Auf daß sie alle eins seien/Briefe aus dem Feierabend 1921–1928

« Briefe von 1918–1921 (Rektor Hans Lauerer) Therese Stählin
Auf daß sie alle eins seien
Nachwort: Heimgang und Gedächtnis »
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Briefe aus dem Feierabend 1921–1928


Aus der Chronik des Mutterhauses


1921 31. 7. Westheim wird Filiale.
1922 1. 5. Die Nürnberger Mädchen-Mittelschule wird in den von der Kirche erworbenen Veilhof verlegt.
1922 5. 10. Eröffnung des Predigerseminars im Veilhof. Das Mutterhaus übernimmmt die Wirtschaftsführung.
1923 8. 2. Das Altersheim Lützelbuch wird als Filiale übernommen.
1923 14./17.8. Kaiserswerther Generalkonferenz in Neuendettelsau.
1927 2. 2. Einweihung des Schwesternhauses.
1928 23. 4. Heimgang von Frau Oberin-Mutter.
25. 4. Beerdigung.


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Einführung

 Die schweren Jahre, die auf das Kriegsende folgten, die Erniedrigung Deutschlands, die Revolution, die Inflation, der wirtschaftliche Niedergang konnten an einem so großen Werke, das mitten in Volk und Kirche steht, nicht spurlos vorübergehen. Sie zehrten die Kräfte der Oberin auf, die sich je länger je mehr nach dem Feierabend sehnte. Sie legte am 24. April 1921 ihr Amt in die Hände ihrer Nachfolgerin und zog sich in den Feierabend zurück.

 In steter innerer Verbundenheit mit dem geliebten Werke, mit seinen Vorständen und Schwestern, in lebendiger Anteilnahme am gottesdienstlichen Leben der Anstaltsgemeinde lebte sie in großer Stille im Feierabendhaus II, bis sie am 23. April 1928 im Frieden in die ewige Heimat eingehen durfte, nach der ihr Sehnen stand.


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Briefe und Berichte 1921-1928


Aus ihrem Tagebuch.
15. Juni 1921

 Nun ist alles vorüber! Selma Haffner ist am Sonntag Cantate Oberin geworden. Ich bin am 11. April ins Feierabendhaus gezogen. Viel Liebe und Güte begleiteten mich. Du, mein Herr, hast alles wohl gemacht. Nun helfe ich noch, soviel ich kann und darf. Herr, laß mich noch etwas werden und tun zu Deiner Ehre!


Aus ihrem Tagebuch vom Jahr 1921. (Als in der Gemeinde zu Westheim eine Gemeindeschwester eingeführt worden war.)

 Es war mir eine besondere Freude, der Feier beiwohnen zu dürfen, und eine von meinen letzten Reisen, die ich unternehmen konnte. – Der Schreiberin dieses liegt aus begreiflichen persönlichen Gründen eine enge Verbindung mit Westheim sehr am Herzen. In Westheim ist unsere zahlreiche große Familie herangewachsen, und alle ihre Glieder haben der einstigen Heimat ihr Leben lang eine tiefe, treue Liebe bewahrt. Dort haben unsere Eltern unter viel Sorge und Mühe und Not ihre Kinder erzogen und sie hinausgehen lassen, daß sie etwas werden sollten zum Dienst der Kirche und der Menschheit. Es waren sieben Söhne, die alle studierten oder auf dem Weg dazu waren, bis auf einen, der Kaufmann wurde. Der jüngste von ihnen ist auf denkbar geradlinigstem Wege von der Erde zum Himmel gewandert. Gott hat ihn auf dem Weg zum irdischen Vaterhaus – er war völlig gesund und kein äußerer Anlaß konnte erkannt werden – von der Welt genommen. Bei Obermichelbach steht ein einfaches Kreuz auf dem Felde mit dem Spruch: „Seine Seele gefiel Gott wohl, darum eilte Er mit ihm aus diesem Leben.“

 Unser Vater gehörte noch der rationalistischen Zeit an. Aber die Brüder brachten neues Leben in die Familie.

 Die Schreiberin dieser Zeilen ist das letzte in Westheim geborene Kind. Unsere jüngste Schwester ist in Weiltingen geboren. Wir sind die einzig Übriggebliebenen von 14 Geschwistern, und es wäre uns eine letzte Lebensfreude, wenn für Westheim ein bleibender Segen erstehen dürfte durch Gründung eines Dettelsauer Filials.


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An Schwester Frieda von Soden zu einem Treffen der früheren Kitzinger Haushaltungsschülerinnen.
Neuendettelsau, 6. Sonntag nach Trin. 1921

 Meine liebe Schwester Frieda, nun naht Euer großer Festtag. Ich bitte Gott, daß Er ihn gnädig segnen wolle. Diesen Drang zur Vereinigung, der jetzt so viele Kreise durchzieht, – dürfen wir ihn als etwas von Gott Gewirktes ansehen? Ich möchte es wohl. Doch müssen wir in den einzelnen Fällen forschen, was Grund und Ziel der betreffenden Vereinigung ist. In früheren Zeiten hat man in Dettelsau oft gesagt: Jeder Mensch muß eine glühende Kohle haben, an der er sich erwärmen und neu entzünden kann, wenn er zu erkalten oder wenn sein Feuer zu erlöschen droht. Liegt Eurer Vereinigung ein solches Verlangen zugrunde: Wir wollen durch unsere Gemeinschaft einander helfen, daß das Feuer der „ersten Liebe“ nicht erlösche, daß es neu angefacht und immerzu gemehrt werde? Ich möchte zu dem Festtag auch einen Gruß senden und der Bibliothek der Kitzinger Industrieschule ein kleines Geschenk machen, nämlich Löhes Büchlein „Von der weiblichen Einfalt“. Nehmt, Ihr lieben jungen Freundinnen, das Büchlein gern an, sucht es im Lauf des Lebens einmal mit Bedacht zu lesen. Aber mehr noch: sucht zu erkennen, was es um die weibliche Einfalt ist, und wenn Ihr erkannt habt, daß diese Tugend es wert ist, dann strebt ihr nach, dann jagt ihr nach wie nach einem köstlichen Kleinod, das imstande ist, Euer Leben zu ordnen, zu regieren, nach allen Richtungen hin zu bestimmen.

 Das Büchlein hat einen Anhang, der einen Unterricht gibt „vom Schicklichen und Schönen“. Ich erinnere mich noch wohl, wie uns Herr Pfarrer Löhe einen Unterricht vom Schicklichen und Schönen einmal mündlich gegeben hat. Laßt sein Wort auch an Euch herankommen, Ihr Trägerinnen der Zukunft. Achtet Euch für berufen, auch an Eurem Teile dazu zu helfen, daß unser armes, geknechtetes, verstörtes Volk wieder aufleben dürfe. „Bei der Jugend geht die Reformation an“, lautet ein bekanntes Wort, und ich möchte hinzufügen: der Charakter, die Haltung, der Ton einer Gemeinde wird bestimmt durch die weibliche Jugend. Also, Ihr Jungfrauen, die Ihr wohl in großer Zahl übermorgen zusammengeströmt| seid, erkennt es für Euren Beruf, für Eure edle Aufgabe, der Ihr Euch mit Begeisterung hingebt, Hüterinnen und Wächterinnen deutscher Zucht und Sitte zu werden. Fangt nur mit Ernst im Kleinen an und überlegt miteinander, wie Ihr wieder fromme Gewöhnung herbeiführen könnt. Ihr seid ja auch, wenn Ihr wollt, eine Macht im Land, und Ihr sollt eine Macht des Guten werden.
Mit herzlichen Grüßen an alle Eure Therese Stählin.


An zwei Schwestern, die in einer Frauenklinik arbeiten.
Neuendettelsau, 6. Juli 1921

 Meine lieben Schwestern, so lange bin ich nun schon auf der Welt, so lange verkehre ich auch schon mit Nürnberg und habe noch nie etwas vom „Kerzendreier“ gehört. Was hat es damit eigentlich für eine Bewandtnis? Ich danke halt recht schön für diese „Erleuchtung“. Das Geld habe ich in den Gotteskasten getan und mit dem andern wieder jemand erfreut.

 Ob es Euch gut geht in aller Eurer Arbeit? Ich mache jetzt auch meine besonderen Studien im Feierabendhaus. Das könnt Ihr Euch denken. Etwas von meinen Meditationen kann ich Euch auch verraten, und Ihr könnt sehen, ob Ihr etwas davon auch einmal brauchen und verwerten könnt. Erstlich drängt sich so beim Abschluß des Lebens der allerdings ganz landläufige Gedanke auf: Wie schnell sind doch die Jahre entflohen! Wie lang ist’s her, da hab ich im Weiltinger Pfarrgarten und Hof gespielt und meine kindlichen Gedanken gehabt! Wie gar schnell ist das Diakonissenleben dahingerauscht! War es denn ein Diakonissenleben? Wie ganz anders müßte man es gelebt haben!

 Und nun – in welch eine wunderliche Zeit fällt der Abschluß meines Lebens! Ich denke so: Wer jetzt nicht unterscheiden lernt, was im Leben das Veränderliche und was das Bleibende ist, wer sich jetzt nicht löst von dem wechselvollen und sich mit seinem innersten Wesen nicht richtet zu dem Bleibenden, dem ist nicht zu raten und zu helfen.

 Ich grüße Euch alle herzlich.

 Nochmals dankend für den geheimnisvollen Kerzendreier

Eure Therese.


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An die Einsegnungsreihe vom 12. August 1900.
Neuendettelsau, 13. Aug. 1921

 Meine lieben Schwestern, es waren gestern schon einundzwanzig Jahre, daß unser geliebter Hirte Euch die segnende Hand aufgelegt hat, und Ihr gedenkt alle dieses Tages mit Dank und Freude. Es ist Euch und mir eine besondere Freude, daß Ihr alle beisammengeblieben seid, soweit nicht Gott selbst eine Schwester um die andere im Laufe der Jahre zu sich genommen hat. Die haben ja das beste Teil erwählt. Gott erhalte Euch alle im Glauben bis an Euer seliges Ende! Morgen feiern wir unser Kirchweihfest. Es war Herrn Rektor Meyer eine Lebensfreude, dies Kirchlein zu bauen. Nur wenige Jahre durfte er in demselben amtieren. „Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken.“ Morgen klingt das Evangelium aus in den Jubelruf: „Er hat alles wohl gemacht.“ Laßt uns schon hier im Glauben in diesen Jubelruf einstimmen, bis wir es einst vollkommener können werden.

 Diese vergangene Woche war sehr bedeutungsvoll, und die kommende wird es auch werden, denn es tagt am 17. und 18. August der Lutherische Bund. Möchte ein bleibender Segen davon ausgehen dürfen!

 Ich befehle eine jede von Euch den barmherzigen Händen Jesu. Er kennt alle Eure Anliegen und nimmt alle Eure Nöte zu Herzen. Und nun habt Ihr wieder ein Opfer gebracht und habt dabei an das neue Filial Westheim gedacht. Gott vergelte Euch diese Liebe! Ihr wißt ja, daß mir Westheim, wo ich geboren und getauft bin, sonderlich am Herzen liegt. Es ist ein inbrünstiges Verlangen in mir, es möchte in Westheim eine kleine Gemeinschaft von entschiedenen Christen sich zusammenschließen und es möchte von ihnen ein Segen auf die ganze Gemeinde ausgehen.

 Noch ein Wort zum Schluß. Mir ist es, als ob mehr als je Gott in großem Ernst an uns herantrete mit der Mahnung, allem abzusterben, alles Eigne dahinten zu lassen und nur ganz und gar Jesum unsern Herrn sein zu lassen. Er alles, wir nichts, wir Seine gehorsamen Mägde, über die Er ganz und gar verfügen kann. Gott behüte Euch! Er segne Euch im Arbeiten und im Leiden, und Er bringe uns nur alle einmal zusammen im ewigen Vaterhaus.

Eure Therese.


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An eine Schwester in Schillingsfürst.
Neuendettelsau, Jan. 1922

 Liebe Schwester, schönen Dank für Dein Brieflein! Ihr habt ja ein reiches Feld der Tätigkeit und werdet dazu ein herzliches Verlangen haben, die Arbeit Gott zu Ehren zu tun. Ich war in alten Zeiten besonders herzlich mit Schillingsfürst verbunden. Man wird dort wohl auch noch der alten treuen Marie Hörner[1] gedenken, die so oft Herrn Pfarrer Löhe durch ihre Antworten im Unterricht erfreute. Die liebe durchlauchtige Prinzessin Elise Salm-Hohenlohe ist ohne Zweifel auch noch nicht in Schillingsfürst vergessen.

Herzlichen Gruß von Deiner Therese.


An eine schwer kranke Schwester.
Neuendettelsau, März 1922
 Meine liebe Schwester, ich kann Dich ja leider nicht besuchen, aber Schwester A. kann Dir ja auch alles sagen, was ich Dir sagen möchte, was wir Menschen sehen können und wie Du selbst auch glaubst, so scheint es, daß Dein Weg auf Erden nur noch ein kurzer ist. Da wolle Dir der barmherzige Heiland die vielleicht noch wenigen Erdentage – doch wer kann es wissen! – reichlich segnen zur Bereitung auf den großen Abschnitt, den Schritt aus der Zeit in die Ewigkeit. Der heilige Geist wolle immer bei Dir sein, alles abwenden, was Dich stören könnte, und wolle Deinen Blick unentwegt aufs Kreuz geheftet sein lassen. Da hat der barmherzige Gott Rat geschafft auf wunderbare Weise für unsere Sünde, die uns zur ewigen Verdammnis geführt hätte, wenn nicht Jesus für uns eingetreten wäre. Ach, wie müssen wir Ihm danken, hier schon und dann von Ewigkeit zu Ewigkeit! Bald dürfen Dich die Engel und die selig Heimgegangenen lehren, wie man den Herrn würdiger preist, als wir’s auf Erden getan. Es ist ja immer ein unaussprechliches Wunder der Gnade, wenn eine Seele zum Frieden gekommen ist. Nun laß uns zusammen| beten: Ich glaube eine Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen.

 Du wirst uns nicht vergessen, liebe E., wenn Du daheim bist. Du wirst für unser liebes Dettelsau, für alle die Deinen, für die ganze Kirche beten. Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser aller Mutter. Davon hat am Sonntag Herr Rektor gepredigt.

 Auf Wiedersehen – noch einmal hier auf Erden oder in der Heimat, die uns Jesus erworben hat!

Deine Therese.


An Schwester Elisabeth von Oldershausen.
Neuendettelsau, 28. April 1922

 Meine liebe Schwester Elisabeth, Dein Aufenthalt in der alten Heimat bringt wohl viel inneres Erleben mit. Was ist es Großes, wenn man mit einer Seele noch so nahe zusammen lebt, die vor dem großen Schritt in die Ewigkeit steht! Sie steht nun wie einst Mose auf dem Berge Nebo und schaut hinüber ins gelobte Land. Und bald darf sie die neue Welt betreten. Von einem Sterbenden habe ich gelesen, daß er in letzter Stunde die Augen aufschlug und sagte: „Ach, so schön habe ich mir’s nicht gedacht.“

 Und Du selbst, meine liebe Schwester, denkst jetzt auch an ein Scheiden, wenn auch nur an eine Veränderung für dies zeitliche Leben. Die heiligen durchgrabenen Hände werden Dich leiten und führen. Es braucht ja auch nichts übereilt zu werden. wir denken Deiner treulich an Deinem Geburtstag.

 Im Mutterhaus wird viel geschafft. Ich bin so dankbar, daß ich nicht mehr in der Arbeit stehe und darf doch noch an der großen Sache teilnehmen. Ich räume und vernichte viel. Es gilt ja Abschied nehmen, wie wird’s sein, wenn wir miteinander zu Pfarrer Löhe und Rektor Meyer und all den andern, die wir kennen und lieben, gehen!

 Gott behüte Dich im neuen Lebensjahr und allezeit!

Deine Therese.


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An Schwester Regine Meisinger.
Neuendettelsau, 2. Okt. 1922

 Meine liebe Schwester Regine, es war uns eine rechte Freude, daß Herr Präsident Veit einige Tage hier weilte mit Gemahlin. Am 5. Oktober wird Veilhof feierlich eröffnet. Welch eine Verbindung zwischen Landeskirche und Dettelsau tritt uns nun in Veilhof vor Augen!

 Gottes Segen walte über Deinem Haus!

Deine Therese.


An Schwester Marie Winterstein.
Neuendettelsau, Januar 1923

 Meine liebe Schwester Marie, ob Du Dir ein wenig denken kannst, daß es auch mir oft eigen zu Mut ist? Die lange Gewohnheit hängt mir halt an. Da meine ich immer, es müßten noch Briefe daliegen. Und es ist jetzt alles so anders. Eine kleine Weile stellt uns Gott mitten hinein ins große Getriebe – und dann ist mit einem Mal alles anders. Wir müssen beide unsere jetzige Aufgabe erkennen und treu und gehorsam Tag für Tag tun, was der Herr haben will.

 Und unsere liebe Käthe Zantner ist schnell entrückt worden. Schwester Sophie Weichlein ist ein Schatz für unser Haus.

Allezeit mit Dir herzlich verbunden Deine Therese.


An Schwester Regine Meisinger.
Neuendettelsau, 27. Febr. 1923

 Meine liebe Schwester Regine, uns bewegt jetzt neben unsern nächsten Angelegenheiten recht die Dorfgemeinde. Herr Senior Sabel wird nicht mehr lange das Amt führen können. Doch ist alles noch nicht spruchreif. Gott wolle barmherzig alles selbst ordnen.

 Eine große Freude ist mir Lützelbuch. Daß dort den alten Leuten recht gedient werden möchte durch unsere Schwestern! Ach, es ist noch so viel, so viel zu tun, ehe der Herr kommt.

 Ich grüße Dein ganzes Haus. – Jetzt kann man nur durch Gelegenheit schreiben, und das Papier ist auch kostbar.

Deine Therese.


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An Schwester Marie Winterstein.
Neuendettelsau, 9. Juni 1923

 Meine geliebte Schwester, nun begraben sie die liebe Schwester Auguste Hensolt. Es ist eine große Bewegung in der Genossenschaft. Viele, viele Schwestern sind gekommen. Vorigen Mittwoch war ich auch im Krankenhaus – stundenlang. Es war ein langsames Sterben. Es ist ja viel gebetet worden um die Erhaltung des Lebens von Schwester Auguste. Gott hat es so entschieden. So ist dieser Weg der rechte: „Es sei stille vor ihm alle Welt.“ Herr Rektor war selbst sehr bewegt. Der Verlust für’s Ganze und speziell für die Schule, an der sie mit großer Freude gearbeitet hat, ist sehr groß. Nun beten wir um den rechten, besten Ersatz.

 Ich schreibe immer in Zwischenräumen, aber ich will doch heute den Brief vollenden. Eben haben wir Gebetsvereinigung im Blödenbetsaal gehabt. Die ist mir besonders lieb. Ich glaube, ich habe mich unbewußt nach so etwas gesehnt. Gott hat es Frau Oberin Selma ins Herz gegeben. Daß recht der Ewigkeitssinn unsere Genossenschaft beherrschen möge, das wurde auch erbetet.

Deine Therese.


An Schwester Marie Winterstein.
Neuendettelsau, Pfingsten 1923

 Meine liebe Schwester Marie, jetzt muß immer mit Millionen gerechnet werden. O was ist das für eine Zeit! Es ist auch mir bedrückend, daß ich jetzt so viel koste. Schwester Marie Preller begegnete mir gestern mit einem Kipf und sagte: „Der kostet 1000 Mark!“ – Wir stehen in Gefahr, weil wir so wohl versorgt sind, die Lage nicht mehr recht zu erkennen. Noch hilft ja Gott unsern Anstalten wunderbar. Dieser Tage hatte ich sogar die Freude, große Summen austeilen zu dürfen, die ein amerikanischer Pastor mir geschickt. Sorget nicht! Ich habe eine so schöne Geschichte gehört von Schwester Margarete Beil in Schillingsfürst. Eine Dame aus Amerika, ihnen ganz unbekannt, schrieb an Herrn Pfarrer: „Ich heiße auch Elise und schicke dem Elisenstift zehn Dollars.“ Wie wunderbar! An dem Tag hatte der Kassier zu Schwester Margarete gesagt: „Schwester, wir können die Schweine nicht kaufen, wir haben kein Geld!“ Und am Abend kommen zehn Dollars!

|  Schwester Anna Marie von Nostiz kommt ans Schulhaus. – Am Konferenztag hat Herr Rektor von einer neuen Instanz geredet, die nötig wäre; er hat sie Administration genannt. Sie sollte auch dazu dienen, daß nicht so viel an die Vorstände kommen müßte...

 Allezeit mit Dir herzlich verbunden

Deine Therese.


An Schwester Marie Winterstein, Würzburg.
Neuendettelsau, 6. September 1923

 Meine liebe Schwester Marie, wir dürfen Dich ja wohl in nicht allzu ferner Zeit erwarten? Dein Weg ist schwer, aber Du weißt, daß er heilig und gut ist, weil Gott ihn weist.

 Du wirst schon merken, wie viel schwächer ich geworden bin. Es ist ja auch natürlich. Laß uns nur miteinander Sein Wort immer besser kennen lernen, und der Herr bereite uns zu einer seligen, heiligen Sterbestunde.

 Ich kann nicht genug in dem Einsegnungsunterricht: „Das Wort vom Kreuz“ studieren. Was hat Herr Rektor damit Großes gegeben! Ich bete viel darum, daß unser Feierabendhaus möchte eine Stätte werden zur Verherrlichung Gottes.

 Nun ist die Jugend wieder eingezogen, und Schwester Anna Marie von Nostiz hat im Schulhaus mit vielen Millionen zu rechnen! Ach, das wunderliche Gelddurcheinander!

 Auf Herrn Rektor und Frau Oberin liegen jetzt ungeheuer große Lasten. Es soll doch auch wieder die Brüdersache in Angriff genommen werden. – Am Abend lesen wir im kleinen Kreis Wicherns Leben; es ist sehr wertvoll.

 Ich grüße alles, alles. Grombühl feiert ja Jubiläum. In treuer Freundschaft

Deine Therese.


An eine Schwester.
Neuendettelsau, 19. Februar 1924

 Meine liebe Schwester, ich grüße Dein ganzes Haus. Seid nur immer recht einig und habt Euch von Herzen lieb. Das ist ja unsere Schuldigkeit. Das ist göttliches Gebot. Wollen wir mit unserem Dienen wirklich Jesu dienen? Diese Frage wollet Ihr alle an Euch richten.

Deine alte Freundin Therese.


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An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 2. Sept. 1925

 Meine liebe Schwester Frieda, Du warst krank, aber es geht Dir wieder besser. Nicht wahr, wir sind jetzt alt genug, daß wir’s gelernt haben: Es ist alles gut, was Gott uns schickt. In demütigem Gehorsam wollen wir alles hinnehmen. Wie wird’s uns sein, wenn der Augenblick kommt, da uns Gott wird abrufen! Er wolle uns nur aus Gnaden in das stille, selige und friedliche Land der ewigen Freude und Herrlichkeit bringen.

 Heute sind die lieben Vorstände in Bethel. Ich habe ein Verlangen, daß ich auch noch ein wenig Gutes tun dürfte in diesem noch kurzen Leben... Nun haben die Schulen wieder begonnen. Wie gut, daß so viele kommen! Gott wolle sie segnen. Wie reich ist die letzte Chronik! Es ist doch gar keine Langeweile im Dettelsauer Leben.

 Ich möchte heute noch ins hiesige Krankenhaus. Ich meine halt doch, ich müßte die kranken Schwestern noch besuchen. Ich gehe auch öfters zu den Kranken im Männerheim. Mit Herrn Pfarrer Braun (er wohnt in der Druckerei) verkehre ich auch gern.

 Gott schenke meiner Frieda alles, was sie bedarf an Leib und Seele!

Deine Therese.


An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 9. März 1926

 Meine liebe Frieda, Gott segne Dich und sei auch mir Armen gnädig. Ich hoffe, es geht Dir gut. Meine Marie und ich sind jetzt in Einem Haus. Könnte ich Dir nicht irgend etwas zuliebe tun?

 Ich bin jetzt alt und einsam. Gottes Barmherzigkeit führe mich und die Meinen selig heim.

 Wir bleiben verbunden – nicht wahr? – für alle Zeit.

Deine alte Freundin Therese.


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Erzählabend von Frau Oberin-Mutter am 27. März 1923
im Familienzimmer

 Ich will euch ein wenig aus der Vergangenheit erzählen... Unser Helfer, Herr Pfarrer Wucherer, hat durch seine kirchliche Stellung und sein treues Festhalten an dem, was Löhe und Dettelsau gewollt haben, eine rechte Bedeutung für uns gehabt. Er ist der Vater von Schwester Magdalene Wucherer. 1887 ist er in Aha gestorben, und wir müssen ihm ein dankbares Andenken bewahren.

 Jetzt etwas von Friedrich Hommel. Der war Herrn Pfarrer Löhes treuer Freund. Oft hat er mitten drunter gesagt: „Höre, Löhe!“, und dann ist etwas gekommen, womit er nicht einverstanden war. Er war der treue Freund, auch ohne daß man ihm in allem hat folgen können. Er war musikalisch und hat Herrn Pfarrer einen rechten Dienst getan, indem er den Psalter zum Singen einrichtete, Löhe hat ein tiefes geistliches Verständnis für die Musik gehabt, aber sie nicht selber ausüben können; da hat ihm Gott Lotze und später Hommel zugeführt.

 Unser Helfer, Herr Pfarrer Volk, war auch ein treuer Freund und hat besonders für die Blöden viel Herz und Sinn gehabt, ist auch von Hüssingen aus oft nach Polsingen gekommen. Er war dann in Ursheim. (Der Volk, der das Löhedenkmal gemacht hat, ist aber nicht mit ihm verwandt, sondern ein Sohn vom Essigfabrikanten in Nürnberg.)

 Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre war ein großer Niedergang in unserm Schulwesen, aber durch Lotze ist es wieder emporgekommen. Herr Pfarrer hat eigentlich Lotze als Nachfolger ins Auge gefaßt, aber das wäre nicht gut gewesen, das muß ich bei aller Liebe für ihn sagen; nein, nein, das wäre nicht gut worden. Als Lotze im April 1866 von uns geschieden ist, hat Herr Pfarrer Löhe in der Konferenz ein Wort gesagt, das ich gerne dem nachfolgenden Geschlecht in die Seele prägen möchte, denn es ist mir für vieles ein Licht gewesen. Er hat gesagt: „Ich habe mich zehn Jahre lang bemüht, einen Nachfolger zu erziehen, und nun hat mir Gott gezeigt, daß mich das nichts angeht, daß ich das nicht soll, daß das Seine Sache ist.“ Das habe ich mir recht gemerkt für nachfolgende| Zeiten. Das hat der Vorgänger oder die Vorgängerin nicht zu bestimmen, das soll man Gott überlassen.

 Herr Konrektor Ludwig Draudt war hier von 1876 bis 1897, über zwanzig Jahre, und wir dürfen seine treue Arbeit und seine Hingabe an die Sache doch, so weit man das dem nachfolgenden Geschlecht noch zumuten und zutrauen darf, nicht vergessen. Er war ja keine hervorragende Persönlichkeit, aber groß in der Treue, und er hat uns viel Gutes hinterlassen. Ich empfehle sehr sein Büchlein über Kirchengeschichte. Wenn die Schwestern das wissen, was in dem Büchlein steht, dann ist es gut. Herr Konrektor Draudt hat mir noch im vorvorigen Jahr geschrieben, weil er da wegen etwas für Dettelsau in Sorge war. Mir ist es ein Weh, daß ich die Antwort hinausschob. Endlich machte ich mich darüber – und ehe ich den Brief vollende, kommt die Todesnachricht.

 Nach Herrn Konrektor Draudt ist Herr Konrektor Schattenmann gekommen und hat uns viel Gutes hinterlassen. Ich denke oft, wenn ich so die Wege draußen gehe: Was hat er gesorgt für Wege und Bauten! Er hat das Schulhaus gebaut. Damals hat man gedacht: Jetzt, nach achtzig Jahren, hat Dettelsau endlich Platz! Besonders für die äußeren, peripherischen, praktischen Dinge hat er viel getan, und wir werden ihm ein treues Andenken bewahren.

 Und wenn wir einmal alle zusammenkommen und alle dann wissen, was jedes Gutes hinterlassen hat, und alle Sünden vergeben sind (denn ihr macht jetzt auch wieder Fehler), wie wird das sein!

 Jetzt wünsche ich allen eine gute Nacht und danke recht schön, daß ihr mich angehört habt.


Erinnerungen an Herrn Pfarrer Löhe, die Frau Oberin gelegentlich gern erzählte.

 Herr Pfarrer Löhe hat einmal an einen Freund geschrieben, in dessen Familie große Not war: „Tun Sie das kleine Wagnis, Gott vor der Hilfe für die Hilfe zu danken.“ Ich habe gerne dazu 2. Chron. 20 gelesen, wo sie unter Josaphat mit Loben und Danken in den Krieg zogen und gesiegt haben.

|  „Man soll auch die kleinen Geschäfte Gott zu lieb tun“, hat Herr Pfarrer Löhe gesagt.

 Manchmal ist er auf dem Korridor beim Familienzimmer auf und ab gegangen, und wenn da jemand kam, der nicht fröhlich aussah, konnte er sagen: „Wer nicht glücklich ist, der ist nicht fromm.“

 Einmal ist er in die Stunde gekommen und hat gesagt: „Tu alles gleich!“ Das Wort begleitet mich durch mein Leben.

 „Helferinnen, denen geholfen wird“, so hat er uns wohl genannt.

 Wenn ich mir das Bild des seligen Hirten vorstelle, fällt mir oft das Wort ein: „Ein Mann mit königlichem Geist und mit barmherzigem Herzen.“ O er war so barmherzig gegenüber dem leiblichen und dem moralischen Elend!

 „Ja, bei Ihnen muß man nur einmal etwas Rechtes anstellen, dann hat man Sie zum Freunde“, hat Herr Dr. Laurent zu ihm gesagt.

 Daneben hat er uns so „nobel“ – oder wie soll ich’s nennen? – behandelt. Es war ihm nichts zu gut für uns. Er hätte gern alles mit uns getrieben, wenn es möglich gewesen wäre. Eine ganz durchgreifende Hebung des weiblichen Geschlechts, das wäre nach seinem Sinn gewesen.

 Er hat großartig regiert, zu großartig für die meisten von uns. „Ich muß jetzt ein anderes Regiment anfangen“, sagte er einmal zum Vorstand eines anderen Hauses. Dieser fragte mich später, ob die Änderung erfolgt sei. Als ob etwas, was mit der Eigenart eines solchen Mannes zusammenhing, sich schnell hätte ändern lassen! Das großartige Gelingen seiner Pläne und die schmerzliche Tragik seines Lebens, dies beides tritt einem entgegen, so oft man dieses Leben überschaut.

 Das hat Herr Pfarrer Löhe unserm Hause eingestiftet, daß die Schwestern die Verantwortung mittragen, wie ich so jung die Betsaalrechnung führte und kein Geld mehr hatte, sagte Herr Pfarrer zu mir: „Du meinst wohl, dir fliegen die gebratenen Tauben in den Mund?“

 Er sagte einmal, als ich allein bei ihm war: „Meine Frau hat mein bißchen Lebensglück mit ins Grab genommen, und meine Mutter meine Gesundheit.“


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Frau Oberin erzählt:

 Unser Passionsbuch[2] wurde nach Herrn Rektor Meyers Tod von Herrn Konrektor Draudt zusammengestellt. Die Grundgedanken gehen auf Herrn Pfarrer Löhe zurück; Herr Rektor Meyer hat sie ausgestaltet. Die Preces hat Herr Pfarrer Müller in Fürstenau in Hessen zusammengestellt; Herr Rektor Meyer hat sie mir eines Tages diktiert.

 Die Improperien und die meisten andern Gesänge am Karfreitagabend hat schon Löhe eingeführt. Auf einen Wunsch von ihm hin stiftete Frau Domina von Veltheim aus Marienberg ein heiliges Grab, das als Gegenstück zur Weihnachtskrippe hauptsächlich für die Dorfkinder vermeint war, aber auch von den Anstalten aus im Zug und einzeln besucht wurde. „So wie ich haben die Kriegsknechte ausgesehen“, sagte Herr Pfarrer Löhe einmal zu den Kindern, als er in einem seiner letzten Jahre im Pelzmantel neben dem Grab saß. Herr Rektor Bezzel schaffte das Grab ab, weil er „nicht naiv genug“ dafür war, wie er sagte.

 Als die Anstaltsgemeinde noch alle ihre Gottesdienste im Betsaal hielt, kam einmal Schwester Doris Braun mit Rechnungssorgen zu Herrn Pfarrer Löhe und sagte ihm, daß das Geld unmöglich reichen könne für die vielen Kerzen, die jeden Abend im Vespergottesdienst gebrannt würden. „So halten wir unsern Abendgottesdienst nachmittags um drei Uhr“, bestimmte Herr Pfarrer Löhe, und er meinte, das sei eine recht geeignete Stunde, weil um drei Uhr der Tag beginnt sich zu neigen und weil es auch die Stunde sei, in der die Kinder Israel ihr Abendopfer brachten. Aber wenn auch die Schwestern alles für gut hielten und glaubten, was Herr Pfarrer sagte – ich glaube, wenn Herr Pfarrer gesagt hätte, die Erde sei viereckig, wir hätten es fast geglaubt –, diesmal konnten sie sich doch nicht einverstanden erklären. Eine Schwester sagte: „Da wird man wieder hungrig bis zum Abend.“ „Dann müssen wir im dunklen Betsaal Abendgottesdienst halten und auswendig singen“, meinte Herr Pfarrer. Das geschah auch. Aber| es dauerte nicht lange, da beschwerte sich die Organistin, Schwester Gertrud Hahn, daß der Gemeindegesang gar so schwach sei. Man konnte halt doch nicht genug Lieder auswendig. So blieb nichts anderes übrig, als daß man versuchte, das notwendige Geld für die Kerzen zu beschaffen. Von den Missionsschülern, die auch den Gottesdienst besuchten, wurde ein Beitrag erhoben; außerdem wurde nun an jedem Samstagabend der Klingelbeutel getragen und der Ertrag der Sammlung für Kerzen bestimmt.

 ...Wißt Ihr, wer das eingeführt hat, daß wir in der Vesper beten: „Der Geist und die Braut sprechen: Komm! Amen, ja komm, Herr Jesu!“ Das stammt von Herrn Rektor Meyer. Er hat die Not der Kirche recht auf sein Herz genommen, und in einer besonderen Notzeit der Kirche hat er uns jeden Mittag um 12 Uhr zusammenkommen lassen, daß wir miteinander beten. Weil man das nicht lange so halten konnte, hat er nach einiger Zeit gesagt: „Wir wollen das tägliche Gebet um 12 Uhr wieder aufgeben, aber von den Bitten behalten wir die eine zurück: „Amen, ja komm, Herr Jesu!“ Seitdem beten wir es in jeder Vesper. In der Erwartung des Herrn sollen die Kinder Gottes immer stehen.


Aus Kapiteln

 Das Leben ist kurz; man muß es recht ausnützen, um die eigenen Worte Jesu und das Alte Testament zu lernen, daß man nicht in der Ewigkeit ankommt und weiß von dem allen nichts.

 Wie groß ist Gott, daß Er die Menschen zur Mitarbeit brauchen will! Wir Menschen sagen: „Ich tu meine Sach lieber allein“, – und Gott sagt es nicht. Seine Engel verderben Ihm nichts, aber Er will uns haben und mittun lassen und geht sogar so weit, daß Er sagt: „Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.“

 Die Gefahr ist, daß die Arbeit die Sorge um das ewige Heil überwuchert. Daß nur nicht der Einzelnen Abbruch an der eigenen Seele geschieht vor lauter Arbeit!

|  Es ist wohl zu beachten, wenn der Herr durch Züchtigung bei uns anklopft, aber mehr noch, daß die Stunde, da Gott Seine Güte und Freundlichkeit uns zeigt, nicht ungenützt vorübergehe, sondern ausrichte, wozu sie gesandt ist.

 Herr Rektor Bezzel hat die Blauen so zur Dankbarkeit ermahnt: „Danken Sie für alles, für die Luft, die Sie atmen, für das Wetter, für alles. Vor einem dankbaren Herzen weicht der Teufel.“

 Ich möchte nicht, daß wir so reich würden, daß wir nicht immer um das tägliche Brot bei Gott bitten müßten.

 Ich bitte euch um alles, ihr werdet doch nicht einen solchen Sinn unter euch aufkommen lassen, der nur darauf bedacht ist, sich zu schonen! Wozu sich schonen? Sterben müssen wir alle einmal.

 Schwierigkeiten sind keine Zeichen dafür, daß ich einen andern Weg gehen soll; im Gegenteil, sie sind dazu da, daß sie die Kraft entfalten, daß man sie in der Kraft Gottes überwinde.

 Ihr müßt es nicht schwer nehmen, wenn ihr versetzt werdet. Wir sind überall daheim: wo Elende sind, da ist die Familie Jesu. Und wir sind überall in der Fremde: mein Leben ist ein Wandern zur großen Ewigkeit.

 Eine große Versuchung ist die Langeweile. Deine Arbeit darf dir nie langweilig werden, das ist Sünde. Dagegen hilft Liebe zu Jesu. Lege deine Arbeit als Opfer zu Jesu Füßen!

 Wohl einem Hause, das bei allem Wechsel und Wandel der Menschen und Verhältnisse zu den Grundgedanken zurückkehren kann, die unsere Väter eingestiftet haben! Ist es wohl richtig, wenn ich diese Grundgedanken darin zusammenfasse: es soll in den zur heiligen Diakonie zusammengeschlossenen Gemeinschaften die anbetende und die wirkende Liebe dargestellt werden, und von gesegneten Brunnenstuben aus, denen es nimmer an Wasser mangelt, sollen die Rinnsale in die Lande ausgehen, um die nach leiblicher und geistlicher Hilfe verlangende Menschheit zu erquicken.



  1. Marie Hörner war eine Tochter der Gemeinde Schillingsfürst. Durch Prinzessin Elise von Hohenlohe-Schillingsfürst beeinflußt, trat sie am 12. Mai 1854 in die Diakonissenanstalt Neuendettelsau ein. Nach Vollendung ihrer Ausbildung ging sie als Diakonisse in ihre Heimatgemeinde zurück, der sie bis zu ihrem Ende 1898 diente; so verwirklichte sie als Einzige den ursprünglichen Gedanken Löhes. (Korr.-Bl. 1896 Nr. 9)
  2. Friedrich Meyer, Die Passion unsers Herrn Jesu Christi in Gottesdiensten für die Fastenzeit.


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Auf daß sie alle eins seien
Nachwort: Heimgang und Gedächtnis »
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