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Artikel „Duncker, Karl“ von Maximilian Duncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 467–472, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Duncker,_Karl&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 16:31 Uhr UTC)
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Duncker: Karl Friedrich Wilhelm D., Buchhändler, geb. 25. März 1781, † 15. Juli 1869. Am Ausgange des 17. Jahrhunderts versah Johann Konrad D. das evangelische Pfarramt auf der Ippenburg in Westfalen. Im J. 1698 wurde ihm die unter dem Patronate des Domstiftes zu Minden stehende, der Collatur des Archidiaconats zu Lübbeke vorbehaltene Pfarre zu Lintorf übertragen. Hier schenkte ihm seine Frau aus der Familie Schlichthaber einen Sohn, dem er die eigenen Vornamen beilegte. Er starb als dieser erst das 6. Jahr erreicht, 1718. Der Sohn fand 1729 Aufnahme im Waisenhause zu Halle und vollendete hier seine Vorbereitung zum Studium der Theologie, dem er dann an der dortigen Universität von 1734–38 oblag. Von dem Consistorium zu Minden unter die Zahl der für die Grafschaft Ravensberg wählbaren Candidaten zugelassen, trat er vorerst als Lehrer beim Gymnasium zu Bielefeld ein. In Betracht seiner guten Dienste übertrug ihm der Magistrat der Stadt im J. 1745 das vacant gewordene Conrectorat an dieser Anstalt, welches D. unter den Rectoren Wesselmann und Hofmann bis zu seinem frühzeitigen Ableben am 15. Juli 1757 versah. Seine Frau, die Tochter des Pastors Christophori an der Neustädter Kirche zu Bielefeld, hatte ihm 1747 eine Tochter und 1749 einen Sohn, Christian Wilhelm, geboren. Wenige Tage nach dem Tode Duncker’s besetzte und plünderte die durch Westfalen nach der Elbe vordringende französische Armee Bielefeld. Hart von jener Plünderung betroffen, suchte seine Wittwe mit den beiden Kindern Schutz bei einer befreundeten Familie in der Mark. Aber auch hier, zu Kossenblatt bei Beeskow, wurde sie bald wiederum unmittelbar von den Verheerungen des siebenjährigen Krieges ereilt, als die russische Armee im August 1758 Küstrin in Brand schoß und ihre Kosaken diesseits der Oder auch Kossenblatt plünderten. Des Ueberrestes ihrer Habe beraubt, erbat und erlangte die Wittwe die Aufnahme ihres nunmehr neunjährigen Sohnes in das Waisenhaus zu Oranienburg, dessen Stiftung der große Kurfürst, falls seine Gemahlin Luise von schwerer Krankheit wieder genese, gelobt und danach (1662) errichtet hatte. Aus diesem Waisenhause wurde Christian Wilhelm D. 1765, 16 Jahre alt, mit der üblichen Aussteuer der Waisenknaben entlassen und bei einem Kaufmann zu Berlin in die Lehre gegeben. Wie er sich in Oranienburg wohlverhalten, erwies er sich im Geschäft so tüchtig, arbeitete so rüstig und lebte so sparsam, daß er in seinem 24. Jahre (1773) seine Aufnahme in die Gilde der Kaufleute und in die Bürgerschaft erlangen, ein Materialwaarengeschäft eröffnen, sein Haus vier Jahre danach (1777) gründen und Beziehungen mit den Beamtenkreisen der Hauptstadt anknüpfen konnte. Aber noch frühzeitiger [468] als seinen Vater ereilte ihn in jugendlichem Alter 1783 der Tod. Er hinterließ einen Sohn Karl Friedrich Wilhelm D., den ihm seine Frau, eine Tochter des Forstsecretärs Adolphi zu Küstrin, am 25. März 1781 geboren hatte.

Karl Friedrich Wilhelm D. war der dritte seines Geschlechts, der sich, wie sein Vater und Großvater in frühester Jugend vaterlos, durch eigene Kraft emporzuarbeiten hatte. Seine Mutter schloß eine zweite Ehe, durch welche das Geschäft, welches Christian Wilhelm D. gegründet hatte, erhalten werden sollte, aber die Verhältnisse hatten sich eng und kleinbürgerlich gestaltet und blieben in dieser Lage. Der Knabe besuchte das Kölnische Gymnasium; da ihn sein Stiefvater zum Kaufmann bestimmte, wurde er jedoch bald der damals von Schulze und Spazier begründeten Handlungsschule übergeben und mußte dann in ein kleines Ladengeschäft eintreten. Die in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts reich emporblühende deutsche Litteratur machte von Jahr zu Jahr stärkeren Eindruck auf den lebhaft empfänglichen Sinn des Lehrlings und Gehülfen. Er trachtete eifrig danach, in nähere Beziehung zu Büchern und Schriftstellern zu kommen. Dieses Streben und die Bekanntschaften, die er, von diesem getrieben, mit jungen Beflissenen des Buchhandels anknüpfte, mit Boicke und Behrend, der seit 1795 in der Mylius’schen Buchhandlung beschäftigt war, endlich mit August Campe, der in der Vieweg’schen Buchhandlung zu Berlin arbeitete, entschieden über seinen Lebensweg. Schließlich bestimmte der Rath August Campe’s seinen Entschluß, sich dem Buchhandel zu widmen, obgleich das 19. Lebensjahr bereits hinter ihm lag. Im November 1800 trat er seine Lehrzeit im Buchhandel bei Georg Voß in Leipzig an, der ihm nach Vollendung derselben im October 1805 seine volle Zufriedenheit „mit der bewiesenen Treue und Aufmerksamkeit, wie mit den erworbenen Kenntnissen“ bezeugte. In diesem seinem ersten Prinzipal hatte D. einen väterlichen Freund gewonnen, dessen Neigung und Achtung weiter zu bewahren ihm eine theure Pflicht war, wie eine warme in jenen Jahren geschlossene Freundschaft ihn mit dessen Sohne bis an sein Ende verbunden hielt.

Anfangs Februar 1806 trat D. in Berlin als Geschäftsgehülfe in die Buchhandlung Heinrich Frölich’s ein. Im Besitz wissenschaftlicher Bildung und von lebhaftem Interesse für die Litteratur erfüllt, hatte Frölich am 22. Sept. 1798 dem Buchhändler Vieweg, der seine Handlung nach Braunschweig verlegen wollte, das Privilegium derselben, welches 1799 auf ihn übertragen wurde, sammt den Ladenutensilien abgekauft und auf dieser Basis die Frölich’sche Buchhandlung errichtet. Von den Tendenzen des litterarischen Kreises ergriffen, der sich jüngst in Berlin zusammengefunden und mit seltener Begabung das frischeste Aufstreben verband, war Frölich mit den beiden Schlegel, mit Bernhardi, Gentz und Schleiermacher in naher Verbindung. Schlegel’s Athenaeum mit seinen eingreifenden, epochemachenden Abhandlungen, die die Weltanschauung der neuen Schule (die nachmals den Namen der romantischen erhalten hat) in kecken Umrissen ans Licht treten ließen, Bernhardi’s Begründung der Sprachlehre, Gentz’ politisches Journal gingen aus dem Verlage der jungen Buchhandlung hervor. Die neue Geschichtschreibung wies die pedantisch schwerfällige Gelehrsamkeit zurück und trachtete nach ästhetisch-dramatischer Reproduction der historischen Stoffe. Frölich publicirte das in diesem Sinne geschriebene Leben des Julius Cäsar von Meißner und die ersten Bände der Weltgeschichte von Karl Friedrich Becker. Nur sechs Wochen war es D. beschieden, an der Seite Frölich’s zu arbeiten. Ein plötzlicher Tod traf diesen am 14. März 1806. Die Geschäftsgenossen wurden in Kenntniß gesetzt, daß die Handlung von den Erben und Interessenten fortgeführt werde, daß dieselben „dem Herrn Karl D., der das Zutrauen des Verstorbenen besessen, die Verwaltung und Führung des Geschäfts übertragen [469] hätten“. 25 Jahre alt stand D. an der Spitze einer Handlung, selbständig und zugleich den Eigenthümern verantwortlich. Die Lage des Geschäfts fand sich verwickelt und schwer belastet. Die Wittwe Frölich’s glaubte nicht, daß sich die Handlung halten könne. D. war anderer Meinung und Friedrich Nicolai, dessen Rath eingeholt wurde, trat Duncker’s Meinung bei. Aber die Zeiten wurden täglich ungünstiger. Gleich in den zweiten Monat seiner Geschäftsführung fiel die Kriegserklärung Englands an Preußen, welche die Blokade unserer Küsten zur Folge hatte, und als der Disponent der Frölich’schen Buchhandlung zur Michaelismesse nach Leipzig aufbrach, stand die preußische Armee bereits am Thüringer Walde. Der Einmarsch des Davoust’schen Corps in Leipzig unterbrach die Messe, D. hatte den Rückweg durch die französischen Truppen zu suchen. Die Regelung der Forderungen und Verpflichtungen der Frölich’schen Buchhandlung traf unter so schweren Verhältnissen, die sich unter dem Kriege in Schlesien und Ostpreußen noch weiter steigerten und unter dem Drucke der französischen Occupation nicht erleichterten, bei jedem Schritt auf neue Hemmungen. Trotz Allem gelang es D., die Befreiung des Geschäfts von allen Verbindlichkeiten in etwas mehr als zwei Jahren zu Ende zu bringen. Als endlich die große französische Armee im December 1808 Preußen räumte und Berlin wieder verließ, als friedlichere Zeiten zu nahen schienen, entschloß sich D., das Geschäft, welches er aus bedrängter Lage in bedrängtester Zeit gerettet, von der Wittwe Frölich’s zu erwerben. Die Möglichkeit dieses Ankaufs gewährten die weiten Zahlungsfristen, die die Wittwe Frölich’s zu vereinbaren sich geneigt zeigte, und die Mittel eines Berufsgenossen, den D. im Dienst der Nationalgarde näher kennen gelernt hatte, Peter Humblot’s. Sie einigten sich, die Handlung zu gleichen Theilen zu erwerben und auf gleichen Gewinn und Verlust zu führen. Der Kaufpreis für das Privilegium, die Handlung nebst Utensilien betrug 11500 Rthlr., von welchen 5500 Rthlr. nach Ablauf der in Folge des Krieges und der französischen Occupation von der preußischen Regierung verfügten Indultfrist, d. h. am 24. Decbr. 1810 gezahlt, der Rest in zwölf halbjährigen Raten vom 1. Jan. 1812 bis 1. Juli 1817 abgetragen werden sollte; erstgedachte Summe sollte den Erben Frölich’s bis zur Zahlung mit 6 Procent, die Raten der zweiten bis zur Abtragung mit 5 Procent verzinst werden. Für die Abtragung der Ende 1810 fälligen 5500 Rthlr. mußte ein Unterpfand von 2000 Rthlr. gestellt werden. Zur Bestellung desselben wurde D. durch seinen Stiefvater in den Stand gesetzt, der ihm zu diesem Behufe eine ihm zustehende hypothekarische Forderung von gleichem Betrage darlieh.

Mit dem 1. Jan. 1809 begann die Frölich’sche Handlung unter der Firma Duncker & Humblot eine neue Laufbahn. Die Hoffnungen auf günstigere Zeiten gingen freilich nicht in Erfüllung. Gleich im Frühjahr kam der schwere Krieg Oesterreichs gegen Frankreich. Verbunden mit der Ungewißheit, ob Preußen in denselben eintreten werde, ließ er Handel und Wandel in der alten Bedrängniß, dann folgte mit dem Frieden von Wien die Spannung zwischen Frankreich und Rußland; der Heereszug Napoleon’s gegen Rußland wälzte sich durch Preußen hin und zurück; die Erhebung und die Anstrengungen der drei Jahre des Befreiungskampfes hinterließen eine Erschöpfung, welche kaum mehr als die Kriegsjahre selbst geeignet war, einem jungen Geschäft zu gutem Gedeihen zu helfen. Dennoch hob sich die Handlung Duncker & Humblot, nachdem nur erst die schwersten Hindernisse gewichen waren, rasch und glücklich. Wie D. seinen Beruf selbständig gewählt, wie er sich zu einem wohlgeschulten Geschäftsmann gemacht und seine Bildung sich selbst zu danken hatte, arbeitete er sich auch in seiner eigenen Weise empor. Sanguinischer Anlage, ging er guten Muths und selbstvertrauend [470] an seine Aufgaben, auch wenn sie ihm neu waren. Er wußte sich leicht zurecht zu finden. In seinem lebhaften, von gesundem Verstand, Freundlichkeit des Herzens und rascher Thatkraft zeugenden Verhalten lag ein gewinnender Zug, der ihm Neigung und Vertrauen eintrug.

Noch Anfänger bei Georg Voß hatte er den Weg zu dessen Herzen gefunden. Aber noch schneller hatten ihm Befähigung, Arbeitsamkeit und Rechtlichkeit das Vertrauen Frölich’s und seiner Wittwe gewonnen. Mit seinem Geschäftsgenossen, Peter Humblot, arbeitete er in ungetrübter Gemeinschaft und das Vertrauen, das dieser ihm gewährt, bewahrten ihm nach dessen frühzeitigem Tode (1828) dessen Wittwe und Kinder. Auch das Vertrauen seiner Berufsgenossen, seiner Mitbürger hat D. sein Leben hindurch begleitet. Er besaß die Gabe des Ordnens, Organisirens und Leitens. Von Gemüthsanlage weich und erregbar, war er leicht gerührt und leicht zu erzürnen, aber er wußte Haltung und Ruhe zu behaupten, wenn es sich um das Geschäft und ernste Dinge handelte, und verstand es, seiner Autorität nichts zu vergeben. Eine leiblich und geistig rüstige Natur, verband er mit einer schnellen und lebhaften Auffassung einen guten Takt und ein nicht leicht bestechliches Urtheil. Auf rasch vordringendes Handeln angelegt, fehlte seinem Wesen dennoch eine instinctive Besonnenheit nicht, so daß gute Zuversicht und weise Zurückhaltung in glücklichem Gleichgewicht bei ihm standen.

In richtigem Gefühle folgte D. in seinen Verlagsunternehmungen der Richtung, welche Frölich eingeschlagen hatte. Wenn an den tüchtigen Buchhändler der Anspruch gestellt werden muß, das Gute in der Litteratur zu kennen und zu erkennen und demgemäß in seinen Publicationen zu verfahren, so ist er diesem Anspruch gerecht geworden, ohne den Calcül, dessen der Kaufmann nicht entbehren kann, wenn er bestehen will, auszuschließen. Er hatte volle Empfindung für die Strömungen des geistigen Lebens und steuerte sein Schiff mit glücklicher Hand, indem er es fern hielt von den Sandbänken der Seichtigkeit und Frivolität, wie von den Klippen exclusiver Richtungen und extremer Tendenzen. Die historische Litteratur bildete den Kern seiner Unternehmungen. Der überkommenen Weltgeschichte Becker’s widmete er unausgesetzte Sorgfalt. Er bewirkte ihre Fortsetzung und ihren Abschluß und sicherte ihren Fortbestand durch vortrefflich gewählte Bearbeiter, so daß dieses Buch auch heute noch die sachlich unbefangenste und lesbarste Darstellung der allgemeinen Geschichte ist. Auf dem Felde der wissenschaftlichen Geschichtschreibung wurden die Meißner und Woltmann durch Heinrich Leo’s erste Arbeit, durch die Forschungen von Varnhagen und von Preuß auf dem Gebiete der preußischen Geschichte abgelöst. An die Stelle von Gentz’ politischem Journal trat Ranke’s politisch-historische Zeitschrift. Die neue Phase der historischen Litteratur, welche Ranke mit seinen „Fürsten und Völkern" eröffnet hatte, die diesen folgende Geschichte der Päpste, die Reihe der großen Werke Ranke’s, die Arbeiten seiner Schüler auf dem Gebiete der deutschen Geschichte, danach die Publicationen der historischen Commission zu München, die Ranke ins Leben gerufen, gingen, so weit sie sich an jene Arbeiten anschlossen, aus Duncker’s Verlag hervor. Derselbe brachte ferner sowol gediegene Beiträge zur Alterthumskunde, als die Geschichte des Alterthums von Max D.; A. Schmidt’s zeitgenössische Geschichten und Beitzke’s Befreiungskriege, endlich die eigentlich kriegsgeschichtlichen Werke von Blesson, Willisen und die grundlegende Darstellung des polnischen Aufstandes und Krieges von Smitt. Auf dem Felde der Litteraturgeschichte publicirte Duncker’s Verlag zusammenfassende Darstellungen der Entwicklung der deutschen, der französischen und spanischen Litteratur, zur Aufhellung unserer classischen Litteraturepoche werthvolle [471] Beiträge von Naeke, Wachsmuth und Riemer, von selbständigen Denkmalen Rahel’s Briefe und Goethe’s Briefwechsel mit Zelter.

Der Weltanschauung der romantischen Schule, die auf Fichte’s Subjectivismus fußte, war die der constructiven Philosophie im Sinne des Platon und Aristoteles, die Speculation Hegel’s gefolgt. Wie vordem das Athenaeum die Gedanken jenes Kreises, so brachten die bald in Duncker’s Verlag übergehenden „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik“ die Gesichtspunkte der neuen Speculation auf allen Gebieten der Litteratur zur Geltung. Späterhin sind dann die gesammten Werke Hegel’s, die Arbeiten seiner Schüler, welche die Theologie, die Jurisprudenz und die Aesthetik nach dessen System umzugestalten unternahmen, die Werke von Daub, Marheineke, Göschel, Erdmann, Gans, und das schöne Denkmal, das Rosenkranz seinem Meister gesetzt hat (Hegel’s Leben) aus Duncker’s Verlag hervorgegangen.

Die Gebiete der Jurisprudenz, der Naturwissenschaften und der Mathematik waren in Duncker’s Verlag nur durch wenige, aber ausgezeichnete Arbeiten vertreten, das erste durch Thibaut’s Werke und eine große Arbeit Dirksen’s, das zweite durch Werke von Wöhler und Lyell, das dritte durch Meier Hirsch, J. Magnus und Crelle’s Journal; endlich das Feld der schönen Litteratur durch die besten deutschen Romane, welche im zweiten und dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts geschrieben wurden, d. h. durch mehrere Darstellungen von Willibald Alexis und Ludwig Rellstab, wie derselbe Verlag auch die bedeutsamsten Schöpfungen Walter Scott’s dem deutschen Publicum durch die Uebersetzungen Spieker’s zuerst zugänglich machte. Auch der erste Versuch eines litterarischen Centralblattes, Büchner’s litterarische Zeitung, ist aus Duncker’s Verlag hervorgegangen. Mit Erfolg versuchte es der Herausgeber Karl Büchner, die Gesammtarbeit auf dem Gebiete der deutschen Litteratur zu erschöpfender Ueberschau zu bringen. Er wurde seiner Gründung leider zu früh entrissen. Noch in späten Jahren hat sich der Verleger D. auch ein Mal als Schriftsteller versucht. In seiner Jugend hatten ihn die dramatischen Schöpfungen unserer classischen Periode auf das lebhafteste interessirt. Aus diesem Antheil war ihm in den Jahren von 1807–13 ein näheres Verhältniß zu Iffland, dem damaligen Director des Berliner Schauspiels, erwachsen. Bei der Wiederkehr von Iffland’s Geburtstag nach hundert Jahren, 1859, erfüllte D. eine Pflicht dankbaren Andenkens, indem er dessen künstlerischen Leistungen und der nationalen Gesinnung, die Iffland in jener schweren Zeit vielfach bewährt hatte, eine einfache und würdige Gedenkschrift widmete.

Dies die Arbeiten, die D. in 60 Jahren von 1806–66 betriebsam vollbracht hat, und deren Ergebnisse. Sein Verlag zeigt einen Durchschnitt durch das geistige Leben der deutschen Nation, der von der höchsten wissenschaftlichen Forschung, von den Gipfeln der Litteratur bis zu dem Lehrbuch der Schule hinabreicht. Der Bildung der Nation hat derselbe unzweifelhaften Nutzen gebracht. Dem Gesammtinteresse des deutschen Buchhandels leistete D. seit dem J. 1824 bis zum J. 1866 als Mitglied des Vorstandes des Börsenvereins, als Mitglied des Ausschusses für die Errichtung der Buchhändlerbörse in Leipzig, des Verwaltungsausschusses und Wahlausschusses des Börsenvereins, endlich als vieljähriges Mitglied des Vereins der litterarischen Sachverständigen zu Berlin (1843–66) bereitwillige und ersprießliche Dienste. Der Versammlung der Stadtverordneten Berlins hat er 15 Jahre hindurch ununterbrochen angehört. Seine rege Theilnahme an deren Berathungen, der Eifer, mit dem er sich für gemeinnützige Anstalten bemühte, die Erfolge, mit denen er das Amt eines Schiedsmannes seines Stadtbezirks 30 Jahre hindurch verwaltete, sind bei seinen Mitbürgern in gutem Andenken.

[472] Den Mittelpunkt seines Glücks hat D. in seiner Familie gefunden; seine treffliche Lebensgefährtin stand ihm 58 Jahre hindurch mit treuester Hingebung zur Seite. Mit den hervorragenden Vertretern der Litteratur und Wissenschaft war er in lebhaftem persönlichen Verkehr; mit Gentz und Varnhagen, mit Hirt und Böckh, mit Wilken und Ranke, mit Hegel und Marheineke, mit Gans und Erdmann. Sein gastliches Haus stand ihnen offen. Mittheilend und angeregt in der Gesellschaft hatte er ein treues Herz für jeden, der ihm ein Mal näher gekommen war.

Die Jahre der rüstigen Kraft, in denen D. sein stattliches und bedeutendes Geschäft glücklich geführt hatte, gingen vorüber. Die Verbindung desselben mit den Verlagsgeschäften, welche seine Söhne Alexander und Franz gegründet hatten, erwies sich als unthunlich. Da zeigte sich ihm eine frische Kraft, welche geeignet war, die Handlung im Sinne seiner Mannesjahre fortzuführen. So ging Duncker’s Verlag, die Arbeit seines Lebens, im Januar 1866 an Carl Geibel jun. in Leipzig über, welcher denselben, zuerst unter Theilnahme seines Vaters, unter der alten Firma fortführte. Um einer Beschäftigung für seine letzten Jahre nicht völlig zu entbehren, behielt D. einige Verlagsartikel zurück, die danach Karl Heymons übernommen hat. Die Beschwerden des Alteres raubten D. die freundliche Stimmung des Herzens nicht. Den Heimgang seiner treuen Lebensgefährtin überlebte er nur einige Monate. Ein sanfter Tod im Kreise liebender und dankbarer Kinder endete am 15. Juli 1869 sein thätiges und begünstigtes Leben.