Meine liebe Schwester Marie, ich hoffe doch, daß Gott Dich wieder genesen läßt, daß wir doch nicht eine Traurigkeit über die andere haben[1]. Aber wie Er will! Deine Seele ist ewig geborgen durch Jesu Kommen in die Welt, durch Sein Leiden und Sterben. Da Er rief: „Es ist vollbracht“, hat Er auch an Dich gedacht. Tiefer Friede werde Deiner Seele zuteil um Seines heiligen Wortes willen: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Die noch leidende Gemeinde Gottes und die in der Heimat geborgene – sie sind ja eins, Christus ist ihr gemeinsames Haupt.
Aber wenn Du uns doch erhalten bleiben könntest, liebe Schwester Marie, daß wir nicht gar so verarmen!
Mein liebes Kitzingen, ich grüße Euch alle in treuer Liebe und inniger Verbundenheit, was auch das neue Jahr bringen mag, wir wollen fest bei Jesu stehen und fest und treu zusammenhalten. Das will ich als mein Letztes immer wieder in die Genossenschaft hineinrufen: Seid recht einig!
Gott segne Euch und uns im Jahre 1919 und lasse uns alle gehorsam Seine Wege gehen.
Meine lieben Schwestern, wie müßt Ihr Geduld haben mit der alten Mutter: schreibt sie Euch einen Brief und vergißt das Danken, das ihr doch ihre Mutter, wie sie noch ein Kind war, beigebracht hat. Ich hatte es nämlich noch gar nicht richtig erfaßt, daß der wunderschöne Kasten mit dem feinen Briefpapier von Euch ist...
Herr Rektor hat uns an Neujahr so eine teuer werte Ansprache gehalten: Wir wollen die alte Arbeit tun, aber wir
- ↑ Die schwere Grippeepidemie forderte damals auch in der Schwesternschaft viele Opfer. Siehe Korr.-Bl. 1918, Nr. 11
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/235&oldid=- (Version vom 24.10.2016)