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sagten: Ja, das kommt immer näher und näher. Und wenn einer Diakonissin solche Ehre widerfährt, daß sie die erste Märtyrerin in dieser Zeit werden darf (es hat ja auch in alter Zeit wenigstens Märtyrerleiden unter den Diakonissen gegeben), dann müssen wir auch wissen, daß das ganze Leben schon eine Vorbereitung war. Märtyrerin wird man nicht über Nacht; ein solches Ende hat wohl eine lange Vorbereitung. Und wir, wir sollen bereit sein, wenn der Herr über uns Leiden schickt, sie willig auf uns zu nehmen. Jetzt sind wir immer noch, dürfen wir sagen, gut daran. Auch die Entbehrungen und der Verzicht, die uns ja oft um unserer Pfleglinge willen so weh tun, sind doch noch nicht so hoch gestiegen; es kommt immer wieder Wunderhilfe.

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 Ich weiß ja nicht, ob man mich auch darin gern verstehen will, wenn ich jetzt etwas sage, was mir besonders am Herzen liegt und was ich auch als Letztes, ehe ich einmal zu scheiden habe, noch recht nachdrücklich in die Genossenschaft hineinreden möchte. Es ist dieses: Gott wolle doch unserm Haus fromme, rechte Oberschwestern geben. Eine Oberschwester kann für ihre ganze Umgebung Schweres mit sich bringen, ohne daß sie es will, vielleicht ohne daß sie es weiß. Es sollen doch alle Oberschwestern – und ich muß es ja auch tun – recht um offene Augen bitten. Der Ton, den eine leitende Schwester angibt, ist eben für das ganze Haus bestimmend, und wenn darunter viele leiden, das schreit zu Gott und legt sich auf die, die es nicht weiß und nicht will und nicht in der Erleuchtung steht. Ach, laßt uns doch recht beten – jetzt denke ich nicht bloß an die Oberschwestern, denn jede von uns hat Einfluß auf ihre Umgebung –, daß wir doch recht offene Augen haben, daß der Herr uns recht reinigen und läutern wolle, ehe Er uns von hinnen nimmt. Aber sonderlich sage ich noch einmal, daß die Oberschwestern es sich erbitten, Dienerin der andern zu sein und nicht nach ihrer natürlichen Art zu herrschen, sondern im Dienen den andern voranzugehen, wie der Herr Jesus es will. Ach, wenn uns einmal die Augen aufgehen, was wir in diesem Leben gesündigt haben, indem wir Dienerinnen geheißen haben und es nicht gewesen sind! Aber der Herr wird noch an uns allen tun, was Er tun muß, ehe Er uns von dannen holt. Und wir können

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/248&oldid=- (Version vom 24.10.2016)