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Artikel „Pribislav“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 584–586, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pribislaw&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 13:18 Uhr UTC)
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Pribislav: P., ältester Sohn des Niclot (s. A. D. B. XXIII, 575), Knese (regulus, princeps) oder Fürst von Mecklenburg, † am 20. December 1178, war der erste Fürst des deutschen Reiches aus dem Stamme der heutigen mecklenburgischen Großherzoge. Seit Ernst von Kirchberg’s Reimchronik und namentlich seit Marschalcus Thurius nannte man ihn irrig Pribislav II., weil man den Stamm Niclot’s auf den wendischen Königsstamm des Gottschalk und Heinrich zurückführen wollte und deshalb den Neffen des letzteren, Butue’s Sohn, der aber nur Herr v. Wagrien und Polabien mit Ausnahme des Burgwarts Schwerin war, als Pribislav I. in den Stammbaum setzte. Erst Wigger hat 1885 diesen Mißgriff beseitigt. Vielleicht hat P. schon den Pirateneinfall nach den dänischen Inseln 1158 mit geleitet; im Aufstande Niclot’s von 1160 versuchte er mit seinem Bruder Wertislav den mißlungenen Ueberfall auf Lübeck. Daß die beiden Brüder dann nach Zusammenziehung der obotritischen Streiter um Werle an der Warnow vom sächsischen Heere zwischen Burg Mecklenburg und Schwaan geschlagen wurden, veranlaßte die unglückliche Unternehmung, welche zu Niclot’s Tode führte. Herzog Heinrich der Löwe strafte die beiden jungen Fürsten durch Abnahme des gesammten Obotritenlandes, ihres altangestammten fürstlichen Erbes, und ließ ihnen nur die früher liutizischen Ländchen Kissin und Circipanien rechts der Warnow. Hier verbanden sich Pribislav und Wertislav, die nun Fürsten von Kissin genannt wurden, mit den Ranen und den unter den christlichen pommerschen Fürsten Bogislav und Kasimir stehenden heidnischen Ostseeslaven zu wilden Piratenzügen, als deren Hauptrückhalte Wollin und Werle dienten; Werle wurde ein Hauptplatz des Sklavenhandels. Das führte den König Waldemar I. zum Flottenzuge gegen Wollin und den Grafen Gunzel von Schwerin, als Stellvertreter Herzog Heinrichs zur Belagerung von Werle, in dessen Burg sich Wertislav 1163 ergeben mußte. Er wurde, nachdem auch P. sich unterworfen hatte, als Geisel nach Braunschweig geführt. Aber schon im J. 1164 erhob sich P. von Neuem, überfiel Mecklenburg mit Tödtung der deutschen Bewohnerschaft unter Bruch des Uebergabevertrages, nahm auch Malchow und Kussin (Quetzin). Ilow wurde durch Gunzel von Schwerin für [585] den Herzog gerettet, der nun eilig heranzog, vor dem eingeschlossenen Malchow den herbeigeführten Wertislav wegen des Vertragsbruches hängen ließ und P. nach der Schlacht bei Verchen am Cummerowersee zur Flucht nach Pommern zwang. Heinrich selbst rückte bis Stolp an der Peene vor, wo er sich mit Waldemar von Dänemark traf. Nach einer anscheinend sicheren Combination müßte P. am 29. April 1164 zu Demmin vom Bischofe Berno (s. A. D. B. II, 467) in Beisein der Pommerfürsten getauft sein; es müßte das zwischen der Unterwerfung von 1163 und dem Ausbruche des Aufstandes geschehen sein; die Zeit klingt aber unwahrscheinlich. Erst 1166 kam es wieder zu Verhandlungen mit Herzog Heinrich und 1167 während des sächsischen Aufstandes zur vollen Ausgleichung, in welcher P. alle alten Besitzungen seines Geschlechtes mit Ausnahme der Grafschaft und des Stiftes Schwerin zurückerhielt; im Anfange des Jahres 1170 wurde er dann vom Kaiser als Fürst des deutschen Reiches, freilich als Lehensträger des Herzogs Heinrich anerkannt; hieß aber noch 1171 Fürst von Kissin, und erst in diesem Jahre wurde dieser Titel in Fürst von Mecklenburg verwandelt, doch heißt P. auch regulus Obotritorum. Schon 1170 hat er im Verein mit Bischof Berno, welcher einst dem Cistercienserkloster Amelungsborn von der Linie Morimund angehörte, die folgereiche Berufung der Cistercienser aus demselben Kloster nach dem Wendenlande ins Werk gesetzt, indem er den fürstlichen Hof Doberan mit dessen slavischer Cultusstätte dem Orden zu einer Klosteranlage überwies. Im Jahre der Domweihe zu Schwerin, an der P. theil nahm, 1171, zog der erste Convent in Doberan (jetzt Althof) ein. Damit war den Hansen der Weg zu den mecklenburgischen Buchten, nach Rostock und Wismar, gewiesen und die nachhaltige Bekehrung und gründliche Germanisirung durch den Slavenfürsten selber begonnen. Auch den dänischen Cisterciensern von Esrom eröffnete er die Besiedelung der Einöde von Dargun, die sie aber erst in seiner Abwesenheit besetzten. Im Januar 1172 schloß er sich der Pilgerfahrt Herzogs Heinrich nach Jerusalem an, als er am Ende des Jahres heimkehrte, fand er seine Gemahlin Woizlava im Wochenbette verstorben und in der neuen Abteikirche Doberan (Althof) begraben. Als P. 1178 einen Hoftag in Lüneburg besuchte, starb er am 30. December in Folge einer Verwundung im Turnier und ward bei den Benedictinern zu St. Michaelis begraben; dort ruhte er noch 1219. Die Doberaner Tradition will aber, er sei schon 1215 dahin übergeführt; später mag es geschehen sein; ob das von Lisch in der Mitte des nördlichen Kreuzflügels vor dem Hochaltar der Klosterkirche von (Neu-)Doberan gefundene Grab das seinige sei, steht nicht fest. Ueber seiner Gemahlin Woizlava oder Woizläu ruht Dunkel außer ihrem Namen, und daß sie als Gründerin von Doberan genannt wird und 1172 dort begraben ist; den Rest ihrer Gebeine fand Großherzog Friedrich Franz I. in Althof. Das Kloster machte sie zu einer norwegischen Fürstentochter, und Lisch suchte das durch Gleichheit der Fußbodenfliesen in Althof, Doberan und im Cistercienserkloster Hovedöe bei Christiania zu sichern. Aber alle diese Ziegel kamen fraglos aus Nordfrankreich, und die slavisch benannte Fürstin stammt sicherlich aus normannisch-warägischem, russischem Geschlechte. Seinen einzigen Sohn Heinrich Burwy (bellator), den die Doberaner Sage während des Pilgerzugs irrig geboren werden ließ, hatte P., wahrscheinlich gleich nach seiner Aussöhnung 1167, mit der natürlichen Tochter Heinrich’s des Löwen, Mechthild, († vor 1219) vermählt. Gleich nach Pribislav’s Tode brach ein Aufstand der Slaven gegen Burwy und das Christenthum aus, der das Kloster Doberan 1179 verwüstete, die 78 Insassen tödtete und ebenfalls Dargun zu verlassen zwang. Ein nicht völlig in seinen Einzelheiten aufgeklärter Krieg zwischen König Kanut von Dänemark (seit 1182) und Jarimar von Rügen gegen Bogislav von Pommern, Niclot (Nicolaus), Wertislavs Sohn, und Heinrich [586] Burwy ließ letzteren in Jarimar’s Hände fallen, der ihn an Kanut auslieferte. Von dem askanischen Herzoge von Sachsen hatte er sein Land nicht zu Lehen genommen, entbehrte daher auch des mächtigen Schutzes. Das Ende war, daß er 1183 gegen Uebernahme der dänischen Lehnsherrschaft aus dem Gefängniß entlassen wurde, aber die Herrschaft Rostock jenem Nicolaus überlassen mußte. 1186 stellte er Doberan an seiner heutigen Stelle wieder her. Als dänische Vasallen zogen beide 1200 gegen Graf Adolf v. Ratzeburg (v. Dassel), und Nicolaus fiel dabei im Kampfe bei Waschow, wodurch die obotritischen Lande wieder zusammen an Heinrich Burwy kamen. Dieser starb am 28. Januar 1227 und wurde im neuen Doberan begraben. Der Name P., auch verändert in Primico und Pribike, kommt noch für 3 Nachkommen Heinrich Burwy’s in der unglücklichen Fürstenlinie Parchim vor, die sich nach zeitweiligem Besitz auch von 1249–1312 v. Riechenberg, v. Wollin, v. Daber und Belgard nannte.

S. außer den Quellen zum Artikel Niclot: Usinger, deutsch-dän. Gesch. – Wigger in Lisch, Meckl. Jahrb. 28 und 40, namentlich aber Meckl. Jahrb. 50. Lisch das. 2 und 19. – Die Hauptoriginalquellen sind: Helmold, Arnold. Lub., Saxo Gramm., Meckl. Urk. Buch I. – Ueber die Pribislav v. Parchim-Riechenberg, vgl. Beyer in Lisch, Jahrb. 11, S. 36–97. Ferner 50, S. 269 ff.