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Streichungen, Überklebungen, welche das Kirchenbuch, das schon als fremdes Eigentum Achtung und Schonung beanspruchen könnte, überdecken. Es ist ein trauriges, weil pietätloses Unterfangen, wenn der Anfänger alsbald seinen ungereiften und ungeläuterten Geschmack zum Richter über das kirchlich Statthafte und der Gemeinde Zuträgliche erhebt und ändert oder an Stelle des durch Jahrhunderte hindurch geretteten Kirchengutes, – denn ganz und überall gelang es nicht, es zu verdrängen, – eine Sammlung neuer Gebete einsetzt.

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 4. Praktische Winke. a) Wenn, was sich von selbst verstehen sollte, der Geistliche die agendarischen Gebete vorher durchliest, wird er imstande sein, sie recht zu beten und wenn er, was nur zu raten ist, die Hauptteile der Liturgie sich einprägt, kann er freier und ausdrucksvoller seines Amtes walten. In Bauerngemeinden wird noch jetzt als Ruhm des Pfarrers genannt, daß er „schön wandle“, d. i. die Liturgie würdig und erbaulich der Gemeinde zum Bewußtsein bringe. Kann er singen, so tut er es in geweihter, nicht in künstlerischer Weise, will die Gemeinde den Gesang aus alten Sorgen heraus nicht, so zwinge er ihn nicht auf. Es ist Willkür, in Mitteldingen Zwang auszuüben, wie es Willkür ist, in Hauptfragen „Freiheit“ walten zu lassen. Die ruhige, andächtige Haltung am Altare mag der Gemeinde bezeugen, daß der mit ihren Sorgen und Anliegen vor Gott tretende Dolmetscher ihrer Gebete ganz von diesem hohen Amte erfüllt ist und erweisen, wie er sich vor Gott und im großen, bereichernden, über die Niederungen des Lebens hinaushebenden Zusammenhang mit allen Gläubigen auf Erden