Seite:Therese Stählin - Auf daß sie alle eins seien.pdf/239

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

durchleben. Sinnt doch darüber nach, was uns not tut, damit diese ungewöhnliche Zeit nicht ohne Segen an uns vorübergeht.

 Wir haben jetzt in unserer Mitte eine ganze Anzahl der schwer heimgesuchten Mitauer Schwestern[1]. Wir dürfen ihnen dienen, und sie dienen wiederum uns. Aber welch eine eindringliche Predigt ist das verstörte Mitauer Haus für uns! Lest nach, was geschrieben steht Luk. 13, 4. 5! So wie es hier der Herr sagt, sollen wir alle Unglücksfälle, von denen wir hören, auffassen. Wir können uns wohl nicht genug in die schauerlichen Erlebnisse dieser unserer Mitschwestern hinein denken. Pastor und Oberin, die geliebten Vorstände, erschossen! Herrn Pastors Leiche ist in diesen Tagen aus dem Massengrab herausgeholt und in Mitau beerdigt worden!

 Noch dürfen wir in Dettelsau in stillem Frieden zur Zeit unser Werk treiben. Laßt uns danken und dankbar durch all die Not hindurch pilgern, bis wir dankend und lobend einmal die Erdenarbeit hinlegen dürfen. Seid alle getrost, in welcher Lage Ihr auch immer sein mögt: Ich danke herzlich für Eure Gabe, die Ihr an Eurem Gedenktag freundlich dem Mutterhaus übergeben habt. Gott segne dieselbe und segne Euch alle!

Eure Therese.


An Schwester Frieda von Soden.
Neuendettelsau, 10. Dez. 1919

 Meine liebe Frieda, Du kannst Dir denken, wie viel mich die Frage bewegt, ob ich nicht sagen muß: Ich kann nicht mehr. Laß uns miteinander ganz gehorsame Kinder unseres Herrn werden.

 Herr Rektor ist heute in München. Viele wichtige Fragen bewegen die Männer der Kirche. Es ist schön, daß Stirner und Eichhorn hier wohnen.

 Denke Dir, von Amerika haben sie uns viel Geld geschickt. Noch ehe wir wußten, wie groß unsere Verlegenheit wird, haben sie dort gesammelt für uns. Der wunderbare Gott! Unsere verschiedenen Rechnungsführerinnen riefen nach Geld. Es muß ja auch ganz anders jetzt besoldet werden.


  1. Korr.-Bl. 1919, Nr. 8.
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/239&oldid=- (Version vom 24.10.2016)