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Artikel „Rosenkranz, Joh. Karl Friedrich“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 213–215, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rosenkranz,_Karl&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 15:28 Uhr UTC)
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Rosenkranz: Joh. Karl Friedrich R., geboren am 23. April 1805 in Magdeburg, † am 14. Juni 1879 in Königsberg i. Pr., der Sohn eines Steuersecretärs, erhielt den Elementarunterricht in der Cantorschule seiner Geburtsstadt, besuchte dann seit Ostern 1816 die höhere Bürgerschule und trat hierauf 1818 in das Pädagogium, „Kloster Liebenfrauen“ ein, wo er bereits einen polyhistorischen Wissenstrieb in Lesung zahlreicher Bücher bethätigte und in Anknüpfung an altdeutsche Poesie sich der damaligen Strömung der Romantik (Novalis, Steffens) hingab. Im April 1824 bezog er die Universität Berlin, wo er bei seinem mütterlichen Onkel, dem Mathematiker Gruson (s. A. D. B. X, 65) wohnte und neben Fortsetzung seiner mittelalterlichen Studien und Kenntnißnahme der Abhandlungen Schleiermacher’s zunächst Vorlesungen über Hegel’s Encyclopädie bei Henning hörte, an dessen Schwärmerei für Goethe’s Farbenlehre (s. A. D. B. XI, 777) er sich betheiligte; hierauf aber besuchte er die theologischen Vorlesungen Schleiermacher’s, Marheineke’s und Neander’s, woneben er sich mit Jean Paul, Eckartshausen, Baader, Fr. Schlegel und Görres beschäftigte. In religiöser Schwermuth verließ er zu Ostern 1826 Berlin und ging nach Halle, wo er noch bei Tholuck und Wegscheider Theologie fortsetzte, aber auch Philosophisches bei Tieftrunk und besonders bei Hinrichs hörte, durch welchen er veranlaßt wurde, Hegel’s Phänomenologie und Logik zu studiren. Ostern 1827 begab er sich noch auf ein Semester nach Heidelberg, wo er bei Daub hörte. Nach Magdeburg zurückgekehrt, schrieb er einen Aufsatz über Titurel und Dante (gedruckt 1829), worin er sich von der Romantik abzuwenden begann; auch studirte er behufs des Doctorexamens Rixner’s Geschichte der Philosophie und las die Hauptschriften Kant’s. Im Februar 1828 promovirte er in Halle mit einer Abhandlung über die Perioden der deutschen Nationallitteratur, und nach rascher Lesung Spinoza’s, schrieb er eine Dissertatio de Spinozae philosophia, mittelst deren er sich am 28. Juli 1828 in Halle habilitirte. Er las zunächst über die Nibelungen und über Religionsphilosophie, im Sommer 1829 über Ethik, später auch über Aesthetik. Der Reichthum polyhistorischer Kenntnisse, welchen er sich erworben hatte, und eine eigenthümliche Leichtigkeit schriftstellerischer Kundgebung ermöglichten ihm, in rascher Folge Arbeiten verschiedenartigen Inhaltes zu veröffentlichen, nämlich: „Ueber Calderon’s Tragödie vom wunderthätigen Magus, ein Beitrag zum Verständniß der Faust’schen Fabel“ (1829), „Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter“ (1830, bereits gegen die Romantik), „Der Zweifel am Glauben, Kritik der Schriften De tribus impostoribus“ (1830), eine Recension der Schleiermacher’schen Glaubenslehre in den Jahrb. f. wissensch. Kritik 1831, (später als selbständige Schrift 1836), „Die Naturreligion“ (1831 aus verschiedenen Reisebeschreibungen zusammengetragen) „Encyklopädie der theologischen Wissenschaften“ (1831, 2. Aufl. 1845), worin er im Gegensatze gegen die Romantik und Schleiermacher den Standpunkt der Religionsphilosophie Hegel’s systematisch durchführie. Daneben aber hatte er ausgearbeitet „Handbuch der allgemeinen Geschichte der Poesie“ (3 Bde., 1832 f.), welches auf Grund einer geistreichen Compilation den Grundgedanken einer fortschreitenden Entwicklung darzulegen versucht; auch gründete er (1832) für die thüringisch-sächsische Alterthumsgesellschaft eine „Neue Zeitschrift für die Geschichte der germanischen Völker.“ welche aber bald wieder einging. Im Juli 1831 wurde er zum außerordentlichen Professor und im Januar 1833 zum Mitgliede [214] der Prüfungscommission ernannt; im Herbste 1833 ging er als ordentlicher Professor an die Universität Königsberg ab, wo er den Lehrstuhl des nach Göttingen berufenen Herbart einnahm. Hier wirkte er als höchst anregender und von den Studirenden verehrter Lehrer bis gegen Ende seines Lebens, wo er infolge eines Augenleidens nahezu erblindet war; eine Unterbrechung seiner Universitätsthätigkeit war nur dadurch eingetreten, daß er vom Juli 1848 bis zum Januar 1849 in Berlin als vortragender Rath im Ministerium beschäftigt war. Seine zahlreichen Schriften gehören theils der speculativen Philosophie, theils anderen Gebieten, besonders der Cultur- und Litteraturgeschichte an; theilweise vereinigt sind beide Richtungen in seinen „Studien“ (fünf Hefte 1839–48) und „Neue Studien“ (vier Hefte 1875–78). Zur zweitgenannten Richtung gehören: „Zur Geschichte der deutschen Litteratur“ (1836), „Erinnerungen an Karl Daub“ (1837), „Ludw. Tieck und die romantische Schule“ (1838 in den Halle’schen Jahrbüchern, gegen die Romantiker), „Königsberger Skizzen“ (1842), „Ueber den Begriff der politischen Partei“ (1843), „Die freie Wissenschaft“ (1844), „Rede zur Saecularfeier Herder’s“ (1844), „Die Abschaffung des Duellzwanges“ (1845), „Pestalozzi“ (1846), „Goethe und seine Werke“ (1847, 2. Aufl. 1856), „Kant in Frankreich“ (1847), „Die Pädagogik als System“ (1848), „Topographie des heutigen Paris und Berlin“ (1850), „Das für Kant in Königsberg projectirte Denkmal“ (1852), „Aus einem Tagebuche v. 1833–46“ (1854), „Die Poesie und ihre Geschichte, Entwicklung der poetischen Ideale der Völker“ (1855). Als ein Mittelglied zwischen beiden Richtungen mag bezeichnet werden „Diderot’s Leben und Werke“ (1866), vielleicht das Vorzüglichste von Allem, was R. geleistet hat; in einigem Zusammenhange damit steht „Voltaire“ (1874 in Gottschall’s Neuem Plutarch). Der speculativen Philosophie, insbesondere der Hegel’schen, gehören an: „Sendschreiben an Bachmann“ (1844 zur Vertheidigung der Logik Hegel’s), „Das Verdienst der Deutschen um die Philosophie der Geschichte“ (1835), „Kritik der Hegel’schen Aesthetik“ (1836 in d. Jahrb. f. wissensch. Kritik), „Psychologie oder Wissenschaft vom subjectiven Geiste“ (1837, die 2. Aufl. 1843 wendet sich gegen die Angriffe Exner’s, 3. Aufl. 1863), „Kritische Erläuterungen zu Hegel’s System“ (1840), „Geschichte der kantischen Philosophie“ (1840 als 12. Band der Gesammtwerke Kant’s, nicht ohne bedenkliche Fehlgriffe), „Schelling, Vorlesungen“ (1843), „Schelling und Hegel, Sendschreiben an P. Leroux“ (1843), „Die Modificationen der Logik“ (1846 als 3. Heft der „Studien“), „Hegel’s Leben“ (1844 als Supplement zur Gesammtausgabe Hegel’s), „Aus Hegel’s Leben“ (1845), „Kritik der Principien der Strauß’schen Glaubenslehre“ (1845, 2. Aufl. 1864), „System der Wissenschaft, ein philosophisches Enchiridion“ (1850), „Meine Reform der Hegel’schen Philosophie, Sendschreiben an J. U. Wirth“ (1852), „Aesthetik des Häßlichen“ (1853), „Apologie Hegel’s gegen Dr. R. Haym“ (1858), „Wissenschaft der logischen Idee“ (1858 f.) nebst „Epilegomena zur Wiss. d. log. Idee gegen Michelet und Lassalle“ (1862), „Hegel’s Naturphilosophie und die Bearbeitung derselben durch den italienischen Philosophen A. Vera“ (1868), „Erläuterung zu Hegel’s Encyklopädie der Philosophie“ in der „Philosophischen Bibliothek, XXXIV (1870), „Hegel als deutscher Nationalphilosoph“ (1870 zur Saecularfeier). Im 3. Bd. der „Neuen Studien“ (1877) findet sich eine köstliche Besprechung des Spiritismus, sowie im 4. Bde (1878) Mancherlei über die neueste Philosophie, z. B. über Carriere’s Aesthetik. – Wenn bei der Spaltung der Hegel’schen Schule in eine linke und eine rechte für R. (durch Strauß) die Bezeichnung „Centrum“ üblich wurde, so verwahrte sich derselbe hiergegen nicht nur in den „Kritischen Erläuterungen,“ sondern auch in der kleinen Schrift „Das Centrum der Speculation, eine Komödie“ (1840). Er war allerdings seit seiner Befreiung aus den Anschauungen der Romantik einer [215] der geistreichsten Anhänger Hegel’s geworden, aber in völliger Abhängigkeit von demselben verblieb er nur in der Naturphilosophie und insbesondere in der Psychologie; hingegen in der Ethik und Rechtsphilosophie folgte er ihm durchaus nicht sclavisch, sowie er auch in der Aesthetik sich mehrfach an Weiße anschloß; vor Allem aber hat er in dem Hauptkerne der Hegel’schen Philosophie, nämlich in der Logik, sich von dem Meister der Schule in wesentlicher Beziehung entfernt, indem er in den betreffenden Schriften, besonders in der „Wissenschaft der logischen Idee“ einen selbständigen auf Scheidung zwischen Metaphysik, Logik und Ideenlehre abzielenden Standpunkt vertrat, welcher von den bloßen Nachbetern Hegel’s heftig angefeindet wurde.

Bis ins Einzelnste erstreckt sich die bis 1833 fortgeführte Selbstbiographie Rosenkranz’s „Von Magdeburg bis Königsberg“ (1873). – Rich. Quäbicker, Karl Rosenkranz, eine Studie zur Geschichte der Hegel’schen Philosophie (1879).