Sponsel Grünes Gewölbe Band 2/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den II. Band des Tafelwerkes – Uhren

Trinkgefässe Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 2 (1928) von Jean Louis Sponsel
Uhren
Figuren
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II. UHREN

Das Grüne Gewölbe besitzt eine ganze Reihe von Werken, in denen die Arbeit des Gold- und Silberschmieds, ja auch die des Drechslers und des Steinschneiders und -schleifers vereinigt ist mit der feinmechanischen Arbeit des Uhrmachers. Diese sind ebensoviel Zeugnisse dafür, daß den Instrumenten der Zeitmeßkunst größtes Interesse entgegengebracht wurde, nicht nur denen der Stunden des Tages, sondern auch der Tage, Wochen und Monate unseres in zwölf Monate geteilten Sonnenjahres nach dem von Julius Cäsar schon 46 v. Chr. eingeführten Julianischen Kalender, der in dem von Papst Gregor XIII. 1582 eingeführten sogenannten Gregorianischen Kalender vervollständigt wurde, sondern auch den damit verbundenen Vorstellungen der Bewegung der Himmelskörper im Weltraum und ihrer je nach der Jahreszeit am Himmel ihren Ort wechselnden Stellung oder Erscheinung, so der Mondphasen. Solche Standuhren zum Hausgebrauch, denen die Turmuhren vorangegangen waren, sind im 16. und in der Frühzeit des 17. Jahrhunderts mit ihren astronomischen und kalendarischen Schaltungen nach dem geozentrischen oder Ptolemäischen System eingerichtet; also nach jener antiken Vorstellung des Weltgebäudes, das noch die Erde als dessen Mittelpunkt, Sonne und Mond noch als Planeten [39] betrachtete. Die Uhrmacher, die von der von den Astrologen berechneten Himmelsmechanik eine Vorstellung geben wollten, hatten dabei oft große Schwierigkeiten zu überwinden, so z. B. bei der mechanischen Darstellung der scheinbar in Schleifenbahnen sich vollziehenden Planetenläufe. Neben diesen Darstellungen zeigten sie mit den Zifferblättern die sogenannten Planeten- oder jüdischen Stunden an. Diese Stundenangabe ist oft eine verschiedene; zumeist wurde nach der welschen (böhmischen) Uhr und nach der Nürnberger großen und kleinen Uhr gerechnet. Diese paßte sich in Beginn und Stundenzahl der natürlichen Tag- und Nachtlänge an. Für diese sehr bewegliche Stundenrechnung verwendete man verschiedenfarbige Bleche, meist ein silbernes für die Tagstunden und ein blaustählernes für die Nachtstunden, die sich gegen- und übereinanderschoben. Dann gab es noch Zifferblätter für die Kalenderelemente, für den Ablauf des Geh- und Schlagwerks u. dgl. Man hatte das größte Interesse daran, alles dieses und was man auch schon in den Kalendern gedruckt ablesen konnte, wie den jeweiligen Stand von Sonne und Mond, der Planeten, die Monate, Wochen und Tage des Jahres durch kunstvollen Mechanismus greifbar vor Augen zu haben. Dieses Interesse hatte noch die Wirkung, daß die Arbeiten des Mechanikers eine immer kostbarere Umhüllung erhielten, indem diese Umhüllung in kunstvoller Weise verziert wurde, mochte auch dafür zunächst vorwiegend vergoldetes Kupfer verwendet worden sein, das dann bei größerem Aufwand für fürstlichen Besitz dem vergoldeten Silber, ja dem durch Email und Edelsteine zu farbiger Wirkung gebrachten Gold weichen mußte. Die Liebhaber solcher Werke erwarben sie nicht nur zum eigenen Gebrauch in ihrer Wohnung, sondern sie legten davon ganze Sammlungen an, die dann in den fürstlichen Kunstkammern besonders geschätzte Abteilungen bildeten, wobei wohl die Kunstuhren den wichtigsten Bestandteil bildeten, zu denen Instrumente aller Art für Zwecke der Astronomie, der Mathematik, der Meßkunst, der Optik hinzukamen, endlich aber auch mechanische Spielereien mit künstlich bewegten Figuren, sogenannte Automatenwerke und Musikwerke. Bei der Auflösung der Dresdner Kunstkammer unter August dem Starken kamen jene Uhren, Automaten und Musikwerke, soweit deren fast stets sehr kunstvoll ausgestattete Fassungen nicht gerade aus Silber oder Gold bestanden, in den Mathematischen Salon, während die in kostbareren Stoffen ausgeführten Werke dem Grünen Gewölbe zugewiesen wurden, so kann man jetzt je nachdem Werke eines und desselben Meisters in beiden Sammlungen antreffen.

[40] Im hohen Mittelalter war der Gebrauch von Uhren äußerst spärlich, die Glockenzeichen der Stunden, die von Kirchen und Klöstern gegeben wurden, genügten, um das bürgerliche Leben zu regeln. Als Zeitmesser wurden neben den Sonnenuhren die Wasser- und die Sanduhren benutzt und diese blieben auch noch lange in Gebrauch, nachdem die Verwendung von Räderuhren zugleich auch die Verbreitung öffentlicher Schlaguhren zumeist als Turmuhren im 14. Jahrhundert herbeigeführt hatte, denen anfangs ein uns heute unerläßlich scheinendes Uhrzifferblatt fehlte, ebenso auch wohl die Vereinigung des Gehwerks der Uhr mit dem Schlagwerk der Turmglocke. Zumeist gab wohl ein Weckerwerk dem Türmer den Ablauf der Stunden an, den dieser durch Anschlag der Turmglocke verkündete. Solche öffentliche Uhren des Turmgemaches bedurften noch keines Gehäuses, ihr unverziertes eisernes Gerüst gestattete den Einblick in ihr Räderwerk, doch wird schon früh die sichtbare Glocke von automatisch beweglichen Figuren angeschlagen, sowohl auf Kirchtürmen, wie Rathäusern und Stadttürmen, oder es wird auch ein unsichtbares Glockenspiel mit der Uhr verbunden.

Erst das Aufblühen der Städte im 15. Jahrhundert und die damit wachsende Regsamkeit des Bürgertums, die durch das Aufblühen des städtischen Kunsthandwerks ermöglichte reichere Ausstattung der Wohnräume führte zu der Einführung von kleineren Hausuhren mit Federzugwerk; damit zugleich erwachte das Bedürfnis, die Uhren nicht nur als bloße Gebrauchswerke, sondern auch als Kunstwerke auszugestalten, das je nach dem größeren Geldaufwand sich entsprechend glänzender befriedigt sah. Die Städte in Flandern und Brabant gingen nicht nur in Wohlstand, sondern auch in industrieller Betätigung den Städten in Deutschland, auch Augsburg und Nürnberg, im Ausgang des Mittelalters voran. Und so ist unter allen Räderuhren mit Federzugwerk das früheste und kostbarste Stück die für Herzog Philipp den Guten von Burgund zwischen 1430 und 1435 entstandene Standuhr, im Besitz des Herrn Marfels in Neckargemünd bei Heidelberg. Nach dem Geschmack der Zeit ist das Gehäus dieser Uhr aus vergoldetem Kupfer als ein von zwei Türmen gekrönter gotischer Kapellenbau ausgestaltet nach Art der Kapellenreliquiare, wie solche z. B. im Domschatz zu Aachen zu sehen sind. Dieses Werk ist bisher die früheste Räder-Hemmungsuhr mit spiraligem Federzugwerk, deren Schnecke auch schon Darmsaitenzug besitzt. Das Werk muß auch schon mit figürlichem Automaten ausgestattet gewesen sein. Es ist zugleich ein frühestes [41] Zeugnis dafür, daß die Fürsten die eifrigsten Förderer der Uhrmacherkunst gewesen sind.

Jenem größten Sammler und Kunstkenner des 15. Jahrhunderts, der zahlreichen ersten Künstlern und Kunsthandwerkern durch seine Aufträge die Möglichkeit zu glänzender Entfaltung gab, folgt im 16. Jahrhundert mit gleichen Bestrebungen und gleichen Erfolgen in Deutschland Markgraf Albrecht IV. von Brandenburg (1490–1545), der Erzbischof von Mainz und Magdeburg, der zumeist in Halle residierte. Daß auch er schon für Standuhren mit Räderwerk Interesse hatte und solche in der kostbaren Ausstattung seiner Wohnung auf der Moritzburg in Halle nicht entbehren mochte, davon zeugt noch der Entwurf zu einer Standuhr mit Wecker und Schlagwerk in der graphischen Sammlung des bayrischen Nationalmuseums in München, die in vergoldetem Messing hergestellt werden sollte. Der Vermerk darauf, „dieser Fuß gefelt meinem gn. fst. herren“ läßt annehmen, daß die Uhr auch tatsächlich ausgeführt worden ist. Die inzwischen eingetretene Stilwandlung zu den Formen der Renaissance ist besonders an dem hohen Fuß und seinem Sockel mit auf Delphinen und Seepferden reitenden Putten wahrnehmbar. Ein Putto auf der Laterne des sechseckigen turmartigen Gehäuses hält die Insignien und den Wappenschild des fürstlichen Bestellers; die an den drei sichtbaren Seiten des geschlossenen Gehäuses und an der Vorderseite der Laterne angebrachten Zifferblätter bekunden, daß die Uhr schon außer den Stunden auch schon alle übrigen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts allgemein aufkommenden kalendarischen und astronomischen Zifferblätter und Gehwerke enthielt. Wenn wir als Urheber des Entwurfs für das Gehäus wohl Peter Flettner anzusehen haben werden, so fehlt doch jeder Anhalt dafür, welchen Wohnsitz der für die Ausführung des Mechanismus in Aussicht genommene Uhrmacher hatte.

Bekannter als Albrecht wurde im 16. Jahrhundert als Liebhaber von Uhren aller Art Kaiser Karl V. (1500–1558). Wir wissen aber nicht, ob sich darunter auch besonders künstlerisch ausgestattete Werke befunden haben.

Mehr wissen wir von den Sammlungen des Sohnes von Kaiser Ferdinand I., Karls V. Bruder, dem Erzherzog Ferdinand von Tirol (1520–1595), dem Gemahl der Welserin, der seit 1563 auf Schloß Ambras bei Innsbruck seine Sammlungen vereinigte, die heute zumeist im Wiener kunsthistorischen Museum aufgestellt sind. Darin konnte man alles finden, was die Liebhaberei der Zeit in einer Kunstkammer zusammenbrachte. Unter den Kunstuhren, Instrumenten [42] und Automaten seiner Sammlung befanden sich auch zwei große noch in Wien vorhandene Uhrplanetarien, das eine in Böhmen, das andere 1584 in Konstanz gearbeitet, ferner Automatenwerke, die damals vornehmlich in Augsburg hergestellt wurden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war überhaupt das Interesse für solche mechanische Feinarbeiten und ihre künstlerische Ausstattung aufs höchste gestiegen. In der Vorliebe für diese Werke und in ihrem durch eigene astronomische Studien geförderten Verständnis für sie stehen drei deutsche Fürsten an erster Stelle: Kurfürst August von Sachsen (reg. 1553 bis 1586, geb. 1526), Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Cassel (reg. 1567–1592, geb. 1532), und Kaiser Rudolf II., geb. 1552, König von Ungarn 1571–1608, König von Böhmen 1575–1611, Kaiser 1576–1612.

Wir sind gewohnt, Augsburg und Nürnberg als die Stätten anzusehen, an denen zuerst und am vorzüglichsten diese Werke entstanden, in denen eine hohe mathematische Gelehrsamkeit mit hervorragendem technischen Können und entwickeltem Kunstgefühl vereint sind, wir finden aber auch an einzelnen anderen Orten in Deutschland ganz die gleichen hochentwickelten Begabungen. Es sei nur erinnert an die viele Generationen in Blüte stehende aus Schaffhausen stammende Uhrmacherfamilie der Habrecht, von denen die zwei Brüder Isaak und Josias die Straßburger zweite Münsteruhr von 1574 mit ihren Automatenfiguren geschaffen haben, von der manche andere abhängen, während die künstlichen und kunstvollen kleineren ebenso ausgestatteten Hausuhren wie die im Britischen Museum zu London von 1589 und die vor 1618 vollendeten in Schloß Rosenborg in Kopenhagen nicht geringere Bedeutung hatten.

Die Namen der Nürnberger Instrumentenerfinder und Uhrmacher sind verbunden mit denen der berühmtesten deutschen Gold- und Silberschmiede. Davon zeugt u. a. die berühmte messingene Meßscheibe, beiderseits mit Radierungen von Jost Ammann 1578 verziert im Mathematischen Salon. Sie stammt ja auch von keinem geringeren, als dem berühmten Nürnberger Goldschmied Wenzel Jamnitzer (1508–1588). Auch von dem nicht minder kunstvollem Nürnberger Goldschmied, dem Schwager W. Jamnitzers, Elias Lencker, † 1591, besitzt der Mathematische Salon eine Uhr mit Schlagwerk, die auf einem Kassettenschränkchen steht. Indessen belehrt uns die Herkunft hervorragender Werke dieser ganzen Gattung aus jenen berühmtesten Kunstkammern, daß die zu ihrer Erfindung und Ausführung erforderlichen Kenntnisse in Mathematik und Physik, in Mechanik und [43] Astronomie und eine hochentwickelte Kunstfertigkeit nicht auf die in jenen beiden Städten wirkenden Meister und Gelehrten beschränkt waren. Gerade jene fürstlichen Gelehrten und Sammler wußten tüchtige Männer an ihren Wohnort zu ziehen oder in ihren Landen zu beschäftigen, und gar manche der von diesen ausgeführten kunstvollen Erzeugnisse sind in gemeinsamer Arbeit der Fürsten mit ihren Kunsthandwerkern entstanden. So besitzt der Mathematische Salon eine für den Kurfürsten August unter Leitung des hessischen Landgrafen Wilhelm IV. 1563–1568 hergestellte monumentale Kunstuhr in architektonisch gegliedertem tempelartigen Gehäus aus vergoldeter Bronze, die in vielen Scheiben neben den Stunden einen ewigen Kalender, den Lauf der Planeten, den des Mondes und der Sonne vorzeigt, ein Werk von Marburger Meistern. Auch der künstlerische Schmuck mit allegorischen Figuren steht mit der technischen Höchstleistung der Mechanik auf gleicher Höhe. In Cassel befindet sich noch einer der großen für den Landgrafen hergestellten Himmelsgloben.

Nicht minder tüchtige Meister waren unter dem Einfluß Kaiser Rudolfs II. in Prag tätig, als deren hervorragendster Erasmus Habermehl aus Buchholz bei Annaberg in Sachsen anzusehen ist, der dort wohl die Lehre des Astronomen Tycho de Brahe genießen konnte. Von diesem im Mathematischen Salon ein Boussoleninstrument, ein Triquet, Sonnenuhren und astrologische Berechnungsscheiben. Allem Anschein nach ist auch in Prag für Kaiser Rudolf II. um 1600 die aus vergoldeter Bronze angefertigte Uhr-Vase mit eiförmigem Körper hergestellt (Tafel 19), die mit einem Doppeladler über den Bügeln gekrönt ist und in deren Körper das Gehwerk und Schlagwerk einer Uhr untergebracht ist. An Stelle eines Zifferblattes ist auf die Öffnung des schlanken Halses der Vase eine drehbare Kugel aufgesetzt, die auf einem wagrechten eingravierten Reifen die Stundenzahlen enthält, während als Uhrzeiger ein auf dem Öffnungsrand der Vase stehender Putto zu dienen hat. Solche als Stundenweiser dienende Figuren, zumeist Saturn, werden wir noch mehrfach kennen lernen. Die Uhrvase bildet eine Ausnahme von den verschiedenen Typen der Standuhren. Eine Wiederholung dieser Vasenform, sicher von demselben Meister ausgeführt, war 1900 im Handel. (Vgl. Helbings Monatshefte I, München 1900, S. 56. Tafel 9.) Während der Körper und der Fuß der Vase mit gepunztem Rankenwerk in Relief geschmückt ist, ist am Rand der beiden Hälften der zu öffnenden Eiform je eine Zone ausgesägten durchbrochenen Rankenwerks [44] angebracht, damit der Glockenschlag der Uhr besser hörbar wird. In Dresden arbeitete für Kurfürst August wohl unter dessen Mitwirkung Christoph Trechsler 1584 einen Wegmesser. Dieser selbe Meister hat auch für den Annaberger Meister Abraham Riese, den Sohn des bekannten Rechenmeisters Adam Riese ein im Mathematischen Salon erhaltenes Boussoleninstrument mit Höhendiopter 1589 gearbeitet, der von dort aus, dem Hauptort des sächsischen Bergbaues, als Geometer tätig war. Dem Einfluß dieses Mannes scheint es zuzuschreiben, daß sich um ihn ein erzgebirgischer Kreis praktischer Mathematiker und Feinmechaniker gruppiert hat. Wie Erasmus Habermehl aus Buchholz bei Annaberg stammte, so Caspar Buschmann, der Stammvater einer der bedeutendsten Uhrmacherfamilien Augsburgs, aus Wolkenstein bei Annaberg, von dem der Mathematische Salon eine bezeichnete Standuhr besitzt. Der Mathematiker und Dresdner Kunstkämmerer Lukas Brunn war ein Schüler von Abraham Riese. Aus Annaberg stammt endlich der durch sein Kartenwerk von Sachsen berühmt gewordene Markscheider Matthias Oeder. So steht er sicher mit diesen im Erzgebirge gepflegten praktischen Kunstfertigkeiten und Wissensgebieten in Zusammenhang. Ein Werk im Grünen Gewölbe ist ein Zeugnis dafür, daß sich in der erzgebirgischen Bergbaustadt Schneeberg auch ein Mechaniker von hervorragendem Können niedergelassen hat, daß sich dort unabhängig von der Kunstpflege in fürstlichen Residenzstädten ein solches Kunsthandwerk entfalten konnte, das für seine kostbareren Erzeugnisse auf den Absatz an anderen durch Wohlstand und Handel oder durch geistliche und weltliche Residenzen begünstigten Orten angewiesen war. Zur Vermittlung kamen hierfür wohl in erster Linie die Leipziger Messen in Betracht. Die aus vergoldeter Bronze hergestellte Uhr auf Tafel 20 trägt eingeätzt den Namen und Wohnort ihres Herstellers „Andreas Schelhorn 1571–z Schnebergk in Meisen“. Der turmartige Aufbau dieser Standuhr nimmt schon in sehr entwickelter Form einen Typus vorweg, der sich hauptsächlich an den größeren Kunstzentren, besonders in Augsburg, entfaltet hat. Wie das zusammenhängt, ist vorläufig noch nicht klargestellt. Es ist wohl möglich, daß Schelhorn vorübergehend mit oder bei dem hervorragendsten Augsburger Instrumentenbauer Christoph Schißler (zuerst erwähnt 1554, † 1609) gearbeitet hat, von dem der Mathematische Salon einen Wegmesser für Kurfürst August von 1569 besitzt. Auf dem Zifferblatt vorn an unserer Uhr ist bemerkenswert die Bestimmung der Tages- und Nachtlängen durch den rotierenden Reifen. Das [45] Zifferblatt der linken Seite ist sichtlich ein Astrolabium mit der planisphärischen Darstellung des Umlaufs des Fixsternhimmels. Während die Gesamtform mit dem bewegten Sockel, den Kandelabersäulen der Ecken und der in geschweifter Haube spitz auslaufenden Bedachung einen gut entwickelten Sinn für den Wohllaut harmonischer Gestaltung erkennen läßt, zeigen Einzelheiten wie die Kapitelle, die maureskenartig geätzten Flächen, die mit Tierformen vermischten Pflanzenranken des Daches einen weniger geläuterten Formensinn. Ob sich dieser in Augsburg zu reineren Gebilden entfaltet hätte, muß immerhin fraglich bleiben, wenn wir sehen wie ein anderer Meister desselben Faches, der in Augsburg seinen Wohnsitz hatte, wo sich ihm sicher bessere Gelegenheit bot, die besten Ornamentstiche der Zeit kennen zu lernen, durch krauses Ornament und dessen starke Überladung, seine Standuhren ähnlichen Typs nicht glücklicher zur Erscheinung zu bringen wußte. Es ist der Augsburger Meister Jeremias Metzger, von dem auf dergleichen Tafel seine Uhr des Grünen Gewölbes abgebildet ist. Das er der Meister unserer Uhr ist, ergibt ein Vergleich mit der von ihm hergestellten Uhr im Wiener Kunsthistorischen Museum, die 1564 datiert ist. Andere seiner Uhren des gleichen Typs, aber stets abgewandelter Verzierung befinden sich in Cassel und im South Kensington Museum zu London. Das Gehäuse dieser Uhren ist stets in Bronze gegossen und vergoldet. In der Gußtechnik und der Ausarbeitung der Formen offenbart der Meister eine bedeutende Geschicklichkeit. In der Überladung mit Ziermotiven ist der Ornamentstichmeister Mathias Zündt von 1551 vorbildlich gewesen. Offenbar kamen diese Meister mit ihrem horror vacui der Dekoration einem Zeitgeschmack in Deutschland entgegen, ebenso wie ja auch die Vereinigung aller Gebiete des Kalenderwesens, der Zeitmessung, der Stellung von Sonne, Mond und Sternen in einem einzigen Werk damals als Gipfel der Vollendung geschätzt wurde. Das vorn sichtbare große Zifferblatt enthält innerhalb des immerwährenden Kalenders mit den feststehenden katholischen Namenstagen die zweimal zwölf Stunden der großen Uhr, dann die durchlaufenden Stunden der welschen Uhr 1–24, ferner die eigenartige Darstellung der kleinen Nürnberger Uhr (verschiebbare Blechscheiben); das kleinste zentrale Zifferblatt ist die Weckerscheibe. Der Minutenzeiger dieses großen Zifferblattes ist vielleicht spätere Zutat. Das links neben dem großen Zifferblatt stehende weibliche Figürchen hatte einen Stab in der Hand, der auf den Kalendertag zeigte, der dadurch richtig eintraf, daß die Scheibe des immerwährenden Kalenders innerhalb [46] eines Jahres eine volle Umdrehung durchführte. Das kleine Zifferblatt links enthält in der sich drehenden Scheibe einen Ausschnitt, der an jedem Wochentag die dafür gültige Planetengottheit zeigte. Das kleine Zifferblatt rechts zeigt den Lauf der Sonne durch den Tierkreis. Beide Uhren dieser Tafel sind Zeugnisse dafür, daß alle Seiten solcher turmartigen Standuhren künstlerisch gleichwertig behandelt wurden.

Wir sehen aus den beiden Beispielen auf Tafel 21, daß auch noch lange im 17. Jahrhundert solche Universaluhren hochgeschätzt und begehrt wurden, offenbar auch um so mehr, je mehr Zifferblätter sie enthielten. Sie sind gleichfalls als Augsburger Herkunft anzusprechen. Ihr Aufbau folgt noch dem gleichen Typ, wie die beiden vorher besprochenen Standuhren, doch haben sie einen strafferen architektonischen Aufbau und besonders auffallend den Verzicht auf die Verzierung der einzelnen Glieder und Flächen. Die Betonung der Ecken und der Spitze durch Säulen und Obelisken, der in zwei Absätzen zurückgelegten Dachaufbauten mittels offener Arkaden, der Brüstungen durch Galerien genügen hinreichend zur Erreichung einer vornehmen und charakteristischen Erscheinung. Die ornamentlose Hochrenaissance-Architektur eines Elias Holl, (1573–1646) des Erbauers des Augsburger Rathauses, scheint auf diese Werke des Kunsthandwerks nachgewirkt zu haben. Die neben den Zifferblättern beider Uhren stehenden antiken Kriegerfiguren als Zeitweiser erscheinen noch als unentbehrliche Beigaben.

Neben der zu den Gehäusen der Uhren, astronomischen Werke und Automaten verwendeten, durch künstlerische Gestaltung und Vergoldung zu edelster Erscheinung gebrachten Bronze, sind dafür nicht minder edle Holzarten und Elfenbein beliebt gewesen, später auch Marmor und andere härtere Steine und Porzellan. Es zeugt ferner von dem starken Interesse an Uhren, daß auch bei der seit der Mitte des 16. Jahrhunderts weitverbreiteten Liebhaberei für Kunstschränkchen aus Ebenholz, mit Zierat aus Silber oder auch Elfenbein, als besonderer Schmuck noch eine Uhr eingebaut wurde, wie der Schmuckschrank im Grünen Gewölbe erkennen läßt, Inv. I, 34. Es entsprach hierbei völlig dem Aufwand an gegossenen oder ausgesägten silbernen Ornamenten, an figuralen getriebenen Reliefs und gegossenen Freifiguren, daß auch das Zifferblatt aus Silber bestand und künstlerisch hervorragt, indem vertiefte Zahlen mit Email oder Niello ausgefüllt sind, während die Scheibe noch mit Ranken und Blumen ausgestochen und mit farbigem durchsichtigen [47] Schmelzwerk verziert ist. Diese Technik des durchsichtigen Tiefschnitt-Emails auf Silber und ihre vollendete künstlerische Durchbildung wird mit dem Namen eines führenden Meisters der Augsburger Goldschmiedekunst, David Altenstetter, † 1617, in Verbindung gebracht, der mit ähnlich transluziden Emailplatten auch den berühmten und bedeutendsten Kunstschrank der ganzen Gattung, den Pommerschen Kunstschrank des Berliner Schloßmuseums ausgestattet hat, während die silbernen Reliefs und Figuren desselben von dem gleich hochstehenden Augsburger Mathias Wallbaum, 1553–1634, herrührten. Das Dresdner Kunstschränkchen ist ohne Signaturen. Wenn auch verschiedene Meister an ihm gemeinsam tätig gewesen sind, so gewährt es doch einen völlig einheitlichen Eindruck und ist ein typisches Beispiel dafür, wie das deutsche Kunsthandwerk die Aufgabe eines solchen mit einer Uhr ausgestatteten Zierschränkchens löste. Es besteht aber kein zwingender Grund dafür, das ganze Werk als in Augsburg entstanden anzusehen. Die gleiche Verbindung architektonisch in Ebenholz aufgebauter Schränkchen und auch Uhrgehäuse mit weißsilbernen oder in Feuer vergoldeten silbernen Zieraten und die gleiche Formensprache und technische Meisterschaft herrschten auch in Nürnberg. Dort entstandene Werke haben auch die gleiche Technik und Stilistik des durchsichtigen Tiefschnittschmelzes auf Silber. Eine besonders kunstvolle Arbeit dieser Art zeigt das Ebenholzgehäuse der 1591 für Dresden erworbenen Standuhr des Paul Schuster im Mathematischen Salon, dessen Zifferblätter auch ein Astrolabium und ein Kalenderwerk enthalten.

Anders geschieht dies in Italien. Dort ist die Zusammenfügung verschiedenfarbiger Marmor- und anderer Steinsorten eine althergebrachte beliebte Kunstübung und so ist es dort nur natürlich, daß auch der Uhrmacher, der sein Werk künstlerisch ausstatten wollte, und dabei der Vorliebe für Kunstschränke huldigte, sich dieses Steinmosaiks bediente. Ein schönes Beispiel hierfür bildet die von Gio. Campani in Rom 1659 hergestellte Standuhr, Inv. I, 14, der natürlich das Gehäuse nicht selbst gemacht hat. Der Mathematische Salon besitzt von ihm ein Mikroskop von 1696, das der Porzellanerfinder Böttger benutzt hat. Campani war also in Rom Uhrmacher und Instrumentenmacher.

Neben der Vorliebe für solche Kunstschränkchen und diesen nahestehende Werke gleicher Ausstattung, herrschte in Deutschland seit der Mitte des 16. Jahrhunderts eine zunehmende Vorliebe für Kunstdrechslerwerke in Elfenbein, [48] die darin gipfelte, daß insbesondere die allen mechanischen Kunstfertigkeiten zugeneigten Fürsten sich nicht nur die besten Kunstdrechsler zu verpflichten strebten, sondern auch selbst sich darin übten. Kein Wunder, daß auch Uhren und Automatenwerke hiermit verbunden wurden. Der nach Dresden berufene Elfenbeindrechsler Egidius Lobenigk hat 1589 eine kunstvolle Säule aus Elfenbein hergestellt, die von einer sog. Kontrafektkugel gekrönt ist (Inv. II, 133). Ein oberer Reifen dieser Kugel enthält die Stundenzahlen und auf der Kugel zeigt eine silbervergoldete Figur, indem sie sich dreht, die Stunden an. Auf dem Sockel stehen bewegliche Musikanten um die Säule herum. In dem Sockel steckt das Triebwerk und das Uhrwerk samt einem Musikautomaten.

Die fürstlichen Sammler begnügten sich nicht damit, solche Werke von ortsansässigen Meistern ausführen zu lassen, sie bezogen auch Werke von auswärts und veranlaßten ihre Meister zu vorübergehendem Kommen. So erhielt der 1547 geborene Augsburger Uhrmacher Hans 1585 und 1592 vom Rat der Stadt die Erlaubnis, je ein Jahr lang auswärts zu wohnen. Zwei erhaltene Briefe von ihm beweisen, daß er sich im Sommer 1589 längere Zeit in Dresden aufgehalten hat. Von ihm besitzt der Mathematische Salon eine Uhr mit Weihnachtskrippe mit den beweglichen, bemalten, teils geschnitzten, teils in Bronze gegossenen Figuren der Engel, der Hirten und der heiligen Könige mit begleitender Musik. Das Ganze in der Form einer architektonisch in zwei Geschossen aufgebauten, mit Blendarkaden und Nischen gegliederten Kapelle. In den Arkaden getriebene silberne Reliefs nach Etienne Delaulne (1519–1595), in den Nischen gegossene Figürchen. Auf der Plattform des ersten Geschosses, die von den Aufbauten des zweiten Geschosses flankiert wird, befindet sich die Gruppe der Anbetung. Darüber von vergoldeten Voluten getragen die Himmelskugel mit krönendem Turm zu Babel, deren mit den Sternbildern u. a. getriebene Hälften sich öffnen und vorn Gottvater, hinten das Zifferblatt der Uhr enthüllen. Hier ist also die Uhr nur noch die Beigabe zu einem Automatenwerk, während im Anfang der Entwicklung das Verhältnis umgekehrt war. Ebenso wie die Mechanik der Uhr und der Automaten einen Höhepunkt der Technik bedeutet, so ist auch jede Einzelheit des Aufbaues und seiner Verzierung mit höchster Sorgfalt durchgebildet. So erklärt es sich, daß dieser Meister auch für Kaiser Rudolf II. in Prag und für Herzog Wilhelm V. von Bayern in München tätig war. Dieser letztere schenkte zusammen mit Herzog Ferdinand von Bayern dem Herzog Ferdinand von [49] Tirol auf Schloß Ambras, ihrem Onkel, ein ganz der Dresdner Krippenkapelle im Aufbau ähnliches Musikautomatenwerk mit beweglichen zehn Trompetern und einem Pauker, das offenbar von unserem Meister Schlottheim hergestellt ist, ebenso wie der gleichfalls von jenen dorthin geschenkte sechsgeschossige Glockenturm mit komischen Figuren. Beide Werke noch im Wiener kunsthistorischen Museum vorhanden. (Figur 33 und 34 bei J. v. Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance, Leipzig 1908.)

In Dresden befindet sich aber noch das Hauptwerk dieses Meisters im Grünen Gewölbe, ein Denkmal der Freundschaft des jungen sächsischen Kurfürsten Christian II. mit Kaiser Rudolf II., die silbervergoldete 1,12 m hohe Turmuhr von 1602 mit Musikwerk und Automatenfiguren auf Tafel 22, die ebenso wie die bronzene Uhrvase als Krönung der Spitze mit dem Doppeladler verziert ist. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß sein Verfertiger das monumentale Werk ursprünglich für Kaiser Rudolf II. bestimmt hatte, und daß, als 1602 Christian II. es von jenem erwarb, die kleinen Reliefbildnisse und das sächsische Wappen am Sockel unter dem Zifferblatt erst nachträglich hinzugefügt wurden. Jedenfalls konnte bei seinem hohen Preis von 2400 fl. nur ein fürstlicher Käufer in Frage kommen. Eine Besonderheit der Uhr zieht noch heute stets, wenn sie in Gang gesetzt wird, die Besucher an. Sie hat Kugellauf, um das Werk in Gang zu halten. Die Spitze des Turmes ist ganz wie dort mit einer in Spirale emporgeführten Arkadengalerie als Turm zu Babel gebildet. Ebenso hat der achteckige Turmbau in den beiden oberen Geschossen eine in der Spirale bis auf den Altan über dem untersten Geschoß herabgewundenen Laufgang für die von dem Altan über dem dritten Geschoß herabrollende Bergkristallkugel, die unten in das Innere des Turmes einmündet, um dort durch ein Hebelwerk wieder in die Höhe geschnellt zu werden, also eine Abwandlung der bisherigen Spindelhemmung; für diese neue Hemmungsart hatte ein Uhrmacher Marggraff von Kaiser Rudolf II. ein Privileg erhalten. Man kann an der Komposition des ganzen Aufbaues ja aussetzen, daß dieser Kugellaufgang die Reliefbüsten der römischen Kaiser, die jede der Achteckseiten der beiden oberen Geschosse paarweise in je drei Reihen übereinander bedecken, in störender Weise überschneidet, abgesehen hiervon aber ist der Aufbau des Turmes und seine Ausstattung in guten Verhältnissen durchgeführt. Auch ist die Vereinigung von Uhrwerk mit Kalender (auf dem Boden des unteren Altans), Automatenwerk und Musikwerk so glücklich gelungen, daß keines das andere [50] beeinträchtigt oder nur als Beigabe erscheinen läßt. Heute erscheint es ja nur als eine Spielerei, daß beim Stundenschlag die Musikanten des unteren Altans ihre Trompeten zum Mund führen, während die Orgel des Innern dazu ein Stück spielt, oder daß von den Planetengöttern des oberen Altans Saturn den Ablauf der Zeit durch einen Glockenschlag anzeigt, ebenso wie das ewige Rollen der Kugel, man muß sich aber vergegenwärtigen, um die auf die Herstellung eines solchen Werkes verwendete große Liebe und Mühe richtig würdigen zu können, daß für derartige mechanische Wunderwerke schon seit dem Altertum stets Interesse vorhanden war, daß der naive Sinn früherer Zeiten davon ungleich mehr in seiner Phantasie angeregt wurde als heute und daß auf ihre Erfindung und Herstellung die hervorragendsten Künstler ihre Kräfte herliehen. Es sei nur an Lionardo da Vinci erinnert, der als Techniker und Erforscher der Naturkräfte keine geringere Bedeutung hat denn als Künstler. Man erinnere sich, daß an vielen Orten die Turmuhren an Münstern und Rathäusern, welche Automatenwerke spielen ließen, wie etwa die berühmte zweite Uhr des Straßburger Münsters von Isaak I Habrecht von 1574, bis in unsere Zeit im hastenden Gedränge des Tages die Menschen zu einem kurzen Verweilen einladen. Mögen solche großen Figurenautomaten mehr und mehr von der Straße verschwunden sein und sich der in ästhetischer Hinsicht geläutertere Sinn nur noch an Werken kleinen Formates im Hause gelegentlich erfreuen, das Glockenspiel ist doch von all’ jenen mit den Uhren verbunden gewesenen mechanischen Triebwerken bis in unsere Zeit allgemein beliebt geblieben. Als Werk des Kunsthandwerks erhebt sich unsere Turmuhr nicht über den Durchschnitt. Der Uhrheber und Leiter der Ausführung hatte dazu verschiedene Hilfskräfte nötig, wie überhaupt in der fortschreitenden Entwicklung der Feinmechaniker auf die Mithilfe des Silberschmieds angewiesen war. Ein anderer Geselle hat die derben Reliefbüsten der römischen Kaiser hergestellt, ein anderer die silbergetriebenen Figuren der Musikanten und der Planetengötter, wieder ein anderer die den Holzsockel tragenden gegossenen Harpyien und die getriebenen Frauengestalten der sieben freien Künste in den Nischen des unteren das Zifferblatt vorn tragenden Geschosses. Diese letzteren sind noch am erfreulichsten. Es verdient noch darauf verwiesen zu werden, daß diese Freifiguren alle mit Lackfarben, sogenanntem kalten Email, bemalt waren, eine damals viel verbreitete Gewohnheit, von der leider bei anderen Werken häufig genug fast alle Spuren verwischt sind.

[51] Neben dem Typus der Hausuhr mit turmartigem Gehäus und mit senkrecht auf Tischplatte gerichteten Zifferblättern tritt im Lauf des 16. Jahrhunderts die Uhr in Kastenform, deren Zifferblätter wagrecht zur Tischplatte obenauf liegen und die in der Aufsicht abzulesen sind. Solche Uhren haben zunächst ein ungleich kleineres Format, gelegentlich auch zylindrische oder vieleckige Dosenform, dies scheint veranlaßt zu sein durch den Wunsch, die Uhr auch auf Reisen mitzunehmen. Sie bilden mit ihrer entwickelten Feinmechanik auch den Übergang zu den am Körper tragbaren Uhren, die anfangs als Halsuhren, später als Taschenuhren zu einem Spezialgebiet des Uhrmachers sich entfalteten. Es ist bekanntlich das Verdienst des Nürnberger Feinmechanikers Peter Henlein, die spiralig gebogene Uhrfeder als Triebkraft für am Körper tragbare kleine Uhren verwendet zu haben, die mit der Zeit immer flacher und handlicher werdend, als Taschenuhren zu einem der für die Lebensgewohnheiten jedes einzelnen unentbehrlichsten Bedarfsstücke geworden sind. Die Anregung dazu erhielt er durch das gleichfalls schon mittels einer Uhrfeder in Gang gehaltene, auch mit Selbstschlagwerk verbundene Räderwerk der Tischuhren von zuerst dosenförmiger hochzylindrischer Gestalt. Eine dieser Uhren in runder, schon flacher Dosenform im Bayrischen Nationalmuseum zu München, laut der Umschrift aus dem Besitz Ott Heinrichs von der Pfalz, verzichtet auf jede plastische Verzierung und war daher besonders geeignet, auf die Reise mitgenommen zu werden, sie steht der Form von Taschenuhren schon frühzeitig am nächsten. Der gravierte Jagdfries um ihre senkrechte Wandung steht der Kunstweise eines Peter Flötner oder Virgil Solis nahe und läßt die Entstehung der Uhr gegen 1540 ansetzen. Daß solche Uhren auch noch früher entstanden, davon zeugt das Bildnis des George Gisze von Hans Holbein d. j. in Berlin von 1532, worauf ein noch kleineres rundes Ührchen zu sehen ist.

Eine über ein halbes Jahrhundert später entstandene Tischuhr von quadratischer Form ist zwar nicht als Reiseuhr zugleich gedacht, doch zeigt ihr kleineres Format, daß der Geschmack der Zeit sich schon den kleineren sogenannten Nippesgegenständen zugewandt hatte und daß der Uhrmacher sich mit seiner durch die Herstellung von Taschenuhren erworbenen Fertigkeit in der Feinmechanik neben den als Hausuhren überall gebrauchten größeren Tischuhren doch auch schon solchen kleinen Zierstücken zuwandte, die dann im 18. Jahrhundert ihre höchste Ausbildung bei immer kleiner werdendem Maßstab fanden. Im Anfang steht eine aus vergoldeter Bronze hergestellte quadratische [52] Tischuhr, diese hat über der oberen Platte die Uhrglocke und darüber das Nest eines Pelikans, rund um die Glocke sind die Ziffern der Stunden eingraviert. Die Uhr ist noch mit einem Automatenwerk verbunden, indem der Pelikan Kopf und Flügel zu bewegen hat. Der Urheber dieses Werkes, Tobias Reichel von Dresden (?) mag es um 1610 hergestellt haben. Hainhofer beschreibt das Werk 1629 bei seinem Besuch der Dresdner Kunstkammer (ed. Doering, S. 168). Abbildung in Band III (Inv. IV, 96). Daß er als Feinmechaniker eine besondere Fertigkeit erlangt hat, das wird bezeugt durch eine kleine Spinne mit innerem Gehwerk und beweglichen stählernen Beinen (Inv. VI, 7qq), die 1604 zur Kunstkammer gekommen ist.

Als allerkostbarstes Werk dieser Bestrebung und Anforderung steht obenan ein Werk der höchst entwickelten Kunst des Juweliers und Emailleurs, dem das gediegenste Gold gerade gut genug galt, um seine Kunst daran entfalten zu können. Auf goldenem, mit Email und Juwelen geschmückten Sockel sitzt in einer Kugel aus Bergkristall Orpheus, umgeben von den ihm lauschenden Tieren, eine zweite kleinere Kugel darüber enthält das Uhrwerk und der als Krönung darauf stehende Saturn zeigt mit seiner Lanze den Ablauf der Stunden an. Hier ist also die Uhr, die schon von einem in der Herstellung von Taschenuhren geübten Meister kleinster Mechanismen gearbeitet wurde, nur das Begleitwerk eines Juwels der Goldschmiedekunst. Das Werk wird erst im Zusammenhang mit gleichartigen Arbeiten der letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts im nächsten Band gewürdigt werden (Inv. VI, 19).

Ehe wir uns diesen tragbaren Uhren der Feinmechanik zuwenden, sind noch einige größere Tischuhren zu betrachten, in der erwähnten Kastenform mit obenauf wagrecht liegenden Zifferblättern. An diesen kann zugleich erkannt werden, daß seit der Mitte des 16. Jahrhunderts der Uhrmacher sich mit dem Silber- und dem Goldschmied vereinigte, um mit immer kostbarerem Material und steigendem Aufwand aller Kunstfertigkeiten sein Erzeugnis, das in seiner zur höchsten Präzision geschulten Handarbeit schon als ein Wunderwerk der Technik und Wissenschaft angestaunt werden sollte, auch mit allen Mitteln künstlerischer Erfindung und Bearbeitung in jeder Hinsicht vollkommen erscheinen zu lassen und damit dem bei schnell wachsendem Wohlstand in Deutschland steigenden Luxusbedürfnis entgegenzukommen.

Die größeren in silbernen Gehäusen in Kastenform befindlichen Tischuhren des Grünen Gewölbes sind erst im 17. Jahrhundert entstanden. Die [53] früheste dieser großen Tischuhren huldigt noch der Zeitströmung des 16. Jahrhunderts, die an der Uhr nicht bloß die Stunden des Tages sehen, sondern die damit zugleich alle astronomischen Erscheinungen durch das Uhrwerk geregelt und gezeigt wissen wollte. So hat denn die quadratische Deckplatte des kastenförmigen Gehäuses auf Tafel 23 außer dem größeren Zifferblatt der Stunden noch vier kleinere Kalenderzifferblätter. Auf der Mitte jeder dieser fünf Scheiben steht eine silberne gegossene Figur, die größere in der Mitte Saturn mit Sense, die vier kleineren mit Stäben, als Uhrweiser. Auch dies sind noch Inventarstücke des 16. Jahrhunderts. Der auf vier Kugeln stehende Kasten ist an den vier Ecken mit noch größeren in Silber gegossenen Gestalten der vier Jahreszeiten geschmückt. Zur Verzierung der vergoldeten Flächen dagegen dienen aufgelegte Zweige aus weißsilbernem Filigran, eine bei solchen Werken sonst nicht verwendete Verzierungsart, die den Urheber ziemlich unabhängig zeigt von der Ornamentation der Zeit. Lediglich die Verzierung der vier kugelförmigen Füße verrät in den weichen Formen getriebener Muscheln den Zeitstil, die Säulen, die an der Mitte jeder Seitenwand als Träger der kleineren Uhrscheiben vorgesetzt sind, haben dagegen fast klassizistische Kandelaberform. Der Künstler war offenbar in der figuralen Kleinplastik antikisierender klassizistischer Gewandfiguren ungleich stärker begabt. Wir dürfen auch ihn in Augsburg suchen, wo das Uhrwerk von Christoph Ullmeyer hergestellt sein soll.

Das Uhrwerk des Augsburger Meisters Jakob Mayr auf Tafel 24 verrät dagegen in ihren mit reichem Akanthuslaub überdeckten Flächen des Kastens einen völlig in der Ornamentik des 3. Jahrzehnts des 17. Jahrhunderts aufgehenden Silberschmied als Mitarbeiter, dessen Meistermarke aber bisher noch nicht mit einem bestimmten Namen verbunden werden konnte. Das Uhrwerk zeigt lediglich die Stunden an, Kalender und Astrolabium verschwinden von jetzt ab. Der Gregorianische Kalender wurde gedruckt, die Uhr war jetzt so zuverlässig in ihrer Stundenangabe, daß die Kenntnis vom Aufgang und Niedergang der Gestirne an Interesse verlor. Die Formen des Kastens sind bewegter mit einem geschweiften, breit ausladenden Sockel, den an den Ecken abgeschrägten Wänden des Kastens und der darüber gelegten Deckplatte aus Silberblech, alsdann in gleicher verjüngter Form mit einem flachen Aufsatz, dessen Seitenwände wieder mit einer flachen dünnen überragenden Deckplatte abgeschlossen werden, die obenauf das Zifferblatt trägt. Während hier noch wieder das gegossene [54] Figürchen eines Saturn als Zeitweiser dient, ist der übrige Figurenschmuck in Relief getrieben. Die Seitenwände des unteren Kastens sind in jeder Mitte in einem querovalen Feld mit einer Bergkristallplatte abgeschlossen. Diese Platten vermitteln den Einblick in das Innere des Kastens und auf das in den Boden eingelassene getriebene Relief in Weißsilber. Ebenso haben die abgeschrägten Wände der vier Ecken hochovale Felder mit den stehenden Vertretern der vier antiken Monarchieen in getriebenem und gepunztem Silber. Diese tragen keine Meistermarke, dagegen hat das größere Relief im Innern die Augsburger Stadtmarke und eine Meistermarke, die wohl als die des dort tätigen Silberschmieds Johann Andreas Thelot, (1654–1734, R 473–479) anzusehen ist, wogegen auf dem Rand des Sockels außer dem Augsburger Stadtstempel noch die Meistermarke S M = R. 391 eingeschlagen ist. Hier haben also zwei Silberschmiede sich in die Arbeit des Kastens geteilt, wobei wohl alles Figürliche von der einen Hand, die Montierung und ornamentale Verzierung des Kastens von der anderen Hand gearbeitet wurde. Dabei ist die den Entwurf bestimmende Absicht, das Hauptrelief im Innern des Kastens durch die Kristallplatten sichtbar zu machen, nur unvollkommen erreicht worden. Es fehlt auch auf unserer Tafel.

Die dritte dieser kastenförmigen Tischuhren des Grünen Gewölbes auf Tafel 25, die gleichfalls nur die Stunden anzeigt, ist durch ihren an den Ecken weiter ausladenden, hier wieder von Kugeln getragenen Sockel, dem etwas schmaleren an den Ecken gleichfalls abgeschrägten Kasten, der hier wieder von vier gegossenen allegorischen weiblichen Gestalten flankiert wird, schon mehr emporgereckt. Das wird noch weiter betont durch die in der Mitte des obenauf liegenden Zifferblattes auf einer Kugel stehende Minerva. Man sieht, der Typus wird zwar noch beibehalten, das Formgefühl der Zeit wendet sich aber doch schon den senkrechten Gestalten zu, das dann in dem schon im 16. Jahrhundert aufgekommenen Typus der Turmuhr ausmündet und im 18. Jahrhundert vorherrschend wird mit dem dann auch senkrecht stehenden Zifferblatt. Das Gehäus ist hier schon gleichzeitig zur Ansicht der Zierde der Seitenwände, wie zur Aufsicht des Zifferblattes eingerichtet. Die Seitenwände sind noch reicher durch getriebenes Akanthuslaub und aufgelegtes Blatt- und Fruchtgewinde überdeckt. Der allzu hoch emporgereckte Sockel ist dadurch bestimmt, daß sich unter dem Kasten das Schlagwerk befindet. Die aus ihm emporragenden Sockel der vier Eckfiguren haben kompositionell eine gewisse Verwandtschaft mit dem [55] Aufbau der Augsburger Tischuhr auf Tafel 23, ebenso besteht ein gewisser Zusammenhang mit der Tischuhr von Tafel 24 dadurch, daß die vier Seitenwände ovale Öffnungen haben, die den Einblick in das Innere des Kastens gewähren, in dem aber diesmal das Werk der Uhr sichtbar wird. Eine besondere Neuerung besteht bei dieser Uhr aber noch darin, daß zu dem Urheber der gegossenen Figuren und des getriebenen und gegossenen Zierats des Gehäuses des Silberschmiedes jetzt noch der Juwelier als Mitarbeiter hinzugekommen ist. Diese Mitarbeit des Juweliers, die dem Gehäus eine farbig reichere Wirkung gibt, zugleich aber auch dieses in der Kostbarkeit erhöht, hatten wir schon an der zu Ende des 16. Jahrhunderts entstandenen Orpheusuhr kennen gelernt, im Verein mit Gold und Email. Sie war damals schon ein Ergebnis verschwenderischen Reichtums und gesteigerten künstlerischen Anspruchs. Das gleiche gilt auch für diese Uhr aus dem Besitz der Gemahlin Augusts des Starken und wohl von diesem als Geschenk für jene erworben. Deren Ornament sowohl, wie auch die Gewandung der Figuren, ist mit Farbsteinen und Diamanten in Kastenfassungen besetzt, wobei Smaragde bevorzugt sind. Mit solchen sind auch die lateinischen Zahlen des Zifferblattes ausgefaßt. Ihr leuchtendes Grün ergibt mit dem zarten Ton der Vergoldung des Gehäuses eine besonders vornehme Wirkung.

Das gleiche läßt sich nicht zugunsten eines ähnlich aufgebauten, aber wesentlich kleineren Gehäuses einer Tischuhr anführen, auf deren Deckel ein silbervergoldetes ruhendes Kamel auf dem Höcker das emaillierte Zifferblatt trägt, das nur die Größe einer Taschenuhr hat. Ein Mohr als Treiber steht daneben. Die Seitenwände des Kastens sind ebenso wie vorher mit Bergkristallplatten besetzt und machen das im Innern befindliche Uhrwerk sichtbar (Inv. V, 594f.). Die Wände des Kastens sind über und über mit Farbsteinen und emaillierten Ranken bedeckt und so hat das Ganze eine zu bunte und unruhige Wirkung. Das von dem Augsburger Elias Wecker herrührende Uhrwerk hat seine Ausstattung von dem Augsburger Silberschmied Johann Heinrich Mannlich, (1660–1718, R 436), erhalten, von dem auch noch einige ganz gleichartige Schmuckkästen im Grünen Gewölbe herrühren, die alle um 1700 entstanden sein mögen. Diese Form der Tischuhren kommt dann außer Mode. Sie wird ersetzt bei kleineren Prunkstücken durch wieder turmartige Gehäuse mit senkrecht angebrachtem Zifferblatt. Die Hersteller sind dann aber Dresdner Meister, die in Juwelenschmuck sowohl, wie in dem daneben [56] wieder beliebten Email, bei Streben nach farbiger Wirkung ein ungleich feineres Kunstempfinden erkennen lassen.

Der Anlaß zur Vorliebe für solche Uhren mit senkrechtem Zifferblatt mag dadurch gegeben worden sein, daß diese Kostbarkeiten jetzt nicht mehr auf niedrigeren Tischen, sondern auf dem Sims der modischen Kamine oder auf und in Zierschränken aufgestellt wurden, wo sie mit ihrem höherem Standort mehr zur Betrachtung von vorn als von oben einluden. Der Hang Augusts des Starken zu höchster Pracht- und Luxusentfaltung, sein besonderer Sinn für alle Erzeugnisse der Zierkünste, für die edelsten Stoffe und deren mannigfache Bearbeitungen ist als die treibende Kraft dafür anzusehen, daß gerade in Dresden in der Ausgestaltung der Gehäuse solcher kleinerer Stutzuhren das höchste Raffinement, der feinste Geschmack entwickelt und somit in ihrer Art die vollkommensten Werke erzielt wurden. Das, was dieser Mäzen aller Künste an Uhren von auswärts bezogen hatte, wozu die Leipziger Messen wohl die beste Gelegenheit darboten, mochte seinen kultivierteren Geschmack nicht voll befriedigen. Waren ja doch auch, hauptsächlich infolge seiner Aufträge, damals in Dresden Goldschmiede tätig, die in der Erfindung und in deren Ausführung, so in der Kunstfertigkeit des Ziseleurs, des Gießers, des Juweliers, des Emailleurs und des Gemmenschneiders nirgendwo übertroffen werden konnten. Neben dem, in allen diesen Techniken bewanderten, an erster Stelle stehenden Meister Melchior Dinglinger und seinen beiden Brüdern, nahm damals den höchsten Rang ein Johann Christoph Köhler und Gottfried Döring in Dresden.

Von Johann Christoph Köhler wurden dem Grünen Gewölbe vier Stutzuhren geliefert, davon zwei mit größeren, zwei mit kleineren Uhrwerken, diese letzteren also Erzeugnisse der Feinuhrmacher. Dieser Johann Christoph Köhler war vermutlich der Nachkomme eines C. Köhler. Der Mathematische Salon besitzt ein hübsches Sonnenührchen um 1670 bez: Dreßden fecit C. Köhler. Das Grüne Gewölbe hat einen Spazierstock mit Maßstab innen, mit gleicher Bezeichnung und dem Jahr 1667, in dem Knopf ein Kompaß (Inv. VIII, 308). Von den beiden größeren ist das Werk der St. Hubertus-Stutzuhr auf Tafel 26 inschriftlich als Arbeit des Dresdners Johann Gottlieb Graupner, Meister am 18.12.1716, bezeugt. Daraus ist also zu entnehmen, daß auch das Gehäus in Dresden entstanden und in der Werkstatt Köhlers hergestellt ist. Das gleiche gilt für die Drachen-Stutzuhr auf Tafel 27, deren Werk dem vorigen äußerst ähnlich [57] ist und deren Gehäus bei verwandtem Aufbau ebenso wie jenes auf einem geschweiften mit Juwelen verzierten Holzsockel ruht. Die größte Kunstfertigkeit und der kostbarste Juwelen- und Emailschmuck ist angewandt an der Hubertus-Stutzuhr, ihr figürlicher Schmuck ist offenbar auf den Geschmack des jagdliebenden Kurfürsten Friedrich August I., Augusts des Starken, berechnet. Es ist darum auch nicht unwahrscheinlich, daß dieser Fürst als Besteller des Werkes schon auf den Gedanken ihrer Komposition und deren Einzelheiten Einfluß ausgeübt hat, wie wir dies auch voraussetzen dürfen bei den Dianenschalen Dörings und Dinglingers oder den beiden Herkulesschalen des letzteren und manchen anderen Werken. Den Hauptschmuck der Stutzuhr bildet auf einem verjüngten Aufsatz die Gruppe des St. Hubertus, des Patrons der Jäger, der vor dem Hirsch mit dem goldenen Crucifixus im Geweih anbetend in die Kniee gesunken ist. Hinter ihm sein Pferd und auf dem Waldboden noch einige Jagdhunde. Etwas tiefer stehen auf den vorgekröpften vier Ecken der Deckplatte in gleichem Größenverhältnis vier Jäger in der sächsischen Hoftracht der Zeit. Vor den Seiten des Aufsatzes liegt allerhand Jagdgerät. Das Gehäus selbst ist an seinen abgeschrägten Kanten an der vorderen Seite des Zifferblattes in etwas größerem Maßstab von zwei Waldhornisten, an der hinteren Seite von zwei Faunen flankiert. Diese Figuren stehen auf vorgekröpften Ecken des Sockels, die von liegenden goldenen Löwen getragen werden. Ebenso wie diese Löwen prächtig modelliert und durch Ziselierung des Felles naturgetreu dargestellt sind, so sind auch die mit farbigem Faß-Email (en ronde bosse) überdeckten Jäger und Jagdgenossen, sowie die Tiere, überaus lebensvoll zur Erscheinung gebracht. Die gleiche hochentwickelte Kunstfertigkeit äußert sich auch in den vier Feldern des Gehäuses, die mit durchsichtig emailliertem Rollwerk, untermischt in Relief mit emaillierten jagdbaren Tieren, bedeckt sind. Das ist eine Kunsthöhe des Faßschmelzes auf plastischen Gestalten kleinsten Maßstabes, die wir zuerst an dem goldenen Rössel in Altötting, das Isabella von Bayern ihrem Gatten, König Karl von Frankreich, 1404 zum Neujahrsgeschenk machte, erreicht sehen, dann wieder in den Jahrzehnten vor und nach 1600 und schließlich zu Anfang des 18. Jahrhunderts. Wir werden Beispiele aus den beiden letzten Blütezeiten noch im 3. Band kennen lernen. Unsere Hubertus-Stutzuhr ist dann noch ausgezeichnet durch ihren Juwelenschmuck, der Sockel durch eine Garnitur schöner lichtgelber Chrysolithen, das Gehäus durch den Zusammenklang von Smaragden und Diamanten in Kastenfassungen.

[58] Bei der gleichfalls von Köhler für August den Starken gelieferten Drachen-Stutzuhr auf Tafel 27 ist das silbervergoldete Gehäus bewegter gestaltet, das runde Zifferblatt treibt den Decksims im Kreisbogen empor, die abgeschrägten Kanten enden in Volutenfüßen, der Aufsatz wird ebenso von Voluten getragen und strebt in verjüngter Schweifung zu dem Pfühl des das Ganze krönenden Drachens empor. Dieser, aus Perlmutterschalen zusammengesetzt, hat einen emaillierten Kopf, der ebenso wie die Fassung mit Brillanttafelsteinen und Rubinen besetzt ist. Ebenso bilden auch Diamanten und Rubine den Schmuck des emaillierten Bandwerks und der aufgelegten silbernen Festons, doch ist im Ganzen die Verwendung der Edelsteine und des Emails sparsamer. So ist auch das Zifferblatt nur mit geätzten Ranken verziert. Als figurale Motive sind nur antike Reliefbüsten am Aufsatz angebracht. Lediglich die über dem Zifferblatt vorn auf dem Decksims sitzende Bergkristallscheibe mit dem dahinter liegenden Monogramm FA nimmt Bezug auf den fürstlichen Besteller.

Die gleichartige Führung des geätzten Rankenwerks an der kleinen Dianastutzuhr läßt darauf schließen, daß auch dieses von Köhler gelieferte Stück von ihm selbst sein Gehäus mit seinem Schmuck erhalten hat. Ähnlich wie der Drache ist die auf dem schmalen rechteckigen auf ovaler Fußplatte sitzenden Gehäus stehende Diana aus einer monströs verkrüppelten Perle in Verbindung mit emailliertem Metall gebildet. Die sie begleitenden Hunde sind in Silber gegossen und ziseliert. Das emaillierte Zifferblatt gehört zu dem innen befindlichen Werk einer Taschenuhr, die von Estienne Aubert, Rouen, bezeichnet ist. Ein engerer Zusammenhang zu diesem Uhrmacher ist indessen sicher nicht vorauszusetzen. Es ist lediglich das Werk einer Taschenuhr zu diesem Standührchen verwendet worden. Inv. VI, 142.

Dasselbe ist auch der Fall bei der Standuhr in Monstranzform auf hohem Fuß, hierbei ist sogar von der Räderuhr der Unruhe-Mechanismus in eine Kurz-Pendeluhr verwandelt worden. Auch dieses Werk hat die Adresse eines französischen Uhrmachers Jehan Drouynot, Poictiers, (Band 3), ohne daß man deshalb daran zu denken hätte, die ganze Standuhr sei in Frankreich entstanden und nur von Köhler gehandelt worden. Er hat vielmehr ein solches fertiges Werk in bequemer Weise benutzt, um durch das von ihm erfundene Gehäus einer Standuhr ein kostbareres Werk herzustellen. Für dessen Gestalt hat er sich durch die im 17. Jahrhundert aufgekommene Form einer Sonnenmonstranz leiten lassen. Ebenso hat er die von verschiedenen Steinschneidern herrührenden [59] Kameen zur Auszierung seines Gehäuses benutzt, ein Verfahren, das sich bei zahllosen Werken der Goldschmiedekunst schon seit dem Mittelalter beobachten läßt und das jetzt wieder bei dem wiedererwachten Interesse für geschnittene Steine an der Tagesordnung war. Drastische Beispiele hierfür bieten uns im Grünen Gewölbe neben den Werken Dinglingers die drei Pokale der Tafeln 66 u. 67 unseres Bandes. Köhler hat dann für die Gestalt einer Monstranzuhr die aus schwarzem orientalischen Achat bestehenden Teile von Fuß, Knauf und Knopf schleifen lassen und diese Stücke mit seinen emaillierten goldenen Ranken und mit Farbsteinen und Diamanten inkrustiert und damit eine einheitliche gute Wirkung erzielt, Inv. VI, 25.

Bei Werken größeren Formats werden die früher verwendeten bronzenen oder silbernen vergoldeten Gehäuse bald vollständig verdrängt von fournierten Holzgehäusen, die dann fast stets auf gleichartigen Wandkonsolen aufgestellt wurden. Diese Gehäuse in Gestalt eines Schränkchens wurden mit poliertem Holz überdeckt, worin Einlagen aus Messing, Zinn, Schildpatt die Ornamentik des zuerst in Frankreich aufgekommenen, von der Renaissancegroteske abstammenden „Laub- und Bandelwerks“ angewandt zeigten, nach dem Hauptmeister dieser Technik, Charles Boule, † 1732, als Boulearbeit bezeichnet. In den Schlössern der Wettiner in Dresden, Moritzburg und Pillnitz waren diese Stutzuhren mit ihren Konsolen überaus zahlreich vorhanden, doch sind davon keine in das Grüne Gewölbe gelangt. Dagegen befindet sich dort im Bronzenzimmer eine Anzahl von Postamenten, die in dieser Technik und in dem damaligen Stil hergestellt sind. Ob sie alle französischen Ursprungs sind, ist fraglich. Schon der zeitgenössische Marperger berichtet, daß in der Bouletechnik der Dresdner Modellmeister Andreas Gärtner besonders ausgebildet sei. Als Angestellter des Oberbauamts wurde am 25. April 1721 der Kunsttischler Peter Hoese verpflichtet, nachdem ihn Graf Wackerbart am 11. Dezember 1720 mit den Worten empfohlen, ihm „sei dieses Tischlers Arbeit, die er in Marquetterie, Schildgrotten-Arbeit und Modellen zu machen verstehet, bekannt, also daß ich versichert bin, er werde die von Ihr. Königl. Majt. angebende Arbeit mit aller Geschicklichkeit nach Dero Contentement zu verfertigen fähig sein“. Er scheint mit A. Gärtner zusammen gearbeitet und von ihm dabei noch manches andere gelernt zu haben. So hat der Mathematische Salon von ihm einen großen Hohlspiegel, ebenso wie von Gärtner.

Als ein Hauptstück französischer Herkunft besitzt aber das Grüne Gewölbe [60] eine Standuhr auf hohem Postament in Boulearbeit mit vergoldeter Bronzeverzierung, dessen Uhrwerk die Signatur „St. Martin à Paris“ trägt, eines bekannten Pariser Mechanikers und Uhrmachers, von dem auch der Mathematische Salon Werke besitzt. Die wichtigeren Künstler des Gehäuses und Postaments sind leider ungenannt, Inv. IV, 311. Das Werk wird in Band III abgebildet und gewürdigt. Ferner in Gestalt der damals nicht minder beliebten hohen Kastenpendeluhren zwei hohe astronomische Standuhren mit Schlag- und Musikwerken in glatten Nußbaumgehäusen mit je sechs Zifferblättern auf einer gravierten und mit aufgelegten durchbrochenen vergoldeten Ornamenten verzierten Messingscheibe als Zeugnisse dafür, daß trotz der inzwischen mit anderen Instrumenten erkennbaren Himmelserscheinungen deren mit mechanischen Mitteln bewirkte Vorstellungen immer noch ihre Liebhaber fanden. Sie tragen die Signatur: Claudius Du Chesne Londini fecit (Inv. VII, 1). Die Hauptexportländer dieser als Möbelstücke aufgestellten Zimmeruhren waren ja England und Holland.

Indem wir die Entwicklung der Hausuhren bis in das 18. Jahrhundert verfolgten, sind wir schon mit kleineren Werken der Feinuhrmacherei bekannt geworden, die als am Körper des Menschen tragbare Taschenuhren zuerst entstanden und zu kleinen Standuhren umgewandelt worden waren. Wie derart die Taschenuhren in die Standuhren gelegentlich wieder einmündeten, so sind sie auch von ihnen ausgegangen und haben sich dann in selbständigen Strömen der Entwicklung von ihnen abgesondert. Im Anfang stehen die flachen Tischuhren mit obenauf liegendem Zifferblatt gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts, die auch als Reiseuhren mitgenommen werden konnten. Die immer flacher gewordenen Gehäusdosen in zylindrischer Form erhielten dann Öse und Ring, wodurch sie zum Hängen eingerichtet wurden und ebenso wie die Gnadenpfennige und Anhänger auf der Brust getragen werden konnten. Die ersten dieser Halsuhren haben auch die Gestalt ähnlich den runden Medaillen, nur sind sie ungleich dicker, da sie ja das Uhrwerk in sich bargen. Beispiele hiervon sind im Grünen Gewölbe nicht vorhanden. Paul von Stetten berichtet in seiner Geschichte der Augsburger Kunsthandwerker S. 65, daß um das Jahr 1558 in Augsburg von jungen Herren kleine runde Schlaguhren auf der Brust hängend getragen wurden, sie blieben auch noch lange im 17. Jahrhundert im Gebrauch. Doch erhielten sie schon bald in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen scharfen Konkurrenten, der die ursprüngliche Abhängigkeit [61] jener runden Form von der Tischuhr aufgab und in der ovalen Form einen geeigneteren Träger für die Schmuckfreudigkeit der Zeit gefunden hatte. Bald erhielt auch diese lange in Geltung gebliebene Form der Halsuhren noch mancherlei Abwandlungen, sei es in Kreuzform oder in Gestalt von beliebigen auf der Brust tragbaren Zierstücken, wie Blumen oder Tieren. Im Lauf des 17. Jahrhunderts wurden diese ovalen Uhren womöglich noch dicker, bis zu der sprichwörtlichen Eiform ausgestaltet, die lange Zeit irrig als die ursprüngliche Form der Kleinuhren angesehen wurde. Daneben ging mit der fortschreitenden Technik das Bestreben, immer kleinere Uhren herzustellen.

Als eines der frühesten und zugleich kostbarsten Erzeugnisse dieser Entwicklung besitzt das Grüne Gewölbe eine ovale flache Anhänger-Uhr, in goldenem Gehäuse mit emaillierter durchbrochener Randverzierung, deren Öse mit Brillantdicksteinen verziert und von zwei emaillierten Kindern flankiert ist. An den Seiten ist die Mitte gleichfalls durch Brillanten verziert und das Ende durch eine Hängeperle. Der Feinheit dieser Verzierung entspricht die Verzierung beider Werkseiten mit ausgestochenen und durchsichtig emaillierten Ornamenten. Dieses Halsührchen deutscher Arbeit war auch den kostbarsten Anhängern, die damals getragen wurden, zum mindesten ebenbürtig. Es ist mit solchen im 3. Band abgebildet. Wenn nicht schon Vater August, so doch sicher Kurfürst Christian I. reg. 1586–91, muß es besessen haben.

Gleichfalls noch ziemlich flach ist dann die Halsuhr in Kreuzform, deren Uhrwerk nach der Signatur in Bremen von Friedrich Hübner hergestellt wurde. Für das Gehäus ist hier schon das für Halsuhren üblich werdende vergoldete Messing benutzt worden, ein Zeichen dafür, daß sein Hersteller, in dem wir wohl den Uhrmacher selbst zu erblicken haben, nicht in erster Linie daran dachte, dem Luxusbedürfnis eines fürstlichen Abnehmers gerecht zu werden. Doch ist der Uhrmacher nicht damit zufrieden, ein kleines Meisterstück vollendet gebildet zu haben, er hat auch noch die hintere Werkplatine mit reichem Schmuck ausgestattet. Der Wohnort des Uhrmachers kann als ein Anzeichen dafür betrachtet werden, daß Höchstleistungen der Feinmechanik sich sehr bald in ganz Deutschland entfaltet haben, zugleich mit der auch allenthalben aufblühenden Goldschmiedekunst. War doch auch insbesondere in den Städten und Ländern an der Wasserkante mit dem seit den Tagen der Hansa jetzt wieder zu neuem Leben erwachten Seehandel ein großer Wohlstand eingezogen. Zeugnisse dafür bieten die großen Werke des Hamburger Meisters Jakob Mores, [62] sowie der Silberschatz der Stadt Lüneburg im Schloßmuseum zu Berlin. Von den Fürsten der Länder im Innern Deutschlands waren die Wettiner des Kurfürstentums Sachsen die reichsten, nicht nur vermöge des Erzgebirgischen Silberbergbaues, sondern auch infolge seiner Industrie und des in den Leipziger Messen gipfelnden Handels. Daneben konnten nur die Wittelsbacher in München, die Habsburger in Wien und in Prag einen ähnlichen Luxus entfalten. Doch bleiben in dem Willen und oft auch in den Mitteln, ihnen nachzueifern, die anderen weltlichen Fürsten Deutschlands, die großen Städte und die Kirchen hinter jenen kaum zurück. So sind die Jahrzehnte vor dem Dreißigjährigen Krieg durch eine Blüte der Kleinkünste aller Art ausgezeichnet, die erst im 18. Jahrhundert wieder erreicht wurde, ohne aber an Umfang ihr wieder gleichkommen zu können.

Dieses hochgesteigerte Bedürfnis, alle Werke des täglichen Bedarfs durch künstlerische Ausstattung zu veredeln, sehen wir beispielsweise sich geltend machen an dem in keinem Haushalt fehlenden Zinngerät aller Art, das durch künstlerische Veredelung hinter Werken aus Gold und Silber nicht zurückstand. Wir konnten auch an den Standuhren das gleiche Streben und den gleichen Erfolg beobachten. Das gleiche sehen wir auch an den Halsuhren. Wenn man sich hier für den täglichen Gebrauch auch mit einem Gehäus aus vergoldetem Messing zufrieden gab, so verzichtete man keineswegs auf dessen künstlerische Ausstattung, nicht allein deshalb weil die Halsuhr doch offen getragen wurde, sondern aus angeborenem Sinn für Verzierung. So sind an den beiden größeren Halsuhren mit Gehäusen aus vergoldetem Messing im Grünen Gewölbe, die sich der Eiform nähern, auf Tafel 28 nicht bloß diese Gehäuse an dem Rahmen des Bergkristalldeckels mit ausgesägten Ornamenten auf das sorgfältigste ausgestattet, und das Zifferblatt hat gravierte und emaillierte Verzierung, auch die hintere Werkseite hat aufgelegten reichen Schmuck. Als Hersteller dieser beiden Uhren nennt sich inschriftlich Johann Poestdorffer, das eine Mal mit seinem Wohnort in Prag, das andere Mal in Dresden. Er wird noch 1627 als Kammeruhrmacher in Prag genannt, ist also um diese Zeit nach Dresden übersiedelt. Die kleinere ovale Halsuhr auf derselben Tafel in gleichfalls achteckigem Gehäus in silbervergoldeter Arbeit steht diesen beiden Stücken nahe, an ihr ist neben dem kleineren Format der reiche Klobenschmuck der hinteren Werkseite bemerkenswert. Ihr Meister hat sich nicht genannt, kann aber recht wohl mit dem Verfertiger der beiden größeren Halsuhren der gleiche sein.

[63] Nur wenig größer, aber im Format wieder jenen gleich, ist die von einem Obelisken aus braunem Achat über einem Sockel von mattgrünem Jaspis getragene Uhr in achteckigem eiförmigen Gehäus auf Tafel 28. An dieser kleinen Standuhr, deren Werk also auch von dem Kleinuhrmacher von Halsuhren herrührt, vielleicht gleichfalls von Poestdorffer, das aber von Anfang an für eine Standuhr gebildet wurde, ist ein vielseitiger Goldschmied mitbeteiligt worden. Die Uhr hat ein in den Steinsockel eingebautes Schlagwerk. Das Gehäus wie die Verzierung des Steinsockels besteht aus Gold, ist reich emailliert und mit Diamanten und Rubinen besetzt. Dem größeren Aufwand des zu glücklichster Wirkung gebrachten Materials entspricht auch das umfangreichere Werk, dessen goldenes und emailliertes Zifferblatt auch die Mondphasen, die Monatstage und das astrologische Aspektenschema enthält.

Das Verfahren, Kleinuhren in der Größe von Taschenuhren auch zu Standuhren und sonstigen Zierstücken der Wohnung zu verwenden, wurde mit der Zeit immer beliebter, es kam offenbar einer Richtung des Modegeschmacks entgegen, die sich an solchen Werken um so mehr erfreute, je kleiner sie ausgeführt werden konnten. So sehen wir von den Werken Dinglingers im Grünen Gewölbe unter der Ausstattung des Obeliscus Augustalis als Krönung einer Dose aus Chalzedon eine kleine goldene Uhr in Vasenform, deren Werk von dem Dresdner Meister Andreas Fichtner bezeichnet ist, der am 2. November 1722 Meister geworden war. Unter den Geschenken, die dem Großmogul in jenem berühmten Kabinettstück Dinglingers dargebracht wurden, ist auch eine Miniatur-Standuhr auf einer Tragbahre zu sehen. Das kleinste Ührchen aber hält ein von Nestler für August den Starken in Elfenbein geschnitzter Janitschar als Krönung seines erhobenen Pusikans (Inv. IV, 277), dieses Figürchen schon ein Beispiel der Vorliebe der Zeit für solche Nippesgegenstände.

In gleicher Weise wie bei solchen Gegenständen zur Ausstattung der Wohnung und in dieser von Möbelstücken war der Kleinuhrmacher auch bestrebt, seine kleinen Kunstwerke allen möglichen am Körper tragbaren Gegenständen einzufügen, nicht immer gerade mit deren Gebrauchszweck im Ernstfalle vereinbar. Eines der frühesten Beispiele dieser Art bietet ein Streitkolben im Bayrischen Nationalmuseum zu München, dessen sechsseitiger Kopf ein Uhrwerk enthält, das schon um 1580 anzusetzen ist. Ebenso enthält das Historische Museum zu Dresden mehrere Stichwaffen mit prächtig verzierten Uhren im Innern der Spitze, die Kurfürst Christian II. 1610 seinem Bruder Johann Georg [64] geschenkt hat. Ihre Meistermarke TR wird auf einen Dresdner Uhrmacher Tobias Reichel gedeutet, von dem die kleine Tischuhr mit dem Pelikan IV, 96 und eine kleine durch ein Gehwerk im Innern automatisch bewegliche Spinne (VI, 7qq) im Grünen Gewölbe herrührt. Das Historische Museum und das Grüne Gewölbe besitzt sodann je eine gleiche Pulverflasche aus vergoldetem Messing mit Elfenbeinschnitzerei. Sie trägt das Wappen der Tochter Sophie (1587–1635) des Kurfürsten Christian I., die den Herzog Franz I. von Pommern geheiratet hat. Die unter dem Wappen befindliche Uhr mit Schlagwerk und emailliertem Zifferblatt hat die Marke von Andreas Stahl in Augsburg. (II, 200). Endlich befindet sich auch unter den kostbaren Spazierstöcken der Sächsischen Kurfürsten im Grünen Gewölbe ein solcher Stock mit einem Knopf aus Eisen, darin eine Uhr (VIII, 307). Als Hersteller des Stockes ist wohl nicht der Dresdner Goldschmied C. Köhler anzusehen, der 1667 einen anderen dieser Spazierstöcke im Knopf mit einem Kompaß versehen hat (VIII, 308), da jener Stock mit einem Monogramm versehen ist CMD, das auf keines der Mitglieder des Sächsischen Hauses zu deuten ist. Die kleinsten dieser tragbaren Ührchen befinden sich aber an Stelle der Edelsteine in zwei goldenen Ringen des Grünen Gewölbes, die aber erst dem 19. Jahrhundert angehören (Inv. VIII, 101 u. 103). Als kostbarste Taschenuhren größeren Formates seien zum Schluß noch die zu den Juwelengarnituren Augusts des Starken gehörigen Stücke genannt. Die eine, zur Schildkrotgarnitur gehörig, mit goldenem Gehäuse, trägt die Adresse von Cabrier, London, und hat eine Kapsel aus Schildpatt mit eingelegten Goldornamenten und einer Tierszene. Unter all’ den um 1719 entstandenen Juwelengarnituren des Kurfürsten ist diese die künstlerisch vollendetste. Die in das Schildkrot eingelegten Goldfäden von sorgfältigster Arbeit und gewähltester Stilistik soll der aus England stammende P. Triquet hergestellt und die Juwelierarbeit der Dresdner Hofgoldschmied Johann Christoph Köhler ausgeführt haben. Anscheinend ist darum auch dieser so geschickte Meister der Hersteller der Uhr der Karneol- oder Jagdgarnitur Augusts des Starken, die dadurch bemerkenswert ist, daß auf dem Deckel ein größerer Karneol mit Brillanten inkrustiert ist, ebenso wie die sieben kleineren Karneolen des Randes, der außerdem mit Farbsteinen in kostbarster Weise ausgestattet ist. Die Adresse des Uhrmachers fehlt an dieser Uhr. Die seltene Technik der Inkrustierung eines Halbedelsteins mit Brillanten zeigt auch noch ein Spazierstock mit Jaspisknopf [65] (VIII, 251), wohl ein Werk Köhlers, sowie ein Stock mit dem Schild des polnischen Königs Johann III. Sobieski, † 1696, der also dafür zeugt, daß diese Technik vorher auch anderwärts geübt wurde.