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Artikel „Macropedius, Georg“ von Daniel Jacoby in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 19–28, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Macropedius,_Georg&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 06:44 Uhr UTC)
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Macropedius: Georg M. (eig. Lankveld oder Langhveldt) aus Gemerten bei Herzogenbusch. Der ausgezeichnetste lateinische Dramatiker des 16. Jahrhunderts, wie ihn schon Goedeke genannt hat. Er war als der größte Grammatiker seiner Zeit berühmt, er verstand außer den klassischen Sprachen das damals Wenigen bekannte Hebräisch – im Hecastus kann nur der Bote Gottes den hebräisch geschriebenen Brief lesen – auch in der Mathematik war er nicht unbewandert; überhaupt galt er als celeberrimus id aetatis vir (M. Adam im Leben des Arztes Heurn, v. med. S. 164 b.). Von seinem Leben ist nur wenig bekannt. Das Jahr seiner Geburt unsicher; 1475 wahrscheinlich (vgl. Paquot und Ekker unten). Er trat in die Genossenschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben, welche Geert Groote (Gerardus M. siehe Allg. D. Biogr. IX, S. 730) gestiftet hatte. Zuerst leitete M. die 1425 gegründete Schule zu Herzogenbusch, welche zu Zeiten 1200 Schüler gehabt haben soll, dann die zu Lüttich. Diese von Herzogenbusch aus 1496 gegründet, war im Beginn des 16. Jahrhunderts die beste aller Brüderschulen, und Vorbild wieder für die Unternehmung des Johann Sturm in Straßburg. Zuletzt wurde M. Rector in Utrecht. Dort war er wahrscheinlich schon 1539: die Widmung des Hecastus ist von Utrecht datirt, den 31. März 1539. Sein Amt bekleidete er bestimmt bis zum Jahre 1552, seiner Kenntnisse, seines bescheidenen und sanften Wesens wegen allgemein beliebt und geachtet. An den [20] Bemühungen der Brüder, bessere Schulbücher statt der aus dem Mittelalter überkommenen einzuführen, nahm er eifrig Antheil. Wie vor ihm Hegius (s. d.), Cannyfius und dessen Schüler und Nachfolger in Herzogenbusch Despauterius (s. d.), wie Murmellius († 1517), der auch als Dichter bedeutend war, und Torrentinus († 1520) u. a. schrieb M. Lehrbücher über Grammatik, Syntax, Prosodie, dazu über Logik, Rhetorik, auch theologische Hülfsbücher. Aus seiner Schule gingen Männer hervor wie W. Canter (s. d.), Estius, Fr. Haraeus, fast alle bedeutenden Männer Hollands gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Die Disciplin in den Brüderschulen war streng und hatte einen ascetischen Charakter. Erasmus klagt über Härte; dennoch kamen sehr grobe Excesse öfters vor. Die Hieronymianer waren aber in Leben und Gesinnung von einem freieren Geiste beseelt als die Lehrer in den Klosterschulen, sie standen auch in engerem Verkehr mit dem Leben. Die Brüderschulen haben in der That einer neuen Zeit kräftig vorgearbeitet; Melanchthon hat ihre pädagogischen Verdienste zu würdigen gewußt. Als Greis kränklich, von Gicht geplagt, kehrte M. nach Herzogenbusch zurück. Ein hitziges Fieber raffte ihn hinweg im Juli 1558. In der Kirche seiner Genossenschaft wurde er beerdigt. Eine Sammlung von Gedichten auf ihn, zu Antwerpen gedruckt, veröffentlichte Ch. Vladeraccus, sein Nachfolger in Herzogenbusch. Ein Bildniß von ihm in Foppens’ Biblioth. Belgica: ein durchgeistigtes Gesicht mit feinen Zügen; Verse von Sanderus, die unter dem Bilde stehen, schließen mit den Worten:

Desine iam Latios mirari Roma cothurnos,
Nescio quid maius Belgica scena dabit.

Um sein Andenken als dramatischen Dichters haben sich aber die Landsleute des M. nicht eben sehr bekümmert. Die Zahl seiner Stücke haben sie alle nicht einmal richtig angegeben; auch in unseren Tagen kennt Ekker nur 13 statt 15. In Deutschland wurden mehrere übersetzt und bearbeitet. Gottsched redet im „nöthigen Vorrath“ (Vorrede zum II. Band) von Bassarus und Petriscus; „auch dies ist ein sehr gutes Stück“; er weiß, daß „einige andere Stücke dieses Verfassers verdeutschet worden“. In der letzten Ausgabe vom Jahre 1552–1553 „omnes Georgii Macropedii Fabulae comicae, denuo recognitae, et iusto ordine (prout editae sunt) in duas partes divisae“ stehen 11 Stücke. Im I. Band: Asotus, Lazarus, Josephus, Hecastus, Adamus, Hypomone (= patientia; nicht Hypomene). Im II.: Aluta, Rebelles, Petriscus, Andrisca, Bassarus. Die Reihenfolge ist nicht chronologisch geordnet, wenigstens nicht, was den I. Bd. betrifft. Die ernsteren Stücke sind in diesem vereinigt, im II. die komischen und Schuldramen. Am frühesten ist wohl der Asotus gedichtet. Die erste Ausgabe erschien zuerst 1537 zu Herzogenbusch. In der Widmung heißt es, er habe das Stück vor 30 Jahren geschrieben: „omnis quidem mei laboris initium“. Danach hat M. schon früher gedichtet als 1520, wie Goedeke und nach ihm Holstein u. A. annehmen. Aluta und Rebelles sind zuerst 1535 gedruckt nach Goedeke, Grundriß, S. 135. In der Vorrede zur Aluta stellt M. 4 andere Stücke in Aussicht: Asotus, Petriscus, Andrisca, Bassarus et fortasse plures paulo cultius elaboratas. Petriscus erschien 1536; Andrisca 1539; Hecastus im gleichen Jahre; Bassarus und Susanna 1540; Lazarus ein Jahr darauf. Die Widmung des Josephus ist vom 16. August 1544 Passio Christi vor 1545, wenigstens nennt C. Geßner in seiner Bibliotheca univ. 1545 Tiguri S. 269 dieses Stück mit der Susanna; die Widmung des Adamus ist vom 14. Octbr. 1551; die der Hypomone, „annis superioribus ex tempore scripta“, vom November 1553. Später als diese Stücke entstand Jesus scholasticus 1556 Ultrajecti, und vielleicht auch Dimulla. Diese beiden sowie Passio Christi und Susanna sind mir nicht zu Gesicht gekommen. Jesus scholasticus ist, wenn [21] ich nicht irre, dem Sammelband von 1552 angehängt, in Göttingen zu finden. Durch Reuchlin „seculi nostri et Germaniae decus“ erhielt M. die Anregung zum Dichten. So erzählt er selbst in der Vorrede zu den beiden Comödien Aluta und Rebelles: … is me primus excitavit. Si praeter eum alii ante me scripserint, nescio; hoc scio quod alios non viderim. Das ist im ganzen gewiß richtig. M. ist eine sehr selbständige Natur. Allein man muß bedenken, daß Aluta und Rebelles bereits 1535 gedruckt worden sind. Für den später gedichteten Joseph hat er wohl das Drama des Cornelius Crocus benutzt, das in Amsterdam 1535 aufgeführt und zwei Jahre darauf gedruckt wurde. Die Fabel des Joseph wurde, wie W. Scherer gezeigt hat, durch Crocus in eine für die Folgezeit maßgebende Form gebracht, ebenso der verlorene Sohn durch Gnapheus (s. d.). Der Asotus des M. war, wie gesagt, der Hauptsache nach wohl schon 1507 entstanden und von dem Acolastus des Gnapheus im ganzen gewiß unabhängig. Wer Reuchlin’s Henno (1498), dessen Hauptmotiv noch dazu einer französischen Posse entlehnt ist und seinen Sergius (1507) mit den Dramen des M. vergleicht, dem kann der Fortschritt in Technik, Sprache, Ausführung, Charakteristik nicht entgehen. In Reuchlin’s Henno besteht jeder der 5 Acte regelmäßig nur aus 2 Scenen, denen ein Chor folgt. Bei M. größere Fülle, nicht bloße Skizzen. Aber mit Reuchlin hat er die Lebhaftigkeit und Anschaulichkeit, hat er die knappe Sprache im Gegensatz zu der langweiligen Breite der meisten späteren Dramatiker des 16. Jahrhunderts gemeinsam, sowie die kräftige Führung der Handlung. Wie Reuchlin läßt auch er aus den griechischen und lateinischen Namen der Personen ihren Charakter errathen. Finden wir bei Reuchlin einen Richter Minos, einen harten Sachwalter Petrucius, den Lüstling Salax, den Prasser Helluo, so bei M., um nur einige zu nennen, den listigen Fuchs Bassarus, den Schlemmer Laemargus und seine Frau Tryphera, den friedlichen Galenus, die schwache Mutter Mysandra, den weinrothen Wirthen Bromios, den fleißigen Jüngling Philomathes, den mürrischen Philaetios, den diebischen Taugenichts Clopicus, den gutmüthig-schwachen Eumenius, den verlorenen Sohn Asotus. Dieser Name nach Aristoteles Eth. Nic. IV, 1 gebildet: τοὺς γὰρ ἀκατεῖς καὶ εῖς ἀκολασίαν δαπανηροὺς ἀσώτους καλοῦμεν M. behandelt biblisch-historische und erfundene Stoffe, die meisten von diesen letzteren mit bestimmter pädagogischer Tendenz gegen falsche Erziehung, gegen eine früh verderbte Jugend. Ein entschiedener Sinn für künstlerische Composition tritt hervor. Er verfährt nicht wie so oft jene frommen, aber unfähigen Dramatiker seines Jahrhunderts, welche zur abgeblaßten Allegorie wie zu langen Citaten aus der Bibel ihre Zuflucht nehmen, um den Mangel an Gestaltungskraft zu verhüllen, welche uns beständig erinnern, daß ihre Personen nichts als Drahtpuppen sind. Er charakterisirt lebendig, anschaulich, nach der Natur; oft sind die Personen mit wenigen Strichen gezeichnet. M. kennt die Pflicht des Dramatikers, die Menschen auf der Bühne ihrem Charakter und der Situation gemäß sprechen zu lassen, sehr gut. Er hat einen scharfen Blick für die Gestalten des bürgerlichen und wirklichen Lebens. In der Darstellung des Hauswesens gleicht er manchem Maler der niederländischen Schule hinsichts der rücksichtslosen realistischen Treue. Seine Erfindungskraft ist freilich nicht sehr groß; nur wenige Typen finden sich im ganzen. Seine ursprüngliche Begabung aber für das Drama zeigt sich in dem geschickten Scenenbau, in den bühnenmäßigen Wirkungen, die er zu erzielen weiß. Er versteht zu spannen, zu steigern, zu contrastiren, die Farben abzutönen. Der Dialog ist lebhaft und frisch, der Witz meist wortspielartig. Oft erzielt er eine komische Wirkung durch die Parodie der tragischen Sprache. Das Latein ist in den ersten Stücken, besonders in den Rebelles, noch wenig flüssig und incorrect, später zeigt M. größere Leichtigkeit und hütet [22] sich mehr vor ganz unklassischen Wendungen. Bei Reuchlin ist der Chor noch ganz prinzipienlos behandelt und ohne rechten Rhythmus; bei M. ist er kunstvoller und neben jambischen und trochäischen Versen wendet er besonders Strophen des Horaz an, wie das sein Zeitgenosse, der Deutsche Sixt Birck (s. d. II, 656) gethan hat. Wie im Henno des Reuchlin die Chöre nach bestimmten Melodien vorgetragen wurden, so auch bei M., daß man in der That an eine Art Zwischenmusik denken kann. Im Verse gestattet sich M., wie er im Vorwort zur Aluta sagt, alle die Freiheiten der komischen Dichter: Anapäst oft in den gleichen Versfüßen, ferner Synaloephe, Ecthlipsis, „etiam interdum litterae s“, auch Hellenismen werden zugelassen. Wie Reuchlin nach Terenz’ Vorbild gebraucht auch er die Formen siem statt sim, den inf. passiv. auf ier statt ri, um von anderen Eigenthümlichkeiten, so der öfteren Anwendung von Deminutiven zu schweigen. Die Form des Prologes ist dem Terenz entlehnt, nur wird, wie im volksthümlichen deutschen Drama, im Prolog zu den Rebelles der Redende durch einen Narren, hier Morio, zur Aluta durch einen Morus einige Male unterbrochen. Wenn M. im Prolog zum Hecastus, zum Asotus und sonst sich gegen die Vorführung bedenklicher Scenen, im Gegensatz zu Plautus und Terenz verwahrt, non hic amator virginum, non leno, non scortum, vgl. Asotus: non stupra virginum aut dolos lenonios …, so folgt er darin Reuchlin, der im Prolog zum Sergius derartiges schon äußert: non hic erit lasciviae aut libidini meretriciae … locus. Und ganz ähnlich spricht Birck. Aber es fehlt trotz allen Versicherungen der Vorreden nicht an Darstellungen der Venus Vulgivaga. Derbe auch rohe Züge sind nicht selten, besonders in den Possen. Wie Gnapheus in der Vorrede zu seinem Acolastus der Frömmigkeit mehr dienen will als der Kunst, so äußert sich auch M. Aber zum Glück siegt sein künstlerischer Trieb, und nur selten verliert er den didaktischen Zwecken und der Frömmigkeit zulieb die Kunst aus den Augen. Wiewohl rechtgläubiger Katholik, wendet er sich gegen die Feinde des Schauspiels. Im Prolog zur Andrisca vertheidigt er es als beste Uebung für die Jugend. Die Komödie ist des Menschenlebens hellster Spiegel (clarissimum speculum). Mit Unrecht wirft man dem ernsten oder heiteren Spiele Leichtsinn oder Frechheit vor. Wie kein lauteres Wort je dem Unlauteren erklang, „so kann dem Reinen nimmer etwas unrein sein“. Und zum Bassarus: er habe stets mehr Anmuth und Redlichkeit (gratiae ac probitatis) bei den Liebhabern des Theaters gefunden als bei den Duckmäusern (angulos amant). – Nach dieser allgemeinen Würdigung versuche ich wenigstens von einigen Dramen ein bestimmteres Bild zu geben. Die Uebersetzung im Versmaß des Originals trete da ein, wo die Sprache des Dichters charakteristisch ist. Im Asotus entwickelt M. die Handlung aus den Charakteren, darum wußte er dem einfachen Stoffe dramatisches Leben einzuhauchen. In der scharfen Charakteristik wie in der sorgfältigen Motivirung verdient er selbst vor Gnapheus, wie mir scheint, den Vorzug. Der alte Eumenius ist gutmüthig, aber schwach, dabei kurzsichtig: einem Comasta übergiebt er das Haus zur Bewachung I, 2. Im Grunde seines Herzens ist ihm der jüngere Sohn lieber als der fleißige, aber mürrische Philaetios. Bei Gnapheus fehlt der ältere Bruder ganz. Der Vater läßt nach der Entdeckung der Orgien seiner Leidenschaft den Lauf, der eine Diener wird getödtet etc., für den Sohn hat er kein tadelndes Wort. In der Zeichnung des Parasiten Colax hatte M. römische Muster vor Augen. Aber er sucht die Komik nicht in der bloßen Freßgier. Diese Gestalt verbreitet so viel Behagen, daß sie uns nie widrig wird. Von Anfang bis zuletzt denkt und spricht Colax, wie solche Menschen denken und sprechen. Im Gegensatz zu der gemeinen Natur des Comasta fehlen ihm nicht gemüthliche Züge. Wie komisch wirkt es, wenn Colax, nachdem er mit Comasta ungebührlich auf des Eumenius [23] Kosten gespeist, seiner Angst vor dem Alten so Ausdruck giebt: Es wankt mein Schritt, die Glieder zittern und die Kniee, Und Schrecken zwingt mich noch zum jähen Wasserlassen u. s. w., III, 2. Nachdem der Vater V, 2, durch einen Fremdling aus Milet Kunde von dem unglücklichen Sohne erhalten hat, bringt Colax bald die Nachricht von seiner Rückkehr. Seine Freude ist nicht blos durch die Aussicht auf Belohnung hervorgerufen. „Doch sieh, da kommt der ehrenwerthe Greis, mein Gott, Der ew’ge Sattheit gnädig mir zuwinken wird. Einst freilich trieb er mich mit schnöder Peitsche fort, Doch jetzt bewirk’ ich, daß er mich ins innerste Fleischheiligthum des Hauses nöthigt holdgesinnt (in abditum carnarium atque promptuarium domus)“. Die Scene ist trefflich, da er dem Alten, vor dem er eben noch gezittert, im Gefühl seiner Ueberlegenheit, sogar ein kategorisches Steh, steh zuruft (V, 4). An der guten Kunde läßt er ihn lange zappeln, bis der Alte endlich alles erfährt und glücklich ausruft: So geh und iß und trink, so lang du lebst, bei mir. Und allein betet er: „O Vater, der du alles lenkst, Ich danke dir von Herzen, daß du milden Sinns Den Blick auch endlich auf mein großes Unglück warfst. Ich bin wie neugeboren, auferweckt vom Schlaf, Vor Freuden wahrlich berg’ ich kaum die Thränen mehr“. Asotus steht zwischen Comasta und Philaetios in interessantem Gegensatz. Seine Umkehr ist geschickt motiviert. Der leidenschaftliche Jüngling (IV, 2) hat ein weiches Herz. Gegen den Bruder ist er ehrlich, er gesteht seine Fehler; dessen Härte hat viel an seinem Benehmen schuld (IV, 4). Seine ewigen Klagen über die viele Arbeit können Asotus für diese nicht gewinnen. Asotus ist lüderlich, nicht schlecht; vor der Abfahrt, bei den Dirnen, wird er traurig, da er dem Vater kein Lebewohl gesagt. Erst die Sirenenstimme der Wollust besiegt die besseren Regungen. Dem Leben abgelauscht ist die Innigkeit des Ausdrucks, mit welcher der Alte seinen Sohn beklagt und später den Reuigen aufnimmt. Nur einmal, als Asotus ein Lied des Euripides (IV, 5) in seiner Weise parodirend fälscht, widersteht der Dichter, die dramatische Illusion aufhebend, nicht, den Tribonius sagen zu lassen: audies Modis Erasmiis metroque Glyconico. Von Gnapheus hat offenbar M. unabhängig gearbeitet. Sein treffliches Stück wurde bei weitem nicht so beachtet wie der Acolastus des Gnapheus. Nicolaus Risleben aus Salzwedel hat in Deutschland, wie Holstein zeigt, in seinem Asotus (1586) M. benutzt neben Ackermann (s. d.). Vielleicht hatte Chr. Schön in seinem Asotus (1599), welchen Gottsched (nöt. Vorr. I, 140) erwähnt, von dem aber nur der Titel bekannt ist, an M. ebenfalls sein Vorbild. – In den Rebelles werden zwei verzogene Muttersöhnchen zu einem „milderen“ Lehrer gebracht. Zwei Teufel Lorcaballus und Marcolappus freuen sich der Thorheit der Mütter I, 5. Sie treten noch auf II, 3, IV, 10, V, 4. (Auch im Asotus zwei Teufel III, 11). Der Lehrer bestraft die Taugenichtse wegen einer Schlägerei beim Spiele. Ueber die Züchtigung der Jungen empört, wollen die Mütter sie dem Handel weihen. Das erhaltene Geld verjubeln die Jungen in der Kneipe, Verlangen vom Wirthe Bromios Mädchen, spielen, verlieren alles. Auf die Straße gestoßen, bestehlen sie einen Bauern. Der gerichtlichen Strafe entzieht sie der Lehrer. Die Teufel werfen sich V, 7 die Schuld des Mißlingens ihrer Anschläge vor. Die Mütter, wie die etwas rasch gebesserten Jungen, wollen dem Lehrer ewig dankbar sein. Das dramatische Geschick in Fortführung der Handlung verleugnet sich nicht. Aber im Petriscus ist die Handlung lebendiger und reicher ausgeführt. Die Personen sind weit lebensvoller. Der Friedmichel Galenus ist zu schwach, um gegen die zärtliche Mutter, welche gegen alle Fehler des Sohnes die Augen verschließt (Mysandra), recht aufzukommen. Petriscus bestiehlt die Eltern. Die Mutter schmäht den Lehrer, welcher auf des Vaters Aufforderung den Jungen gezüchtigt hat. Auch Galenus wird geschmäht und [24] geschlagen. Um seinen Kummer zu vergessen, geht er mit einem Nachbar ins Wirthshaus. Am Schluß des III. Actes ein Trinklied, von dem eine Strophe hier übersetzt Platz finden möge:

Nur frisch zu trinken reichet her,
Und mehr als einen Congius,
Damit mein Herz, von Sorgen schwer,
Aufblühe von des Gottes Kuß.

Zwei andere junge Taugenichtse berauben einen Bauern seines Geldes. Dessen Klagen IV, 4 recht drastisch. Petriscus als Helfershelfer verdächtigt, wird vom Lehrer gerettet; die andern vom Richter verurtheilt. Aehnlich wie M. verfährt später in Deutschland Hayneccius, † 1611 (s. d.); Jörg Wickram’s „Knabenspiegel“ ist durch Gnapheus und M. angeregt. Die Komödien vom Studentenleben, eine Abart der Schuldramen, hat Erich Schmidt behandelt. Die Studentes des Chr. Stymmel, comoedia de vita studiosorum (1549) sind jedoch durch Gnapheus beeinflußt. – Der Stoff, der im Hecastus des M. behandelt wird, war dem pädagogischen Zuge im Wesen des Dichters sympathisch. Aus der englischen Moralität Every-Man, Dramatisirung einer ursprünglich buddhistischen Parabel, war eine niederländische Bearbeitung entstanden. Das Stück des Petrus Diesthemius (s. d.) ist verloren; eine lateinische Uebersetzung desselben von Ischyrius unter dem Titel Homulus (1536) hat offenbar unsern M. zu seinem Drama angeregt. Den Inhalt desselben hat Goedeke sorgfältig in seinem Buche „Every-Man, Homulus und Hecastus“ analysirt. Eilf Jahre nach dem Drucke des Hecastus hat M. (Utrechter Ausg. 1552) in einer Utr. 1550 datirten Vorrede sich gegen den Vorwurf vertheidigt, als wolle er erroribus quibusdam nostri temporis connivere et suffragari d. h. gegen den Vorwurf lutherischer Sympathien. Er habe nur zeigen wollen, wie ein Mensch, der nach einem verbrecherischen Leben plötzlich von Todesfurcht überfallen, zu keiner canonica poenitentia Zeit und Gelegenheit habe, wie dieser zu behandeln sei. Auch in diesem Stücke bewährt sich die plastische Kraft des Dichters, seine Kunst zu spannen und zu ergreifen. In Deutschland wurde es nicht blos zuerst gedruckt, in Köln bei dem Buchhändler Johann Gymnich (s. d.), sondern es fand, besonders bei den protestantischen Dichtern, Beifall und wurde oft übersetzt, vor allem von Hans Sachs 1549. Vier andere nennt Goedeke (a. a. O. 76). Der Kölner Buchdrucker Jaspar von Gennep (s. d. IV, 693[1]; jedoch finden sich da einige Irrthümer) hat Ischyrius’ (Stercks) Homulus ins Deutsche übersetzt 1540, und durch Einschaltungen aus dem Hecastus von M. erweitert, wie aus anderen Stücken, dem bekehrten Sünder Culmans und den Zehen Altern Gengenbach’s (s. d.). – Seinen Lazarus hat M. rasch geschrieben. Die kurz gemessene Zeit, wie er im Prolog selbst sagt, hat zu einer Entlehnung der Exposition aus dem Hecastus genöthigt. Der Schlemmer Laemargus will wie der Reiche im Hecastus ein Gastmahl geben. Auch er weiß die Frau Tryphera bald zu überreden. Der blinde Bettler Typhlus und der lahme Bronchus erwarten Hülfe von den Reichen; sie aber wie Lazarus werden von Daemones, dem Freunde des Laemargus, schnöde abgewiesen. Lazarus hält sie von bösen Worten ab. Er stimmt am Schluß des I. Actes einen Gesang in Glyconeen (nach Ps. 86) an, von dem die erste Strophe hier stehe:

Neige, bitt’ ich, o Herr, Dein Ohr,
Neige, waltender Gott, Dich mir,
Und erhöre den Bittgesang:
Hilflos bin ich und mitleidswerth.

Der Uebermuth und die Härte der Reichen steigen. Ergreifend wird dann dargestellt, wie mitten in den Tafelgenüssen (IV, 7) und dem Jubel der Gäste ein [25] Engel als Bote Gottes erscheint, dem Laemargus sein Ende anzukündigen, und dieser ausruft: O Freunde, es naht der Tod mir, naht der Tod. Den Reichen holen zwei Teufel, den Lazarus schützen Engel. Der Stoff war spröde genug: der nur leidende Mensch eignet sich nicht zum Helden eines Dramas. Die Contrastirung der Charaktere auch hier: den Schwelgenden mit ihrer Dienerschaft stehen die Bettler gegenüber. Diese wieder verschieden: der eine roh, gemein; der andere mitleidig mit Lazarus und durch dessen Seelenhoheit mitgerissen. Daneben ein flotter Fremdling, ein Grieche, der sein Gut verpraßt hat und nach Palästina gekommen ist, „vertrauend Saitenspiel, Gesang und Bettelei“ (II, 4). – In seinen Possenspielen Aluta, Andrisca, Bassarus zeigt M. sein komisches Talent. Grobe, oft rohe Stoffe; immer aber Anschaulichkrit der Darstellung und gute Charakteristik. Er wird nicht plump und platt wie so viele seiner Nachfolger. Auch Aluta hat er in vier Tagen geschrieben, dabei noch ein Schulamt versehen (ad lectorem). Die einfältige Frau des Bauern Heino erwartet auf dem Markte vergebens Käufer ihrer Hühner. Ueber das Stadtvolk klagt sie ähnlich wie beim Beginn der Acharner des Aristophanes Dikaeopolis, und rühmt die Bauern im Dorfe. Zwei Schwindler, Spermologus und Harpax, nahen sich; der eine giebt sich für ihren Neffen Petronius aus. Als Pfand für die gekauften Hühner, weil der eine seinen Geldbeutel vergessen hat, lassen sie ihr ihren eigenen Hahn zurück. In einer Kneipe betrinkt sich Aluta, und da sie nicht zahlen kann, nimmt ihr die Wirthin den Hahn ab. Alles will sie ihrem Mann klagen. Auf dem Heimweg jammert sie: Wie schief mir alles, alles geht; zu Boden sinkt Mir Erd’ und Himmel, meine Füße wanken. Ach! Wie schmerzt mein Kopf, mein Kopf! O Hein! errette doch Dein armes Weib. … Die Schwindler machen sich an sie; und da sie sich übergeben muß, nimmt der eine ihr die Kleider ab und steckt sie in ein Fischnetz. Heino sendet indeß seinen Sohn aus, die Mutter zu suchen. Aluta aber kennt sich selbst nicht mehr IV, 2: Zu Heino will ich, fragen ob Aluta ist Im Haus; stehts so, bin ich zu Grund gerichtet, doch Ist sie nicht heim, so strahlt ein Fünkchen Hoffnung noch. Der Kleine glaubt ein Gespenst zu sehen. Heino bringt seine Frau ins Haus. Im V. Act wird ein Priester geholt, der die Behexte, wie es in Shakespeare’s „Was ihr wollt“ an Malvolio geschieht, beschwören soll. Da Aluta vom Vater Bromios fortwährend redet, stellt sich ihr Leiden heraus. Der Priester räth, sie ausschlafen zu lassen. Der letzte Theil der Posse hat nichts mit dem bekannten Eulenspiegelschwank zu thun (Ulenspiegel Murner’s hggb. von Lappenberg, Historie 36). Es liegt ihm ein volksthümlicher Schwank zu Grunde, der uns wenigstens aus Grimm’s Märchen „Die kluge Else“ vertraut ist. Auch diese denkt: ich will nach Hause gehen und fragen, ob ich’s bin oder ob ich’s nicht bin, die werden’s ja wissen! – Ayrer hat in seinem „Possenspiel von einer versoffenen Bäuerin“ (Ayrer’s Dramen, hggb. von A. v. Keller IV. Bd. Nr. 40) die Aluta des M. bearbeitet. Ein Narr, Morio, tritt bei Ayrer als Prolog auf. Die lateinischen Personennamen sind nicht ganz beibehalten. Heino heißt Hans Themagen; statt der Wirthin Tolmesia bei Ayrer Dolmasius der Wirth; der „Pfarrherr“ heißt Mistores statt Mystotus. Die Behandlung ist roher und gröber. Was der Hörer schon weiß, wird ungeschickt nochmals erzählt. Die naive Grobheit aber wirkt ergötzlich. Von dem Hahne als Pfand ist übrigens nicht die Rede. Der eine Schwindler, sie heißen so wie bei M., will „Aluda Dickheutlein“ in „Sanct Sebalts Jahrkuchn“ führen, „daselbst bezahl ich euch die Wahr“. Sie ist es zufrieden, vertraut ihm, „weil du selber gehst mit mir“. Er übergiebt sie dem Dolmasius, und will nach Hause, um den vergessenen Beutel zu holen. Als sich beide Gauner wieder treffen, freut sich der eine selbst an diesem „Eulnspigels [26] Possen“. Der Wirth nimmt Aluda, da sie nicht zahlen kann, das „graßtuch“ und den „küpffern Milchkrug“ ab. Noch andere kleinere Abänderungen finden sich bei Ayrer. – Im Bassarus stiehlt der listige Bauer dem filzigen Schulzen und dem Pfarrer Wein und ihre Vorräthe; ihn unterstützen ein Parasit und seine Kinder. Dem Pfaffen ist nun die Einladung des Bassarus doppelt erwünscht. Seiner „Nichte“, die ihm seines Geizes wegen Vorwürfe macht, sagt er lügend die Wahrheit, er habe der Armuth des Menschen mit manchem leckern Bissen aufgeholfen. Diesem Betrug, meint Bassarus, der das mit angehört hat, gebührt Betrug. Ebenso bestraft sich des Schulzen Unehrlichkeit. Nach dem Schmause gesteht Bassarus, daß er sie mit ihrem Eigenthume bewirthet habe. In der Widmung an einen Freund sieht M. vorher, sein Stück werde manchem mißfallen, weil ein Priester vorkommt, der sonst brav, doch etwas zu habsüchtig ist. Bei den Menschen des 16. Jahrhunderts hat der Scherz seine volle Wirkung gewiß nicht verfehlt. Die Spieler verstanden gewiß die Farben in den vielen komischen Scenen derb aufzutragen. So nicht minder in der Andrisca. Der Bauer Georgus, der aufs Land geht, warnt seine Frau vor dem Becher, dem sie ergeben ist. Sie aber geht in die Kneipe. Das Mannweib von körperlicher Kraft und streitlustig (V, 1) glaubt um den Mann sich nicht kümmern zu sollen. Ihre Nachbarin, eines Gerbers Frau, hält es mit dem Pfaffen. Als sich beide Weiber treffen, entsteht bald Streit, sie werfen sich gegenseitig ihre Unthaten vor I, 3 vgl. III, 1. Die beiden Männer aber klagen sich ihre Noth. Endlich ermannen sie sich; der Gerber, der sein Weib überrascht hat, fährt sie an:

Ich soll wohl deine Schlemmerei und feile Lust
Aufnähren, du gemeines Priesterhurenweib? (meretrix sacrificularia (V, 4).

Sie wird geschlagen und soll in eine Pferdehaut gesteckt werden. Auch Georg rüstet sich zum Kampf (V, 9); da nicht Liebe hilft, so sollen Hiebe helfen (verba verbera). Besiegst du mich, so sei du im Hause Herr. Andrisca, trotz ihrer Kampfeswuth besiegt, verspricht Besserung. Die beiden Freunde versöhnen sich mit den Weibern. Der Priester muß mit Schmach bedeckt abziehen. – Eine Strophe aus dem Chor zu Ende des I. Actes lautet (Preis des Ackerbaus):

D’rum werde nie der Bauer roth,
Wenn ihn der Thor verhöhnt;
Er sei durch edler Menschen Lob
Und Ruhm dafür versöhnt. –

Zuletzt will ich aus dem Josephus wesentliche Stellen hervorheben. Das Drama hat eine einfache Anlage; die Handlung ist eine geschlossene. Gleich zu Anfang verabschiedet sich Potiphar von seiner Gattin Aegla. „Pharo“ hat ihm einen Auftrag an den König von Aethiopien gegeben; er müsse gleich fort. Sie fragt: nec mecum in cubili dormis? Pharo’s Befehl zwingt zu schleuniger Abreise; der König ist als orientalischer Despot gedacht. Als Verwalter des Hauswesens bestellt er während der Abwesenheit Joseph. Die Frau klagt, welches Leben sie führe, dem Winde verheirathet oder dem fühllosen Felsen. Einem solchen Manne untreu zu sein, glaubt sie ein Recht zu haben. Der zärtliche Abschied von ihm ist Heuchelei. Sobald er fort ist, bricht ihre Leidenschaft zu Joseph hervor. Sie ladet ihn zum Mahle Abends. Doch vorher unterrichtet Joseph die Dienerschaft und die Tochter der Herrin Asenath im rechten Glauben; es sei kein Anubis, Serapis etc. Seltsamer Weise hat Asenath über das Wesen der Trinität von Joseph richtige Vorstellungen gewonnen. Im II. Acte klagt Joseph, kein Tag vergehe seit des Herrn Abreise, daß sie ihn nicht verführe und seine Schwachheit bestürme (fragilitatem sollicitat, II,) 1). An dem Kerkermeister hat Joseph einen Freund. Ihm beginnt er sein Geheimniß anzuvertrauen, da sieht er [27] die Herrin vor der Thür. Er ahnt neuen Kampf. Nicht ohne Grund erscheint sie hier in schönerem Schmuck. Er grüßt sie. Aegla: warum er sie nicht lieber Liebste als Herrin nenne (II, 4). J.: Weil ich als Herrin nur dich kenne, nicht als Weib. A.: Ich aber will dich, schöner Joseph, nicht als Knecht. Er solle es doch thun; bist du fromm, so hilf mir. Ist das Nächstenliebe? Hat Gott die Liebe nicht allen Wesen eingeimpft? Joseph erwidert: Für den Menschen habe Gott Schranken gesetzt. A.: Hier hast du die Gewähr der Ehe; nimm den Ring! J.: Soll ich gegen den Herrn treulos und undankbar sein? A.: Er hat dir befohlen, alles zu thun, was mir Freude macht. J.: Alles will ich thun, aber keine Sünde. A.: Ohne dich ist mir alles ohne Süßigkeit. Sie verspricht, ihn bei Hofe zu fördern, aller Niedrigkeit für immer zu entheben.

Hörst du mein Flehen, meine Seufzer? Kannst du nicht
Ermessen, welche Liebesgluth dies Herz bestürm? …

J. Nein! nichts ist nützlich, was zugleich nicht sittlich ist.
A. Er quäle sie mit seinen Reden von Gott und der philosophischen Diftelei.

Sprich doch ein Wort der Liebe, sprich des Trostes mir!
Ach, harter Joseph, härter als der Caucasus,
Denn keine Bitten rühren dir dein starres Herz.

Allein, gesteht Joseph (II, 5), daß ihre Thränen ihm selber Thränen auspressen; aber lieber alles leiden, als Böses thun! Nach einer neuen Unterrichtsscene – eine solche Wiederholung schwächt freilich den Eindruck – in welcher Joseph nach den Tugenden fragt, scheut er sich ins Haus einzutreten, aber er thut es aus Pflichtgefühl. Drinnen bestürmt sie ihn aufs neue (II, 7); wenn er nicht gehorche, werde sie rufen, er thue ihr Gewalt. Joseph: Ha! das ist diese Liebesgluth? die unversehn’s In Zorn und Haß und Rache sich gewandelt hat? A.: Ich scherze, Liebster; niemand ist im Hause hier. Kein Zeuge unsrer Liebe! komm in meinen Arm! Da sie ihn an sich reißt und er zögert, schilt sie ihn Heuchler. Er flieht, und sie ruft das Gesinde herbei etc. Nach Potiphars Rückkehr zürnt Aegla (III, 2), daß er noch Josephs Verantwortung hören wolle. Dem Ehebrecher, sagt sie, glaubst du mehr als mir. Als Joseph eintritt: „Da ist ja dieses Hauses Säule! frag ihn doch!“ Joseph wird es schwer, sich nicht zu rechtfertigen, er kämpft mit sich. Doch sagt er nur: die Herrin weiß es. Und als er abgeführt wird, ruft er noch einmal: O Herr! Potiphar: Ich hör dich nicht. J.: Weh mir (III, 3). Dem schwachen Potiphar fällt die Wuth seiner Frau gegen Joseph auf, er glaubt an seine Schuld nicht, aber wagt nicht, gegen Aegla etwas zu thun. Endlich deutet Joseph im Gefängniß dem Mundschenk und dem Bäcker ihren Traum. Und am Ende des IV. Actes spricht Pharo sein Urtheil über den Bäcker. Darauf setzt er sich zum Mahl und läßt Musik spielen. Chorlied: Mächtig ist Liber, mächtig der König, mächtig das Weib, mächtiger als alle die ewig dauernde Wahrheit. Im V. Act wird Joseph, nachdem die Weisen Pharo’s Traum nicht deuten können, auf die Empfehlung des Mundschenks herbeigeholt. Die VI. Scene wird trotz dem trefflichen Dialog dem Leser zu lang, weil er den Inhalt der Erzählung des Kerkermeisters über Joseph schon kennt. Zum Schluß gewährt der erzürnte König auf die Fürbitte Josephs, welcher durch Aeglas Flehen gerührt ist, Potiphar und seiner Frau Verzeihung. Die Tochter Asenath sollen sie Joseph zur Frau geben. Und diese, herbeigeholt, erklärt sich bereit; ihr gefalle, was dem König und den Eltern genehm sei (V, 15) Vorher hatte der Dichter keine Andeutung der Liebe des Mädchens zu Joseph, noch umgekehrt Josephs zu ihr gemacht, was kein moderner Dramatiker sich versagt hätte. Schon aus der Skizze ersieht man, daß Joseph kein bloßer Schemen von Tugendhaftigkeit ist: Aeglas Liebesgluth erregt ihn heftig; auch die Furcht vor dem Tode erschüttert ihn, aber ihn stärkt der Glaube. Aegla ist gleich von Anfang heuchlerisch gegen [28] den Mann. M. setzt voraus, daß sie ihren schwachen Mann verachtet und Joseph schon lange liebt. Die Entfernung Potiphar’s ist ihr im Grunde erwünscht. Im Hause ist ihr niemand werth: gegen die Dienerschaft, welche sie roh und dumm nennt (I, 3), ist sie grausam (II, 3); auch die Tochter (I, 3) ist ihr gleichgiltig, weil sie dem Vater ganz ähnlich sei; nur Joseph liebt sie leidenschaftlich. M. stellt uns ihren Charakter als fertigen gleich im ersten Acte entgegen, während Gart (s. d.) in seinem Joseph (1540) zeigt, wie in Sophora nach langem inneren Kampfe das Böse wächst und allmälig siegreich wird. – Was die Schulschriften des M. betrifft, so hat sie Swertius und nach ihm Paquot am sorgfältigsten verzeichnet. Wo und wann die Lingua Latinae ac Graecae rudimenta erschienen sind, weiß auch Paquot nicht. Ebenso nicht, wo und wann die Syntax des Lateinischen, die Prosodia (in Hexametern), die prima praecepta dialecticae. Ueber die anderen und theologischen Schriften geben sie Auskunft, verzeichnen wenigstens die verschiedenen Ausgaben. Das Werkchen, „Epistolica“ betitelt, erschien zuerst 1546; auch unter dem Titel: „Methodus de conscribendis epistolis. Accessit epitome de paranda copia verborum et rerum“, Dilingae 1564 und öfter. Von den Epistolica ist ein Exemplar in Gotha, von der Methodus etc. in Köln (Mittheilung des Dr. J. Bolte). In der Bibl. zu Gotha befinden sich, wie mir ebenfalls Dr. Bolte mittheilt a) „Graecarum institutionum rudimenta“, Antv. 1571; b) „Prosodia, quae syllabarum accentum et quantitatem pedum metricorum numeros complectitur“, Col. 1562.

Swertius, Athenae Belg. S. 274. – Valerii Andreae Bibl. Belg. 265 ff. – Foppens, Bibl. Belg. 338. – von den bei Goedeke, Every-Man 214 citirten vgl. besonders Paquot, Mémoires litt. 1768 XII (nicht XI), – 204 f. Er sagt „aucun de ces écrivains ne parle exactement des ouvrages de Macropedius“, aber auch er führt nicht alles genau an und kennt nur 13 Stücke. – Schotel, Tilburgsche Avondstonden, Amst. 1850. p. 308 (meist aus Paquot). Auch S. kennt nur 13 Stücke, wie Ekker, Die Hieronymusschool te Utrecht, Utr. 1863. S. 26 und 44 mit Auszügen, Prologen aus einigen Stücken des M. etc. Auch Ekker setzt mit Burmann (Trajectum eruditum 200 f.) Andrisca ins J. 1534. Nach den Ausführungen oben unrichtig; 1539 richtig bei Goedeke, Grundriß 135. – Ein schönes Exemplar des Asotus 1537 Busciducis (Gerard, Hatardus excudebat) bef. sich in Berlin (K. Bibl.); von der Susanna, wie Dr. J. Bolte mir mittheilt, ein Exemplar in Bamberg (Coloniae 1540). Der Josephus und Petriscus sollen auch handschriftlich in Wien vorhanden sein, wie ebenfalls Dr. Bolte mittheilt. – Kämmel, Gesch. d. deutschen Schulwesens u. s. w., 215 f., und in Schmid’s Encykl. III, 522 f. – Dietrich Reichling, Joh. Murmellius, 32 f. – Francke, Terenz u. die l. Schulcom., 1877. S. 110 f., 155 f. – Holstein, Drama vom verlorn. Sohn. Progr. 1880. Nr. 256. – Erich Schmidt, Kom. vom Studentenleben, 1880. S. 7. 12. 26. – Wilhelm Scherer, Deutsche Studien, 1878. III, 29 und Quellen u. F. 21. – Ueber T. Gart Allg. D. Biogr. VIII, 372 f. von Scherer, und Neudruck des Joseph durch Erich Schmidt besorgt: Els. Littd. Bd. II, 1880). – Eine Uebersetzung des Joseph und des Asotus von M. ins Französische führt Marron an in der Biographie univ. 1860. XXV, 664, zu Anvers 1564 erschienen (Uebersetzer A. Tiron). – Weilen, Shakespeare’s Vorspiel zu der Widersp. u. s. w. 1884 S. 39 erwähnt die Nachahmung der Aluta des M. durch Schonaeus im Vitulus.[2]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 24 Z. 19 v. u. l.: VIII, 793 (statt IV, 639). [Bd. 29, S. 775]
  2. S. 28. Z. 4 v. u.: Jetzt ist zu vgl.: „Georg Macropedius. Ein Beitrag zur Litteraturgeschichte des 16. Jh.“ von Dr. Daniel Jacoby. Programm Nr. 63, 1886. Das Leben des M. wird ausführlicher erzählt; die Bibliographie – Schulschriften wie Dramen – genauer als bisher verzeichnet; S. 11 f. wird ausgeführt, daß weder eine Susanna noch eine Christi Passio von M. verfaßt sind. Von den Dramen sind bis jetzt nur Asotus, Petriscus, Josephus eingehender behandelt. [Bd. 24, S. 786]