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beeinträchtigt oder nur als Beigabe erscheinen läßt. Heute erscheint es ja nur als eine Spielerei, daß beim Stundenschlag die Musikanten des unteren Altans ihre Trompeten zum Mund führen, während die Orgel des Innern dazu ein Stück spielt, oder daß von den Planetengöttern des oberen Altans Saturn den Ablauf der Zeit durch einen Glockenschlag anzeigt, ebenso wie das ewige Rollen der Kugel, man muß sich aber vergegenwärtigen, um die auf die Herstellung eines solchen Werkes verwendete große Liebe und Mühe richtig würdigen zu können, daß für derartige mechanische Wunderwerke schon seit dem Altertum stets Interesse vorhanden war, daß der naive Sinn früherer Zeiten davon ungleich mehr in seiner Phantasie angeregt wurde als heute und daß auf ihre Erfindung und Herstellung die hervorragendsten Künstler ihre Kräfte herliehen. Es sei nur an Lionardo da Vinci erinnert, der als Techniker und Erforscher der Naturkräfte keine geringere Bedeutung hat denn als Künstler. Man erinnere sich, daß an vielen Orten die Turmuhren an Münstern und Rathäusern, welche Automatenwerke spielen ließen, wie etwa die berühmte zweite Uhr des Straßburger Münsters von Isaak I Habrecht von 1574, bis in unsere Zeit im hastenden Gedränge des Tages die Menschen zu einem kurzen Verweilen einladen. Mögen solche großen Figurenautomaten mehr und mehr von der Straße verschwunden sein und sich der in ästhetischer Hinsicht geläutertere Sinn nur noch an Werken kleinen Formates im Hause gelegentlich erfreuen, das Glockenspiel ist doch von all’ jenen mit den Uhren verbunden gewesenen mechanischen Triebwerken bis in unsere Zeit allgemein beliebt geblieben. Als Werk des Kunsthandwerks erhebt sich unsere Turmuhr nicht über den Durchschnitt. Der Uhrheber und Leiter der Ausführung hatte dazu verschiedene Hilfskräfte nötig, wie überhaupt in der fortschreitenden Entwicklung der Feinmechaniker auf die Mithilfe des Silberschmieds angewiesen war. Ein anderer Geselle hat die derben Reliefbüsten der römischen Kaiser hergestellt, ein anderer die silbergetriebenen Figuren der Musikanten und der Planetengötter, wieder ein anderer die den Holzsockel tragenden gegossenen Harpyien und die getriebenen Frauengestalten der sieben freien Künste in den Nischen des unteren das Zifferblatt vorn tragenden Geschosses. Diese letzteren sind noch am erfreulichsten. Es verdient noch darauf verwiesen zu werden, daß diese Freifiguren alle mit Lackfarben, sogenanntem kalten Email, bemalt waren, eine damals viel verbreitete Gewohnheit, von der leider bei anderen Werken häufig genug fast alle Spuren verwischt sind.