ADB:Lisch, Friedrich
Albrecht II., Herzog von Mecklenburg, [753] und die norddeutschen Landfrieden“ erscheinen, und wußte in demselben Jahre am 22. April, dem Tage des vollendeten 50. Jahrs der Regierung des Großherzogs Friedrich Franz I., die folgenreiche Gründung des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu erzielen; diesem auch schon im nächsten Jahre das Erscheinen eines eigenen Organs „Jahrbücher des Vereins“ etc., denen sich später noch Quartalsberichte anschlossen, zu ermöglichen. Diese Jahreszeitschrift, deren 48. Jahrgang jetzt eben erschien, ist für die Geschichte Mecklenburgs und Norddeutschlands von ganz bedeutendem Einfluß geworden, sie bildete zunächst auch eine sichere und leicht zugängliche Niederlage für die Berichte aller Alterthumsfunde im Lande, sogar auch für die von Naturalien und ein Depot für die Mittheilungen zur Kunst- und Kulturgeschichte im weitesten Sinne des Worts. Schon im 4. Jahrgange erschien von L. selbst die wichtige Buchdruckerei-Geschichte von Rostock. L. verstand es ausgezeichnet, durch Schrift und persönliches Einwirken anzuregen, zum Sammeln anzuspornen, mit Zuhülfenahme des Druckes auf persönliche Liebhabereien und Eitelkeit nicht nur das Hergeben der Funde, das Oeffnen der Privatarchive, sondern auch das Bewilligen von Geldmitteln und die Uebernahme von oft schwieriger und langwieriger Arbeit zu erreichen. So gelang ihm die Begründung einer kostbaren Vereinsbibliothek und im Anschluß an das großherzogliche Antiquarium die Schaffung der jetzt weltberühmt gewordenen Alterthümersammlung in Schwerin, deren Werth noch dadurch bedeutend gehoben wurde, daß L. vom Großherzog die Genehmigung der gemeinsamen Aufstellung der beiderseitigen historischen und prähistorischen Schätze erzielte. Jetzt sind sie in das neue Museumsgebäude aufgenommen. Im Aufsuchen der Alterthümer war L. persönlich außerordentlich thätig, zuweilen ließ ihn dann freilich sein Eifer das Opfer gutgemeinter Scherze, aber auch gewinnsüchtiger Täuschungen werden. Wissenschaftlich behandelte er zunächst die ältere großherzogliche Sammlung, indem er Prof. Schröter’s verdienstliche Abbildungen „Friederico-Francisceum“ 1837–1844 zum Abschluß brachte; fast zahllose Aufsätze in den „Jahrbüchern“ folgten Jahr für Jahr, oft freilich hatte L. dazu nur den Namen hergeliehen. Erfolgreich war die nicht von ihm ausgegangene, aber zäh ausgesponnene und festgehaltene Theorie der drei prähistorischen Zeiten: des Stein-, Bronze- und Eisenalters, deren jedes nachher in zwei Perioden zerfällt wurde. Er verstand alle entgegenstehenden Daten trotz ihrer Widerhaarigkeit in diese Schablone einzufügen oder einzuquetschen oder sie durch Ignoriren zu beseitigen, so daß Virchow ihm neben dem Gymnasialdirector Danneil zu Salzwedel mit Recht dem Dänen Thomson gegenüber die Vaterschaft dieses Systems zuschreiben konnte. Es war allzu bequem für die Prähistoriker; beherrschte daher geradezu die europäische Gelehrtenwelt, hat für die Sammlungen manches genützt, für die Wissenschaft aber auch viel geschadet, und weicht erst jetzt langsam, namentlich durch die Forschungen Lindenschmit’s und Horstmann’s. Der Traum einer besondern Bronzekunst des Ostseegebiets begeisterte L., wie die dänischen Forscher. – Nicht minder arbeitete er sich in die mittelalterliche, vorzugsweise die kirchliche Kunst ein, wie eine große Reihe Aufsätze, vor allen die über die herrliche Cistercienserkirche von Doberan, bezeugen. Daß er bei seiner Vielgeschäftigkeit und Hast gelegentlich irrte und noch öfter übersah, thut seinem Verdienste nicht Abbruch. In der Geschichte liegt sein Hauptverdienst in der Eröffnung zahlreichster Quellen für die Kunde Mecklenburgs, seiner Fürsten und seiner Verhältnisse im Mittelalter, die eigentlich sichtende, kritische Arbeit hat aber der jetzige Geh. Archivrath Wigger geleistet. Schon im ersten Jahre berieth der von L. begründete Verein die Herausgabe eines mecklenburgischen Urkundenwerks, eines Codex diplomaticus, die der spätere Archivrath Masch betrieb, der Verein stellte sie aber zurück, um zunächst ein von demselben und [754] dem Rostocker Professor Kämmerer in Vorschlag gebrachtes, später aber auch nicht zu Stande gekommenes Regestenwerk über sämmtliche gedruckte mecklenburger Urkunden in die Hand zu nehmen. Statt dessen fing L. selbst an ungedruckte Urkunden zu sammeln, die in 3 Abtheilungen 1837 (Dargun) bis 1842 erschienen. Vier alte Geschlechter wünschten nun auch ihre Familiengeschichte urkundlich dargestellt zu sehen, und L. führte die weitschichtige Arbeit durch: es waren die von Maltzan und Maltzahn (1842–53; 5 Bände), die Hahn (1844–1856, 4 Bde.), v. Oertzen (1847–1866, 3 Bde.) und die Behr (1861 bis 1868, 4 Bde.). Die Arbeiten sind tüchtig und werthvoll, wenn auch nicht überall von strengster Kritik, da die Sucht vorwaltet, thunlichst viel Slavenfamilien zu entdecken. Die Archivalien kamen dem wesentlich von L. betriebenen und ins Leben gerufenen „Mecklenburgischen Urkundenbuche“ zu statten, dessen seit 1863 erschienenen 12 Bände bis 1350 reichen und eine Musterarbeit darstellen. L. gebührt dabei der Dank für einen großen Theil des mühsamen Sammelns, das Verdienstvollste, die Redaction, auch das spätere Sammeln fällt dem Ruhme von Friedrich Wigger zu, daneben Masch und Beyer; die älteren Rostocker Nachrichten bearbeitete der Oberappellations-, jetzt Oberlandesgerichtsrath Dr. Heinrich Mann, die Wismarer mit einem Theil der schwierigen Revision und des Abfassens der gediegenen Register: Dr. med. Friedr. Crull, während den anderen Rector Römer in Grabow lieferte. Auch an der Redaction der Jahrbücher waren neben L. der Reihe nach Pastor Bartsch, Gymn.-Dir. Dr. Wex, der spätere Geh. Archivrath Dr. Beyer, dann der jetzige Geh. Archivrath Dr. Wigger betheiligt, welcher letztere jene seit 1881 allein leitet. Von anderen Arbeiten Lisch’s mag noch „Mecklenburg in Bildern“ (1842–45) genannt sein, dem sich 1860 bis 1863 das „Album mecklenburgischer Schlösser und Landgüter“ anreihte. Seine Schrift „Mecklenburgisches Wappen“, 1861, stellte dessen Figuren und Farben fest. L. war also ein höchst bedeutsamer Gelehrter von größtem wissenschaftlichen Einfluß. Seine Anregungen und Bestrebungen werden noch lange nachwirken, wenn die Schwächen seines Wesens, vor Allem das eifersüchtige Niederhalten tüchtiger, ja manigfach ihm überlegener jüngerer Kräfte, vergessen sein wird. Fürst, Universität, Akademien und Vereine in Menge, selbst in fernen Landen, häuften Ehren auf ihn. 1848 ernannte ihn die philosophische Facultät Rostock zum Doctor honoris causa, 1852 wurde er Conservator der Geschichts- und Kunstdenkmäler des Großherzogthums, 1856 Archivrath, 1867 Geh. Archivrath. Der Großherzog verlieh ihm die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, eine Reihe auswärtiger Orden schmückten ihn. In den letzten Jahren war der rüstige Mann nicht ganz ohne sein Zuthun zur traurigen Ruine geworden, schon als 1880 bei der großen anthropologisch-ethnologischen Ausstellung in Berlin sein Name als einer der ersten der Welt auf prähistorischem Gebiete genannt wurde. Der Tod erlöste ihn aus einem völlig gebrochenen Leben.
Lisch: Georg Christian Friedrich L., † als großherzoglich mecklenburg-schwerinscher Geh. Archivrath a. D. zu Schwerin am 22. Septbr. 1883, war am 29. März 1801 zu Strelitz (Alt-Strelitz) geboren, besuchte das Gymnasium zu Güstrow und studirte mit einer Unterbrechung 1822–1827 in Rostock und Berlin Theologie, daneben Geschichte, auch Mathematik. Das Historisch-sprachliche zog ihn zumeist an, und so erschienen von ihm 1826 „Beiträge zur allgemeinen vergleichenden Sprachkunde“. Als Candidat der Theologie wurde er am 16. Oct. 1827 als Collaborator am Gymnasium Fridericianum in Schwerin angestellt und warf sich hier auf historische Studien, die seine Ernennung zum großherzogl. Archivar am 2. Juli 1834 veranlaßten. 1835 ließ er dann als „einen urkundlichen geschichtlichen Versuch“ die Abhandlung „- Einzelne Data nach Zeitungsnekrologen.