Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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spätrömischer comes Africae um 390 n. Chr.
Band VII,1 (1910) S. 13601363
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Gildo, Maure (Claud. de bell. Gild. 70. 236. 283. 338. 380; in Eutr. I 505. II praef. 71; de cons. Stil. I 383 II 286; de VI cons. Hon. 122), aus dem Stamme der Jubalener (Ammian. XXIX 5, 44), Sohn des Kleinkönigs Nubel, Bruder des Usurpators Firmus und zahlreicher anderer Geschwister, deren Namen, soweit man sie kennt, o. Bd. VI S. 2383 aufgezählt sind, Vater der Salvina (Hieron. epist. 123, 18 = Migne L. 22, 1059). Da er bei seinem Tode (398) in hohem Greisenalter stand (Claud. de bell. Gild. 446), wird er eher vor als nach 330 geboren sein. Um 373 stand er bei dem Kampfe gegen seinen Bruder Firmus im Dienste des Magister militum Theodosius (Ammian. XXIX 5, 6. 21. 24) und wird später wohl auch dem Sohne desselben, dem gleichnamigen Kaiser, als Offizier gedient haben. Um 385 wurde er Comes Africae (Claud. de bell. Gild. 154); doch die in dieser Stellung ganz ungewöhnliche Würde eines comes et magister utriusque militiae per Africam, mit der er in der Überschrift eines Gesetzes vom 30. Dezember 393 erscheint (Cod. Theod. IX 7, 9), dürfte er erst später empfangen haben, vielleicht für Verdienste, die er sich in dem Kriege gegen Maximus (388) erworben hatte. Zwar scheint er diesem anfangs die Hilfsmittel Africas zur Verfügung gestellt zu haben (Pacat. paneg. XII 38); doch gewann ihn Theodosius, indem er Nebridius, den Schwestersohn seiner Gattin Flaccilla, mit Salvina, der Tochter Gildos, vermählte (Hieron. ep. 79, 2 = Migne L. 22, 724) und bei dieser Gelegenheit wohl auch seinen militärischen Rang erhöhte. Um das J. 388 trat G. in Beziehungen zu dem donatistischen Bischof Optatus von Thamugadi (August. c. ep. Parm. II 2, 4; c. litt. Petil. I 24, 26 = Migne L. 43, 51. 257), der bald grossen Einfluß auf ihn gewann (August. c. ep. Parm. II 2, 4. 4, 8. II 15, 34. III 2, 4; de bapt. II 11, 16; c. litt. Petil. I 9, 10. 10, 11. 13, 14. 24, 26. II 23, 53. 37, 88. 83, 184. 92, 209. 101, 232. 103, 237; c. Cresc. III 13, 16. 60, 66. IV 24, 31. 25, 32. 27, 34; Gesta c. Emer. 9; epist. 53, 3, 6. 87, 5; in [1361] Ev. Joh. 5, 17) und ihn zur Befriedigung eigener Machtgelüste und zum Vorteil seiner Sekte ausbeutete. Solange G. seine Stellung behauptete, war daher der Donatismus in Africa die herrschende Kirche (Seeck Geschichte des Untergangs der antiken Welt III 349ff.), und dessen Anhänger versuchten auch nach seinem Tode, als auch sein Gegner Stilicho gefallen war, sein Andenken zu pflegen und zu feiern (Cod. Theod. IX 40, 19; vgl. Pallu de Lessert Fastes des provinces Africaines II 120). Nachdem 392 der Usurpator Eugenius sich erhoben hatte, blieb G. dem legitimen Kaiser zwar insofern treu, als er Befehle von ihm empfing; denn noch am 30. Dezember 393 hat Theodosius ein Gesetz an ihn gerichtet (Cod. Theod. IX 7, 9). Doch entzog er dem Eugenius nicht die Kornzufuhren Africas, wie sich daraus ergibt, daß unter der Stadtpraefectur des jüngeren Nicomachus Flavianus, die in diese Zeit fiel (o. Bd. VI S. 2512), in Rom Überfluß herrschte (Symm. ep. VI 1), und als Theodosius 394 seinen Kriegszug gegen den Usurpator rüstete, versagte G. ihm die Hilfe (Claud. de bell. Gild. 246; de VI cons. Hon. 108). Nach dem Tode des Kaisers, der dem Siege desselben fast unmittelbar folgte, erkannte er Honorius zwar als seinen Gebieter an (Claud. de bell. Gild. 256), suchte ihn aber dadurch in Furcht und Abhängigkeit von sich zu erhalten, daß er die Kornsendungen nach Italien immer nur in kleinen Raten abgehen ließ (Claud. bell. Gild. 70. 102), so daß in Rom schon seit dem Winter 394/5 dauernd Hungersnot oder wenigstens Mangel herrschte (Claud. bell. Gild. 17. 34. 127; de cons. Stil. I 278. 309; in Eutr. I 401. Seeck Symmachus p. LXVII. LXX), wodurch zeitweilig auch Seuchen hervorgerufen wurden (Claud. bell. Gild. 39). Unterdessen verkaufte G. das übriggebliebene Korn (Claud. bell. Gild. 75; vgl. 153) und sammelte ungeheure Reichtümer an (Claud. bell. Gild. 90. 163), die er durch Raub an den Untertanen vermehrte (Claud. bell. Gild. 197). Bei seiner Hinrichtung war sein konfisziertes Vermögen so groß, daß zur Verwaltung desselben ein besonderes Amt, die Comitiva Gildoniaci patrimonii geschaffen wurde (Not. dign. occ. XII 5, vgl. Dessau 795. Cod. Theod. VII 8, 7. 9. IX 42, 16. 19). Seine Gegner und die Reichen, nach deren Eigentum er begierig war, schaffte er durch Hinrichtungen oder Verbannung beiseite (Claud. bell. Gild. 165. 199), und wo er ein offenes Vorgehen nicht wagte, griff er zum Gift (Claud. bell. Gild. 171. 181). Als sein Bruder Mascizel vor ihm nach Italien floh, ließ er dessen beide Söhne töten und versagte ihren Leichen das Begräbnis (Oros. VII 36, 4. Claud. bell. Gild. 390. 412. Zosim. V 11, 3). Auch soll er trotz seines hohen Alters die Frauen und Töchter der Untertanen mit Gewalt seiner Wollust dienstbar gemacht haben (Claud. bell. Gild. 166. 182. 446). Als um 397 Stilicho gegen ihn Ernst machen wollte, erklärte er, nur von Arcadius, als dem ältesten Augustus, Befehle anzunehmen. Da auf diese Weise Africa dem oströmischen Reichsteil hinzugefügt wurde, begrüßte der Eunuche Eutropius, der hier die entscheidende Gewalt ausübte, dies mit Freuden (Zosim. V 11, 2. Oros. VII 36, 2. Claud. bell. Gild. 258. 279; in Eutr. I 399; de cons. Stil. I 271), und Edikte des Arcadius verboten [1362] den Kampf gegen G. (Claud. de cons. Stil. I 277). Um den Befehlen des älteren Augustus gegenüber einen Rechtstitel zu gewinnen, ließ Stilicho gegen Ende des Herbstes 397 (Claud. bell. Gild. 16. 66; vgl. Mommsen Chron. min. I 650, 36) durch den römischen Senat G. für einen hostis publicus erklären (Symmach. ep. IV 5. Claud. de cons. Stil. I 327. III 86). Da jetzt natürlich die afrikanischen Kornsendungen ganz ausblieben, wurde Getreide aus Gallien und Spanien nach Rom geschafft (Claud. de cons. Stil. I 307. II 392. III 91; in Eutr. I 402). Seit dem Sommer 397 (Cod. Theod. VII 13, 12; vgl. 13. 14) wurde durch die drückendsten Aushebungen (Symmach. ep. VI 58, 2. 64; vgl. 62) ein großes Heer zusammengebracht (Claud. de cons. Stil. I 306. 315). Doch hielt es Stilicho einstweilen noch als Reserve zurück (Claud. de cons. Stil. I 333. 364; bell. Gild. 9) und sandte zunächst nur die kleine Macht von einer Legion und sechs Auxilien (Claud. bell. Gild. 418; vgl. Seeck Forsch. zur deutschen Gesch. XXIV 186), im ganzen 5000 Mann (Oros. VII 36, 6) unter Führung des Mascizel (Claud. bell. Gild. 411. Oros. VII 36, 5. Paul. vit. S. Ambros. 51. Zosim. V 11, 3) nach Africa voraus. Es waren das gallische Truppen, die für den Usurpator gegen Theodosius gefochten hatten (Claud. bell. Gild. 430; de cons. Stil. I 350). Ihr aufrührerischer Geist mochte sie gefährlich scheinen lassen, so daß es Stilicho vielleicht nicht unerwünscht gewesen wäre, wenn der Kampf gegen eine ungeheure Übermacht (Claud. de cons. Stil. I 347) sie aufgerieben hätte. Denn auch G. hatte stark gerüstet; er hatte alle wilden Völkerschaften Africas aufgeboten (Claud. de cons. Stil. I 248. Oros. VII 36, 10) und so ein Heer von 70 000 Mann zusammengebracht (Oros. VII 36, 6. 12); man fürchtete sogar, daß er die Offensive ergreifen und nach Spanien übergehen werde (Claud. de cons. Stil. I 19). Noch ehe der Winter 398 zu Ende war (Claud. bell. Gild. 490), wurde im Hafen von Pisa jenes kleine Heer eingeschifft (Claud. bell. Gild. 483; vgl. 504). Da G. in dieser ungünstigen Jahreszeit wahrscheinlich noch keinen Angriff erwartete, konnte man ungehindert landen und ins Innere hineinmarschieren. Am Flüßchen Ardalio zwischen Theveste und Ammaedara traf man auf den weit überlegenen Feind (Oros. VII 36, 6). Mascizel dachte anfangs daran, dem Kampfe auszuweichen; doch im Traum verkündete ihm der heilige Ambrosius, daß er an diesem Ort am dritten Tage siegen werde, und wirklich ging das ganze feindliche Heer teils kampflos zu ihm über (Oros. a. O. Paulin. vit. S. Ambr. 51; anders Zosim. V 11, 3, der nach der heidnischen Tendenz seines Werkes das christliche Wunder beseitigt), teils zerstreute es sich in wilder Flucht (Claud. de cons. Stil. I 354). So entschied sich der Kampf schon im Frühling 398 (Claud. bell. Gild. 16), noch ehe das Heer des Stilicho gelandet war (Claud. bell. Gild. 9). G. selbst floh an das Meer und suchte sich in einem Kahn zu retten, wurde aber durch Sturm in den Hafen von Thabraca getrieben und dort gefangen genommen (Claud. de cons. Stil. I 358. II 211; in Eutr. I 410. II praef. 70; de VI cons. Hon. 382; bell. Gild. 12. Oros. VII 36, 11). Am 31. Juli 398 (Mommsen Chron. min. I 298. 528) [1363] wurde er erdrosselt (Oros. VII 36, 11. 12. Mommsen I 246, 398. 298, 528. 464, 1214. 650, 38. Claud. de cons. Stil. II 258; daß er sich selbst erdrosselt habe, beruht auf zweifelhaften Zeugnissen Zosim. V 11, 4. Mommsen II 66, 398. Iord. Rom. 320). Seine Leiche wurde in der Kirche von Lamzellum begraben (Gest. coll. Garth. I 206 = Migne L. 11, 1344). Seine Anhänger wurden vor Gericht gestellt (Claud. de cons. Stil. III 105) und mehrere, darunter der Bischof Optatus von Thamugadi (August. c. litt. Petil. II 92, 209; c. Cresc. III 13, 16 = Migne L. 43, 329. 504), hingerichtet und ihr Vermögen konfisziert (Cod. Theod. VII 8, 7. IX 42, 19); doch war man im ganzen milde. So wurde schon gleich nach dem Siege des Mascizel am 13. Mai 398 (Cod. Theod. IX 39, 3, wo III id. Mai. statt III id. Mart. zu schreiben ist) dem Proconsul von Africa die Instruktion gegeben, Verleumdungen Unschuldiger streng zu bestrafen, und diejenigen, welche Mascizel aus dem Asyl der Kirchen hatte herausreißen lassen, wurden nicht hingerichtet (Oros. VII 36, 13). Auch wütete man nicht gegen die Familie des G.; denn nicht nur seine Tochter Salvina, die mit dem Kaiserhause verschwägert war, sondern auch seine Gattin und eine Schwester, die Nonne war, blieben erhalten (Hieron. ep. 79, 9 = Migne L. 22, 730). – Den Kaisern und dem Stilicho wurden vom römischen Senat zum Danke für den Sieg über G. Statuen errichtet (Dessau 794. 1277). – A. C. Pallu de Lessert Fastes des provinces Africaines II 256.

[Seeck. ]