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Im hohen Mittelalter war der Gebrauch von Uhren äußerst spärlich, die Glockenzeichen der Stunden, die von Kirchen und Klöstern gegeben wurden, genügten, um das bürgerliche Leben zu regeln. Als Zeitmesser wurden neben den Sonnenuhren die Wasser- und die Sanduhren benutzt und diese blieben auch noch lange in Gebrauch, nachdem die Verwendung von Räderuhren zugleich auch die Verbreitung öffentlicher Schlaguhren zumeist als Turmuhren im 14. Jahrhundert herbeigeführt hatte, denen anfangs ein uns heute unerläßlich scheinendes Uhrzifferblatt fehlte, ebenso auch wohl die Vereinigung des Gehwerks der Uhr mit dem Schlagwerk der Turmglocke. Zumeist gab wohl ein Weckerwerk dem Türmer den Ablauf der Stunden an, den dieser durch Anschlag der Turmglocke verkündete. Solche öffentliche Uhren des Turmgemaches bedurften noch keines Gehäuses, ihr unverziertes eisernes Gerüst gestattete den Einblick in ihr Räderwerk, doch wird schon früh die sichtbare Glocke von automatisch beweglichen Figuren angeschlagen, sowohl auf Kirchtürmen, wie Rathäusern und Stadttürmen, oder es wird auch ein unsichtbares Glockenspiel mit der Uhr verbunden.

Erst das Aufblühen der Städte im 15. Jahrhundert und die damit wachsende Regsamkeit des Bürgertums, die durch das Aufblühen des städtischen Kunsthandwerks ermöglichte reichere Ausstattung der Wohnräume führte zu der Einführung von kleineren Hausuhren mit Federzugwerk; damit zugleich erwachte das Bedürfnis, die Uhren nicht nur als bloße Gebrauchswerke, sondern auch als Kunstwerke auszugestalten, das je nach dem größeren Geldaufwand sich entsprechend glänzender befriedigt sah. Die Städte in Flandern und Brabant gingen nicht nur in Wohlstand, sondern auch in industrieller Betätigung den Städten in Deutschland, auch Augsburg und Nürnberg, im Ausgang des Mittelalters voran. Und so ist unter allen Räderuhren mit Federzugwerk das früheste und kostbarste Stück die für Herzog Philipp den Guten von Burgund zwischen 1430 und 1435 entstandene Standuhr, im Besitz des Herrn Marfels in Neckargemünd bei Heidelberg. Nach dem Geschmack der Zeit ist das Gehäus dieser Uhr aus vergoldetem Kupfer als ein von zwei Türmen gekrönter gotischer Kapellenbau ausgestaltet nach Art der Kapellenreliquiare, wie solche z. B. im Domschatz zu Aachen zu sehen sind. Dieses Werk ist bisher die früheste Räder-Hemmungsuhr mit spiraligem Federzugwerk, deren Schnecke auch schon Darmsaitenzug besitzt. Das Werk muß auch schon mit figürlichem Automaten ausgestattet gewesen sein. Es ist zugleich ein frühestes