Der Dienst des Pfarrers/Die Unterweisung der Jugend

« Das liturgische Handeln Hermann von Bezzel
Der Dienst des Pfarrers
Die Seelsorge »
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Kapitel VIII.
Die Unterweisung der Jugend.
 1. Die Vorbereitung. Die innere und eigentliche Bereitung des Pfarrers zu diesem hohen Amte ruht in der Betrachtung des Herrnwortes: (Joh. 21, 15) βόσκε τὰ ἀρνία μου. Es sind die auf ihn getauften, weil von ihm teuer erkauften jungen Seelen, die ihr Hirte in der Menschen Hände und Lehre anvertraut, nicht damit sie abgerichtet und abgespeist, auch nicht| damit sie überanstrengt und übertrieben, aber auch nicht damit sie verzärtelt und verzogen werden, sondern damit sie Weide finden rechten Orts und rechter Art. Noch ist die Schule mit der Kirche, aus der sie erwachsen ist, so viel verwachsen, daß sie ihrem Einflusse sich nicht entzieht, noch ist Eingangs- und Ausgangsgebet im Brauche, und das Bild des Gekreuzigten ist nicht aus ihr gebannt. Und der mit wahrer Liebe zur Jugend und ihrem Herrn gegebene Unterricht, dem auch das ärmste Kind anhören kann, daß er gerne „etwas Großes von Christo aussagen“ möchte, hat noch die Verheißung des Erfolgs. Kinder mit ihrem wahren Freunde vertraut zu machen und ihnen das Vertrauen zu ihm zu wecken und zu erhalten, sie nicht mit Kenntnissen allein zu bereichern, die der Erkenntnis zwar vorarbeiten, nie aber sie ersetzen, sondern mit der Gewißheit anzutun, daß es alles so kräftig und gewiß sei auch im Himmel, ist ein großer Gottesdienst, zu dem mit gesammeltem Ernste, in sorgsamer Pünktlichkeit, mit geweihtem Wesen der Diener Jesu sich anschicken soll. Wenn schon im Unterrichte überhaupt Mangel an Sammlung und Freudigkeit, Übellaune und Mißstimmung auf das Kind zerstreuend einwirken, wenn dann der Mangel an Zucht immer des Lehrers Anklage, nicht nur Klage ist, so rächt sich ungeordnetes, sprunghaftes, unpünktliches Wesen beim Religionsunterrichte am meisten. Wie soll dem Schüler das Herz über dem aufgehen, für das der Lehrer nur ein geteiltes hat? Zu der inneren Bereitung und aus ihr heraus tritt die sorgsame Vorbereitung auf die einzelne Stunde, am besten die schriftliche. Man habe ein großes Heft, in das man dann| Jahr um Jahr seine Bemerkungen und Gedanken, sein Erlerntes und Erlebtes einträgt, wie denn die methodischen Winke von Hempel und von Steinmetz, wohl auch die von Theodor Kaftan, deren jeder in seiner Art Bestes bietet, auf diesem Wege entstanden sind. Man bereite sich durch das Studium katechetischer Werke vor, so des neu erschienenen von D. Hardeland-Uslar (über Luthers Katechismus, aus seinen Schriften erklärt), so der Christenlehre im Zusammenhang von Zezschwitz, die fast zu kunstreich ist, und vergesse nicht, den großen Katechismus beizuziehen, der oft mit einem Worte, besonders im Dekalog, überraschende Aufschlüsse gibt. Kählers (nicht des Hallensers) Sententiarus (Aussprüche aus Kirchenvätern und Erbauungsschriftstellern), Frickes Katechismuserklärung, vor allem das unausgebrauchte Geistliches und Weltliches von Caspari geben immer wieder neue Gedanken, die man verarbeiten mag. Ärmer ist die Literatur an Erklärungen der biblischen Geschichte, die am besten aus dem Grundtexte an der Hand einer guten Bibelerklärung, etwa der sehr guten von Langbein (Jubiläumsbibel der Württemberger Bibelgesellschaft 1912) bearbeitet wird. Es mögen wohl drei Stunden Vorbereitung auf eine Schulstunde nötig sein, aber dieser Aufwand trägt und zinst sich leicht. Man wird gewisser, indem man gewiß macht. Bei den Fortschritten im Anschauungsunterrichte verschmähe man die Beiziehung guter Bilder nicht, noch die Lektüre von Reisewerken über das heilige Land (das Tagebuch von Orelli und die Erinnerungen des früheren Kultusministers Bosse an seine Kaiserfahrt 1898 sind trefflich, die Schnellerschen Bücher nicht zu vergessen, weil sie oft| mit wenigen Fingerzeigen helfen). Man ringe mit dem Wortlaute des Katechismus und der Geschichte, bis man beides sich fest eingeprägt hat, wie denn der Lehrer alles gelernt haben muß, was er aufgibt. Der Lehrer mit dem offenen Buch, von dem er immer wieder entlehnt, um weiter unterrichten zu können, ist eine klägliche Gestalt, aber der über dem Wortlaut des zu Lernenden erhabene keine erfreuliche. Die Frageform werde bis ins einzelne eingeprägt, damit nicht die übelberüchtigten Wortfragen, etwa gar am Ende der Frage, oder die zu allgemein gehaltenen, auf die jede und keine Antwort paßt, unterlaufen. Aber andererseits muß der Lehrer so gerüstet sein, daß er einmal von den Schülern sich leiten lassen kann und am Ende der Stunde ohne Gewalttätigkeit doch das ihm Vorgenommene erreicht[WS 1] hat.
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 3. Der Unterricht, a) Allgemeines. Daß die Religionsstunde mit Gebet beginnt und schließt und dieses Gebet genau überlegt ist, sollte nicht betont werden müssen. Die Morgenlieder mit ihren frischen Melodien, die kurzen Psalmen, Kollekten, alles steht dem Lehrer zu Gebote, der doch ja nicht eine Andacht aus irgendeinem Erbauungsbuch vorlesen wolle, das für die Jugend vielleicht nicht paßt, auch nicht stereotype Verse wohl gar von einem Schüler hersagen lasse. – Daß in der Religionsstunde die körperliche Züchtigung und die Strafarbeit verpönt sein muß, wenn sie nicht ihres spezifischen Charakters frühzeitig entkleidet sein will, ist offenbar. Ein Lied dreimal abschreiben zu lassen, ohne auch nur Miene zu machen, die Abschrift zu kontrollieren, ist Barbarei und Untreue zugleich. Mit welchen Empfindungen| wird der Schüler das Lied später ansehen, das ihm diese geistlose Arbeit eingetragen hat! – Wenn aber die Disziplin wankt und der „religiöse Memorierstoff“ (grauenhaftes Wort!) nicht eingeprägt werden kann? Dann prüfe sich der Lehrer, wo seine Fehler liegen, ob er zu viel aufgegeben, zu wenig und zu selten verhört hat, ob er sich in Zucht nimmt und in Zucht hält, dann fliehe er zu dem, der Weisheit gibt, ohne es aufzurücken (Jak. 1, 5), gebe weniger auf und verlange das Wenige von allen, überhöre alle und wenn es nur etliche Worte sind. In zehn Minuten muß eine mäßig große Klasse zu Wort gekommen sein. Er spreche mit dem unartigen und säumigen Schüler allein, lasse ihn wohl auch zu sich kommen: die Liebe hat mancherlei Schlüssel, und einer sperrt. Auch das tadelnde Wort darf nie die Grenze des Würdigen und Wohlbemessenen überschreiten. Denn der Lehrer ist an Gottes Statt. Er trachte auch nicht nach hohen Dingen und halte sich nicht an die Begabten allein, sondern neige sich zu den niedrigen, ohne doch die Rascherfassenden zu langweilen. Die Pädagogik, die höher ist als alle Didaktik, so daß Trefflichkeit in dieser Mängel in jener nie erstattet, während der geheiligte Ernst die Weisheit des Erziehers manchen Mangel in der äußeren Technik ausgleichen kann, ist eine tiefgründige Wissenschaft; wer sie liebt, dem wird viel Gutes zuteil. Wahrheit in Liebe, stets neue Frische, Freudigkeit und Leutseligkeit müssen die Bahn bereiten, auf der Christus an die Herzen der Jugend kommen und in sie einziehen kann. Daß Religionsarbeiten und -noten ein Übel und nicht einmal ein notwendiges| sind, leuchtet ein. Wo man sie abstellen kann, tut man, glaube ich, Gott einen Dienst daran.
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 b) Die Religionsstunde in der Volksschule. Man halte sich doch nicht zuviel mit Definitionen auf, die immer wieder neue erfordern und dadurch weder klarer noch behältlicher werden, sondern lehre den Katechismus an der Hand der heiligen Geschichte und der Geschichte der Kirche, aus dem Leben heraus, gehe auf kindliche Fragen und Bedenken ein und lächle auch über ungereimte Fragen nicht. Man lasse mitten in der Stunde ein zum Erklärten passendes Lied aufschlagen und etliche Strophen aus ihm singen und lasse die Kinder selbst finden, was sie behalten sollen. Wer mit Erklärungen langweilt, wundere sich nicht, wenn die schönste Stunde den Kindern zur Qual wird, weil Konkretes abstrakt, Abstraktes aber nicht konkret wurde. Die biblische Geschichte erzähle man und lasse man mit den Worten der Schrift erzählen und meide die modernen Umschreibungen und Ausschilderungen, wie sie etwa in dem sonst anregenden Buch von H. Lhotzky (Der Weg zum Vater) beliebt sind. Die Kinder sollen doch wissen, daß sie weder Grimms Märchen noch Schwabs und Simrocks klassische und deutsche Sagen traktieren, sondern die von dem heiligen Gott in den Weltverlauf eingewirkte heilige Geschichte. Damit aber aller Augen auf ihn gerichtet seien, verschmähe der Lehrer zu sitzen und umherzugehen, sondern stehe an einem Punkte, von dem er alle überschaut, ziehe alle in die Arbeit hinein, kämpfe gegen das träumende Unwesen, das die Seele entnervt, und lasse das Frohgefühl nicht ermatten, daß von Gott hören| das Schönste und Beste, von allen Schätzen der edelste Hort sei.
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 c) In der Mittelschule. Ein Lehrer, der nicht über das dort nötige und gelehrte allgemeine Wissen verfügt, lasse die Hand von dem Unterricht, der ja nicht von jedem gegeben werden muß. Denn wenn wir auch dem Übervernünftigen dienen, aus den Geheimnissen unterweisen sollen, die aus keines Menschen Verstand gekommen sind, ist es doch nütze und not, daß wir ohne Aufdringlichkeit des Wissens das Erdenwissen uns angeeignet haben. Es ist ja wohl wahrhaftig und für den rechten Lehrer nie abträglich, seine Unkenntnis in dem und jenem Einzelwissen anzuerkennen und einzugestehen, aber es schädigt die hohe Arbeit, in der wir stehen, um ihr Ansehen, wenn wir in Dingen Lücken zeigen, die bekannt sein müßten, noch mehr, wenn wir mit Kenntnissen uns hervorwagen, deren Dürftigkeit das helle Schülerauge bald durchschaut. Wenn in diesen Schulen, in die alle möglichen Bildungsfermente aufgenommen werden, Verteidigung des alten Glaubens unternommen werden will (die meisten Apologien und Apologetiker des Christentums erreichen den Zweck nicht), so muß man die gegnerischen Auffassungen kennen. Wer über Nietzsche spricht ohne andre Kenntnisse als die vom Konversationslexikon unmittelbar zu besitzen, wird bald zu Ende sein und etliche Aufsätze über die Religion unsrer Klassiker gelesen zu haben befähigt noch nicht über sie zu reden; man muß sie selbst kennen. Andrerseits entfalle dem Geschichtskundigen, der seinen Herrn lieb hat, nicht das Herz. Nicht jeder Schwachheitszweifel ist Willenszweifel und nicht| das oberflächliche Räsonnement schadet, das heute blüht und morgen in den Ofen geworfen wird. Je schlichter und ernster das Bekenntnis in seiner zwar über-, aber nicht unvernünftigen Eigenart vorgetragen wird, je lautrer der Wille ist, den zu Wort kommen zu lassen, dem ja doch alles dienen muß, desto mehr wird auch in den Mittelschulen die Gestalt dessen aufleuchten, dessen Torheit alle Weisheit überragt. Wir haben uns nicht zu entschuldigen, sondern zu preisen, daß wir den bezeugen dürfen, der uns aus der Obmacht der Finsternis in ein wunderbares Lichtreich versetzt hat (Kol. 1, 13 u. 14).
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 Soll eine Apologetik genannt werden, die den Fehler der Anleihe bei weltlicher Wissenschaft zu Schutz und Hilfe des Unbeweisbaren am meisten und ehesten vermeidet, so ist es die wenig bekannte von Delitzsch, in der alle Innerlichkeit und Schriftklarheit, all die glühende Jesusliebe dieses teuren Lehrers unsrer Kirche zur Geltung kommt. Im übrigen mögen Uhlhorns Vorträge über das Leben Jesu und Eduard de Pressensé, „der Erlöser“, auch Behrmanns Vorträge gute Dienste tun. Aber der bekannteste und überzeugendste Beweis bleibt doch das Wirken Gottes in der Geschichte und die Geschichte eines Menschenlebens in Gott. Es ist wahrlich nicht nötig, daß alle Häresien und Verirrungen den Lernenden vorgeführt werden, auch die nötige Polemik sei gerecht und mehr positiv in der Liebe für die Väter unsrer Kirche. Kirchengeschichtliche Lebensbilder erwärmen immer noch, in ihnen allen spiegelt sich das Bild des Königs und Meisters aller Schöne. Daß auch in den Mittelschulen der Katechismus mit Gewinn bis in die höchsten Klassen gebraucht werden| solle und könne, hat Johannes Haußleiter, dessen Vorträge über die Schrift, Jesus und Paulus gleich denen von Ihmels großen Dienst tun können, in der Wiederauflage der Vilmarschen Grundgedanken über den Religionsunterricht bestimmt genug gezeigt. Es ist die Zukunft unsrer Gebildetenwelt in diesen Mittelschulen versammelt. Und so gewiß das οὐ πολλοὶ σοφοὶ, δυνατοὶ, εὐγενεῖς (I. Kor. 1, 26) sein furchtbares Recht behalten wird, so soll es die Kirche nicht von der Pflicht lösen, ihr Bestes an den Mittelschulen zu tun.
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 d) Der Konfirmandenunterricht. Während im Religionsunterrichte die Lebenskreise auseinandergehen, führt die Kirche mit weisem Bedachte alle ihre Getauften zum Katechumenate wieder zusammen und gibt ihn in die Hand des Seelsorgers ganz zurück. Das ist pädagogische Weisheit aus Jak. 2, 1–9, die keinen Unterschied kennen darf, weil die Gemeinde Christi Ein geheimnisvoller Leib unter und mit einem Haupte ist. Der Tag, an dem Vereinzelung des Konfirmandenunterrichts eintreten und die einzelnen Schulen ihren Religionslehrern zugewiesen würden, etwa wie beim Firmungsunterricht der katholischen Kirche, würde ein dies ater sein, die Kirche hätte sich wieder einer Einflußnahme begeben. Aber freilich damit die Vereinigung nicht eine äußerliche sei, nur Zahlen und Menschen an und nebeneinander reihe, die einander nicht kennen wollen, noch auch nur können, die unbeteiligt und unangefaßt wieder eine Stunde absitzen, muß der Konfirmandenunterricht einmal in wohlübersehbare Gruppen geteilt sein, die dem Geistlichen genauere Kenntnis der einzelnen und das notwendige| Einzelgespräch mit jedem ermöglichen, zum andren in Konfirmandenzimmern erteilt werden, die das Schulmäßige abgelegt haben und gottesdienstliche Räume sind, denn in diesem Alter hängt die Seele am Äußerlichen, durch das ihr das Innerliche zuteil werden soll. Er sollte auch auf kürzere Zeit beschränkt sein und nicht durch das ganze Wintersemester sich hinschleppen. Der alte Sechswochenunterricht des 17. und zum Teil des 18. Jahrhunderts war wohltätig. Der Präparanden- und gar noch der Auskultantenunterricht (die sog. „Zuhör“), also durch drei Jahre dasselbe, hat die größten Bedenken gegen sich. Zumeist aber muß der Unterricht seelsorgerlichen Charakter tragen, mehr akroamatisch als katechetisch sein, mehr erbaulichen als lehrhaften Ton haben, auf das 2. Hauptstück und in ihm auf den 2. und 3. Artikel, auf die Lehre vom Altarsakrament sich beschränken. Lied und Brauch der Kirche sollen kurz erklärt werden, wenig Aufgaben verlangt, der Freiwilligkeit des Lernens Recht und Raum gelassen werden. Ja, es mag erwogen werden, ob nicht die Konfirmanden von dem regulären Religionsunterricht während ihres Beichtunterrichts befreit werden sollten. Unbezweifelt ist dieser Unterricht die Krone aller Unterweisung, zu der viel Geduld, ein in dem Bekenntnis froh getrostes Herz, Takt und Zartheit gehören. Kein Unterricht prägt sich nach seinem guten wie nach seinem Mißerfolg fester ein; hier wird nicht für die Schule, sondern für das Leben gelernt oder – gelitten. Soll man immer einerlei Weise für diesen Unterricht haben? Wir wissen, was Luther hierüber meint. Und es ist wohl zu empfehlen, denselben Gang immer wieder| einzuschlagen, den die gesamte Unterweisung um das Hauptstück christlicher Lehre und um die Hauptfragen des christlichen Lebens beschreibt.
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 e) Die Christenlehre. Da sie in der Kirche gehalten wird, ergibt sich schon aus diesem Umstande die Eigenart dieser Unterweisung, die eben keine Kinderlehre sein soll, sondern auch die Erwachsenen herbeiziehen möchte. Je mehr diese ferne bleiben, desto mehr ist ihr Herzukommen anzustreben. Und es ist nicht umsonst, wenn der Geistliche in freierer Bewegung etwa Erklärung der Epistel oder des Evangeliums darbietet, sei es, daß er die Frühpredigt analysiert, näher ausführt, nach dem Gehörten fragt, manche Belege beibringt (etwa nach Krummels Evangelien und Episteln des Kirchenjahrs, nach Löhes Postillen, die für diesen Zweck vorzüglich geeignet sind) oder daß er Geschichte des Kirchenliedes, Geschichte der kirchlichen Kunst, heimatliche Kirchengeschichte darbietet. Besonders die Beschäftigung mit der Vergangenheit des Gotteshauses, der Gemeinde, des Gaues (Schauenburg, Oldenburgische und die große Württembergische Kirchengeschichte sind hier mustergültig) muß anziehen, gibt Heimatsgefühl und Bodenbeständigkeit und läßt die Pietät erwachen, die doch auch Frömmigkeit ist. Wer unsrem Kirchenvolk die Sonntagnachmittage wieder in das Gotteshaus den Weg zeigen will, muß sein Bestes bieten und nicht nachlassen. Die Christenlehre ohne Erwachsene wird leicht zur Religionsstunde. Auch als diese soll sie durchgehalten werden auf den Dörfern gewiß, in den Städten nach Tunlichkeit, aber ihr Ziel und ursprüngliche Bedeutung war es nicht. Luther hat bei| den Kirchenvisitationen, und nach ihm bis in die Mitte des 18.  Jahrhunderts hinein die Kirche auch die Erwachsenen gefragt. Wer es fertig bringt, die Erwachsenen reden zu machen, unterlasse es nicht. In Bauerngemeinden wird es am ehesten gelingen, wenn die Frauen vorangehen. Wie groß und bedeutsam, wie mächtig und wichtig ist die Aufgabe des kirchlichen Unterrichts, der immer wieder Frische und Freude bedarf und die Furcht vor Schematismus! Denn die Weisheit unsres Gottes ist und bleibt (Eph. 3, 10) πολυποίκιλος, vielfarbig und reichgestaltig, voll Lichtes und Kraft, unausgründlich und unauskündlich. Niemand, der es ernst mit ihr meint, fürchte, sich auszugeben, „versteht doch niemand die Schrift genugsam, der nicht mit Christo, den Aposteln hundert Jahre die Welt regiert hat.“ Immer treten neue Lichter heran, große weite Blicke öffnen sich, wem die Liebe das Herz rührt, dessen Mund wird beredt und dessen Unterweisung wird immer fruchtbar und frisch bleiben.
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 f) Nur anhangsweise, weil nur Notbehelf, sei der Kindergottesdienst behandelt, der in den Städten oft die einzige Gelegenheit ist, an die Häuser heranzukommen. Die Vorbereitung zu diesem Gottesdienst, der in bescheiden liturgischer Weise mit vielem Gesang der Kinder gehalten sein will, gebe den Gruppenleitern nicht nur das unumgänglich Nötige, sondern suche sie für weitere Fragen (Missionsgeschichte, Psychologie des Kindesalters, die Behandlung der Temperamente) zu interessieren. Ist es ja doch eine Gelegenheit, für Jesum zu zeugen, die nicht ungenützt bleiben soll. Vor allem aber führe die Vorbereitung in die Schrift ein, gebe Anleitung zum| Bibellesen, zur Charaktersierung biblischer Personen, erläutere besonders bedeutsame Sprüche und ermutige die bei der Unterweisung der Kinder Mittätigen, mit den Kindern etwa die Gleichnisse des Herrn (nach Thiersch, nach Steinmeyer) zu behandeln. Der Geistliche nehme möglichst oft selbst eine Gruppe und fasse Gelehrtes und Gehörtes in kurzer Prüfung zusammen. Wo Dämme zu weichen und Stützen zu fallen drohen, muß jede Arbeit zu ihrer Stärkung und Festigung begrüßt werden.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ereicht
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