Revolution in ganz Deutschland. Kaiser Wilhelm II. dankt ab.
1918 19. 11. Begrüßung der heimgekehrten Kriegsschwestern.
1918 Nov. Die schwere Grippeepidemie rafft neun Schwestern weg.
1919 München wird vom roten Terror schwer heimgesucht und dann durch das Freikorps Epp befreit.
1919 Nach dem Abzug der Deutschen bricht die Bolschewikennot über das Baltikum herein. Die Vorstände des befreundeten Mitauer Mutterhauses, Pastor Wachtsmuth und Oberin Marie Schlieps, werden erschossen. Das Mutterhaus löst sich auf.
1919 24. 5. Die erste Gruppe der Mitauer Schwestern kommt an und wird im Mutterhaus aufgenommen.
1919 19. 7. Die zweite Gruppe kommt. Insgesamt sind 22 Schwestern gekommen.
1919 17. 11. Der Kaufmann Eduard Lauerer wird als Sekretär berufen (ab 1923 Administrator).
1920 Die verfassunggebende Generalsynode tagt in Ansbach.
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1920 24. 8. Das Helene-Linde-Heim in Öttingen wird Filiale.
1921 25. 1. Frau Oberin Therese Stählin erklärt ihren Rücktritt.
1921 24. 2. Wahl der Diakonisse Selma Haffner zur Oberin.
1921 11. 4. Einzug von Frau Oberin Therese ins Feierabendhaus II.
1921 24. 4. Einführung der neuen Oberin.


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Einführung

 Als im Jahre 1918 Rektor Eichhorn aus Gründen des zunehmenden Alters seinen Rücktritt vom Amte erklären mußte, stand das Mutterhaus und seine alte Oberin abermals vor der schweren Aufgabe der Wahl eines neuen Rektors. Aber auch diesmal bewies sich Gottes Treue in der Führung des Werkes. Auf den Ruf der Muttergesellschaft übernahm Pfarrer Lic. Hans Lauerer von Großgründlach mit großer Freudigkeit das Amt des Rektors, „ein Mann voll unermüdlichen Pflichtbewußtseins, ein kluger Organisator, ein Lehrer und Prediger der Rechtfertigung, ein Exeget mit seltener systematischer Kraft“ (Dietzfelbinger). Am 1. September 1918, als schon die Katastrophe des Kriegsendes drohend heraufzog, vollzog sich „mit einer Ruhe, als ob es mitten im Frieden gewesen wäre“, der Wechsel.

 Fast drei Jahre noch, von 1918–1921, hat Therese Stählin, die am 22. Dezember 1919 ihren 80. Geburtstag in bemerkenswerter Frische feiern durfte, den neuen Rektor in seinem Amte begleitet. Ihre Gabe, sich „in den jeweiligen Rektor und seine Eigenart einzufühlen, sich von ihm führen zu lassen und ihn zugleich zu führen“ (Lauerer), bewährte sich auch diesmal.


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Briefe von 1918-1921


Aus ihrem Tagebuch.
1918

 „Am 3. Juli kam Herr Pfarrer Lauerer zur Besprechung (Eichhorn, Stirner, ich). Ich kam tiefbewegt heim zu den Schwestern.

 9. Juli einstimmige Wahl, so schön und harmonisch, wie ich so was noch nicht erlebt.“


An die Schwestern von Soden.
Neuendettelsau, 12. Juli 1918

 Meine lieben Schwestern, noch ein Wort muß ich Euch sagen vor Eurer Ankunft von dem großen Erlebnis der letzten Tage. Ach ja, wir haben Großes erlebt. Es mußten Schauer Seiner heiligen Nähe uns durchbeben, als Er so deutlich, so vernehmlich zu uns sprach: „Ich habe euer Schreien gehört. Hie bin Ich! Hie bin Ich!“ – Am 9. Juli zwischen 10 und 11 Uhr war die große Stunde, da der Akt der Wahl vor sich ging, in wunderbarer Einmütigkeit, weil Gott so deutlich und klar Seinen barmherzigen, gnädigen Willen kund getan hat. Herr Pfarrer Lauerer kommt mit Freuden zu uns, wenn auch Stunden der Angst ihm nicht erspart bleiben.

Eure Therese.


An Herrn Pfarrer Hans Lauerer, Großgründlach.
Neuendettelsau, 13. Juli 1918
 Hochwürdiger, lieber Herr Pfarrer, Ihr werter Brief hat mich sehr erfreut. Ich danke Ihnen dafür. Es ist etwas Eigenes für mich, dem Herrn Pfarrer und Rektor von Neuendettelsau zum ersten Male brieflich zu nahen, mit dem mich dann ein so besonderes Band verbinden soll. Zwar auf lange hinaus werde ich nicht mehr Ihre Mitarbeiterin sein. Sie werden ja derjenige unter den Hirten sein, denen ich mich in so herzlichem Vertrauen angeschlossen habe, der mich begraben wird. Aber zunächst darf ich noch mit Ihnen arbeiten. Als ich zum ersten Male an unsern heimgegangenen Herrn Rektor Bezzel schrieb, glaubte ich sagen zu sollen, ich lade ihn nicht sowohl ein zur Freude an der Gottespflanzung, die hier geworden| ist, als zum Tragen gemeinsamer Lasten. Aber heute möchte ich Ihnen gegenüber doch einen Freudenton anstimmen, und der soll zwischen Ihnen und mir durch Gottes Gnade fortklingen. Es ist die Freude darüber, daß Gott Gebete erhört. Wie Schauer durchbebte es uns, als wir merken durften, Gott selbst ist nahe, greift ein und leitet alles. Diese Antwort aus den ewigen Höhen, die uns Ihr Kommen bringt auf zum Teil ängstliches Rufen, soll bei uns nicht vergessen werden.

 Der Herr segne Ihren Eingang bei uns und lasse Sie an dieser Gemeinde erreichen, was nach Gottes heiligem Willen erreicht werden soll in dieser schweren, ernsten Zeit.

 Ihrer Frau Gemahlin lasse ich mich freundlich empfehlen. Die Schwestern sind sehr erfreut über Ihre Grüße.

 In herzlichem Vertrauen

Ihre ergebene Therese Stählin.


An Herrn Pfarrer Lic. Lauerer, Großgründlach.
Neuendettelsau, 27. Juli 1918

 Hochwürdiger, lieber Herr Rektor, ich danke Ihnen herzlich für Ihren werten Brief und für die gütig gesandten Schriften, die mit Begierde demnächst gelesen werden. Das Schriftchen von der Taufe hat unser rühriger Buchhändler schon aufgelegt. Ich kaufte einige Exemplare, und als ich später noch mehr wollte, war alles schon ausverkauft.

 Ich danke Ihnen auch von Herzen, daß Sie unsern Schwestern in Erlangen Bibelstunde halten. Sie sind hocherfreut darüber.

 Morgen abend wird Herr Rektor Eichhorn zum letztenmal eine Abordnung halten. Zwei Schwestern müssen wir ins Feld schicken nach Denais und nach Jarny.

 Gestern haben wir eine unserer Schwestern begraben. Herr Pfarrer Götz hielt die Parentation und legte das Wort zugrunde: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost etc.“ Diesen Spruch liebte Herr Präsident so besonders. Diese Woche begingen 30 Schwestern ihren Einsegnungstag. Am 25. Juli hat Herr Präsident die letzte Einsegnung gehalten. Da wollen sich etliche von ihnen am Grab treffen.

|  Ich grüße die liebe Frau Pfarrer und lasse der kleinen Elisabeth sagen, es gibt in Dettelsau einen Sandhaufen!

 Mit Freuden sehe ich der Zeit entgegen, da Sie ganz bei uns sein werden. Ich meine, ich müßte Ihnen jetzt schon allerlei mitteilen. Gestern hat unser Bruder Leonhard 12 Fuhren Korn eingefahren. An einer Ähre zählte eine Schwester 86 Körner. Wir sind’s nicht wert, nicht wert, daß Gott so barmherzig ist.

 In treuer Verbundenheit schon im voraus

Ihre Therese Stählin.


An eine Schwester.
Neuendettelsau, 3. Aug. 1918

 Liebe Schwester Frieda! „Denke, was ich Dir sage“, so fing einmal Herr Pfarrer Löhe einen Brief an mich an, als er mich vom Lazarett in Ansbach zum Spitalzug nach Frankreich beorderte. „Denke, was ich Dir sage“, so schreibe ich jetzt an meine liebe Schwester Frieda nach Nürnberg, um sie nach Vohenstrauß zu beordern.

 Was sagst Du dazu? Bist Du bereit? „So weit weg von Muttern!“, sagst Du? Aber die tapfern Helden Deutschlands gehen jetzt noch ganz andere Wege. In Vohenstrauß liegt Herrn Pfarrer so viel dran, daß eine Schwester kommt. Es ist eine schöne Arbeit dort in der Diaspora. Du weißt es ja schon. So sag eben von Herzensgrund: „Ja, ich will“ und noch mehr: „Siehe, ich bin des Herren Magd.“ Alles Nähere erfährst Du dann hier. Gott segne den neuen Lebensabschnitt und lasse Dich an diesem Winkel der Welt etwas ausrichten zu Seiner Ehre.

Mit herzlichem Gruß Deine Therese.


An eine Schwester im Feldlazarett.
Neuendettelsau, August 1918

 Meine liebe Schwester, ich denke so oft an Dich. Du bist recht in der Geduld geübt worden. Aber die Tage des Wartens haben nun bald ein Ende. Wenn dieser Brief in Deine Hände kommt, dann sind’s nur noch wenige Tage, die Dich von der Heimat trennen. Wart nur, wenn ich Dich dann in meine Arme schließe, sag ich Dir das Verslein:

Was langsam schleicht, faßt man gewisser,
Und was verzeucht, wird desto süßer.

|  Gott behüte Dich auf der Reise! Wen wir als Ersatz senden, wissen wir heute noch nicht; es ist jetzt alles so merkwürdig in Dettelsau...

 In herzlicher Liebe grüßt Dich und das ganze Dettelsau in Jarny

Deine Therese.


An eine Schwester.
Neuendettelsau, 28. Aug. 1918

 Meine liebe Schwester, am späten Abend dieses reich bewegten Tages sende ich Dir noch einen innigen Gruß. Reiche Gnade strömte auf uns nieder, aber so, daß wir dabei merken mußten, daß wir noch in einer armen Welt leben voll Sünde und Gefahr. Als alles zum Empfang versammelt war, wurde telephoniert, Herr Rektor Lauerer sei in Heilsbronn nicht angekommen. Ein Defekt an den Schienen hat eine Verzögerung gemacht. Aber um 5 Uhr kamen dann doch alle glücklich an, und es war ein lieblicher, herzlicher Empfang...

Deine Therese.


An Schwester Sophie Toennießen.
Neuendettelsau, 25. Sept. 1918

 Liebe Schwester Sophie, Dank für Deinen Brief und das hübsche Bildchen. Gern lassen wir Dich zum Trost für Deine Schwester den Winter über nach Tübingen ziehen. Und von da kommst Du dann einmal nach Dettelsau. Du mußt ja den neuen Herrn Rektor auch kennen lernen, den uns Gottes wunderbare Güte geschenkt hat. Wir können nicht dankbar genug sein. Du wirst es und die andern alle werden es merken, welch ein Segen uns zugewendet ist. Ach, daß wir nur alle durch Gottes Güte zur Buße geleitet werden!

 Es flutet bei uns das Leben weiter. Herr Rektor Eichhorn ist in Wettringen und fühlt schmerzlich die Leere nach der so reich ausgefüllten Arbeitszeit. Aber er ist ja überzeugt, daß es sein mußte. Der neue Herr Rektor geht heute im Magdalenium herum und reist morgen nach Thalmässing, wo er eine etwas schwierige Sache zu ordnen hat. Ende Oktober wird Herr Rektor wohl seine erste Hauskonferenz halten. In Himmelkron wollen sie mehr Land ankaufen, damit die Industrieschule mehr Gemüse bauen kann.

|  Gott schenke Deiner Seele tiefen Frieden und bereite Dich und uns alle, den Herrn zu empfangen. „Er wird nicht lang verziehen, drum schlafet nicht mehr ein!“
Deine Therese.


An die Schwestern in Kitzingen.
Neuendettelsau, Samstag vor Advent 1818 (30. Nov.)

 „Tröstet, tröstet mein Volk!“

 Mein liebes Kitzingen, wir wollen in dieser harten, schweren Zeit eine recht einmütige Betgemeine werden. Ach, um etlicher Gerechten willen hätte Gott damals Sodom verschont. Wenn in unserm Volk und Vaterland doch noch gottesfürchtige Menschen und Beter sind, so wolle Er an Seine grundlose Barmherzigkeit denken und unser armes Volk noch einmal verschonen und es nach Zeiten tiefster Schmach, wenn es sein kann, noch einmal gnädig ansehen.

 Was wollen wir denn so verwundert sein über die große Trübsal? Sie ist ja geweissagt, aber sie wird ein Ende nehmen, und dann wird Gott abwischen alle Tränen von unseren Augen... Vergeßt über dem Bitten das Danken nicht! Was ist es für ein Wunder Gottes, daß alle Schwestern lebendig aus Frankreich heimgekehrt sind! Und wie wunderbar hat uns Gott gesegnet durch den neuen Herrn Rektor! – Für die entthronten Fürsten betet Ihr doch auch treulich.

Eure Therese.


An Schwester Anna Schneider.
Neuendettelsau, 13. Dez. 1918

 Du liebe Schwester Anna, das wünsche ich Dir auch, daß Du den teuern neuen Herrn Rektor kennen lernst. Wir müssen recht für ihn beten, daß er die große Last tragen kann. Es ist auch so schön, daß der ehemalige Herr Rektor Eichhorn noch unter uns ist und gern an allem teilnimmt. Aber wie sieht es unter uns aus! Wir müssen recht für die vertriebenen Fürsten beten. Ach bete, bete nur recht innig und treulich.

Deine Therese.


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An Schwester Marie Siebenbürger.
Neuendettelsau, 16. Dez. 1918

 Meine liebe Schwester Marie, ich hoffe doch, daß Gott Dich wieder genesen läßt, daß wir doch nicht eine Traurigkeit über die andere haben[1]. Aber wie Er will! Deine Seele ist ewig geborgen durch Jesu Kommen in die Welt, durch Sein Leiden und Sterben. Da Er rief: „Es ist vollbracht“, hat Er auch an Dich gedacht. Tiefer Friede werde Deiner Seele zuteil um Seines heiligen Wortes willen: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Die noch leidende Gemeinde Gottes und die in der Heimat geborgene – sie sind ja eins, Christus ist ihr gemeinsames Haupt.

 Aber wenn Du uns doch erhalten bleiben könntest, liebe Schwester Marie, daß wir nicht gar so verarmen!

Deine Therese.


An die Schwestern in Kitzingen.
Neuendettelsau, 28. Dez. 1918

 Mein liebes Kitzingen, ich grüße Euch alle in treuer Liebe und inniger Verbundenheit, was auch das neue Jahr bringen mag, wir wollen fest bei Jesu stehen und fest und treu zusammenhalten. Das will ich als mein Letztes immer wieder in die Genossenschaft hineinrufen: Seid recht einig!

 Gott segne Euch und uns im Jahre 1919 und lasse uns alle gehorsam Seine Wege gehen.

Eure Therese.


An die Schwestern in Kitzingen.
Neuendettelsau, 4. Jan. 1919

 Meine lieben Schwestern, wie müßt Ihr Geduld haben mit der alten Mutter: schreibt sie Euch einen Brief und vergißt das Danken, das ihr doch ihre Mutter, wie sie noch ein Kind war, beigebracht hat. Ich hatte es nämlich noch gar nicht richtig erfaßt, daß der wunderschöne Kasten mit dem feinen Briefpapier von Euch ist...

 Herr Rektor hat uns an Neujahr so eine teuer werte Ansprache gehalten: Wir wollen die alte Arbeit tun, aber wir| wollen uns verneuen lassen. Wie hat uns Gott aufs neue gesegnet! Wir müssen aber in ernster Fürbitte anhalten, daß der Feind keine Macht an uns finde. Laßt uns, meine lieben Schwestern, ernstlicher als sonst, brünstiger als je das Verlangen in uns tragen und betätigen, daß etwas durch uns geschehen möge zur Ehre Gottes.

 Und nun lebt wohl im Jahr 1919. Der Herr nehme Euch unter den Schatten Seiner Flügel und bewahre uns alle vor Sünde und Unglück. Betet, daß in unserm Volk Führer erstehen, die dem Wirrwarr ein Ende zu machen imstande sind.

Eure Therese.


An die Schwestern im Schulhaus, die durch eine Masernepidemie abgeschlossen waren.
Neuendettelsau, 22. Februar 1919
(Samstag vor Sexagesimä)

 Meine geliebten Schwestern im Schulhaus, es ist schwer, daß wir noch nicht zusammenkommen dürfen. Es wird ja auch wieder werden, und Gott hat Euch und uns einen Segen dabei zugedacht, den wollen wir uns durch nichts verkürzen lassen. In dieser allgemeinen Trübsalszeit dürfen wir ja immer noch von Herzen dankbar sein in unserer Geborgenheit. Gott wird es ja mit jedem einzelnen Kinde wohl machen und auch die Konfirmanden nicht verkürzen. Daß wir die Heimsuchung schwer empfinden, ist ganz recht. Aber tiefer als das Leid soll uns doch Seine unaussprechliche Liebe in unser Herz dringen, die höher ist als der Himmel und tiefer als das Meer, und wenn wir von ihr ein Tröpflein einsaugen und von diesem Lichtesmeer einen kleinen Strahl ins Herz fallen lassen, sind wir glücklich mitten unter Schmerzen und Sorgen. – Ihr werdet morgen Gottesdienst haben und das vierfache Ackerfeld bedenken.

 Schwester Elisabeth Meyer in Himmelkron laßt Eurer ernstlichen Fürbitte befohlen sein. Sie verfällt zusehends. Es ist ein großer Jammer. Gott behüte Euch!

Eure Therese.


An die Schwestern im Schulhaus.
Neuendettelsau, Estomihi 1919
 Meine geliebten Schwestern, laßt mich noch einmal einen herzlichen Gruß senden. Ich hoffe ja, daß wir doch bald wieder| ungehemmt miteinander verkehren können. Dann wollen wir aber auch diesen Verkehr viel dankbarer pflegen.

 Nun beginnt die heilige Passionszeit. Ihr betet mit mir und ich mit Euch um eine gnädige Heimsuchung des heiligen Geistes, daß wir tiefer als in unserem bisherigen Leben in das Geheimnis der Passion eingeführt werden. Ach, wenn wir’s wüßten, was es um das stellvertretende Leiden Jesu ist! Wenn wir’s wüßten, was es um die Unermeßlichkeit Seiner Liebe ist! Gottes Gnade beschere es Euch und mir, daß wir nur einen kleinen Blick tun dürften in den Abgrund Seines Erbarmens!

 Weißt Du noch, liebe Schwester Charlotte, wie wir oben auf der Anhöhe bei Florenz saßen, und das Glockengeläute tönte herauf, und wir lasen das Evangelium vom Sonntag Estomihi?

Eure Therese.


An Schwester Regine Meisinger in München.
Neuendettelsau, 24. Febr. 1919

 Liebe Schwester Regine, ach, wie es Euch geht in dieser Zeit! Herr Rektor ist so in Sorge um unsere Münchener Schwestern. Er hat herzlich für Euch gebetet und gestern abend und noch am Samstag ins Mutterhaus geschickt, daß wir für Euch beten sollen. Er ließ uns das Wort dazu sagen: „Ich weiß, wo du wohnest.“

 Und nun fahre ich nach Himmelkron an Schwester Elisabeth Meyers Sterbebett! O Schwester Regine!

Deine Mutter Therese.


An die Einsegnungsreihe vom 25. Juli 1909.
Neuendettelsau, den 25. Juli 1919

 Meine geliebten Schwestern, heute ist Euer Gedenktag. Er ist auch unser aller Gedenktag. 10 Jahre sind dahingeeilt in Windeseile. Aber der Segen ist Euch, so hoffe ich, geblieben, wie viel, wie viel haben wir erlebt in den 10 Jahren, und wie dankbar sind wir, daß unser lieber seliger Herr Präsident diese letzte Zeit furchtbarer Zerstörung nicht mehr erlebt hat!

|  Heute ist unser lieber Herr Rektor Lauerer in Urlaub gegangen. Möchten ihm gesegnete, stille Tage beschert sein und er an Leib und Seele erquickt werden!

 Ich möchte Euch etliches an Eurem Einsegnungstag sagen, was Euch vielleicht für Euer Heiligungsleben von Nutzen sein kann: Laßt uns doch bei allem der Nähe der Ewigkeit eingedenk sein! Wie stark werden wir durch das viele Sterben unter uns dazu gemahnt, und wie muß dadurch alle falsche Betonung des Irdischen und Vergänglichen schwinden!

 Zum andern möchte ich Euch bitten, doch ja Eure eigentliche Charaktersünde kennen zu lernen. Wer sie nicht ins Auge faßt und nicht gegen sie ankämpft, steht in der Gefahr, daß die sündige Seite sich immer mehr verfestigt. Zuletzt wird sie unbesiegbar, die Mitmenschen fällen dann das Urteil: man muß sie gehen lassen, sie ändert sich nicht mehr – und man flüchtet sich dann in die Anschauung: sie ist abnorm geworden. Das ist etwas Schreckliches.

 Weiter: Achtet recht auf Euer Gebetsleben! Es ist etwas sehr Zartes und Feines um den ungestörten Gebetsverkehr mit Gott. Wenn Ihr etwas erbittet, was nach Gottes Willen ist, dann wartet auch auf die Erhörung Eures Gebetes.

 Gott behüte Euch alle und lasse Euch zunehmen im Glauben, in der Liebe, in der Geduld und Hoffnung!

Eure Therese.


An die Einsegnungsreihe vom 31. Juli 1910.
Neuendettelsau, 19. August 1919

 Meine lieben Schwestern, nun sind schon neun Jahre vergangen seit Eurem großen Tag. Da hielt Herr Rektor Eichhorn seine erste Einsegnung, und nun hat auch schon Herr Rektor Lauerer seine erste Einsegnung gehalten. Mir ist doch oft recht wehmütig ums Herz, weil alles so vergeht. Dennoch habe ich bei diesem Herzweh kein Unglücksgefühl. Könnt Ihr das verstehen, meine lieben Schwestern? Oder ist so etwas nur mit dem Alter verbunden?

 ...Es ist gegenwärtig besonders schwere, harte Zeit für unser Volk und für unsere Kirche. Aber es ist auch große Zeit, und wir sollen nur recht darauf bedacht sein, daß wir sie richtig| durchleben. Sinnt doch darüber nach, was uns not tut, damit diese ungewöhnliche Zeit nicht ohne Segen an uns vorübergeht.

 Wir haben jetzt in unserer Mitte eine ganze Anzahl der schwer heimgesuchten Mitauer Schwestern[2]. Wir dürfen ihnen dienen, und sie dienen wiederum uns. Aber welch eine eindringliche Predigt ist das verstörte Mitauer Haus für uns! Lest nach, was geschrieben steht Luk. 13, 4. 5! So wie es hier der Herr sagt, sollen wir alle Unglücksfälle, von denen wir hören, auffassen. Wir können uns wohl nicht genug in die schauerlichen Erlebnisse dieser unserer Mitschwestern hinein denken. Pastor und Oberin, die geliebten Vorstände, erschossen! Herrn Pastors Leiche ist in diesen Tagen aus dem Massengrab herausgeholt und in Mitau beerdigt worden!

 Noch dürfen wir in Dettelsau in stillem Frieden zur Zeit unser Werk treiben. Laßt uns danken und dankbar durch all die Not hindurch pilgern, bis wir dankend und lobend einmal die Erdenarbeit hinlegen dürfen. Seid alle getrost, in welcher Lage Ihr auch immer sein mögt: Ich danke herzlich für Eure Gabe, die Ihr an Eurem Gedenktag freundlich dem Mutterhaus übergeben habt. Gott segne dieselbe und segne Euch alle!

Eure Therese.


An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 10. Dez. 1919

 Meine liebe Frieda, Du kannst Dir denken, wie viel mich die Frage bewegt, ob ich nicht sagen muß: Ich kann nicht mehr. Laß uns miteinander ganz gehorsame Kinder unseres Herrn werden.

 Herr Rektor ist heute in München. Viele wichtige Fragen bewegen die Männer der Kirche. Es ist schön, daß Stirner und Eichhorn hier wohnen.

 Denke Dir, von Amerika haben sie uns viel Geld geschickt. Noch ehe wir wußten, wie groß unsere Verlegenheit wird, haben sie dort gesammelt für uns. Der wunderbare Gott! Unsere verschiedenen Rechnungsführerinnen riefen nach Geld. Es muß ja auch ganz anders jetzt besoldet werden.

|  Der Bruder von Herrn Rektor, Herr Sekretär Lauerer, ist auch gerade zur rechten Zeit gekommen. Er ist in voller, schöner Tätigkeit. O unser wunderbarer Gott!

 Wenn ich sterbe, soll eine einmütige Schwesternschar sich um die neue fromme Oberin sammeln und nur Eines anstreben: daß Gott geehrt wird und die Menschheit getröstet wird.

 Allen Schwestern, die Du siehst, herzlichen Gruß. Trotz allem ein frohes, gesegnetes Fest!

Deine Therese.


An Schwester Anna Schneider.
Neuendettelsau, 7. Jan. 1920

 Meine liebe Schwester Anna, wie hast Du uns wieder so reichlich beschenkt! Ich möchte sagen: mütterlich sorgt die liebe Schwester Anna für ihr Mutterhaus. Gott vergelte Dir alle Deine Treue! Möchte Deine Gesundheit einen Fortschritt machen dürfen! Gott wird uns ja geben, was uns gut und heilsam ist; Du traust ja Seiner unergründlichen Liebe.

 Unser Herr Rektor ist nun auch in den Ausschuß gewählt, der die Generalsynode vorbereiten soll. Hast Du doch die Rede, die Herr Rektor in Nürnberg gehalten hat, gelesen? Ich lege sie Dir bei. Es ist ein Streit zwischen den Altgläubigen und den Modernen. Bete auch Du, daß alles zu Gottes Ehre hinausgehe...

Deine Therese.


An Schwester Regine Meisinger.
Neuendettelsau, Judika 1920

 Meine liebe Schwester Regine, wir sind, wenn wir es nur recht verstehen, trotz all der schweren Heimsuchung dennoch in einer Segenszeit. Viel Untergeordnetes muß dahinfallen, und wir sollen nur spüren, daß der Heiland Seine durchbohrte Hand nach uns ausstreckt, um uns ganz zu sich zu ziehen. Es ist jetzt eine ganz besondere Zeit, da Gott sich aufgemacht hat, an einzelnen Seelen etwas zu tun.

 Schwester B. geht nun nach München zurück, weil bei uns gesagt wird, man könne später nicht mehr reisen. Schülerinnen und Seminaristinnen reisen jetzt plötzlich ab. Wie es mit der Konfirmation wird, wissen wir noch nicht. Bei uns sind Sorgen um und um. Aber alle Seine Verheißungen stehen fest, und wir alle sollen jetzt unsern Glauben bewähren.

|  Über ein Kleines, und unser Leben ist vorüber. Daß wir nur die Hauptsache davonbringen: um des bittern Leidens Jesu willen vergibt Er uns unsere Sünde und bringt uns zu dem ewigen Erbe, das Er uns erworben hat.
Deine Therese.


An die Einsegnungsschwestern vom 21. Februar 1908.
Neuendettelsau, am Geburtstag unserer seligen Frau Oberin, 5. März 1920

 Meine lieben Schwestern, Ihr habt Euren Einsegnungstag gefeiert, und wir haben hier Euer auch gedacht. Ich danke Euch für Eure Liebesgaben und den schön geschriebenen Spruch: „Ja, ja, ich hab’ im Glauben, mein Heiland, dich geschaut.“ – Möchten wir alle in Wahrheit so singen können, dann braucht es uns um keine unter uns bange zu sein.

 Meine lieben Schwestern, habt Ihr auch schon nachgedacht über das große Geheimnis des menschlichen Willens? Ich rate Euch, wie ich es ja wohl oft schon im Schwesternkreis getan habe, übergebt doch alle Tage recht aufrichtig Euren Willen in Gottes Willen! Gott will unsre Seligkeit. Satan kann das nicht hindern, ob er wohl möchte, aber er ist gerichtet. So ist es also nur der menschliche Wille, der das Verderben herbeiführt. Wie müssen wir uns fürchten vor uns selbst! Aber die starke, allmächtige Jesusliebe will Euch und mich, will uns alle hindurchretten. Sie wird es auch tun.

 Seid froh, daß Ihr noch etwas ausrichten dürft! Etwas werden und etwas tun dürfen zu Gottes Ehre, das soll unser Bitten und Flehen sein. Betet auch treulich, daß auf allen Stationen möchte der Friede regieren dürfen!

 Als Herr Pfarrer Löhe vor Zeiten die „Schlagwörter“ uns einprägte: Armut, Gehorsam, Keuschheit, da fand er es nötig, ein viertes Schlagwort den dreien beizufügen: die Friedfertigkeit; und noch ein wenig später wollte er uns die Schweigsamkeit als fünftes Schlagwort einprägen.

 Nun seht, was Ihr aus diesem Brief verwerten könnt, Ihr lieben „Löhetöchter“, die Ihr eine sonderliche Aufgabe in der Genossenschaft habt um Eures sonderlichen Einsegnungstages willen.

In treuer, herzlicher Liebe Eure Therese.


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An eine Schwester.
Neuendettelsau, 15. April 1920

 Meine liebe Schwester, nicht wahr, was Dir Dein Herr durch diese Erlebnisse sagen lassen will, darauf achtest Du in Demut und Gehorsam. Einmal sagte Herr Pfarrer Löhe, er habe nicht das Glück, einen Beichtvater zu haben, der ihn berät und ihm im Heiligungsleben hilft. „Aber Gott hat mir Feinde gegeben und mir ein Herz, auf sie zu merken.“ Dies Wort ist wichtig.

 Herr Rektor ist die ganze Woche in Ansbach bei den wichtigen Verhandlungen.

 Welch ein Trost ist es für Dich und für mich, dass wir beten dürfen im Namen Jesu!

Deine mütterliche Freundin Therese.


An Schwester Anna Schneider.
Neuendettelsau, 23. Juli 1920

 Meine liebe Schwester Anna, Du hast uns schon so viele Wohltaten erzeigt. Wie freuten wir uns über die ersten Spinatgaben, und nun kamen gar die ersten Kartoffeln, und nun vollends die ersten Pflaumen an. Für alles innigen Dank! Ja, es ist harte, schwere Zeit, aber sie ist durchzogen von viel Freundlichkeit Gottes und der Menschen. Was tut uns alles Amerika! Schon wieder ist eine neue Sendung in Sicht.

 ...Nochmals tausend Dank.

Deine Therese.


An Schwester Regine Meisinger, München, Löhehaus.
Neuendettelsau, 27. Juli 1920

 Liebe Schwester Regine, nach Amerika habe ich vor einiger Zeit wegen Windeln geschrieben. Schwester Regine Waage in Christiania hat Schwester Elisabeth von Oldershausen und der Kinderklinik Windeln geschickt. Wolltest Du sie nicht auch bitten? Sie war ja früher unsere Schwester. Allen Gruß. Gott segne Dich und Dein Haus!

Deine Therese.


An die Einsegnungsreihe vom 31. Juli 1910.
Neuendettelsau, 7. August 1920
 Meine lieben Schwestern, heute vor acht Tagen waren gerade von Eurer Einsegnungsreihe etliche Schwestern beisammen.| Sie überbrachten Blumen und eine Liebesgabe, die Euch Gott reichlich vergelten wolle. Die Schwestern gingen auch zu Herrn Rektor Eichhorn, der auch des Tages gedachte, seiner ersten Einsegnung. Er bewahrt alles in einem guten, treuen Gedächtnis, so daß ich mich oft wundere, wie sein Geist lebendig und rege ist bei sichtbarer Abnahme der leiblichen Kräfte, die freilich wehmütig stimmt.

 Ich hoffe, Ihr betet treulich füreinander, hauptsächlich um das Eine, daß Ihr alle selig werdet und daß Euer Leben zur Ehre Gottes noch verlaufen dürfe, sei es in der Arbeit, sei es im Leiden. Es ist ja mancher unter Euch ein Leidensweg verordnet, aber den hat die ewige Liebe gezeigt, die sich niemals irrt.

 Was ist in den 10 Jahren alles geschehen – an den einzelnen von uns, und was in der großen Welt!! Wir leben, wie Ihr alle wißt, in einer Zeit schwerer Heimsuchung. Wir dürfen schon beten, daß der Herr die Züchtigung mindern wolle, aber noch mehr, daß sie doch an uns erreichen möge, wozu die himmlische Weisheit und Liebe sie verhängen mußte.

 Daß Herr Rektor Eichhorn noch unter uns ist, ist uns viel Trost und Segen. Aber wir haben, wie Ihr alle wißt, große Ursache zum Dank dafür, daß uns ein solch gesegneter Nachfolger durch Gottes Gnade geschenkt worden ist. Wir beten in unsern Kapiteln immer für beide, und Ihr werdet das Gleiche tun. Ich rate Euch, sucht Euch zu Eurem Trost und zu Eurer Freude die Stellen zusammen, die vom Gebet handeln. Sonderlich laßt Euch die Verheißungen, die auf dem Gebet im Namen Jesu ruhen, zu großem Trost, zu großer Freude und zu großem Eifer gereichen. Ich befehle Euch alle, die Kranken und die Gesunden, den barmherzigen Jesushänden. Sie mögen Euch leiten und führen nach Seinem gnädigen Willen – nur daß wir heimkommen und im Buch des Lebens erfunden werden an jenem großen Tage.

Eure Therese.


An die Einsegnungsreihe vom 25. Juli 1909.
Neuendettelsau, 18. August 1920
 Meine lieben Schwestern, ich muß noch einen Gruß schreiben, wenn auch der unvergeßliche 25. Juli längst vorüber ist.| Ich danke Euch herzlich, Ihr habt ja wieder ein Opfer zusammengelegt. Gott vergelte Euch diese Liebe. Wieviel habt Ihr alle seit dem 25. Juli 1909 erlebt! Und alle unsere Erlebnisse haben eine Bedeutung für die Ewigkeit. Wieviel Leid schließt doch das Leben der Einzelnen unter Euch in sich! Glaubt Ihr nicht, daß unser Heiligungsleben und die Stufe in demselben sich besonders zeigt in dem Verhältnis zum Leid? Die Natur schiebt das Leid von sich. Der erneuerte Mensch will das Leid in sich hineinnehmen. Er weiß, daß dies Erdenleben und das Leid miteinander verbunden sind. „In der Welt habt ihr Angst“, spricht unser Herr, und: „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich täglich“.

 Seit gestern tagt die Generalsynode in Ansbach, und unser Herr Rektor, der am Samstag von Polsingen zurückgekehrt ist und am Sonntag gepredigt hat, ist auch dabei. Ich denke nicht anders, als daß Eure betenden Gedanken sich auch mit der hochwichtigen Angelegenheit[3] befassen, die nun in Ansbach und im ganzen Land so viele Geister bewegt. Laßt Euern Gebeten immer die Verheißung zugrunde liegen: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ und: „So ihr etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es geben“ und: „Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“

 Wir haben gestern mit Dank und Freude den letzten Erntewagen eingefahren. Wie geht doch in unserm Leben das Himmlische und das Irdische so ineinander! Wie ragt beständig das Himmlisch-Ewige in unser Leben herein, und wie werden wir erst recht fähig, den irdischen, zeitlichen Beruf richtig zu vollbringen, sei es im Arbeiten, sei es im Leiden, wenn wir Herz und Sinnen auf die himmlische Welt gerichtet haben. Gott segne jede Einzelne von Euch!

In treuer Verbundenheit Eure Therese.


An einen Schwesternkreis.
Neuendettelsau, 26. Aug. 1920
 Meine lieben Schwestern, wir haben hier in diesen letzten Tagen etwas Sonderliches erlebt. Das muß ich in diesem Brief erwähnen, da ich sehr erfüllt davon bin. Vorigen Sonntag –| es war ja der 12. nach Trinitatis, da man das Evangelium liest mit dem Lobpreis: „Er hat alles wohlgemacht“ – wurde Herr Inspektor Steck mit Dank und Freude hier empfangen. Vorgestern abend folgte diesem Empfang noch eine Feier in engerem Kreise, die wohl allen, die daran teilnehmen durften, unvergeßlich sein wird. Nach fast siebenjähriger Abwesenheit saß Herr Inspektor Steck mit dem jungen Herrn Missionar Flierl wirklich lebendig in unsrer Mitte, und sie mußten es fühlen, mit welcher Liebe und Teilnahme, mit wie viel Freude und Dank wir die Heimgekehrten umgaben. Was konnte Herr Inspektor alles erzählen![4] Gedenket treulich der Mission in Neuguinea und aller Missionen!

 Habt Dank für Eure Liebesgabe! Gott behüte Euch!

Eure Therese.


An eine Schwester.
Neuendettelsau, 11. Nov. 1920

 Meine liebe Schwester Marie, Du hast noch keinen Brief von mir! Diesem von meiner Seite unverantwortlichen Versäumnis muß noch am heutigen Tage abgeholfen werden. Aber der heutige Tag eignet sich auch wohl zu einem Brief an Dich. Ist es doch Dein Einsegnungstag. Heut vor fünf Jahren hat Dir Herr Rektor Eichhorn segnend die Hand aufgelegt, und der Segen soll bei Dir bleiben und fortwirken, bis einmal die Kirche Dir den letzten Segen erteilen wird und Du dann als ewig Gesegnete ins himmlische Vaterhaus heimziehen darfst.

 Liebe Schwester Marie, wir empfangen jetzt so besonders starke Mahnungen, daß wir an Tod und Ewigkeit gedenken sollen. In diesen Tagen lagen zugleich drei Leichen im Leichenhaus. Und Ihr im Nürnberger Krankenhaus lebt ja noch mehr immerzu unter Sterbenden. Die Gewohnheit und Häufigkeit sollte uns doch nicht abstumpfen, sondern uns stets eine willkommene Gelegenheit sein, anzukämpfen gegen die irdische Gesinnung und uns auf das, was ewig bleibt, zu besinnen.

|  Mitten hinein in das viele Erdenleid hat uns Gott vorigen Sonntag einen rechten Freuden- und Segenstag beschert. Die letzten drei Probebrüder wurden eingesegnet, und am gleichen Tage wurde ein Jüngling für die Brüderschule angemeldet zum Zeichen, daß doch die Sache nicht aufhören soll. Wir können die Brüder für das Gesamtwerk nicht entbehren. Gerne möchten wir ein fröhliches Aufblühen der Brüdersache neben der Schwesternschaft erleben. Denkt Ihr lieben Schwestern auch daran neben dem Vielen, was Ihr sonst zu beten habt.

 So, jetzt hast Du einen Brief von mir. Und wenn Du wieder einen willst, darfst Du es nur sagen.

In treuer Liebe Deine Therese.


Ein Vermächtnis
Worte von Frau Oberin Therese Stählin bei der Feier ihres Geburtstags am 21. Dezember 1920 um 3 Uhr im Familienzimmer.

 ...„Gott kümmert sich um uns. Er kümmert sich wahrhaftig auch um alle unsere kleinen Dinge. Er vergißt nichts. Das ist etwas Großes und wunderbares. Und was jede erlebt, das ist ihr von Gott gesandt. Es ist unsere große Versuchung gewesen und ist es vielleicht noch, daß wir bei unserm Erleben immer auf die Mittelursachen sehen statt auf den Herrn, der es uns sendet und bei allem Seine heilige Erziehungsabsicht hat.

 Eines und noch eines und dann vielleicht noch eines, das steht mir im Vordergrund meines Herzens. Ich mag noch eine Weile unter euch sein dürfen oder sollen oder bald scheiden dürfen, immer wieder wird mein Sehnen hier oder in der andern Welt nach dem Einen gehen, daß die Gemeinschaft hier eine einmütige, auf den Herrn gerichtete, auf Seine Ehre gerichtete sein möge, die allem den Abschied zu geben bereit wäre – wenn’s auch immer noch unvollkommen geschieht –, was nicht zu Seiner Ehre dient und was nicht die Einigkeit des Geistes fördert. Wie oft haben wir zusammen gebetet: „Auf daß sie alle eins seien...“ Das ist das Abschiedswort des Heilandes, und Er hat sogar – worüber| wir uns hoch wundern müssen – eine solche Einmütigkeit erbeten und also auch erwartet, die so klar und rein und innig ist wie die Einigkeit des Vaters mit dem Sohn. Das wird ja auf Erden nie völlig erreicht werden, aber bitten sollen wir alle darum, und der lautere Wille soll unter uns sein, das innige Gebet: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, das in Wahrheit allem absagt, was dein Gebet aufhält und des Satans Streben fördert.“ Oft suchen wir da und dort die Ursache des Unfriedens, und im letzten Grund ist’s doch der böse Feind, dem wir alle Tage entsagen sollen und wollen, daß er keine Macht an uns finde.
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 Das werden sich ja alle Schwestern, besonders die älteren, schon oft klar gemacht haben: was Gott an dieser Gemeinde getan hat, das ist so unaussprechlich groß und herrlich, so über alle Maßen, daß wir wohl alle miteinander eine dankbare, glückliche Gemeinde sein sollen. Was hat Gott an uns getan, daß er ohne Unterbrechung uns hat treue, fromme, klare Führer gegeben, verschieden in ihrer Gabe, verschieden in ihrer Weise und doch ganz eins und auf einem Grund. Und wir, wir haben alle viel gesündigt, die einen so, die andern so. Wir haben alle Buße zu tun und uns vorzunehmen, daß wir mit größerem Dank, mit größerer Demut, mit größerem Gehorsam all das annehmen wollen, was Gott durch Seine Knechte uns sendet. Was dann mit unserer Gemeinde einmal noch werden wird, – niemand weiß es. Die Schwestern, die sich die Dinge überlegen, werden ja auch sagen: Kann das Werk immerzu wachsen und immerzu schließlich doch den wenigen Persönlichkeiten, die die Führung haben, die fast unerträgliche Last auf die Schultern legen? Aber das wird Gott auch versehen. In früheren Jahren hat man ja oft von einer Teilung gesprochen. Jetzt treten andere Fragen so in den Vordergrund, daß es gar nicht möglich ist, diese Frage, die Ruhe und Besinnung erfordert, zu überlegen. Wir können nur immer und immer wieder alles in Jesu Hände legen, daß Er der König und Herr sein wolle über uns, über die ganze Gemeinde, über jede einzelne Seele. Daß uns jetzt solche Schrecken vor Augen gestellt sind – Mitau und Riga und Petersburg und was sonst noch alles in der Welt vor sich geht –: wir müßten ja blind sein, wenn wir uns nicht| sagten: Ja, das kommt immer näher und näher. Und wenn einer Diakonissin solche Ehre widerfährt, daß sie die erste Märtyrerin in dieser Zeit werden darf (es hat ja auch in alter Zeit wenigstens Märtyrerleiden unter den Diakonissen gegeben), dann müssen wir auch wissen, daß das ganze Leben schon eine Vorbereitung war. Märtyrerin wird man nicht über Nacht; ein solches Ende hat wohl eine lange Vorbereitung. Und wir, wir sollen bereit sein, wenn der Herr über uns Leiden schickt, sie willig auf uns zu nehmen. Jetzt sind wir immer noch, dürfen wir sagen, gut daran. Auch die Entbehrungen und der Verzicht, die uns ja oft um unserer Pfleglinge willen so weh tun, sind doch noch nicht so hoch gestiegen; es kommt immer wieder Wunderhilfe.
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 Ich weiß ja nicht, ob man mich auch darin gern verstehen will, wenn ich jetzt etwas sage, was mir besonders am Herzen liegt und was ich auch als Letztes, ehe ich einmal zu scheiden habe, noch recht nachdrücklich in die Genossenschaft hineinreden möchte. Es ist dieses: Gott wolle doch unserm Haus fromme, rechte Oberschwestern geben. Eine Oberschwester kann für ihre ganze Umgebung Schweres mit sich bringen, ohne daß sie es will, vielleicht ohne daß sie es weiß. Es sollen doch alle Oberschwestern – und ich muß es ja auch tun – recht um offene Augen bitten. Der Ton, den eine leitende Schwester angibt, ist eben für das ganze Haus bestimmend, und wenn darunter viele leiden, das schreit zu Gott und legt sich auf die, die es nicht weiß und nicht will und nicht in der Erleuchtung steht. Ach, laßt uns doch recht beten – jetzt denke ich nicht bloß an die Oberschwestern, denn jede von uns hat Einfluß auf ihre Umgebung –, daß wir doch recht offene Augen haben, daß der Herr uns recht reinigen und läutern wolle, ehe Er uns von hinnen nimmt. Aber sonderlich sage ich noch einmal, daß die Oberschwestern es sich erbitten, Dienerin der andern zu sein und nicht nach ihrer natürlichen Art zu herrschen, sondern im Dienen den andern voranzugehen, wie der Herr Jesus es will. Ach, wenn uns einmal die Augen aufgehen, was wir in diesem Leben gesündigt haben, indem wir Dienerinnen geheißen haben und es nicht gewesen sind! Aber der Herr wird noch an uns allen tun, was Er tun muß, ehe Er uns von dannen holt. Und wir können| nichts Besseres tun, als uns für die Ewigkeit bereiten, indem wir Gott immer näher kennen lernen aus Seinem Wort. Ach, wie ist mir das jetzt oft, wie wenn ich etwas ganz Neues lernte! Wir müssen immer wieder aufs neue lernen aus Seinem Wort; das wird fortgehen von einer Ewigkeit zur andern.

 Jetzt hab ich allerlei gesagt; nehmt es nicht übel, wenn es zu lang geworden ist. Aber eins muß ich doch zum Schluß noch sagen: Weil wir doch alle, alle für die Ewigkeit angelegt sind, so soll doch jede ihre Mitschwester ansehen als einen Gegenstand der Liebe Gottes für alle Ewigkeit. Wenn Jesus unsere Mitschwester liebt, liebt in alle Ewigkeit, so darf sich doch niemand von uns unterstehen, gering oder verächtlich oder gar gehässig von einer Mitschwester zu denken oder gar zu reden. Es ist mir schon wiederholt aufgefallen, daß im Propheten Sacharja zweimal geschrieben steht – und das ist im Alten Testament –: „Denke keiner wider seinen Bruder etwas Arges in seinem Herzen.“ Wie oft haben wir das schon getan! Dafür müssen wir Buße tun, denn es sind ja Gottes geliebte Kinder, die wir uns unterstehen, nicht zu lieben. Und im Neuen Testament gibt der Herr noch größere Befehle und gibt uns die Kraft dazu.

 Ich weiß, ihr betet für mich. Und ich bete für euch, aber lange nicht, wie ich sollte. Ich möchte noch besser für euch alle miteinander beten und für die einzelnen. Und wenn ich wieder in den Gottesdienst darf, will ich ganz anders alles in mich aufnehmen. Es ist uns gut, wenn wir eine Weile entbehren, aber es soll dann mit um so größerer Gewalt das Gotteswort in unsere Seelen dringen und mit größerer Inbrunst unser Gebet vor Gott gebracht werden.

 Gott segne alle eure Mühe in diesen Tagen und stärke euch, daß ihr wohltun könnt, jedes nach dem Maß, das ihm gegeben ist, und daß jede von uns bereit ist, den Weg gehorsam zu gehen, den der Herr sie führt.

 Jetzt sage ich: „Guten Abend alle miteinander!“ Ich bin ja so reich, daß ihr mich so umgebt und daß ich mit euch verbunden sein darf.


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An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 8. Jan. 1921

 Meine liebe Schwester, Du wirst ja mit mir die Zeit immer näher kommen sehen, da für mich der natürliche Abschnitt eintritt...

 Herr Rektor ist gestern von München heimgekehrt. Er war bei der Einsetzung des Kirchenpräsidenten[5]. Herr Rektor ist oft ängstlich auch wegen unserer äußeren Existenz. Aber Gott hilft immer wieder wunderbar...

Deine Therese.


An den Dettelsauer Kranz in Gunzenhausen.
Neuendettelsau, 19. Jan. 1921

 Liebe Freundinnen, Sie haben mir vom 18. Januar einen Gruß geschickt. Den möchte ich nicht unerwidert lassen. Was für eine Predigt war für uns alle der gestrige Tag, der 18. Januar! Es lohnt sich, im Lebenslauf von Mergner den Brief nachzulesen, den seinerzeit unsere Schwester Sara an Mergner schrieb, nachdem sie Augen- und Ohrenzeugin der denkwürdigen Stunde gewesen, da der greise Kaiser in Versailles die Kaiserkrone angenommen hatte. Was schien das für eine Herrlichkeit zu sein! Und nun nach 50 Jahren die Fürsten verjagt, Ordnungen umgestürzt, Willkür und Autoritätslosigkeit zur Herrschaft gelangt!

 Und neben all dem das Große: Die Kirche frei vom Staat, ein Kirchenpräsident an der Spitze unserer Landeskirche, Kreisdekane werden eingesetzt, die voll Liebe und Kraft das Beste für Amt und Gemeinde suchen. Meine lieben Freundinnen, was erleben wir für ein Stück Welt- und Kirchengeschichte! Und was werden Sie noch alles erleben, wenn man uns Alte begraben hat! Nun gilt es für eine jede von Ihnen, alle Kraft einzusetzen, daß in Deutschland, so es möglich ist, noch einmal neues Leben ersteht. Deshalb sind wir auch so darauf bedacht, daß unsere Schwestern der Jugend sich annehmen. Von der weiblichen Bevölkerung namentlich soll es ausgehen, daß Zucht und Sitte wiederkehrt. Und dazu muß eine jede auch von Ihnen helfen. – Lesen Sie auch immer| etwas Gutes und Schönes in Ihrem Kränzchen? Es liegt namentlich für uns Frauenseelen viel daran, was wir uns durch Lektüre zuführen. Aber das alles Beherrschende und Bestimmende soll Gottes Wort sein.

 In herzlicher Verbundenheit Ihre alte Freundin

Therese Stählin.


An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 24. Jan. 1921

 Meine liebe Frieda, es ist schwere Zeit. Aber der Herr wird uns den Glauben stärken, wenn wir ernstlich darum bitten.

 Ihr wißt ja zum Teil, wie es um mich steht. Ihr werdet mir einen friedlichen Abschluß erbitten helfen. Vielleicht darf ich in stiller Verborgenheit dann noch manches tun. Es ist ja alles so natürlich – bei 81 Jahren!

Ich grüße alle Schwestern. Deine Therese.


An Herrn Rektor Lauerer.
Neuendettelsau, am Tage
St. Pauli Bekehrung 1921

 Hochwürdiger Herr Rektor, die zunehmenden Hemmnisse des Alters veranlassen mich, unsern hochwürdigen Herrn Rektor zu bitten, er wolle zu der Zeit, die ihm geeignet scheint, und nach der Weise, die unsrem Hause entspricht, die nötigen Schritte tun, daß das Amt der Oberin den alten, müden Händen abgenommen und in jüngere Hände gelegt werde zum Wohl des Hauses.

 Gott sei Dank für alle Durchhilfe in langen Jahren! Er bedecke mit Seiner unermeßlichen Gnade alle Schuld und Sünde!

Therese Stählin.


An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 8. Febr. 1921
 Meine liebe Frieda, es ist wohl eine herzbewegliche Zeit. Aber sieh, wir müssen durch alles durch. Vorgestern habe ich zum letztenmal die Hauben den Blauen aufgesetzt. Heut war ich zum letztenmal als Oberin in der Konferenz. Ich möchte aber doch noch etwas klarstellen. Ich habe gemeint, ich wollte| keinen Einfluß ausüben, wenn es sich um meine Nachfolgerin handelt, sondern nur alles Gott überlassen. Ich meinte, so hätte ich es auch von meinen Heimgegangenen Vorständen erlauscht. Frau Oberin Rehm hat nichts gesagt von der Zukunft. Herr Pfarrer Löhe hat gesagt: „Ich habe mich zehn Jahre lang bemüht, einen Nachfolger zu erziehen, aber Gott hat mir gezeigt, daß mich das nichts angeht, daß das Seine Sache ist.“

 ...Ich grüße Euch alle.

Deine Therese.


An Schwester Elisabeth von Oldershausen.
Neuendettelsau, 16. Febr. 1921

 Meine liebe Schwester Elisabeth, gestern abend hielt ich Kapitel, zum letztenmal unter den alten Verhältnissen. Ich hatte zum Schluß eine wichtige Mitteilung zu machen: Schwester Auguste Hensolt hatte Herrn Rektor gebeten, ihr zu erlauben, daß sie erklärt, man möge bei der bevorstehenden Wahl von ihrer Person absehen, sie wolle dabei ganz ausgeschaltet sein. Herr Rektor hat nach sorgfältiger Erwägung ihr die Bitte gewährt und mich ermächtigt, diesen Entschluß der Schwester Auguste im Kapitel und auch sonst mitzuteilen. Ich hatte aber dabei zu betonen, daß Schwester Auguste durch keinerlei Beeinflussung zu diesem Entschluß gekommen ist. Die Schwestern wissen alle, daß weder Herr Rektor noch viel weniger ich irgendwie eine Stimme so oder so irgendwie ins Gewicht fallen lassen wollten. Ich habe gebetet, Gott wolle Seinen Willen kund tun, und der soll uns recht sein. Und Herr Rektor könnte sowohl mit Schwester Selma als auch mit Schwester Auguste zusammen arbeiten. Nun kam gestern, auch für mich ganz unerwartet, diese Mitteilung. Wir wollen sie annehmen als ein Stück weiterer Klärung der Frage, und alles soll still und gehorsam Schritt für Schritt auf Gottes Wink und Willen achten.

 Teile das mit, wem Du willst.

 Herr Rektor hat bei dieser Gelegenheit mit großer Hochachtung von Schwester Auguste gesprochen, und wir alle wissen, was unser Haus an ihr und ihren reichen Gaben hat.

Deine Therese.


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Am Karsamstag, 26. März 1921, zu den Ferienschwestern.

 Und jetzt kommen noch ein paar schwere Wochen hier, dann wird es besser werden. Es ist auf den auswärtigen Stationen manche schwere Not, die ich nicht mehr beheben kann; aber noch ein paar Wochen, dann wird es besser werden.

 Jede Schwester, die recht zu ihrem Mutterhaus steht, soll jetzt alles tun, was sie kann, daß der Friede gewahrt bleibt und die Sache so gefördert wird, wie es möglich ist. Daß wir großartiger werden und den persönlichen Kleinkram beiseite setzen und die Sache immer in den Vordergrund stellen, das will ich uns recht erbitten. Und wie es sich schon in diesen Wochen gezeigt hat, so sollen die Schwestern auch künftig recht lauter und geschlossen zu der neuen Oberin stehen; sie übernimmt eine sehr schwere Aufgabe.

 Und wenn ich dann schon halb im Feierabendhaus bin, ist Schwester Käthe Zantner die Vertreterin.


An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 23. April 1921

 Meine liebe Schwester, ich muß Dir heute noch ein Wort schreiben. Jetzt haben sie der neuen Frau Oberin das Versprechen des Gehorsams abgelegt, und Herr Rektor hat den Schwestern dabei manches gesagt.

 Abends 9 Uhr: Jetzt kommen wir von einer Gebetsvereinigung im Blödenbetsaal. Da haben wir allerlei Bitten vor Gott gebracht. Du hörst ja alles genau.

 Es ist eine große Zeit, die wir durchleben. Der Segen davon bleibe bei uns.

 Gott wird mir meinen Feierabend segnen. – Es ist ganz großartig, was jetzt auch äußerlich geleistet werden muß. Es sind ja Hunderte von Schwestern gekommen.

 Es muß jetzt ein großer Dank durch unsere Genossenschaft gehen.

Deine Therese.

 Heut vor hundert Jahren war der Hochzeitstag meiner Eltern.


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Abschiedswort von Frau Oberin-Mutter
April 1921
(Korr.-Bl. 1921, Nr. 4)

 Meine geliebten Schwestern, es haben mir viele von Euch ein gutes Wort zugehen lassen bei dem Abschnitt meines Lebens, vor dem ich stehe. Ich kann nicht den Einzelnen antworten und danken, aber ich möchte auf diesem Wege ein Abschiedswort an Euch richten.

 Es ziemt uns in solcher Zeit und kann gar nicht anders sein: wir denken der Sünde und Schuld, die sich in vergangenen Jahren angehäuft hat; ich voran habe diese Gedanken zu bewegen; aber ich weiß mich mit Euch eins, wenn ich sage: wir gedenken gemeinsam unserer Sünde und Verfehlung. Aber wir kommen von Karfreitag und Ostern her, wir hören das Wort: „Es ist vollbracht!“, wir vernehmen den Friedensgruß am Osterabend und wie der Herr Seinen Jüngern Macht gegeben hat, auf Erden Sünde zu vergeben. So können wir getrost weiterpilgern, eine jede auf dem Weg, den ihr der Herr angewiesen hat. Wo Vergebung der Sünden, da ist Leben und Seligkeit.

 Als ich vor 38 Jahren als Oberin eingeführt wurde, da machte ich bald der Schwesternschaft den Vorschlag, wir wollten bei unseren Kapitelsversammlungen immer die drei Sprüche beten: Joh. 17, 21, Offenb. 21, 5 und 1. Joh. 1, 7. Es war damals schwere Zeit, wie denn in der Dettelsauer Geschichte kaum leichte Zeiten zu verzeichnen sind. Doch hat es auch nie an Trost und Hilfe gemangelt. Die Wahl der Sprüche ging aus viel Leid und Schmerz hervor. Nun möchte ich zum Schluß meiner Berufsarbeit noch einmal etwas darüber sagen. Anfang und Ende mögen sich dabei zusammenschließen, und Gottes barmherziges Urteil möge von ein wenig Frucht all der Gebete, die mit dieser Übung verbunden waren, sagen dürfen.

 Was der Herr im hohenpriesterlichen Gebet für die Seinen erbetet hat, das ist die Einigkeit, eine Einigkeit, wie sie zwischen dem Vater und dem Sohne besteht. Dieses Ziel wird erreicht werden, denn der Herr bringt kein vergebliches Gebet| vor Seinen Vater. Nun leben wir noch in der Welt, in der Satan Tag und Nacht darauf ausgeht, Uneinigkeit, Zwietracht, Dissonanz anzurichten. An uns alle ergeht die Frage: Stehst du mit deinem ganzen Wandel und Wesen in Gedanken, Worten und Werken auf Seiten des Heilandes mit Seinem Gebet oder auf Seiten des Feindes? Darin liegt ein Hauptstück unseres Kampfes. Wohl allen unter uns, die diesen Kampf siegreich kämpfen.

 Der zweite Spruch stellt uns an das Ziel der Wege Gottes. Es leuchtet verheißungsvoll und trostreich herein in diese Welt von Sünde und Leid und stellt uns große Freude in gewisse Aussicht. Aber das Wort: „Siehe, ich mache alles neu“ schließt auch die Mahnung ein, daß wir in beständiger Erneuerung unser selbst leben müssen (Eph. 4, 23), wenn auch wir teilhaben wollen an der großen Verneuerung, die Offenbarung 21, 1–5 verheißen ist.

 Und unser dritter Spruch (1. Joh. 1, 7) stellt den Wandel im Licht als Bedingung dar, wenn es zu einer wahrhaftigen Gemeinschaft unter Gottes Kindern kommen soll. Es möge nur auch unter uns alles ans Licht kommen, was die wahre Gemeinschaft hemmt und hindert, auch wenn die Enthüllung noch so schmerzlich sein sollte.

 Zu diesem möchte ich noch ein letztes Wort anfügen über das, was ich als Ziel meiner Sehnsucht für meine geliebten Schwestern im Herzen trage. Dies Ziel heißt: wir müssen allezeit alles, was immer uns widerfährt, aus Jesu Händen nehmen. Das scheint gar nicht schwer, sondern sehr einfach zu sein. Aber viele stoßen sich daran, daß doch Vermittlungen vorhanden sind, menschliche Sünde und Schwachheit, die das Auge trüb machen möchte, die Hände Jesu, das Herz Jesu, die Liebe Jesu zu sehen, die hinter all unseren Erlebnissen steht. „An den durchbohrten Händen Jesu von Nazareth liegen die Zügel der Weltregierung.“ Das war ein oft gehörter Ausspruch von Herrn Pfarrer Löhe. Und der die ganze Welt regiert, regiert auch Dein und mein kleines Leben, und es ist Unglaube und sündiges Mißtrauen gegen Ihn, wenn wir unsere arme Seele an Mittelursachen haften lassen, anstatt auf unseren barmherzigen König allein zu sehen. Er steht zu Seinem Wort, und Er hat es gesagt, daß Er auch auf das Kleine| und Kleinste in unserem Leben acht hat. Darüber laßt uns froh sein.

 Mein Abschied ist ja eigentlich kein Abschied. Die Bande, die uns für die Ewigkeit verbinden, sind stärker als das Band, das Oberin und Schwesternschaft eint. Dieses kann gelöst und durch die Verhältnisse geändert werden, die andern bleiben hoffentlich bestehen für Zeit und Ewigkeit.

 Gott segne meine liebe Nachfolgerin und Euch alle durch sie. Ihr werdet erkennen, wie viel schwere Fragen für die Diakonissensache in der Gegenwart auftauchen. Um so inniger und treuer werdet Ihr Euch um Frau Oberin Selma Haffner scharen, sie stützen und stärken, soviel Ihr immer könnt, daß all der Segen, der durch treue, gottbegnadete Führer vom 9. Mai 1854 an bis auf gegenwärtige Stunde diesem Hause eingestiftet worden ist, nicht aufgehalten, sondern gemehrt werde, bis der Herr kommt.

 Am Sonntag Misericordias Domini 1921.

Therese Stählin.


Die Kapitelsprüche

 Auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; daß auch sie in uns eins seien, auf daß die Welt glaube, du habest mich gesandt.

(Joh. 17, 21.)

 Siehe, ich mache alles neu.

(Offenb. 21, 5.)

 So wir im Lichte wandeln, wie er im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.

(1. Joh. 1, 7.)



  1. Die schwere Grippeepidemie forderte damals auch in der Schwesternschaft viele Opfer. Siehe Korr.-Bl. 1918, Nr. 11
  2. Korr.-Bl. 1919, Nr. 8.
  3. Korr.-Bl. 1921, Nr. 1.
  4. Missionsinspektor Steck war auf einer Inspektionsreise in Neuguinea, als der erste Weltkrieg ausbrach. Er wurde mit Missionar Wilhelm Flierl gefangen genommen und bis 1920 in Australien in Haft behalten. Nach ihrer Freilassung wurde ihnen zwar die Heimreise, aber nicht die Rückkehr aufs Missionsfeld erlaubt. Sie kamen am 22. Aug. 1920 in Neuendettelsau an.
  5. Korr.-Bl. 1921, S. 4.


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