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An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 8. Jan. 1921

 Meine liebe Schwester, Du wirst ja mit mir die Zeit immer näher kommen sehen, da für mich der natürliche Abschnitt eintritt...

 Herr Rektor ist gestern von München heimgekehrt. Er war bei der Einsetzung des Kirchenpräsidenten[1]. Herr Rektor ist oft ängstlich auch wegen unserer äußeren Existenz. Aber Gott hilft immer wieder wunderbar...

Deine Therese.


An den Dettelsauer Kranz in Gunzenhausen.
Neuendettelsau, 19. Jan. 1921

 Liebe Freundinnen, Sie haben mir vom 18. Januar einen Gruß geschickt. Den möchte ich nicht unerwidert lassen. Was für eine Predigt war für uns alle der gestrige Tag, der 18. Januar! Es lohnt sich, im Lebenslauf von Mergner den Brief nachzulesen, den seinerzeit unsere Schwester Sara an Mergner schrieb, nachdem sie Augen- und Ohrenzeugin der denkwürdigen Stunde gewesen, da der greise Kaiser in Versailles die Kaiserkrone angenommen hatte. Was schien das für eine Herrlichkeit zu sein! Und nun nach 50 Jahren die Fürsten verjagt, Ordnungen umgestürzt, Willkür und Autoritätslosigkeit zur Herrschaft gelangt!

 Und neben all dem das Große: Die Kirche frei vom Staat, ein Kirchenpräsident an der Spitze unserer Landeskirche, Kreisdekane werden eingesetzt, die voll Liebe und Kraft das Beste für Amt und Gemeinde suchen. Meine lieben Freundinnen, was erleben wir für ein Stück Welt- und Kirchengeschichte! Und was werden Sie noch alles erleben, wenn man uns Alte begraben hat! Nun gilt es für eine jede von Ihnen, alle Kraft einzusetzen, daß in Deutschland, so es möglich ist, noch einmal neues Leben ersteht. Deshalb sind wir auch so darauf bedacht, daß unsere Schwestern der Jugend sich annehmen. Von der weiblichen Bevölkerung namentlich soll es ausgehen, daß Zucht und Sitte wiederkehrt. Und dazu muß eine jede auch von Ihnen helfen. – Lesen Sie auch immer


  1. Korr.-Bl. 1921, S. 4.
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/250&oldid=- (Version vom 24.10.2016)