Der Dienst des Pfarrers/Das liturgische Handeln

« Die Kasualrede Hermann von Bezzel
Der Dienst des Pfarrers
Die Unterweisung der Jugend »
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Kap. VII.
Das liturgische Handeln.
 1. Das Wort Liturgie. Während das Wort διάκονος so häufig im Neuen Testament gefunden wird, einmal weil es die gesamte dienstliche Tätigkeit, sodann weil es die sonderliche der Wortdarbietung an die Menschen bezeichnet, finden wir λειτουργός und λειτουργία, die seit dem 3. Jahrhundert für den Gebetsdienst gegen Gott gebräuchlichen Worte nur siebenmal, bezeichnenderweise viermal in dem Hebräerbriefe, der das priesterliche Tun des Herrn Christus am meisten betont. Dort werden 1, 14 die Engel πνεύματα λειτουργικά genannt, deren Dienst aus der Anbetung Gottes (Jes. 6, 14 die Anbetung der vernichten könnenden und erretten wollenden Heiligkeit Gottes und der Dienst vor ihm in seinem Heiligtum) gestärkt wird. Im 8. Kapitel (V. 1) wird der Hohepriester Jesus zur Rechten des Allmachtthrones erhöht, λειτουργὸς τῶν ἁγίων genannt der im Heiligtum waltet und die heiligsten Pflichten in ihm verwaltet, der διαφορωτέρας τέτυχε λειτουργίας, ein so weit höheres Maß der Anbetung erlangt hat, weil er sich selbst opfernd darbringt. Endlich (10, 11) wird von jedem Priester gesagt, daß er täglich, Tag um Tag λειτουργῶν καὶ τὰς αὐτὰς θυσίας| προσφέρων ἕστηκε im Gebet und Darbringung der Opfer dastehe. Der ursprünglich dem Worte zugrunde liegende Begriff tritt in den zwei andern Stellen Phil. 2, 25 hervor, wo Epaphroditus λειτουργὸς τῆς χρείας genannt wird, oder freiwillig und aus guter Meinung gewisse Leistungen für Pauli Bedürfnisse übernommen habe und Röm. 15, 27 ἐν σαρκικοῖς λειτουργῆσαι Dienst in irdischen Fragen tun, während Röm. 15, 16 sich der Apostel einen λειτουργὸς Χριστοῦ Ἰησοῦ εἰς τὰ ἔθνη heißt, der Jesu Christi Wort an die Heiden bringt, besser wohl der sich Christo für die Heiden zu eigen gibt.
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 2. Vorbild alles Gebets. Der Meister in dieser heiligen Kunst ist der, welcher in den Tagen seines Fleisches bittende (δεήσεις) und flehende, um Schutz und Hilfe dringlich angehende Gebete (ἱκετηρίας) zu Gott emporgesendet hat, der seine Jünger in das Geheimnis seiner Gebete Einblick tun ließ, ja sie zur Teilnahme an ihnen einlud (Mark. 14, 33), der vor ihren Ohren das hohepriesterliche Gebet sprach (der Name von David Chyträus, Professor in Rostock, gestorben 1600) und ihnen auf ihre Bitten das Herrengebet hinterließ als Muster und Vorbild aller Gebete. Gerade das letzte Gebet, in das er für sich, für die Jünger und alle, die durch deren Apostolat gläubig werden, alle Anliegen einsenkt, baut sich ganz auf dem Vaterunser auf: Gottes Selbstoffenbarung in seinem Namen hat der Sohn als die einzigartige, alle Größen umfassende und alle Nöte wendende und endende Kraft erwiesen, seines Reiches Kommen gefördert, indem er die Feinde des Reichs durch seinen Gehorsam bestand und die Bürger des Reichs befreite. So kann er| auch in Erfüllung des Heilswillens sein Werk als vollbracht ansehen und seinen Willen mit dem väterlichen eins wissen. Nicht bittet er für die Jünger, die eine große Aufgabe an die Welt haben, daß sie von der Welt genommen werden, vielmehr soll ihnen auf ihr beschert sein, was sie von ihr und in ihr und für sie bedürfen. Aber vor dem Argen, das ihre Schuld als unvergebbar, die Versuchung als unentrinnbar und die Sünde als unvermeidbar darstellt, wolle Gott sie behüten, damit endlich die volle Einheit der Jesusjünger mit ihrem Herrn und ihrer aller mit seinem Vater erscheine.
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 Jesus, der unablässig betet, weil er in unzerstörbarem Zusammenhange mit seinem Vater steht, also daß ihm das Gebet Lebensnotwendigkeit und einzige Lebensäußerung ist, dem jeder Gedanke zum Gebet wird, weil er in der Niedrigkeit des Heimatsrechtes nie entbehrt, schließt durch das Gebet alle Gedanken des Zweifels und der Anfechtung ab, damit er treu in seinem ganzen Hause bleiben und frei von jeder Sünde sein könne. So ernstlich und treulich er jeder Fürsorge zugewendet und auf das Kleinste und Geringste achtsam ist, um durch seine Beachtung es aus der menschlich-sündigen, weil auf den Schein sich gründenden Beurteilung zu entnehmen, so lebt er doch ganz in der Welt der Unsichtbarkeit, die aus seinem Wesen herausstrahlt und das Auge des Jüngerglaubens eine Herrlichkeit sehen läßt, deren Geheimnis er Joh. 1, 51 andeutet. Jünger, die Jesu im Glauben, daß ihm alles gegeben sei, was er geben soll, anhangen, sollen den Himmel über ihm zu täglicher Verklärung geöffnet sehen, der sich nur vor| dem Gottverlassenen in der Opferstunde des Kreuzes verschloß, und inne werden, wie zu dem geringen Menschensohn, dem zweiten Adam, die Engel, die Zeugen des Menschenfalls im Paradiese, sich niedergeben, um seine Bitten aufzunehmen und ihre Erhörung herabzubringen. So ist dem Herrn das Gebet eine über alle seine Anliegen als über göttliche Sorgen und Fragen sich erstreckende Frage an den Vater, die in Entscheidungsstunden ἐκτενέστερον (Luk. 22, 44) andringender erhoben wird, zugleich aber die nötige und selige Selbstvergewisserung, daß der Vater ihn in dem Werke, das er ihm aufgetragen, und das Jesus um seinetwillen unverdrossen auf sich genommen hat, nicht lassen werde. Sohin ist der Inhalt dieser Frage und Selbstzusprache, alles Verkehrs mit seinem himmlischen Vater lediglich das Los und Leiden der Menschenseele, um die er wohl kraft seiner allergründenden Weisheit vor seinem Menschendasein gewußt hatte, die er aber jetzt, in jedem Betracht der Menschheit angeglichen (Hebr. 2, 17), damit er barmherzig, praktisch und tatsächlich mit dem Herzen bei durchlittner und durchlebter Armut der Versuchlichkeit und der Hinfälligkeit verweilen würde, erlebt hat. Das Hegelsche Wort von „Gott und der Seele“ gewinnt in diesem Zusammenhang Bedeutung: zwischen diesen beiden Größen, der alles kausierenden schöpferischen Gottesgröße und der sie negierenden und doch von ihr abhängigen und ferne von ihr unglücklichen Menschenseele steht Jesus, im Leiden lernend, im Lernen leidend, und betet. Quomodo non dabit bona sua, qui passus est mala nostra! Diese heilige Liturgie, die auf Erden ihn leiden und scheiden und für| alle und alles (Röm. 8, 19, 21) den Tod erfahren ließ, die das Unmögliche zur Wirklichkeit erhob, daß die Lebensfülle der Lebensverneinung in jeglicher Form verfallen mußte, führt jetzt der Verklärte weiter, bis niemand mehr sein wird, den sein Gebet nicht erreichte und nichts, an dem es wirkungslos sich erweisen könnte. Wenn aber das letzte Gebet der Fürbitte ausgesprochen sein wird, dann wird der Priester zum Herold werden, der Gottes Sieg all der Welt bezeugt. So in sein Leben hineingenommen wie er in unser Leben hineingestellt, von ihm angezogen war, betet die Gemeinde im Namen Jesu, im Vollbesitze seiner Gnaden und Kräfte, seiner Gaben und Güter, betet sie aber auch in bleibendem Danke zu ihm als dem, der sie ganz versteht und erfaßt, erfahren und erlebt hat, daß er das Werk zum Siege führe, das er in ihr angefangen hat.
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 Von dem betenden Jesus haben die Jünger die Angst des Gebets gelernt und die Kraft des Gebets empfangen. „Siehe, er betet“ (Apg. 9, 11) bezeugt der Erhöhte dem Bekehrten. Was er vorhin Gebet geheißen hatte, war nicht aus den Tiefen der Freude, sondern aus dem Zwange des Gesetzes gegangen, war mehr Ahnung Gottes, als Wissen um ihn. Nun weiß der Freund was sein Herr will, während der Knecht es kommen ahnte, nun hebt die Mahnung an: προσεύχεσθε ἀδιαλείπτως (I. Thess. 5, 17), προσκαρτερεῖτε τῇ προσευχῇ (Röm. 12, 13). Die wenigen Gebete, welche das Neue Testament uns aufbewahrt hat, die Lobpreisungen der ihrer Vollendung entgegenharrenden Gemeinde in der Heimat münden in das gewaltigste Gebet aus, dessen Kürze (Luther nennt| es einen „göttlichen Lakonismus“) – „κύριε, ἔρχου. Ja komm Herr Jesu!“ – alles, was Himmel und Erde, Menschheit und Kirche verlangen dürfen und müssen, umschließt. Hier wird das Gebet zur erobernden Tat. „Gott wird das Seufzen der Seele ein Wort und dies Wort ein Gebet sein lassen“, und vor dieser Macht wird seine Allmacht sich beugen (Alex. Vinet). Alle Widersprüche, die das Leben beschweren, der „Werkeltag, der sonst den Sonntag verdrängt“, all die Widrigkeiten, die der Seele das königliche Gepräge abtun und die Freude am Unguten und Niedrigen einkehren lassen, die ganze Armseligkeit des Feindes, der Güter vortäuscht und Enttäuschung gewährt, der Menschen mordet, indem er sie verblendet, die Menge der ungelösten und nach Erlösung verlangenden und aussehenden Aufgaben, das verhaltene Heimweh, dem das Wort gilt „Sucht, was ihr sucht, aber nicht, wo ihr sucht“, der laut anschwellende Triumph des Anklägers, der die wenige Zeit (Offbg. 12, 12) zu reichstem Gewinn ausnützen will, – all diese furchtbaren Kontraste ringen nach Ausgleich, nach endlicher Offenbarung des Wahrheitssiegs, die in der Zukunft Jesu geschehen soll.
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 3. In den Gottesdienst der ersten Gemeinde zieht der Dank für die geschehene Erlösung, das Gebet um ihre Verwirklichung ein. Das Vaterunser ist nicht ständige Gebetsform, aber bleibende Gebetsnorm. Aus ihm erwachsen die großen Kirchengebete, aus seiner Doxologie (die doch um 150 entstandene, von Mich. Bryennios 1883 aufgefundene διδαχὴ hat sie bereits) erstehen die großen Lobpreisungen der alten Kirche, die hohen Hymnen,| welche das Altarsakrament umranken, die in der Ursprache noch machtvoller klingen. Durch das Mittelalter dringen und währen diese alten, Jahrhunderte verneuenden und aufleben lassenden Gebete. Und mit der Treue, die Bewährtes bewahrt und den Zusammenhang mit der betenden und feiernden Kirche aller Zeit festhält, weil er nicht zerstören, sondern wiederherstellen will, führt Luther alle diese Gebete in seine deutsche Weise, und nimmt die Kirche der Reformation (vgl. das Rektoratsprogramm von Leipzig 1914 von D. Althaus) aus allen ihr zu Gebot stehenden Schätzen, was sie brauchen darf und kann. Wobei trotz der zuweilen fast bedrückenden Entdeckungen in jenem Programm noch sich fragen wird, was die gemeinsamen Quellen der Gebete sind und was aus evangelischen in katholische Gebete übergegangen ist. –
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 Die geschichtliche Kontinuität, wahrlich nicht äußerlich festzuhalten, aber auch nicht zu vergessen, wo sie innerlich sich darbietet und vernötigt, geht durch die betende Kirche: das ist Gemeinschaft der Heiligen und am Heiligen zumal. Der geschichtslose Rationalismus, dem das „so sangen unsre Väter“ genug war, um ein Gebet und Lied nach seinem Bilde zu modeln oder, wenn es sich sträubte, zu verwerfen, hat unsre Agenden und Kirchenbücher mit langatmigen Elaboraten angefüllt, die nicht einmal den Vorzug der Sprachkorrektheit haben, hat die Variationen in Segenssprüchen und Kollekten gutgeheißen, die jeder kraft seiner Menschenwürde wagen kann, ohne zu bedenken, daß Vergangenheit und Gegenwart gleichmäßig vergewaltigt werden. Und die Auswüchse dieses Rationalismus finden sich in den unziemlichen Korrekturen, Besserungen,| Streichungen, Überklebungen, welche das Kirchenbuch, das schon als fremdes Eigentum Achtung und Schonung beanspruchen könnte, überdecken. Es ist ein trauriges, weil pietätloses Unterfangen, wenn der Anfänger alsbald seinen ungereiften und ungeläuterten Geschmack zum Richter über das kirchlich Statthafte und der Gemeinde Zuträgliche erhebt und ändert oder an Stelle des durch Jahrhunderte hindurch geretteten Kirchengutes, – denn ganz und überall gelang es nicht, es zu verdrängen, – eine Sammlung neuer Gebete einsetzt.
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 4. Praktische Winke. a) Wenn, was sich von selbst verstehen sollte, der Geistliche die agendarischen Gebete vorher durchliest, wird er imstande sein, sie recht zu beten und wenn er, was nur zu raten ist, die Hauptteile der Liturgie sich einprägt, kann er freier und ausdrucksvoller seines Amtes walten. In Bauerngemeinden wird noch jetzt als Ruhm des Pfarrers genannt, daß er „schön wandle“, d. i. die Liturgie würdig und erbaulich der Gemeinde zum Bewußtsein bringe. Kann er singen, so tut er es in geweihter, nicht in künstlerischer Weise, will die Gemeinde den Gesang aus alten Sorgen heraus nicht, so zwinge er ihn nicht auf. Es ist Willkür, in Mitteldingen Zwang auszuüben, wie es Willkür ist, in Hauptfragen „Freiheit“ walten zu lassen. Die ruhige, andächtige Haltung am Altare mag der Gemeinde bezeugen, daß der mit ihren Sorgen und Anliegen vor Gott tretende Dolmetscher ihrer Gebete ganz von diesem hohen Amte erfüllt ist und erweisen, wie er sich vor Gott und im großen, bereichernden, über die Niederungen des Lebens hinaushebenden Zusammenhang mit allen Gläubigen auf Erden| und den Vollendeten, mit der Gemeinde viatorum et beatorum weiß. – Löhes Vorrede zu seiner Agende, deren Schätze noch nicht alle gehoben sind, gibt über den Gang des Gottesdienstes das Beste. – Die Lesung der Perikope, die wahrlich auch vorher gelesen sein will, geschehe mit dem Ernste, der dem Wort Gottes gebührt, ohne Geste, ohne Bewegung des Buchs und die Aufforderung zum Bekenntnis des Glaubens nicht mit Worten eigner Wahl, die der Gemeinde den Beweis der Aufrichtigkeit, aber zugleich der Ungeeignetheit des Dieners Christi geben. Denn nicht eine schola quaerentium umgibt den Altar, nicht eine Philosophenschule ist die Gemeinde, sondern die ecclesia possidentium, welche auf dem Grund der Apostel und Propheten sich erbaut.
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 In den kurzen Kollekten, die zusammenfassend und gedrängt darbieten und erbitten, was erbaut und fehlt, wie in den längeren Kirchengebeten herrscht die Wahrheit, auch in den gewaltigen und über Menschenmaß hinausreichenden Ausdrücken. Wenn dieser Wahrheit dienend, wie Zezschwitz in der Epiphanienparentation (6. Jan. 1872) von Löhe sagt, das „Gebet wie eine Flamme“ emporzieht, dann verzehrt es auch die Bedenken der Reflexion. Die freien Gebete auf der Kanzel wollen überlegt und geschrieben sein. Nicht jeder kann sie in würdiger Weise darbieten, weshalb Liederverse ausgesucht sein müssen, die solchem Zwecke dienen, besser ein gutes Darlehen aus dem Schatze der Kirche als dürftige Eigendarbietung! Das freie Gebet in seinen Ehren (wiederum wird Löhes bester Traktat vom Sabbath und Vorsabbath mit der Anleitung zum Herzensgebet zu nennen sein),| aber in die Kirche gehört es nicht. Das Kämmerlein, die Studierstube mag und muß es pflegen. „Aus dem Buche bete ich, was ich soll, aus dem Herzen bete ich, was ich will,“ sagt Luther. – Hier kann man mit seinem Herrn ohne Zeugen reden, auch dann, wenn die Worte gebrechen und die richtigen sich nicht einstellen wollen, aber im Gotteshause will die Gemeinde im Gegebnen, im Geformten sich finden. Sache des Betenden wird es sein, das Geformte nicht zur Formel herabsinken zu lassen.
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 b) Besondere Beachtung verdient und erfordert die Feier des Herrenmahles. Wenn es möglich ist, gehe die Beichte nicht unmittelbar voraus, jedenfalls werde sie durch Gebet und Nachtmahlslied von der Abendmahlshandlung auch zeitlich geschieden. Es muß bei der Bescheidenheit des evangelischen Gottesdienstes dem Geistlichen ein Anliegen sein, nicht allein, daß seine Amtskleidung immer würdig und wohlanständig, sondern daß der Altar dem Dienste entsprechend geschmückt und geziert sei, daß künstliche Blumen ihm ferne bleiben, Stearinkerzen und Schwefelhölzer nicht herumliegen, sondern frische Blumen und schlichte weiße, unverzierte Kerzen ihn schmücken, daß die Gefäße von Zinn und falschem Silber verschwinden, daß die Abendmahlselemente dem alten Satze entsprechen: panis de tritico, vinum de vite. Die Prüfung hierüber soll er sich nicht erlassen. Die Einsetzungsworte sollen ihn und die feiernde Gemeinde daran gemahnen, von welchem Hintergrunde sich das Geheimnis der Liebe sich abhebt. „Unser Herr Jesus Christus in der Nacht, da er verraten ward.“ Wo die Sünde ist mächtig geworden, da ist die Gnade noch viel mächtiger| geworden. Und wer sich in diese Worte versenkt, dem werden alle Fragen und Bedenken in das übergewaltige Geheimnis der Liebe versinken. Für dich und deine Sünden. Die Konsekration mit dem Kreuzeszeichen ist löblich und recht, daß sie nicht notwendig ist, weiß der lutherische Christ, der es missen kann, wenn nicht Absicht bei der Unterlassung ist. Die Konsekration aber ist nicht – das müßte nicht erst gesagt werden – Wandlung und Weihe, sondern die gehorsame Entnahme der geringen Elemente des Brotes und Weines zu höchsten Spenden, ist Darbringung der Erdengabe an den himmlischen Herrn, daß er sie mit ewigen Gütern erfülle. Wenn dem so ist, bleibt die sog. Nachkonsekration auf der gleichen Linie der anfänglichen und ihr gleich diensam. Sie zu unterlassen ist noch kein Zeichen tieferer Erfassung des Sakramentes, kann aber leicht zum Anstoß für Schwache werden, auf welche Rücksicht zu nehmen der Diener des barmherzigen Herrn allen Grund hat. Die Rezitation der Testamentsworte bei der Distribution hat ihr Recht, entsprechende Gottesworte müssen sie begleiten, können und sollen sie aber nicht ersetzen. Wer ein Herz für heilige Sitte hat, achtet auch auf die übriggebliebenen Teile der Elemente. Es ist unwürdig, wenn fast noch angesichts der Gemeinde der restige Wein von den Läutknaben ausgetrunken wird. Wie überhaupt der Diener der Kirche, der die schönen Gottesdienste ohne ästhetisierende Willkürlichkeiten und liturgische Künsteleien liebt und will, den alten Satz im Herzen behält: domum domini decet decorari. Es ist nicht evangelische Freiheit, wenn hinter dem Altare abgetragene Chormäntel, ausgeschossene Liedertafeln| und zerrissene und zerschlissene Gesang- und Gebetbücher ihr Stilleben führen. Und es ist unziemlich, wenn in der Sakristei Eier umherliegen, weil vielleicht vor der Predigt eines genossen wurde, wie es auch unstatthaft ist, in die Sakristei die Studierstube zu verlegen.
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 c) Es ist verwunderlich, daß oft die Sentimentalität mehr vermag als die Kirchenordnung und was als Gebot drückend empfunden wurde, durch jene als lieblich sich empfiehlt. Da wird der Tote im Sterbehause „ausgesegnet“, vielleicht vor der Überführung noch einmal „gesegnet“, um im Grabe wieder und erst recht „gesegnet“ zu werden. Da wird mit dem Toten fast Zwiegespräch gehalten, er angeredet und apostrophiert. Derartiges mag wiederum den Prunkrednern überlassen bleiben, der Diener des Wahrhaftigen soll es meiden, er soll den Leib des Christen mit Gebet und Bekenntnis des Lebenssiegs und der Lebenshoffnung der Erde übergeben und mit den Überlebenden und für sie um eine selige Nachfahrt beten, soll aber im übrigen nicht den Tod, der auch beim Christen nicht „ästhetisch“ ist, verschönern: das „Erde zur Erde, Asche zur Asche, Staub zum Staube“ ist und bleibt der furchtbare Ernst, den kein Segen wegnimmt, den selbst der Lebensfürst noch nicht weggenommen hat. Ist auch die Zersetzung eine gnädige, zeitliche Strafe, so ist sie doch Strafe und will als solche in Vorahnung zu ernster Demütigung empfunden werden. Noch ist der Tod der letzte Feind, der seiner Entmächtigung harrt, aber eben der Feind (I. Kor. 15, 26). – Dagegen wird es wohlgetan sein, mehr auf die Grabschriften zu achten und die geradeaus heidnischen fernzuhalten, die rührseligen| Reimereien zu vertreiben und die Elogien zu verbannen, denn in diese Rubriken zerfallen unsere Grabesschriften. Was soll es heißen „alles war ein Traum“, „zur ewigen Ruhe“, „siehe da, die Stätte, wo sie viel hinlegten“? – Warum die Zitate aus „Miedings Tod“: „Fest steh’ dein Sarg in wohlgegönnter Ruh!“? Warum darf man lesen: „Wandrer, siehe hier zu lesen, was im Grab ein Vater spricht (!), Erdenglück und Ruhm verwesen (der Verlebte war Gastwirt gewesen), aber meine Liebe nicht. Grüß mein (folgt die Heimatsstadt) ... mir und sag auch der Gattin meinen Gruß. Aber meinen Kindern sage ferne von dem Reich der Plage leb ich fort, ihr guter Genius. Ich gedenke lange zu schlafen, denn die Qual meiner letzten Wochen war groß.“ Schiller, Matthisson und Eignes bilden vereint Widersinn und Widerchristliches. Die Elogien sind nicht zu zählen: man wundert sich billig über die Unsummen von Tüchtigkeit, die erst der Tod zum Vorschein bringen muß. Wenn man den Gerühmten nicht gekannt hat, so staunt man die Güte an, die in ihm gesammelt war, und wenn man ihn gekannt hat, staunt man meist noch mehr. Der Geistliche auf dem Dorf – und nicht nur dort – kann mit treuem Willen viel tun, er bringe in den Sitzungen seiner Kirchenvorstände derlei zur Sprache, halte, wie Löhe es gerne tat, geradezu eine Christenlehre oder Predigt über dieses Anliegen. Es wird nicht umsonst sein. Und der Platz um den Gottesacker, der Gräber in ihm sollen ehrlich und würdig gehalten werden. Der Liturg achtet auch auf solches, weil es heiliges Land ist, das ihm befohlen ward. Meist steht der Sinn für Genuß und Gutes bei den Lebenden| und unter ihnen in umgekehrtem Verhältnisse zur Wege der Totenstätten und Totenhöfe (I. Kor. 15, 32).

 Denn „Der Kirchhof ist ein feiner, stiller Ort, darauf man mit Andacht gehen und stehen könnte, den Tod, da das jüngste Gericht und die Auferstehung zu betrachten und zu beten“.

Luther. 

 Es wird der Diener Jesu überhaupt gerne den Ort der Toten zu seiner Selbstheiligung aufsuchen müssen. Die Kirchhoferde wischt den Erdenrost weg. Die Dinge gewinnen ihr rechtes Maß und Gewicht. Das Nichtige tritt zurück, das Ewige kommt näher. Die Bußpredigt an den Gräbern derer, denen wir treuer hätten dienen müssen, treibt zu ernsterem Dienste an den Lebenden. Jedes Grab hat seine Geschichte, die alten Kirchenbücher werden über den Toten lebendig, die Gegenwart wird durch die Vergangenheit für die Zukunft bereichert. Und so mitten im Schweigen des Todes und vor dem Ernste der Ewigkeit lernt der Diener Jesu das Schlecht und Recht des 25. Psalms beten, die wichtigste Bitte für des Lebens Ehrlichkeit, für die Ernstlichkeit des Arbeitens, um den Sieg über Schein und Scheinwesen. Nicht lebensfern und lebensmüde macht solches Gebet, sondern lebensfrisch, denn wem Christus Inhalt, Kraft und Ziel des Lebens geworden ist, dem ist Sterben Gewinn, das tägliche (I. Kor. 15, 31) wie das letzte. Er kann die Welt beherrschen, indem er sie verleugnet und daran denkt, daß das ganze Gerüste der Schaubühne Welt bald an ihm vorbeigetragen werden wird (I. Kor. 7, 32): figura huius mundi praeterit.

 5. Füglich kann hier ein Wort über das Gebetsleben| des Pfarrers gesagt werden. Es sei stetig, ernstlich, treulich und keusch. Wie viele Abhaltungen auch der Beruf bringt, so dürfen sie nicht von dem abhalten, wozu sie treiben müssen, damit der Beruf wohl ausgerichtet werden könne. Denn die Periergie kann wohl ohne Gebet bestehen und aus ihren reizvollen Abwechslungen leben, um schließlich in οὐδενεία zu enden, wie Aristoteles es nennt, aber die Arbeit für die Ewigkeit nimmermehr. Von Gott innerlich geschieden, ohne Verlangen nach und ohne Zugang zu ihm können wir nur ein Nichts ausgestalten (Joh. 15, 5): omnia fui et nihil sum. Darum soll das Fenster der Arbeitsstube, des Amtszimmers, des Herzens gegen Jerusalem gerichtet sein, hinüber über die Berge, von denen nicht Hilfe kommt, zu dem, der sie gemacht hat, um sie zu versenken (Matth. 17, 20), und wiederum sie gegründet hat, daß sie trösten sollen, wenn sie fallen, weil über alles beständig und für die Ewigkeit gegründet Scheinende seine Verheißungen währen und tragen. Das stetige Gebet geht von den bestimmten Gebetszeiten aus, um alle Stunden zu durchdringen und zu heiligen und erfüllt das ganze Leben mit dem Morgenglanz der Ewigkeit, wie er einst auf dem Antlitz des Stephanus ruhte. Wir kennen die Berichte des alten Veit Dietrich über den betenden Luther, wir leben und zehren noch von dieser Gebetskraft, die alle Sorgen auf Gott werfen konnte, der ihm in Christo ein gnädiger und durch ihn ein reicher Vater ward. – Am Gebet müssen wir das Beten lernen, sowie einer am A-B-C das Lesen. Wir zwingen uns zum Gebet, damit es uns zwinge, und lassen nicht von ihm, bis es uns segnet und der Erhörung gewiß| macht. Denn dem ernstlichen Gebete wird eine Erhörung, wenn auch nicht alsbald und die wunschgemäße. Es ist die große Gewalt, mit der ein armer Mensch in Gottes Rat und Willen nicht übergreift, sondern einkehrt, nur in Einem unbedingt, wo das βούλομαι dem θέλω weichen darf (Joh. 17, 24), in der Bitte um Heimkehr und um Frieden aus ihr. Solches Gebet wird zuweilen auch laut werden wollen: das eigne Herz erstarkt an seinem Wort und wird, in schweigsamer Gelassenheit verharrend, des Gottesgrußes an den schweigenden, der Worte nimmer mächtigen Moses gewürdigt werden: Warum schreiest du also? Es wird das Amen stark machen, weil es sich dadurch kräftigt und durch den Tag fortklingen, um ihn zu regieren. Treulich wird es alle Anliegen zu umfassen suchen, vom kleinsten Schüler, der dem Lehrer anvertraut ist, bis zu den Siechen und Alten. Es ist ja etwas Großes um die Fürbitte, in der so leicht Ermattung eintritt, daß sie gerne zu dem flüchtet, der allein von sich sagen kann: Ich bin ein guter Hirte.
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 Aber der Versuch muß immer wieder gewagt werden, der in die Fürbitte Befohlenen, wie der ihr sich befohlen Habenden zu gedenken. Man betet für die Kranken im allgemeinen unter besonderer Bezugnahme auf einzelne, gedenkt der Lehrenden und Lernenden etwa mit eingehender Berücksichtigung der Konfirmanden. Vorab gedenkt der Diener der Kirche seiner Amtsbrüder und der Not ihrer Seele, ihres Gewissens, der Angst der Kirche über die ihr Entwichenen und Entweichenden und hält es nicht für schulmeisterliche Pedanterie, um die rechte reine Lehre zu bitten, ohne die das Kreuz Jesu Christi| verdüstert und die Gnade verborgen wird. Am meisten aber sei dem Gebete die Keuschheit gewünscht, welche nicht viel von inneren Erfahrungen redet und die geheimsten Erlebnisse nicht auf die Straße wirft, sondern über das Heilige schweigt, bis die Stunde zu reden von Gott gezeigt wird. Die altkirchliche Litanei, über deren Bedeutung Johann Gerhard innerliche Betrachtungen anstellt, kann für das tägliche Gebet Handleitung geben. In dem großen Bittgebet, das auf Christi Leiden und Sterben sich gründet und in dem dreimaligen „Miserere, gib uns deinen Frieden“ ausklingt, ist alles zusammengestellt, was das Herz des Pfarrers bewegen kann und soll, Haus und Gemeinde, Kirche und Volk, Krieg und Frieden, Beruf und Hantierung, Krankheit und Kümmernis, Leiden und Scheiden. In dieses Gebet kann auch die Einzelfürbitte am ehesten eingefügt werden. Daß die Wochenbetstunde dieses Gebetes wieder mehr sich erinnern möge, dessen gesangsweiser Vortrag tiefe Schönheit in sich schließt, bleibt aller Mühe wert. –





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