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welche das Altarsakrament umranken, die in der Ursprache noch machtvoller klingen. Durch das Mittelalter dringen und währen diese alten, Jahrhunderte verneuenden und aufleben lassenden Gebete. Und mit der Treue, die Bewährtes bewahrt und den Zusammenhang mit der betenden und feiernden Kirche aller Zeit festhält, weil er nicht zerstören, sondern wiederherstellen will, führt Luther alle diese Gebete in seine deutsche Weise, und nimmt die Kirche der Reformation (vgl. das Rektoratsprogramm von Leipzig 1914 von D. Althaus) aus allen ihr zu Gebot stehenden Schätzen, was sie brauchen darf und kann. Wobei trotz der zuweilen fast bedrückenden Entdeckungen in jenem Programm noch sich fragen wird, was die gemeinsamen Quellen der Gebete sind und was aus evangelischen in katholische Gebete übergegangen ist. –

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 Die geschichtliche Kontinuität, wahrlich nicht äußerlich festzuhalten, aber auch nicht zu vergessen, wo sie innerlich sich darbietet und vernötigt, geht durch die betende Kirche: das ist Gemeinschaft der Heiligen und am Heiligen zumal. Der geschichtslose Rationalismus, dem das „so sangen unsre Väter“ genug war, um ein Gebet und Lied nach seinem Bilde zu modeln oder, wenn es sich sträubte, zu verwerfen, hat unsre Agenden und Kirchenbücher mit langatmigen Elaboraten angefüllt, die nicht einmal den Vorzug der Sprachkorrektheit haben, hat die Variationen in Segenssprüchen und Kollekten gutgeheißen, die jeder kraft seiner Menschenwürde wagen kann, ohne zu bedenken, daß Vergangenheit und Gegenwart gleichmäßig vergewaltigt werden. Und die Auswüchse dieses Rationalismus finden sich in den unziemlichen Korrekturen, Besserungen,