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Artikel „Hirsch, Meyer“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 467–468, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirsch,_Meier&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 12:04 Uhr UTC)
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Hirsch: Meyer H., Mathematiker, geb. 1765 in Friesack in der Mittelmark, † am 11. Februar 1851 in Berlin. Die Beispielsammlung aus den Gebieten der Buchstabenrechnung und der niederen Algebra, welche den Namen „Meyer Hirsch“ durch eine Reihe von Jahrzehnten zu dem volksthümlichsten auf deutschen Mittelschulen machte, erschien in erster Auflage 1804, in 14. von H. Bertram besorgter Auflage 1872, ein Beweis, daß sie durch die neueren Sammlungen wenn auch überholt, doch nicht ganz verdrängt worden ist. Der Verfasser fristete als Privatlehrer der Mathematik in Berlin sein, wie Zeitgenossen sich erinnern, ungemein bedürfnißloses Leben. Der Geschichte der Wissenschaft [468] gehört nicht blos die schon genannte Vereinigung von Uebungsbeispielen an, die einem damals wirklich dringenden Bedürfnisse vortrefflich abhalf, sondern auch eine in zwei kleinen Octavbändchen 1805–7 erschienene „Sammlung geometrischer Aufgaben“, welche wol nur dadurch von größerer Verbreitung zurückgehalten wurden, daß sie für den Anfänger vielfach zu schwierig waren; die „Integraltafeln“ (Berlin 1810) sind heute noch ein schätzbares, ziemlich selten gewordenes Hilfsmittel bei größeren Rechnungen mit häufig vorkommenden Integrationen. Auch die höhere Algebra zog H. in den Kreis seiner Studien und veröffentlichte 1809 einen ersten Band eines Werkes, welches unter dem ziemlich unscheinbaren Titel „Sammlung von Aufgaben aus der Theorie der algebraischen Gleichungen“ nicht weniger als eine allgemeine Auflösung der Gleichungen beliebig hohen Grades mit einer Unbekannten liefern sollte. H. war nicht unbekannt damit, daß ein italienischer Gelehrter, Ruffini, bereits 1803 die Unmöglichkeit nachgewiesen hatte, die so allgemein gestellte Aufgabe zu bewältigen. Er fand auch an Ruffini’s Beweisführung nichts auszusetzen und suchte den Widerspruch zwischen einer erwiesenen Unmöglichkeit und einer doch gelungenen Leistung so zu vermitteln, daß er annahm Ruffini habe nur die Unmöglichkeit im Auge gehabt, mittelst der bis dahin vorhandenen Methoden das Problem zu lösen, während er, H., von einer ganz neuen Methode Gebrauch machte, welche auf Untersuchungen von Lagrange sich stützte, so zwar, daß der bescheidene Verfasser in seiner Vorrede sich der Worte bedient: „daß dem Scharfblicke eines Lagrange diese einfache Bemerkung entging, sieht wahrlich einem Wunder ähnlich. Nicht ich bin der Erfinder; Er ist es; er wußte es nur nicht. Ob ich wol ohne ihn die Auflösung gefunden hätte? – Ich zweifle.“ Die vermeintlich allgemeine Lösung erschien als achter Abschnitt S. 302–360 jenes ersten Bandes, dem aber ein zweiter Band niemals nachfolgte. H. überzeugte sich, wie es scheint, von der Unrichtigkeit eines oder des anderen seiner Schlüsse; er suchte durch erneute Anstrengungen die Fehler zu verbessern, und diese nothwendigerweise fruchtlosen Bemühungen waren der Keim einer Geisteskrankheit, von der er nicht mehr genas. Man darf darum aber H. nicht in die gleiche Ordnung mit solchen Schriftstellern setzen, welche die Quadratur des Kreises, das Perpetuum Mobile und dergleichen auch in unserem Jahrhundert noch aufgefunden zu haben wähnen. H. verlor seinen Verstand über seiner Aufgabe: jene Anderen hatten keinen zu verlieren.

Poggendorff, Biogr.-litter. Handwörterb., I. 1110. Gersdorf, Leipziger Repertorium 1851, Nov. 1326.