ADB:Preuß, Johann (Historiker)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Preuß, Johann“ von Fritz Jonas in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 581–584, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Preu%C3%9F,_Johann_(Historiker)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 03:42 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Pribislaw
Band 26 (1888), S. 581–584 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann David Erdmann Preuß in der Wikipedia
Johann David Erdmann Preuß in Wikidata
GND-Nummer 115650938
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|581|584|Preuß, Johann|Fritz Jonas|ADB:Preuß, Johann (Historiker)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=115650938}}    

Preuß: Johann David Erdmann P., Geschichtsschreiber, geb. am 1. April 1785 zu Landsberg a. d. Warthe. Sein Vater war daselbst Schneidermeister und stand bei seinem Gewerke in gutem Ansehn. Dem Sohne ließ er eine treffliche Erziehung zu Theil werden. Derselbe besuchte zunächst die Schule in seiner Heimathsstadt und seit October 1800 die Oberschule in Frankfurt a. O., welcher damals der Professor der Beredsamkeit an der dortigen Universität Johann Friedrich Heynatz (s. A. D. B. XII, 374) als Rector vorstand. In dem Programme dieser Schule von 1805, S. 47 heißt es: „Endlich ist noch zu bemerken, daß die gewöhnliche Lobrede auf den Prämienstifter Reimann diesmal von Johann David Erdmann P. aus Landsberg, einem unserer fleißigsten, hoffnungsvollsten und gesittetsten Primaner, wird gehalten werden“. Ostern 1806 bestand er die Abgangsprüfung, und in dem Reifezeugniß wird gerühmt: „a praeceptoribus omnibus summas industriae probitatisque laudes meruit praesertim in linguis et rebus historicis“. Er bezog zunächst die Universität Frankfurt a. O. und studierte Theologie. Neben seinen Studien gab er in einer Familie de Wilde den Töchtern Privatunterricht, und als diese Familie 1807 nach Berlin übersiedelte, folgte er ihr dahin und trat in das derselben verwandte Haus der Wittwe eines Banquier Benecke als Hauslehrer ein. Als die Universität Berlin 1810 eröffnet wurde, setzte er an dieser seine Studien fort und verließ dieselbe erst im Februar 1813, nachdem er neben einigen philologischen Collegien bei Wolf und Buttmann namentlich die theologischen und philosophischen Vorlesungen Schleiermacher’s und de Wette’s gehört hatte. P. hatte wol einige Male in Wilmersdorf bei Berlin, wo er meist die Sommermonate hindurch mit seinen Zöglingen wohnte, gepredigt; aber er fühlte sich mehr zum Amte eines Lehrers als zu dem eines Predigers berufen, und zunächst genügte ihm die Stellung als Privatlehrer, die ihm die Zeit ließ, sich nach seinem Gefallen auch schriftstellerisch zu beschäftigen. Seine Erstlingsschrift war eine Rede, die er beim Abschiede seines ältesten Schülers aus dem Elternhause gehalten hatte, und führte den Titel: „Winke und Andeutungen für Jünglinge beim Eintritt ins bürgerliche Leben“. Berlin 1812. Schon im nächsten Jahre erschien eine zweite Auflage. Fast gleichzeitig gab er eine Anthologie heraus: „Blüthen aus guten deutschen Schriften gesammelt zu Denksprüchen, auch als Stoff und Anlaß zu weiterem Nachdenken“. Sammlung 1–3 1812 bis 1814. An diese schlossen sich noch zwei weitere Theile unter dem veränderten Titel: „Alemannia“, deren erster 1842 in fünfter Auflage ausgegeben werden konnte. Daneben gab er 1814–1816 einen zweibändigen Leitfaden der Litteraturgeschichte heraus unter dem Titel: „Die schönen Redekünste in Deutschland“; ferner 1814 eine „deutsche Sprachlehre“ und „pädagogische Sendschreiben“, sowie 1816 „Staats- und Kulturgeschichte des Alterthums“. Erst im März 1816 bewarb er sich um ein öffentliches Amt und wurde nach einer Probelection zum Lehrer der deutschen Sprache, Geschichte und Geographie an das Königl. Friedrich Wilhelms-Institut (medieinisch-chirurgische Pepiniere) berufen. Dieses Amt, das ihm anfänglich nur ein Einkommen von 280 Thalern gewährte, versah [582] er mit Eifer und Geschick bis 1860. Daneben behielt er die Stellung im Beneckeschen Hause bis zum October 1817 bei und hielt bei seinem Abschiede in feierlicher Versammlung eine Rede, die er später als „Zugabe“ dem ersten Theile seiner Alemannia unter der Ueberschrift: „Meine Erziehungsgrundsätze“ einverleibte.

Von jetzt ab beschäftigte sich P. fast ausschließlich mit der vaterländischen Geschichte. Noch 1816 erschien seine „Preußisch-brandenburgische Geschichte unter den Königen“, und in demselben Jahre beginnt er die Vorarbeiten zu seinem großen Werke: „Friedrich der Große. Eine Lebensgeschichte.“ 4 Bde. nebst einem Urkundenbuche in fünf Theilen. Berlin 1832–1834, mit dem er, wie er in der Vorrede zum vierten Bande schrieb, erst nach sechzehnjährigen Vorarbeiten hervortrat. Ein Bruchstück aus dieser Lebensgeschichte hatte er kurz vor ihrem Erscheinen gleichsam als Vorläufer unter dem Titel herausgegeben: „Ist Friedrich II., König von Preußen irreligiös gewesen?“ Die Schrift hatte rege Beachtung gefunden, und als nun in schneller Folge der Bände das Hauptwerk mit der fast erdrückenden Fülle bisher unbekannter Urkunden erschien, da wurde wie mit einem Schlage Preuß’ Name in weiten Kreisen bekannt und geehrt. Zwar haften dem großen Werke wol auch Mängel an. Der Bienenfleiß des Verfassers und die Begeisterung für seinen Helden scheinen fast die Schärfe der Kritik beeinträchtigt zu haben, und Wichtiges wie Unwichtiges wird vielfach mit gleicher Ausführlichkeit behandelt. So hat über die Fülle der Einzelheiten die Disposition an Klarheit und die Darstellung an Lebendigkeit und Schwung verloren. Aber mit Recht durfte P. in der Vorrede rühmen, daß sein Werk mit Liebe und Treue erforscht und mit der einzigen Rücksicht auf Wahrheit verfaßt worden sei. Wo er in diesem Werk wie in seinen anderen Schriften über Friedrich den Großen etwa seinen Helden über Gebühr gelobt hat, da ist dies aus seiner aufrichtigen, bis zur schwärmerischen Verehrung gestiegenen Begeisterung für denselben zu erklären, aber fern lag seinem reinen Charakter jede bewußte Schmeichelei oder gar berechnende Fürstendienerei. Als eine wahre Schatzgrube für alle künftigen Biographen Friedrichs wird sein fleißiges Werk immer Bedeutung behalten.

Rasch folgten jetzt noch einige andere Schriften über seinen Helden, so im Jahre 1834 ein Auszug aus dem großen Werke: „Die Lebensgeschichte des großen Königs Friedrich von Preußen. Ein Buch für Jedermann“ (2 Bde.), und im Jahre 1837 das wichtige Buch: „Friedrich der Große als Schriftsteller; Vorarbeit zu einer echten und vollständigen Ausgabe seiner Werke“. Im nächsten Jahre erschien zu dieser Schrift noch eine Ergänzungsschrift. Das Buch sprach die Mahnung aus, daß zur hundertjährigen Jubelfeier der Thronbesteigung Friedrichs seine Werke in einer würdigen Gesammtausgabe herausgegeben werden möchten. Das war ein Wort zur rechten Zeit und zum rechten Manne gesprochen; denn gewidmet war die Schrift dem damaligen Kronprinzen. Dieser griff den Gedanken lebhaft auf, und noch im Jubeljahre 1840 selbst wurde auf königlichen Befehl die Veröffentlichung der Werke des großen Königs auf Staatskosten in einer würdigen Prachtausgabe angeordnet und die Redaction unter Oberaufsicht der Akademie dem Professor P. übertragen. Diese Ausgabe wurde fortan Preuß’ eigentliche Lebensaufgabe, und es war ihm auch noch vergönnt, das große Werk, an dem seine Seele hing, selbst zu Ende zu führen. Im Frühjahr 1857 wurden die letzten Bogen der Oeuvres de Frédéric Le Grand gedruckt, die in doppelter Ausgabe von je dreißig Bänden erschienen. Die eine in Imperial-Quartformat mit den herrlichen Bildern Adolf Menzel’s gehört zu den prächtigsten und besten Erzeugnissen der deutschen Buchdruckerei und Holzschneidekunst; die andere Ausgabe in Octavformat und ohne Bilder, für das große Publicum bestimmt, ist zwar minder prächtig, aber auch würdig und schön ausgestattet.

[583] Preuß’ Textredaction kann den inzwischen verschärften Anforderungen der wissenschaftlichen Kritik nicht in allen Einzelheiten entsprechen; aber über allen Zweifel erhaben ist seine Hingabe, sein Fleiß und das Verdienst, daß nur durch seine unermüdlichen Nachforschungen eine große Zahl von Urkunden, Briefen und Manuscripten aller Art, die den großen König betreffen, aufgespürt worden sind, die sonst zweifelsohne zum Theil schon nach kurzer Zeit der Vernichtung anheimgesallen wären. So bleiben seine Arbeiten für alle Zeit von Bedeutung, und kein Forscher der Geschichte Friedrich’s wird verkennen können, daß P. auf diesem Gebiet den Grund gelegt hat. Einen andern Ruhm hat er nie erstrebt, vielmehr selbst gerade die Weiterförderung der Belehrung über Friedrich durch Andere als seinen besten Lohn sich gewünscht. (Friedr. d. Gr. als Schriftst. Vorrede). „Wie lange“, so schrieb P. einmal in einem vertrauten Briefe, „habe ich auf dem Markt gestanden und gewartet, ob einer käme, der mich in seinem Weinberge brauchen wollte; sie lachten. – Ich aber zog mich still bescheiden zurück in meine Hütte, entbehrte, strebte vorwärts.“ Da galt es ihm denn als größte, beglückendste Genugthuung, daß schließlich doch gerade er in ehrenvoller Weise als der geeignetste Gelehrte zur Ausführung des Werkes berufen wurde, zu dem er die Anregung gegeben und im Stillen sich schon ein Vierteljahrhundert vorbereitet hatte. Auf dem engen Forschungsgebiete, auf dessen Erforschung er sich beschränkt hatte, war er und galt er ein Lebensalter hindurch als der unbestritten gründlichste Kenner, und er selbst glaubte sich vor Andern berufen, gewissermaßen als Wächter der Ehre seines Helden immer auf Posten zu stehen. Jede, auch die kleinste Beeinträchtigung des Ruhmes Friedrich’s schmerzte und reizte ihn mehr, als Kränkungen und Tadel, die gegen ihn selbst gerichtet waren. Er hatte nie Anerkennung gesucht, noch zur Anstachelung seines Eifers gebraucht; die freudige Begeisterung an seiner Arbeit machte sein Glück aus. Aber freilich mehrte sich der Schwung der Begeisterung noch mit der Theilnahme, die seine Arbeit fand, und in diesem Sinne konnte er sich auch der ehrenden Auszeichnungen freuen, die er empfing. So ward ihm vom Könige 1834 das Prädicat eines Professors und in demselben Jahre von der Universität Breslau der Doctorgrad honoris causa verliehen (de historiae Friderici Magni colligendo, disponendo, edendo insigniter merito). Am 17. Juli 1841 folgte seine Ernennung zum Historiographen der Brandenburgischen Geschichte, womit ihm ein lebhafter Wunsch erfüllt wurde, weil ihm so seine Lieblingsarbeit geradezu zum Berufe gemacht wurde und der Titel seiner Thätigkeit entsprach. Andere Ehren, wie Ordensverleihungen, Audienzen und die Aufnahme in gelehrte Gesellschaften, übergehe ich. Neben den sehr zeitraubenden Redactionsarbeiten und Correcturen sowie seiner Lehrthätigkeit konnte P. sonstige größere Arbeiten nicht mehr beginnen; aber eine große Zahl kleinerer Aufsätze in Zeitschriften sowie einige Festreden, die in den unten als Quellen genannten Schriften einzeln angeführt sind, ergänzten mannigfach seine große Friedrichsbiographie, die er gern selbst noch einmal überarbeitet hätte. Doch als er nach Beendigung seiner großen Arbeit und nach Niederlegung seines Lehramtes im Jahre 1860 endlich Muße fand, fühlte der fünfundsiebzigjährige Greis sich größeren Arbeiten nicht mehr gewachsen, zumal seine Augen ihre Kraft verloren. Aber ganz konnte er nicht ruhen, und so schrieb er, um in weiten Kreisen das Verständniß und damit die Liebe und Verehrung für die Hohenzollern zu erwecken, häufig dahin zielende Aufsätze für die Vossische Zeitung, deren letzter noch zwei Tage vor seinem Tode zum Abdruck kam und noch einmal seine schon früher ausgesprochene Meinung bekräftigte, daß das Lied „Jesus meine Zuversicht“ nicht von der Gemahlin des großen Kurfürsten selbst gedichtet sein könne.

[584] P. war zweimal verheirathet. Seine erste Gattin Louise geborene Krüger starb nach 21jähriger Ehe 1847. Im nächsten Jahre heirathete er Louise geborene von Kehler. Beide Ehen waren kinderlos, aber sehr glücklich. Hatte er seine erste Frau „den Schatz seines Lebens“ genannt, so sagte er im Gefühl des nahenden Todes über die zweite: „Wenn man solche Frau hat, stirbt man nicht gern“. Reich war auch sein Leben durch die Freundschaft, die ihn mit einer großen Zahl bedeutender Männer eng verband, unter denen ich nur Beyme, Alexander v. Humboldt, v. Reyher, Rauch und Varnhagen erwähne, deren Briefe an P. jetzt im Archiv des Königl. Hauses aufbewahrt werden. Namentlich die Briefe Rauchs sind für die Geschichte der Entstehung des Friedrichsdenkmals von hohem Interesse und bezeugen, wie eifrig und erfolgreich P. dem Künstler als historischer Berather gedient hat. Im 83. Lebensjahre starb P. am 25. Februar 1868 an einem Herzschlage und wurde am 28. desselben Monats auf dem Friedhofe der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin bestattet. Eine treffliche Marmorbüste, die nach seinem Tode der Bildhauer Hagen arbeitete, befindet sich im Besitz der noch jetzt lebenden Wittwe Preuß’.

Quellen: Potthast, Professor J. D. E. Preuß. Zeitschr. f. preuß. Gesch. und Landeskunde 1868. – Graf Lippe-Weißenfeld, Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Ballei Brandenburg 1881. Wo ich von den in diesen Quellen angeführten Daten abgewichen, that ich es auf Grund urkundlicher Papiere aus Preuß’ Privatacten, deren Mittheilung ich seiner Wittwe verdanke.