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seid, erkennt es für Euren Beruf, für Eure edle Aufgabe, der Ihr Euch mit Begeisterung hingebt, Hüterinnen und Wächterinnen deutscher Zucht und Sitte zu werden. Fangt nur mit Ernst im Kleinen an und überlegt miteinander, wie Ihr wieder fromme Gewöhnung herbeiführen könnt. Ihr seid ja auch, wenn Ihr wollt, eine Macht im Land, und Ihr sollt eine Macht des Guten werden.

Mit herzlichen Grüßen an alle Eure Therese Stählin.


An zwei Schwestern, die in einer Frauenklinik arbeiten.
Neuendettelsau, 6. Juli 1921

 Meine lieben Schwestern, so lange bin ich nun schon auf der Welt, so lange verkehre ich auch schon mit Nürnberg und habe noch nie etwas vom „Kerzendreier“ gehört. Was hat es damit eigentlich für eine Bewandtnis? Ich danke halt recht schön für diese „Erleuchtung“. Das Geld habe ich in den Gotteskasten getan und mit dem andern wieder jemand erfreut.

 Ob es Euch gut geht in aller Eurer Arbeit? Ich mache jetzt auch meine besonderen Studien im Feierabendhaus. Das könnt Ihr Euch denken. Etwas von meinen Meditationen kann ich Euch auch verraten, und Ihr könnt sehen, ob Ihr etwas davon auch einmal brauchen und verwerten könnt. Erstlich drängt sich so beim Abschluß des Lebens der allerdings ganz landläufige Gedanke auf: Wie schnell sind doch die Jahre entflohen! Wie lang ist’s her, da hab ich im Weiltinger Pfarrgarten und Hof gespielt und meine kindlichen Gedanken gehabt! Wie gar schnell ist das Diakonissenleben dahingerauscht! War es denn ein Diakonissenleben? Wie ganz anders müßte man es gelebt haben!

 Und nun – in welch eine wunderliche Zeit fällt der Abschluß meines Lebens! Ich denke so: Wer jetzt nicht unterscheiden lernt, was im Leben das Veränderliche und was das Bleibende ist, wer sich jetzt nicht löst von dem wechselvollen und sich mit seinem innersten Wesen nicht richtet zu dem Bleibenden, dem ist nicht zu raten und zu helfen.

 Ich grüße Euch alle herzlich.

 Nochmals dankend für den geheimnisvollen Kerzendreier

Eure Therese.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/261&oldid=- (Version vom 10.11.2016)