Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Volkswahl
Band IV,2 (1901) S. 16861698
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Creatio.

I. Begriff. Creatio ist (im gewöhnlichen Sinne) die Volkswahl (in den Comitien bezw. den dieselben ersetzenden Versammlungen) aber auch die im Wege magistratischer Ernennung erfolgende Berufung einer Person zu einem Amte (vgl. z. B. dictatorem creare Liv. II 18. 30. IV 26, 6. VI 68. XXII 8. 31. Fest. p. 198 s. optima lex; vom magister equitum Liv. IV 46, 11. 57, 6; vgl. Mommsen St.-R. II 151, 6. 616, 5); so erklärt es sich, wenn dem wahlleitenden Beamten mitunter die C. zugeschrieben wird (bei Gell. XIII 15, 4 Messalla lib. I de auspiciis......praetore praetores creante). Den nachstehenden Ausführungen ist der engere Begriff der C. (Besetzung durch Volksbeschluss) zu Grunde gelegt.

II. Entwicklung. Ursprünglich ist in Rom das magistratische Ernennungsrecht bei Besetzung aller Beamtenstellen in Wirksamkeit gewesen (Mommsen a. a. O. I 212; anders Herzog R. St.-V. I 651) und erst allmählich die Volkswahl an die Stelle der Ernennung getreten. Die mutmassliche Entwicklung war (nach Mommsen a. a. O.) die, dass der wahlleitende Beamte zunächst ein Vorschlagsrecht mit der Wirksamkeit ausübte, dass das Volk den Präsentierten entweder annehmen oder zurückweisen konnte. Als Gründe für die Annahme dieser Zwischenstufe werden angeführt die Contractsnatur des comitialen Actes und die ältere Terminologie, nach welcher quirites magistratus rogat (Liv. I 17, 9. III 64, 10. 65, 3. VI 42, 14. VIII 13, 10. XXII 35, 2. XXVI 22, 2. Gell. XIII 15. 4. Cic. de off. I 33; ad Att. XI 9, 3). Wann dieses Vorschlagsrecht des Beamten weggefallen und der Übergang zur freien Wahl erfolgt ist, lässt sich zeitlich nicht fixieren; in späterer Zeit ist das Recht des Magistrates im wesentlichen beschränkt auf die Mitwirkung bei der Rogation und Renuntiation und auf die Entscheidung über die angemeldeten Candidaturen (s. Art. Professio).

In der Republik ist allmählich die freie Volkswahl Regel geworden; eine Änderung in der Besetzungsart der Ämter wurde durch die lex Titia eingeleitet, welche den Triumvirn das Recht der Beamtenernennung übertrug (Cass. Dio XLVI 55. vgl. XLVII 19. LIII 21. Appian. bell. civ. IV 2). Augustus hat zwar im J. 27 v. Chr. das comitiorum pristinum ius wieder eingeführt (Suet. Aug. 40. Dio LIII 21) und nur bei Unruhen von dem ausserordentlichen Ernennungsrecht Gebrauch gemacht (Dio LIV 10. LV 34), aber mit der sich ausbreitenden Commendation ist das Wahlrecht immer mehr zur Formalität herabgesunken. Unter Tiberius sind die Comitien in den Senat verlegt worden (Tac. ann. I 15); dieser ist, von den Kaisercreationen und der vorübergehenden Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Caligula abgesehen (Dio LIX 9. 20), in der Kaiserzeit ausschliesslich Wahlkörperschaft [1687] geblieben. Von den neu eingerichteten Ämtern sind nur die Curae durch Wahl besetzt worden (s. Art. Commendatio). Ein über das Nominations- und Commendationsrecht hinausgehender Einfluss (Bestätigung der Senatswahlen) ist dem Kaiser bis ins 3. Jhdt. nicht zugestanden und auch nicht von der staatsrechtlichen Doctrin des 3. Jhdts. dem Kaiser beigelegt worden (Mommsens Belege a. a. O. II 928, 1 sind dafür nicht beweisend); im 4. Jhdt. finden wir die Ernennung der Consules ordinarii durch den Kaiser, während die von den Senaten der beiden Hauptstädte vorgenommenen Wahlen der Coss. suffecti, Praetoren, Quaestoren kaiserlicher Bestätigung bedürfen (Mommsen a. a. O. II 928f.).

III. Umfang. Die Wahl erstreckt sich 1. auf die magistratus und zwar a) auf die ordentlichen ständigen Ämter: Consulat (s. d.), Praetur (s. d.), curulische Aedilität (s. d.) und Quaestur (nach Tac. ann. XI 22 seit 447 v. Chr.; nach Plut. Poplic. 12 seit Beginn der Republik, während Iunius Gracchanus bei Clp. Dig. 113,1 pr. deren Wahl schon in der Königszeit annimmt, vgl. Quaestor); in späterer Zeit sind auch die decemviri stlitibus iudicandis (s. d.) und die tresviri capitalis (s. d.) durch Volkswahl zu ihrem Amte berufen worden. Strittig ist, ob, wie die Überlieferung berichtet, auch der König vom Volke (in den Curiatcomitien) gewählt wurde (Cic. de rep. II 25 [Numas Wahl]. 31 [Tullus Hostilius]. 38. Liv. I 41, 6. 46, 1. 47, 10. Dionys. IV 31, 10 [Servius Tullius]), oder ob die bezügliche Tradition nur Construction ist, um die Continuität des Oberamtes zu begründen (s. Rex).

b) Ordentliche, unständige Ämter: Censur (s. d.), Consulartribunat (s. d.) [der Interrex wird in historischer Zeit durch Wahl des Senates bestellt (Appian. bell. civ. I 98. Dionys. XI 20. Liv. V 31, 8. Suid. s. τοῖς ἐπιφανεστέροις τῶν βουλευτῶν, vgl. Art. Interrex)]. Der Dictator wird nur in seltenen Ausnahmsfällen (im J. 217 [vgl. Liv. XXII 8. Fasti Cap. z. d. J.; s. aber Liv. XXII 31. Polyb. III 87], in welchem es an einem zur Ernennung befugten Beamten fehlte, und im J. 210, Liv. XXVII 5. Plut. Marcell. 24, aus einem nicht näher bekannten Grunde) vom Volke gewählt; wenn dies der Fall ist, so dürfte auch der Magister equitum durch die Comitien bestellt worden sein (vgl. Liv. XXII 8. Polyb. III 87, dagegen anscheinend Plut. Fab. 4. Liv. XXVII; 5. 19).

c) Die ausserordentlichen Magistraturen, und zwar die decemviri legibus scribendis (vgl. den Art.). die duoviri perduellionis (vgl. Dio XXXVII 27, in Verbindung mit Cic. pro Rabirio ad pop. 12), die duoviri agris adsignandis et coloniae deducendae (vgl. Mommsen a. a. O. II 629), die duoviri aedi dedicandae und aedi locandae (Wahl für erstere durch Liv. XXIII 30, 14 bezeugt, für letztere per analogiam anzunehmen i: Wahl findet sich in der Regel bei der Designation der ausserordentlichen Hilfsbeamten für den Krieg (Dio XXXVI 23 [6], Cic. de imp. Cn. Pomp. 32); die im J. 212 zur Aushebung der Wehrfähigen eingesetzten Triumviri (Liv. XXV 5) und die im J. 44 zur Abhaltung der Consularwahlen (für das folgende Jahr) eingesetzten duoviri (Dio XLVI 45) sind nach Vorschrift der betreffenden [1688] Einführungsgesetze durch Volkswahl creiert worden.

Teils durch Wahl, teils durch Einzelcreation ist anfangs das Amt der tribuni militum (s. d.) besetzt worden; im J. 362 wurde den Comitien die Wahl von 6 (Liv. VII 5, 9), im J. 311 von 16 (Liv. IX 30, 3) Militärtribunen überlassen; zwischen 311 und 219 (207?), ist dann festgesetzt worden, dass sämtliche (24) Stellen durch Volkswahl besetzt werden sollten (Liv. XXVII 36, 14), wovon nur in schwerer Kriegsgefahr auf besonderen Volksbeschluss abgegangen wurde (Liv. XLII 31. XLIII 12, 7).

d) Die plebeischen Magistraturen. Die Volkstribunen sind bis zum Plebiscitum Trebonianum (448) teils durch Wahl, teils durch Cooptation (s. d.) des oder der gewählten Tribunen, seither aber ausschliesslich durch Wahl, die Aediles plebis anfangs wohl durch Ernennung der Tribunen, späterhin durch Wahl designiert worden (s. Tribuni plebis und oben Art. Aedilis (plebis) Bd. I S. 450).

2. Auf Priesterstellungen. a) Die Pontifices, Augures, Quindecimviri sacris faciundis und vermutlich auch die Epulones sind im J. 103 (Vell. II 12, 3) oder 102 (Ascon. in Cornel. p. 81) durch das Plebiscit des Cn. Domitius Ahenobarbus der Volkswahl unterstellt worden (Suet. Nero 2. Cic. ad Brut. I 5; ad fam. VIII 4); ein früherer Antrag des C. Licinius Crassus (145) drang nicht durch (Cic. de amic. 26; de deor. nat. III 5); durch das Plebiscitum Labienum im J. 63 (Dio XXXVII 37) und eine Lex Iulia (Cic. ad Brut. I 5) ist die unter Sulla wieder eingeführte Cooptation (Dio a. a. O.) abgeschafft, die Volkswahl restauriert worden, und hat sich diese bis in die Kaiserzeit mit der Modification, dass auch hier der Senat eigentliche Wahlkörperschaft ist, erhalten (Tac. ann. III 19. Claudius in der Lyoner Rede 2, 11). b) Der Pontifex maximus (s. d.) ist nachweislich schon vom 3. Jhdt. v. Chr. an durch Volkswahl bestellt worden (Liv. XXV 5. XXXIX 46, 1. 42, 11. Suet. Caes. 13. Mon. Ancyr. 2, 27); dieselbe hat sich auch hier in der Kaiserzeit erhalten (CIL I p. 388. Henzen Act. arv. p. 67). c) Der Curio maximus ist schon vor 209 in den Comitien gewählt worden (Liv. XXVII 8).

3. Auf die Geschworenen: in exeptioneller Weise ist durch die Lex Plautia (89) bestimmt worden, dass die Geschworenen für die Untersuchungen über die Majestätsverbrechen ex lege Varia durch Wahl bestellt werden sollten; dieselbe fand jedoch nicht in Comitien statt, sondern jede Tribus wählte einzeln je 15 iudices (Ascon. in Cornel. p. 79). – Auch die Vorsteher der einzelnen Tribus, ursprünglich vom König bezw. Consul ernannt, sind in späterer Zeit gewählte Beamte (s. Tribunus); der Praefectus urbi ist ohne Eingreifen der Comitien bestellt worden; Wahl bei diesem Amte ist mit Hinblick auf Dio LIV 6 (ταραχή τις περὶ τὴν τοῦ πολιάρχου τοῦ διὰ τὰς ἀρχὰς αἱρουμένου χειροτονίαν συμβᾶσα) behauptet worden, von Mommsen wird aber dagegen angeführt, dass Dio LVIII 20 auch bei dem vom Kaiser vergebenen Consulat von χειροτονία spricht. Nur nebenbei sei bemerkt, dass Alexander Severus bei Designation des Praefectus [1689] urbi wie des Praefectus praetorio dem Senat ein Vorschlagsrecht gelassen hat (Hist. Aug. Alex. 10). Über die Bestellung des Princeps s. Tribunicia potestas.

IV. Actives Wahlrecht. Das active Wahlrecht steht den Bürgern und Latinern zu. Es fehlt den sog. cives sine suffragio, das sind jene, welchen das active Wahlrecht bei Verleihung der Civität ausdrücklich durch das Gesetz entzogen wurde, und ursprünglich auch den von den Censoren aus der Liste Gestrichenen; im 7. Jhdt. d. St. ist es strafweise bei verschiedenen Quaestionen entzogen worden. In der mittleren republicanischen Zeit haben die Consularen, Praetorier, Aedilicier insofern ein bevorzugtes Wahlrecht genossen, als sie dasselbe in den Rittercenturien ausübten. In späterer Zeit hat die censorische Rüge nur die Ersetzung des besseren Stimmrechtes durch das schlechtere in einer städtischen Tribus zur Folge (s. Nota censoria); den nach dem Bundesgenossenkrieg creierten Neubürgern ist gleichfalls nur das Stimmrecht in gewissen Tribus verliehen worden. Die Verleihung des activen Wahlrechts gehört zur Praerogative des Volkes (Liv. XXXVIII 36, 8); ebenso steht die Entziehung ausschliesslich der Gemeinde zu, weshalb in späterer Zeit die Nota censoria nur die eben erwähnte Folge hat (Liv. XLV 15), s. Ius suffragii.

V. Passives Wahlrecht (Wahlqualification). Die Magistraturen sowohl wie die durch Volkswahl besetzten Priestertümer sollen principiell allen Römern zugänglich sein. Nach und nach sind jedoch für die Bekleidung der Magistratur durch Herkommen und Gesetz eine Reihe von Erfordernissen festgestellt worden, welche den Kreis der passiv Wahlfähigen bedeutend einschränkten; die durchgreifendste Einschränkung knüpft sich an die zu Beginn der Kaiserzeit eingetretene Teilung der Magistraturen zwischen Senat und Ritterstand. Die Kehrseite der Wahlerfordernisse sind die Wahlhindernisse. Mommsen hat seiner Darstellung die Einteilung derselben nach dem Umfange der Wirksamkeit in absolute (schlechthin ausschliessende) und relative (im einzelnen Fall ausschliessende) zu Grunde gelegt; wir besprechen im folgenden die einzelnen für die Wahlqualification in Betracht kommenden Umstände (wobei wir für die einzelnen Magistraturen auf die Specialartikel verweisen) sowie die Wahl trotz mangelnder Qualification und die Ersetzung derselben.

1. Die bei der Wahlqualiflcation in Betracht kommenden Umstände.

a) Status libertatis. Zur Bekleidung der Magistratur (sowie der durch Wahl besetzten Priestertümer) ist die Ingenuität gefordert; die Wandlung, welche dieser Begriff durch die Lex Terentia (189 v. Chr.) erlitt, ist auch für das passive Wahlrecht von Bedeutung (s. Ingenuus), indem nach dem J. 189 Söhne von Freigelassenen zu Volkstribunen gewählt werden können (Appian. bell. civ. I 133. Dio LIII 27) und in der späteren Kaiserzeit allgemein der Satz gilt: libertorum filios adipisci clarissimam dignitatem (Cod. Iust. XII 1, 9). In späterer Zeit sind Freigelassene mit Beilegung der Ingenuität (Active Ingenuität) gewählt worden (Hist. Aug. Comm. 6; Elag. 11). Nicht wählbar sind daher Unfreie (Dio XLVIII [1690] 39; Ulp. Dig. I 14, 3 nur scheinbar dagegen, da die das Gegenteil aussprechenden Worte iustinianische Interpolation sind).

b) Status civitatis. Gefordert wird das volle Bürgerrecht; nicht wählbar sind daher Fremde (Latini, Peregrini) und die cives sine suffragio (s. o.), welchen in der Kaiserzeit auch jene beizuzählen sind, denen bei der Verleihung des Bürgerrechtes das passive Wahlrecht nicht speciell verliehen worden ist (vgl. Tac. ann. XI 23. 25).

c) Geburtsstand, α) Patriciat. Bis 367 ist derselbe Erfordernis für sämtliche Magistraturen. In diesem Jahre sind die Plebeier zum Consulat zugelassen worden (Liv. VI 35. 37, 4. 40, 16. 42, 9. VII 1. X 8. Fasti Cap. z. J. 388 d. St.), indem durch das licinische Plebiscit festgesetzt wurde consulum utique alter ex plebe crearetur; bis zum J. 342 blieb eine Stelle den Patriciern reserviert (Liv. XXVII 34, 9. XXXV 10, 4. 24, 4. XXIX 32, 7); im J. 342 wurden die Plebeier zu beiden Stellen zugelassen (Liv. VII 42 uti liceret, consules ambos plebeios creari). Die Praetur ist vermutlich von allem Anfang an den Plebeiern zugänglich gewesen (bei Liv. VIII 15, 9 zum J. 337 v. Chr. ist nach Mommsens Erklärung nur an ein subjectives Bedenken des wahlleitenden Beamten gedacht). Der erste plebeische Censor begegnet im J. 351 (Liv. VII 22, 7. X 8, 8); Mommsen nimmt an, dass die Zulassung der Plebeier zur Censur auf die licinisch-sextischen Rogationen zurückzuführen sei. Im J. 339 (Liv. VIII 12. 16) wurde bestimmt, ut alter utique ex plebe, cum eo (im J. 342 V) ventum sit, ut utrumque plebeium fieri liceret, censor creatur (vgl. Plut. Cat. mai. 16. Liv. ep. 59). Die curulische Aedilität, ursprünglich nur patricisch, ist seit 304 (Liste der curulischen Aedilen), vielleicht schon seit 364 (Fest. p. 326 s. saltatores in Verbindung mit Livius Bemerkung über die Entstehung der Bühnenspiele VII 2 zum J. 354) alternierend von Patriciern oder Plebeiern (Liv. VII 1. Polyb. X 4), in der letzten Zeit der Bepublik promiscue von Angehörigen beider Stände (Liv. a. a. O.), in der Kaiserzeit (s. u.) nur von Plebeiern bekleidet worden, β) Plebeität. Vom Volkstribunat und der plebeischen Aedilität sind die Patricier stets ausgeschlossen gewesen (vgl. Fest. p. 231. Liv. IV 25, 11. Zon. VII 115. Dio XXXVII 51); über das Erfordernis der Plebeität bei der Creation der curulischen Aedilen s. o. γ) Senatorischer Stand. In der Kaiserzeit (seit Augustus) ist zur Erlangung von Gemeindeämtern und der höheren Priestertümer der senatorische Stand gefordert; derselbe wird im Wege des Erbrechtes (Descendenz eines Senators) oder durch besondere Verleihung erworben (s. Ordo senatorius).

d) Priestertum. Die Bekleidung eines Priestertums steht der Wählbarkeit für eine Magistratur nicht im Wege. Eine Ausnahme besteht in der Republik nur bezüglich des Rex sacrorum (Plut. quaest. Rom. 63. Dionys. IV 741 und in älterer Zeit vielleicht auch des Flamen Dialis (s. d. Plut. a. a. O. 113); in der Kaiserzeit ist die Stellung des Rex sacrorum kein Wahlhindernis (CIL XIV 3604. 4246).

e) Geschlecht. Frauen besitzen nicht das passive Wahlrecht (Ulp. Dig. L 17, 2).

f) Gesundheit. Obwohl die Gesundheit nirgends [1691] ausdrücklich als Wahlerfordernis bezeichnet wird, ist sie doch wohl mit Rücksicht auf die geregelte Thätigkeit des Magistrates gefordert worden (Dionys. II 21. V 25. IX 3; vgl. Ulp. Dig. III 1, 1, 5 und Cod. Iust. X 31, 8).

g) Ehre. Die Unbescholtenheit ist ein Erfordernis zur Bekleidung des Amtes; wann dieselbe dem Candidaten abgeht, beurteilt der wahlleitende Magistrat, ursprünglich in der Regel ganz nach freiem Ermessen. Gründe für die Zurückweisung sind criminelle Verurteilung — insofern dieselbe nicht schon kraft des Urteils den Verlust der Wahlfähigkeit zur Folge hat — (Asc. p. 78. Lex Iul. mun. Z. 118. 135. Schol. Bob. in Cic. pro Sulla 17. Dig. XLVIII 7, 1. 8, 8), schwebende Anklage (Cic. de leg. agr. II 24, vgl. aber Dio XXXIX 7), nota censoria (s. d.) und Begebung infamierender Handlungen (Cic. pro Cluent. 119; pro Q. Rose. 24, vgl. auch Lex Iulia mun. Z. 113f. 121. 123f. Tertull. de spect. 22). In der Kaiserzeit ist, wer civilrechtlicb infam ist, auch von der Wählbarkeit ausgeschlossen (Dig. XLVIII 7, 1 pr. Cod. Iust. X 31, 8. 57. 1. XII 36, 3). S. Art. Infamia.

h) Berufsstand. Der Betrieb eines Gewerbes und entgeltliche Leistung von Diensten macht wahlunfähig (Gell. VII [VI] 9. Liv. IX 42; vgl. auch Lex Iulia munic. Z. 104 in Verbindung mit Cic. ad fam. VI 18, 1).

i) Vermögen. Seit Augustus ist ein Vermögen von mindestens einer Million Sesterzen notwendige Voraussetzung für Bekleidung eines Amtes (Dio LIV 17. 26. Suet. Aug. 21. Ovid. am. III 8. 55. Plin. n. h. XIV 5. Plin. ep. ad Trai. 4).

k) Militärpflicht. Vor dem J. 213 ist die Erfüllung der Dienstpflicht nicht gefordert worden. Im Anfang des 7. Jhdts. d. St. finden wir, dass zur Übernahme des Kriegstribunates fünf, zu der der Quaestur zehn Dienstjahre gefordert werden (vgl. die vielbesprochene Stelle Polyb. VI 19, 2—4. Plut. C. Gracch. 2. Liv. XXVII 11, 14); wie Mommsen a. a. O. I 505ff. bemerkt, wird nicht effective Dienstleistung, sondern nur gefordert, dass der Stellungspflicht Folge geleistet wird; wenn in einem Jahre ein Aufruf nicht erlassen wurde, wird das Jahr doch mitgezählt. Bei besonderer Tapferkeit im Kriege tritt teilweise Remission ein (s. u.). Der Nachweis der erfüllten Dienstpflicht entfällt mit dem 46. Lebensjahre. Zu Ciceros Zeit sind diese Bestimmungen rücksichtlich der Dienstpflicht wohl ausser Kraft gewesen; es deutet nichts auf ihre fernere Geltung hin; nur ein bestimmtes Alter wird gefordert (s. u.).

l) Intervallierung. Zwischen der Bekleidung zweier Ämter muss in späterer Zeit eine gewisse Zwischenzeit liegen. Hieraus ergiebt sich 1. das Verbot der Continuation und zwar α) derselben Magistratur; anfangs zulässig bei den curulischen Ämtern und nur als gegen das Princip der Befristung verstossend gemissbilliγt (Liv. III 21. XXIV 9, 1. XXVII 6, 4. Dionys. X 19), ist sie durch ein Plebiscit aus dem J. 342 (330?) untersagt und ein zehnjähriges Intervall für die Bekleidung desselben Amtes eingeführt worden (Liv. VII 42. X 13. Plut. Mar. 12), was nach zeitweiser Untersagung der Iteration beim Consulat (s. d.) im J. 81 von Sulla wieder eingeschärft [1692] wurde (Appian. bell. civ. I 100. Cic. de leg. III 9); bei den plebeischen Ämtern ist die Continuation desselben Amtes stets unzulässig gewesen (Dio frg. 22. Zonar. VII 15. Cic. in Catil. IV 4. Liv. ep. 58. Appian. bell. civ. I 14); β) durch unmittelbar auf einander folgende Bekleidung verschiedener Magistraturen; die Continuierung verschiedener patricischer Ämter dürfte vermutlich bereits vor dem hannibalischen Kriege verboten worden sein, da sie nach Ausweis der Beamtenlisten nach diesem Zeitpunkt im allgemeinen nicht begegnet und, wo dies der Fall ist, das Abweichen von der Regel sich durch besondere Gründe (s. u.) erklären lässt; für die Quaestur ist das Verbot nicht erweislich. Das Intervall ist anfangs der Dauer nach unbestimmt; nach dem J. 171 (die Fixierung geht auf die Lex Villia annalis zurück, welche ein Minimalalter für die Bewerbung — in welcher Weise ist nicht zu sagen — vorschrieb) finden wir (s. Beamtenlisten) sowohl zwischen Aedilität und Praetur (vgl. Cic. ad fam. X 25, 2; pro Mil. 24) als auch zwischen Praetur und Consulat (vgl. Ciceros Bemerkungen über seine Carriere de offic. II 59; Brut. 323; de lege agr. II 3; ferner Carriere des Tiberius Suet. Tib. 9. Henzen Act. arv. p. CCXLII) ein amtsfreies Biennium; das gleiche Intervall dürfte vermutlich auch zwischen Quaestur und Aedilität gegolten haben. Das Verbot der Continuierung ist (s. Listen bei Livius) im J. 196 auf die plebeische Aedilität (und wahrscheinlich auch auf das Tribunat) ausgedehnt worden. In der Kaiserzeit ist das Intervall zwischen Quaestur und Aedilität-Tribunat einerseits und zwischen der letzteren und der praetorischen Rangstufe andererseits vermutlich auf ein Jahr (mit Zuschlag von 6 bezw. 20 Tagen) festgesetzt worden. Nur ein Ausfluss des Verbotes der Continuierung ist es, wenn der wahlleitende Magistrat in der guten republicanischen Zeit (s. die bei Mommsen a. a. O. I 500, 1 angeführten Beispiele von Selbstrenuntiation) als von der Wählbarkeit ausgeschlossen gilt (Liv. X 15, 11). 2. Das Verbot der Cumulierung mehrerer Ämter. Cumulierung patricischer Jahresämter ist schon vor dem Plebiscit vom J. 342 unzulässig (Liv. VII 42, 2. XXXIX 39), ebenso dürfen wohl die plebeischen Ämter nicht gleichzeitig bekleidet werden. Cumulierung patricischer und plebeischer Amter ist unzulässig.

m) Ämterfolge. a) Qualificierender Charakter des vorher bekleideten Amtes. Die Ämterfolge (honorum gradus Liv. XXXII 37. 10; gradus petitionis Cic. Phil. V 47; honoris gradus Cic. pro Mil. 24) ist, ursprünglich gewohnheitsrechtlich festgesetzt, durch die Lex Villia annalis (s. d.) im J. 180 gesetzlich geregelt und im J. 81 durch Sulla neuerlich eingeschärft worden (Appian. bell. civ. I 100); diese Grundlage gilt auch noch in der Kaiserzeit.

αα) Patricische Magistrate. Der Vigintivirat ist (erst) seit der Kaiserzeit allgemeines Erfordernis für die Bekleidung der Magistraturen (vgl. die Befreiungen Tac. ann. III 29. Dio LX 5). Die vorherige Bekleidung der Quaestur ist für die Aedilität nicht gefordert (vgl. quaestor aedilicias Cic. in Pis. 88), ob auch für die Praetur (seit der Lex Villia annalis) ist bestritten (Mommsen [1693] a. a. O. I 542f. gegen Nipperdey Die leges annales der röm. Republik 40f.); die der curulischen Aedilität vor der Praetur ist erst am Ende der Republik gefordert (Mommsen a. a. O. 541). Die Bekleidung der Praetur vor dem Consulat ist zwischen 198 und 148 (wohl 180 durch die Lex Villia annalis) gesetzliches Erfordernis geworden; von 198 an haben das Consulat in der Regel Praetorier innegehabt. Strittig ist, ob die Consularität zur gesetzlichen Wahlqualification bei der Censur gehört (Mommsen a. a. O. I 549 negativ gegen Nipperdeys Annahme a. a. O. 39). Die Bekleidung plebeischer Ämter ist nicht Voraussetzung für die Wahl zu den curulischen.

ββ) Die Reihenfolge, in welcher die plebeischen Ämter zu bekleiden sind, ist durch Herkommen festgesetzt; ob die Quaestur für dieselben gefordert wurde, was Appian. bell. civ. I 100 für die Zeit Sullas vermutet, ist strittig; vgl. Mommsen a. a. O. I 593. Die vorherige Bekleidung der Aedilität oder des Tribunates ist bei plebeischen Candidaten in der Kaiserzeit (bis zum Abkommen der aedilicisch-tribunicischen Rangstufe) gefordert. Über Ausschluss der Patricier von dieser Stufe s. o. S. 1690.

γγ) Für ausserordentliche Magistraturen finden wir mitunter in den Einführungsgesetzen das Erfordernis der vorherigen Bekleidung gewisser Ämter statuiert, so ist z. B. die Consularität durch die Lex Gabinia für das Commando gegen die Seeräuber (Dio XXXVI 6) und durch die Lex Cassia für die durch dieses Gesetz eingeführten decemviri agris adsignandis (s. d.) als Wahlerfordernis statuiert. Über die Curationen s. Cura, Curatores.

β) Disqualificierender Charakter des bekleideten Amtes, α) für dasselbe Amt; dies gilt für die Censur (s. d.) und zeitweise auch für das Consulat (Liv. ep. 56); β) für ein anderes Amt. Durch die Lex Cornelia (81) ist festgesetzt worden, dass ein gewesener plebeischer Tribun zur Innehabung anderer (höherer) Ämter unfähig sein solle (Appian. bell. civ. I 100), eine Bestimmung, welche im J. 75 wieder aufgehoben wurde (Cic. pro Corn. p. 79. Ascon. dazu; vgl. auch ebd. p. 66. Sall. hist. III 61, 8. Schol. zu Cic. Verr. p. 200 Or.).

n) Alter. In älterer republicanischer Zeit hat die passive Wahlfähigkeit jedenfalls dem impubes gefehlt und von den puberes auch den praetextati (Dio XLVIII 43); da es für das Ablegen des Kinderkleides eine fixe Altersgrenze nicht gab, hat es auch für die passive Wahlfähigkeit eine solche nicht gegeben; dass aber auch solche, welche jene Altersstufe überschritten hatten, ,wegen mangelnder Altersreife‘ zurückgewiesen werden konnten, zeigen die erhaltenen Berichte über die Candidaturen des Scipio Africanus (Liv. XXV 2. Polyb. X 4) und des T. Flamininus (Liv. XXXII 7, 11. Plut. Flam. 2). In späterer Zeit wird (durch die Lex Villia) die Altersgrenze für die einzelnen Ämter wohl mittelbar durch die mit dem 17. Lebensjahre beginnende zehnjährige Militärdienstzeit und durch die Intervalljahre festgesetzt. Nach Abkommen der zehnjährigen Militärpflicht ist wohl nur für die Quaestur (Cic. Phil. V 47) ein fixes Alter festgesetzt worden; das Altersminimum für die übrigen Ämter [1694] bestimmt sich nach den Intervallen. Welches das zur Bekleidung der Quaestur gesetzlich geforderte Alter war, ist bei den widersprechenden Angaben der Quellen nicht mit Sicherheit festzustellen. Cic. Phil. V 48; de imp. Pomp. 62 führen nach Mommsens (a. a. O. I 569) Interpretation auf das 37. Lebensjahr (andere Interpretation Wex Rh. Mus. III 276ff. Nipperdey a. a. 0. 57), während andererseits Beispiele (Cicero, s. d., M. Antonius s. o. Bd. I S. 2595) für die Bekleidung nach zurückgelegtem 30. Lebensjahr vorhanden sind. Diesen Widerspruch sucht Mommsen durch die Annahme einer gesetzlichen Bestimmung des Inhaltes aufzulösen, dass diejenigen, welche nicht nur die nicht obligatorischen Ämter zu bekleiden gedachten, schon im 31. Lebensjahr zur Candidatur zugelassen wurden, die Praetur aber erst in dem Zeitpunkte erlangten, in welchem jene, die ihre Carriere mit dem 37. Lebensjahr begonnen hatten, zur Bekleidung wahlfähig wurden. In der Kaiserzeit ist für die Quaestur das 25. (Dio LII 20. CIL III 550), für die Praetur wohl das 30. Lebensjahr erforderlich (Dio a. a. O.), für die anderen Ämter liegen für diese Zeit bestimmte Nachrichten nicht vor. Bei den ausserordentlichen Magistraturen wird zuweilen ein bestimmtes Alter durch das Einführungsgesetz festgesetzt (Cic. de lege agr. II 24). Bei den Wahlpriestertümern bestellt in republicanischer Zeit das Erfordernis eines höheren Alters nicht, auch Knaben sind zu Priestern gewählt worden (Liv. XL 42, 7. XXIX 38, 7. XLII 28,13); für die Kaiserzeit ist eine Änderung nicht mit Sicherheit zu behaupten (vgl. Mommsen a. a. O. II 32, 4). Für die Computation hat in der Kaiserzeit (vielleicht schon am Ende der Republik) der Grundsatz gegolten, dass annus coeptus pro pleno habetur (Ulp. Dig. L 40, 8. Paul. Dig. XXXVI 1, 76 [74] 1).

o) Professio. Hierüber s. u.

2. Wahl trotz mangelnder Qualification. Dieselbe ist entweder revolutionär (so z. B. Continuation des Tribunats durch Ti. Gracchus, Cic. Catil. IV 4. Liv. ep. 58. Appian. bell. civ. I 14), oder sie erfolgt auf besondere Dispensation. Die letztere beruht entweder auf genereller Vorschrift (z. B. Befreiung der Patricier von der aedilisch-tribunischen Rangstufe, Mommsen a. a. O. I 555; Befreiung der quaestores aerarii [44—56] von der Bekleidung der Aedilität und des Tribunats, Tac. ann. XIII 29. Dio LX 24. CIL VI 1403. XI 6163; Recht für jedes Kind ein Jahr von der allgemein geforderten Altersfrist abzurechnen, Ulp. Dig. IV 4, 2) oder auf Personalprivileg; Beispiele hiefür sind die Befreiung des Scipio Africanus minor von der Praetur, des Pompeius von der Quaestur und Praetur; Altersdispense in der Republik bei Caesar, Scipio Aemilianus u. a, m. (vgl. die prosopographischen Artikel über diese), Befreiung von der Vorschrift, dass der Candidat bei der Wahl persönlich zugegen sein müsse (Caesar, Pompeius), in der Kaiserzeit Altersprivilegien bei den Mitgliedern des kaiserlichen Hauses, verbunden mit Nachsicht der dem Consulat vorausgehenden Ämter bei den präsumtiven Thronfolgern (Mommsen a. a. O. I 576, 3), Altersnachsicht bei Privaten seltener (CIL III 2. XII 3164. Hist. Aug. Did. Iul. [1695] 1) Dispensation vom Vigintivirat (CIL III 384. V 7153. XII 4354. VIII 7041. Plin. ep. XI 9); sie wird vom Senate (Cic. de imp. Cn. Pomp. 62) oder durch Gesetz (Cic. ac. pr. 1) erteilt. Ersetzung der Qualification findet rücksichtlich des Erfordernisses sub m) durch allectio (s. d.), bezw. durch Verleihung des latus clavus (s. d.) statt.

VI. Die bei der Wahl mitwirkenden Factoren.

1. Wahlleitender Magistrat, a) Dem Consul (s. d.), Ordinarius oder suffectus (Liv. III 20, 8. XXII 33, 9), steht die Wahlleitung zu bei C. der Consuln und Praetoren (Cic. ad Att. IX 9, 3. Gell. XIII 15, 4), der Quaestoren (Cic. in Vat. 11. Vell. II 92), der curulischen Aedilen (Varro r. r. III 2, 2. Cic. ad Att. IV 3; pro Planc. 49. Dio XXXIX 7. 32), des Censors (Cic. ad Att. IV 2,6. Liv. VII 22. XXIV 10,2. XXVII 11. 17. XXXII 7. XXXIX 41, 5), bei ausserordentlichen Magistraturen vielfach infolge Vorschrift des Einführungsgesetzes (vgl. z. B. Liv. VIII 6, 14. IX 20, 8. XXXII 2. XXIII 30, 14. Cic. pro Mil. 22), und seit der lex Domitia auch bei den Priesterwahlen (Cic. ad Brut. I 14, 1). b) Der Praetor urbanus begegnet als wahlleitender Magistrat bei der Praetorenwahl im J. 49, was aber als gesetzwidrig bezeichnet wird (Cic. ad Att. IX 9, 3. 15, 2. Gell. XIII 15, 4), bei der Wahl der Tresviri capitales (Fest. p. 347 s. sacramento), bei ausserordentlichen Magistraturen (Liv. X 21. XXII 3. XXV 7. XXXI 4. XXXIV 53, 12. XXXVII 46, 10. XXXIX 23; über die Wahl der duoviri zur Abhaltung der Consulwahlen für 43 s. o.); zweifelhaft ist, ob auch die quattuorviri Capuam Cumas unter praetorischer Wahlleitung erwählt werden (von Mommsen II 126, 4 auf Grund von Fest. p. 233 s. praefecturae gefolgert), c) In die Competenz des Volkstribunen fällt die Wahlleitung bei Wahl der Volkstribunen, seitdem dieselbe den plebeischen Tribus zusteht (Liv. III 64, 4. Appian. bell. civ. I 14), bei der C. der plebeischen Aedilen (Dionys. VI 90), bei ausserordentlichen Magistraturen (Liv. XXVI 2, 5. XXIX 13. 77. XXX 41, 4. XXXI 50, 11) regelmässig im 7. Jhdt. d. St. bei den Beamten agris adsignandis und coloniae deducendae (Cic. de lege agr. II 16. 20), bei der Wahl des Dictators im J. 210 (s. o.). Mit der Verlegung der Comitien in den Senat ist die Aufhebung der tribunicischen Wahlleitung verbunden, d) Die tribuni militum consulari potestate haben als wahlleitende Magistrate bei Wahl von Consulartribunen und Consuln (Mommsen a. a. O. II 189) und nachweislich auch der Quaestoren (Liv. IV 44, 2) fungiert, e) Der Dictator (s. d.) erscheint zur Wahlleitung berufen bei der Wahl der Consuln; er begegnet auch als wahlleitender Magistrat bei Quaestorenwahl (Cic. ad fam. VII 30). f) Der Interrex hat nach dem Herkommen dann die Wahlleitung bei den Consularcomitien, wenn beide consules ordinarii im Amt verstorben sind (Liv. XLI 18, 16). g) Ausnahmsweise hat im J. 449 der Pontifex maximus (Cic. bei Ascon. p. 77. Liv. III 54) die Wahl der Volkstribunen geleitet. In den Comitien zur Wahl des Pontifex maximus hat ein Pontifex, gewöhnlich der jüngste, die Wahlleitung (s. Pontifex); wer sie bei der den Curiatcomitien zustehenden Wahl der Volkstribunen innegehabt, lässt sich nicht mit [1696] Bestimmtheit sagen. Welchem von mehreren Concurrierenden die Wahlleitung zusteht, entscheidet die comparatio oder sortitio (s. d.); bei curulischen Ämtern nachweislich, sind sie bei den plebeischen per analogiam anzunehmen.

2. Wahlkörperschaft, a) Centuriatcomitien; in ihnen erfolgt die Wahl der Consuln und überhaupt der höheren Magistrate (Liv. I 60, 4. Dionys. IV 84). b) Die patricisch-plebeischen Tributcomitien; ihnen steht die Wahl der Aediles curules (Gell. VII 9, 2. Liv. XXV 2, 7. Varro r. r. III 17, 1. Cic. pro Planc. 49. 53) und auch der anderen niederen Magistrate (Quaestoren), der tribuni militum a populo (Sall. Iug. 63) und vielfach der oben sub III 1 c) angeführten Beamten zu. Nur die kleinere Hälfte der Stimmabteilungen (welche, wird durch das Los bestimmt, Cic. de lege agr. II 17) hat bei der Wahl des Pontifex maximus und bei der C. der oben (III 2 b) angeführten Collegicn (Cic. de lege agr. II 16–18) mitgewirkt (s. bei Cic. a. a. O. auch den Vorschlag des Rullus). c) Concilium plebis; ihm steht die Wahl der Volkstribunen zu seit der Lex Publilia (471; Liv. II 56, 2; vgl. aber Dionys. VI 90. IX 43); auch die Wahl der plebeischen Aedilen (vgl. auch Dionys. IX 49) gehört in die ausschliessliche Competenz der plebeischen Tributcomitien; noch in der Kaiserzeit sind die Plebeier ausschliesslich zu den plebeischen Magistratswahlen berufen worden (Dion. LVIII 20). d) Curiatcomitien; die Wahl der Volkstribunen stand ursprünglich den Curien zu (s. Mommsen a. a. O. III 171). e) Senat. In republicanischer Zeit fungiert der Senat als wahlberechtigte Corporation bei der Wahl des Interrex; hier die bekannte Streitfrage, ob der ganze Senat oder nur die Patricier den Zwischenkönig bestellen (s. Interrex, Patres). In der Kaiserzeit sind die Comitien in den Senat verlegt worden, auch die zur Wahl der Volkstribunen und der Priester (mit Einschluss der für die zu Divi erklärten Kaiser), s. Senatus.

Durch die einzelnen Tribus ist die Wahl der Geschworenen ex lege Plautia in der Weise vorgenommen worden, dass jede Tribus 15 iudices wählte (Citate s. o. S. 1688).

3. Nominationsberechtigte Subjecte.

a) Der Oberbeamte hat ursprünglich bei Wahl des Nachfolgers und des Collegen ein Nominationsrecht gehabt (s. o.). b) Bezüglich der duoviri aedi dedicandae bezw. aedi locandae steht dem Senate die Nomination zu; der Volksbeschluss, welcher die Dedication anordnet, enthält auch den Namen des vom Senate zu deren Vornahme nominierten Magistrats (Liv. XXIII 30, 14). c) Bei der Priesterwahl kann jedes Mitglied des Collegiums einen Candidaten nominieren (Rhet. ad Herenn. I 20. Cic Phil. XIII 12; ad Brut. I 7); vor der lex Iulia de sacerdotiis gilt der Grundsatz, dass nur zwei Mitglieder des Collegiums denselben Candidaten nominieren durften (Cic. Phil. II 4); der Nominierende muss schwören, dass er nach bestem Wissen und Gewissen sein Recht ausübe. (Cic. Brut. 1. Suet. Claud. 22); die Nomination findet bei eintretender Vacanz statt, in der Kaiserzeit wird sie für sämtliche etwa sich ergebende Abgänge an einem bestimmten Tage vorgenommen (Plin. ep. II 1, 8. IV 8, 3). d) Über das kaiserliche Nominationsrecht s. u. S. 1697.

[1697] 4. Commendationsrecht des Kaisers. Hierüber s. o. Commendatio. Nachzutragen ist, dass von Mommsen auch für die Priesterwahlen das kaiserliche Commendationsrecht (im Hinblick auf Dio LI 20 und Tac. ann. III 19, ferner Plin. ad Trai. 13; ep. IV 8. Tac. hist. I 77) und zwar bei der Mehrzahl der zu besetzenden Priesterstellen (Dio LIII 17, vgl. aber CIL VI 2001. 2004) angenommen wird; merkwürdig bleibt immerhin, dass der Zusatz candidatus principis, der nur dort entbehrlich erscheint, wo, wie für das Consulat allgemein mit Recht gelehrt wird, sämtliche Stellen durch Commendation besetzt werden, nirgends bei Priesterämtern begegnet; die für die Geltung des bindenden kaiserlichen Empfehlungsrechtes bei Priesterwahlen angeführten Belege sind mit dem blossen Nominationsrecht sehr wohl in Einklang zu bringen.

VII. Wahlverfahren. Soweit das Wahlverfahren in den Comitien sich abspielt, ist es nichts anderes als eine besondere Species des Comitialverfahrens und ist daher seine Darstellung bei diesem zu finden. Nur die Besonderheiten des Wahlverfahrens sind hier besonders hervorzuheben.

1. Vorverfahren, a) Professio. Ursprünglich facultativ, ist sie gegen Ende der Republik obligatorisch und die Wahl auf diejenigen, welche die Meldung beim wahlleitenden Magistrat zur rechten Zeit (Cic. ad fam. XVI 12, 3. Appian. bell. civ. II 8) am rechten Orte (innerhalb der Stadt Rom, Plut. Caes. 37 [Appian. bell. civ. II 8]. Suet. Caes. 18. Dio XXXVII 54) und, nach gesetzlicher Vorschrift, persönlich (Cic. de lege agr. II 24, Plut. Mar. 12. Dio XXXVII 44. XL 56. Suet. Caes. 28. Caes. b. c. III 82) erstattet hatten – sofern nicht Dispensation von diesen Erfordernissen eintrat (Augustus im J. 44 absens gewählt. Appian. bell. civ. III 90. Dio XL VI 45. Mon. Anc. I 31) – beschränkt worden (Dio XXXIX, 27). Die Entscheidung über die Admission bezw. Zurückweisung (nomen non accipere Gell. VII 9, 3. Cic. Brut. 14, 55. Liv. IX 46, 2. XXVII 6, 5 u. a. m.; nomen non recipere Liv. X 15. 10; rationem non habere Liv. III 64, 5. VII 22, 8 u. a. m.) ist ursprünglich insofern in das Ermessen des wahlleitenden Beamten gestellt worden, als er, verpflichtet, den nicht Qualificierten zurückzuweisen, den Qualificierten zurückweisen kann (Vell. II 92), späterhin ist dies beseitigt worden; in zweifelhaften Fällen ist Befragung des Collegen (Liv. III 64, 5) oder eines consilium (Ascon. in or. in tog. cand. p. 89. Cic. Brut. 224) durch den wahlleitenden Beamten, eventuell Entscheidung des Senates (Liv. XXVII 6, 9 XXXII 7, 11. XXXIX 39, 6) usuell. Die vor Anberaumung der Wahlcomitien erfolgte Eintragung in die Candidatenlisten hat keinen rechtsverbindlichen Charakter (Sallust. Cat. 18). Aus dieser professio vor dem wahlleitenden Magistrat ist das Nominationsrecht des Princeps hervorgegangen; es kann beim Kaiser die Meldung erstattet werden (Dio LIII 21. LVIII 20. Tac. ann. I 81), welchem auch die Prüfung der Wahlqualification zusteht. Der vom Kaiser als qualificiert erklärte Candidat (nominare, Tac. ann. I 14. II 36. Plin. panegyr. c. 71) wird zur Wahl zugelassen. Die beiden ersten Kaiser haben sich [1698] darauf beschränkt, 12 Candidaten für die Praetur zu nominieren (Tac. ann. I 14f.).

b) Ankündigung der Wahl; sie steht dem wahlleitenden Magistrat zu, kann aber auch durch Stellvertreter erfolgen; die Ankündigung geschieht durch Edict; in späterer Zeit ist vielleicht auch die Candidatenliste mitgeteilt worden.

c) Vorberatung der Wahl im Senate; nur über die Modalitäten der Ausführung des Beschlusses, auf welchem die Wahl beruht (s. o. S. 1697).

2. Der Wahlact: s. Comitia, Auspicia, Rogatio, Renuntiatio, Acclamatio.

VIII. Wahlzeit, a) In der republicanischen Zeit finden die Wahlen der patricischen Beamten, solange die Consuln das militärische Commando hatten, wohl kurz vor Schluss des Amtsjahres statt. Bestimmtes lässt sich nur für die Periode von 222–154 und für die Zeit von Sulla ab angeben. In der ersteren ist der Monat Januar (Liv. XLIII 11; vgl. auch Liv. XXVII 4, 1. XXXVIII 42. XXXIX 6, 3. XL 59. XLII 28), in der letzteren der Monat Juli (Cic. in Verr. I 30; ad fam. VIII 4; ad Att. I 16, 3; ad Qu. fr. II 15, 5. Ascon. p. 19) Wahlzeit; für die Wahlen der plebeischen Ämter lässt sich für die nach-sullanische Zeit gleichfalls der Monat Juli als regelmässiger Termin bezeichnen (Cic. ad Att. I 1, 1. XIV 15, 7f. Appian. b. c. I 14. Cic. ad fam. VIII 4); für die Kaiserzeit lässt sich etwas Bestimmtes nicht sagen (über Mommsens Vermutung zweier Designationstermine s. St.-R. I 516ff.).

b) Die Wahlen für die patricischen Ämter werden in der Reihenfolge derselben, Consulat, Praetur u. s. w. vorgenommen (vgl. Cic. ad fam. VIII 4), dasselbe lässt sich per analogiam auch für die plebeischen Magistraturen vermuten; die Priesterwahlen finden in republicanischer Zeit zwischen denen für das Consulat und die Praetur statt (Cic. ad Brut. I 5; ad fam. VIII 4); die Wahlen der patricischen und plebeischen Beamten unterliegen nicht einer einheitlichen Folge (vgl. Cic. ad fam. VIII 8 einerseits und Plut. Mar. 5 andererseits; s. auch Cic. pro Planc. 51). Über die Praetorenwahlen wissen wir noch, dass sie ursprünglich am selben Tage mit den Consularcomitien (Liv. X 22, 8, vgl. auch XL 59, 5), später, sofern nicht Dilation eintrat (Liv. XXVII 35, 1. XXXII 27, 6. XLIII 11, 7. Cic. ad fam. VIII 4), am darauffolgenden Tage (Liv. XXXIII 24, 2. XXXIV 54, 2. XXXV 10, 11 u. a. m.) stattfanden.

c) Über die anticipierten Designationen s. Designatio.

Litteratur: Eine Monographie über das röm. Wahlrecht ist noch nicht vorhanden. Das Wesentliche enthalten die bekannten umfassenden Werke von Mommsen, Becker, Lange, Herzog, Madvig, Karlowa; über die Specialfragen betreffend Alter, Intervallierung, Ämterfolge s. die oben citierten Schriften von Wex und Nipperdey und Hofmann Der röm. Senat 172ff.