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Artikel „Sastrow, Bartholomäus“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 398–408, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sastrow,_Bartholom%C3%A4us&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 13:18 Uhr UTC)
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Sastrow: Bartholomäus S., Bürgermeister von Stralsund und durch seine ausführliche Selbstbiographie für die pommersche und allgemeine deutsche Geschichte von hoher Bedeutung, wurde am 21. August 1520 in Greifswald in einem noch gegenwärtig erhaltenen Eckhause der Langenstraße geboren. Sein Vater Nikolaus S., geb. 1488, war ein Sohn von Hans S., welcher einen der Familie Owstin gehörenden Hof zu Rantzin in Pacht hatte, dann aber (1487) nach Greifswald übersiedelnd, dort Handel trieb, bis er (1494) bei einem Besuch in Gribow in einem Streit mit mehreren Mitgliedern des auf Rantzin angesessenen Geschlechtes Horn seinen Tod fand. Sein Sohn Nikolaus, nachdem er die nöthige Schulbildung genossen und sich auf mehreren Reisen, namentlich in Antwerpen und Amsterdam eine kaufmännische Erfahrung gesammelt hatte. erwarb (1514) das oben erwähnte Haus und verheirathete sich dann mit Anna Schmiterlow, einer Nichte des Bürgermeisters Nikolaus S. II. (s. d. Art.) und Tochter von dessen jüngerem Bruder Bartholomäus S., v. m. Magdalena Quant, welche sich in zweiter Ehe mit dem Rathsherrn Christian Schwarz (1503–40) vermählte. Durch die erwähnte Heirath zu ansehnlichem Vermögen und in Verbindung mit den einflußreichsten Patricierfamilien gelangt, betrieb er außer Landwirthschaft die Brauerei und einen ausgedehnten Handel mit Korn und Victualien, und lebte in sehr glücklicher Ehe, aus welcher, außer Bartholomäus, noch 2 Söhne und 5 Töchter entsprossen, von welchen der älteste Johannes S., geb. 1515, † 1545, zu Wittenberg studirend, Luther und Melanchthon kennen lernte, und (1540) zum Magister promovirt, wegen seiner Verdienste als lateinischer Dichter (1544) vom Kaiser Karl V. die Würde eines Poeta laureatus und ein Wappen mit einem Schwan empfing. Dieses glückliche Familienleben erlitt jedoch (1523) eine erhebliche Störung durch einen Unglücksfall, indem Sastrow’s Vater in einen Streit mit Georg Hartmann, einem Schwiegersohn des fürstlichen Rathes Dr. Stoyentin, gerieth, bei welchem Hartmann, als sich jener aus Nothwehr gegen dessen Uebermuth vertheidigte, das Leben einbüßte. Infolge dieses Ereignisses mußte Nikolaus S., von Dr. Stoyentin verfolgt, ein Asyl im Dominicanerkloster suchen, und in der Nacht, von dem Prior geschützt, nach Stralsund entfliehen. Während nun sein Schwiegervater, Christian Schwarz, mit den Hartmann’schen Erben einen Vergleich zu schließen suchte, lebte der Verbannte mehrere Jahre in den benachbarten Hansestädten und in Dänemark, seine Gattin mit ihren Kindern blieb jedoch in Greifswald und setzte, mit Hülfe ihres Oheims, des Bürgermeisters Nikolaus Schmiterlow II., welcher zu derselben Zeit in freiwillige Verbannung in die Nachbarstadt (1524–1525) übersiedelte, die Brauerei und Handlung fort. Damals gewann Bartholomäus S., welcher unter der Obhut seines Großoheims seine erste Erziehung genoß und in der Schule der Nikolaikirche die Anfangsgründe der lateinischen Sprache erlernte, jene Ehrfurcht und hochachtungsvolle Zuneigung vor dem verdienten Mann, welche ihn durch sein ganzes Leben begleitete und die noch im 75. Lebensjahr in den Worten seiner Selbstbiographie merklich hervortritt. Zugleich aber deuten [399] die von ihm berichteten jugendlichen Abenteuer, wie er auf der Galerie des Thurmes furchtlos herumspaziert, und mit den wilden Pferden spielt, sowie die humoristische Auffassung und Darstellung der Vergangenheit, auf den heiteren Sinn und die streitbare Kraft, welche ihm bis zum Greisenalter eigenthümlich blieb. Weniger sympathisch verhielt er sich dagegen zu den Söhnen und Enkeln seines Großoheims, Nikolaus III. und V. und Bertram I. und II., anscheinend aus dem Grunde, weil ihre Charaktere dem seinigen zu ähnlich waren und nicht durch elterliche Strenge und Ehrfurcht vor dem Großvater gemäßigt wurden, eine Stimmung, welche sich von den Jahren der Kindheit bis zum Mannesalter fortsetzte und von wesentlichem Einfluß auf sein Schicksal blieb. Inzwischen war es endlich den Bemühungen des Rathsherrn Chr. Schwarz gelungen, die Hartmann’schen Erben und Dr. Stoyentin durch eine Buße von 1000 M. zu versöhnen, jedoch unter dem Vorbehalt, daß Nikolaus S. Greifswald nicht wieder betreten dürfe. Infolge dessen verkaufte letzterer das erwähnte Haus, erwarb in Stralsund das Bürgerrecht und übersiedelte mit seiner Familie in die Nachbarstadt, wo seit 1527 auch sein Oheim Nikolaus Schmiterlow II. wieder in sein Amt eingesetzt war. Bartholomäus aber, für den sein Stiefgroßvater Schwarz eine besondere Zuneigung hegte, sodaß er fast täglich mit ihm auf die Stadtdörfer ritt, blieb noch auf dessen Wunsch in Greifswald zurück und wurde hier von dem späteren Professor Georg Normann, aus dem Rügischen Geschlecht, unterrichtet. Zwistigkeit mit Bertram Schmiterlow’s I. Sohn Nikolaus V. bewirkte jedoch, daß auch er nach einigen Jahren zu seiner Familie nach Stralsund zog. Hier war sein älterer Bruder Johannes von den Anhängern der kirchlichen Reformation Joh. Aepinus und Herm. Bonnus unterrichtet, und seine Eltern, welche in Greifswald noch an dem katholischen Cultus theilnahmen, durch Schmiterlow’s Einfluß der neuen Lehre mit solchem Eifer zugethan, daß sie den älteren Sohn nach Wittenberg zum Studium sandten und mit Luther in Briefwechsel traten. Bartholomäus aber erhielt, in Gemeinschaft mit Schmiterlow’s jüngstem Sohne Georg, Unterricht bei dem Rector der Stralsunder Schule, Mathias Brassanus, einem früheren Mönche des Klosters Neuencamp, welchen Herzog Philipp I. nach Säcularisirung desselben (1535), in Wittenberg studiren ließ, nahm aber, zugleich mit seinem Vetter Georg und Joh. Gotschalk, dem Vater seines späteren Schwiegersohnes und anderen Altersgenossen an jugendlichen Vergnügungen, wie Schlittschuhlaufen, Baden, Schwimmen und Reiten lebhaften Antheil, und verweilte lieber in den Pfefferkuchenbuden und Weinschenken, als bei den trockenen Predigten des Gottesdienstes, zu welchen die Schüler mit großer Regelmäßigkeit von Brassanus angehalten wurden. Nach einem Jahr sandten ihn seine Eltern auf den Rath seines Bruders nach Rostock, wo er Ostern 1538 bei der Universität immatriculirt wurde und unter der Leitung der mit jenem befreundeten Professoren Arnold Burenius und Heinrich Welpius (Wulf) von Lingen, das dortige Pädagogium, eine Vorschule für das Universitätsstudium, besuchte. Beide in Wittenberg unter Aufsicht Luther’s und Melanchthon’s ihren Studien obliegend, verbreiteten deren Lehren nicht nur auf religiösem Gebiete im Sinne des evangelischen Glaubens, sondern auch in der Richtung des Humanismus und in der Ausbildung in den Sprachen des classischen Alterthums, sodaß sich die Wirksamkeit von Burenius und Wulf in ihrer Vertrauensstellung zu den mecklenburgischen Herzogen und als Rectoren des Collegium Aquilae (von S. als Arnsburg bezeichnet) sehr wohl mit der Thätigkeit Bugenhagen’s und Knipstrow’s in Pommern vergleichen läßt. Bei ihnen hörte S. in 3 Jahren theils Vorlesungen, theils übte er sich unter ihrer Leitung in schriftlichen Arbeiten und Disputationen und war bald so fortgeschritten, daß er seinen Genossen, den späteren Stralsunder Rathsherrn Dankwart Hahn († 1565) [400] zu unterrichten und dessen Aufsätze zu corrigiren vermochte. Bei Burenius hörte er die Erklärung von Cicero’s Reden und Briefen, namentlich aber des Buchs De officiis, welches ihm so wichtig erschien, daß er zweimal an dieser Vorlesung theilnahm, bei Wulf dagegen, außer der Exegese der Terentianischen Komödien und von Melanchthon’s Lib. de anima, dialektische, mathemathische, geographische und theologische Vorträge nach den Lehrbüchern von Moller, Joh. de Sacrobusto und Johannes Spangenberg. Die Disciplin im Rostocker Pädagogium war, obwohl S. anfangs bei seiner Aufnahme (depositio) manche Unbilden des Pennalismus zu ertragen hatte, eine ausgezeichnete und deshalb das Collegium sehr besucht. Das Geld, welches die Alumnen aus der Heimath empfingen, stand unter Aufsicht der genannten Professoren, welche es ihnen in kleinen Summen auszahlten, über deren Verwendung sie sorgfältig Buch führen mußten; als Stubengenossen waren S. Franz v. Stiten und Joh. Vegesack, ein Neffe des Bischofs von Dorpat, zugetheilt, ihre Mahlzeiten Morgens, Mittags und Abends erhielten sie mit 30 anderen Studenten unter Aufsicht ihrer Rectoren bei einem Gastwirthe Jakob Bröker, wofür jährlich 16 Gulden berechnet wurden. Als dieser Preis nach 2 Jahren Sastrow’s Eltern doch noch zu kostbar erschien, wurde auf Bitte seiner Lehrer von dem Wirthe das Kostgeld auf 8 Gulden herabgesetzt, wofür S. sich jedoch zur Aufwartung bei Tisch und bei Bröker’s Sohne verpflichten mußte; für ähnliche Bedienung erließen ihm die genannten Professoren das jährlich zu zahlende Honorar, beides Leistungen, welche dem damals schon 20jährigen jungen Manne große Ueberwindung kosteten. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß dieser dreijährige Aufenthalt in Rostock, in einem Lebensalter, welches mit der Hauptentwicklung des Menschen zusammenfällt, von wesentlichem und günstigem Einfluß auf S. war. Seine besonders bemerkenswerthen Charaktereigenschaften, Religiosität und Wahrheitsliebe, Fleiß und Eifer in allen Unternehmungen, Sparsamkeit und Ordnungsliebe, Ehrfurcht vor dem Alter und der Obrigkeit sind in dieser Schule gereift und verschmolzen sich mit den angeborenen Eigenthümlichkeiten streitbarer Kraft und heiteren Lebensmuthes zu jener hervorragenden Persönlichkeit, welche uns in gleicher Weise in seiner Selbstbiographie, wie in den Zeugnissen seiner Zeitgenossen entgegentritt. nicht nur als Beispiel und Muster eines tüchtigen Mannes, sondern zugleich als Abbild norddeutschen Lebens, wie es sich damals in den Hansestädten während der Reformation entwickelt hatte. Nur vermöge solcher Eigenschaften und Erfahrungen war er im Stande, den Anforderungen, welche im Mannes- und Greisenalter an ihn herantraten, mit Kraft und Ausdauer zu begegnen und dem Muster und Vorbilde zu genügen, wie es ihm im Leben und in den Schicksalen seines Vaters und des Bürgermeisters Nikolaus Schmiterlow II. vor Augen stand. Beide hatten nämlich bei ihrer Rückkehr nach Stralsund (1527) aufs neue schwere Kämpfe zu ertragen gehabt, besonders in jener Zeit (1534–37), als sich die Bürger infolge der Wullenwever’schen Unruhen gegen den Rath empörten und Schmiterlow zu einer wiederholten Abdankung zwangen. Damals mußte sich auch Sastrow’s Vater, weil er seines Oheims Partei nahm, ein Jahr zur Haft in seinem Hause verstehen, obwohl seine Frau ihrer Entbindung entgegensah und er großen Schaden in seinem Handel erlitt. In dieser Gefangenschaft reifte bei Vater und Sohn jener erbitterte Haß gegen die bürgerschaftliche Opposition und alle revolutionären Bewegungen, dem der Sohn später in seiner Biographie einen so lebhaften, oft freilich übertriebenen Ausdruck gab, der aber auch schon aus den Worten des Vaters hervorleuchtete, als man ihm und Schmiterlow die Freiheit, unter der Bedingung einer Buße von je 100 M. und des Eingeständnisses ihres Verrathes an der Stadt, zusagte. Während der greise Bürgermeister auf Bitten seiner Familie das unwahre Schuldbekemitniß [401] unterzeichnete, weigerte sich Nikolaus S. mit den Worten: „Ich will mit meinem Siegel Euch nimmer ehrlos machen.“ Bald darauf hatten beide freilich die Genugthuung, daß nach dem unglücklichen Ausgange des dänischen Krieges (1537) das schmähliche Document vernichtet und Schmiterlow wieder in sein Amt eingesetzt wurde, Sastrow’s Vater hatte jedoch während der Haft in seinem Tuchhandel, den er seit 1533 als Altermann des Gewandhauses betrieb, sowie in seinem überseeischen Verkehr mit Schonen, ferner auch beim Ausbau seines Hauses in der Fährstraße, endlich auch durch mehrere Processe mit betrügerischen Gegnern aus den Familien Bruser und Leveling und deren Maklern und Anwälten, so vielen Verdruß und Schaden, daß er wenig Freude über des Oheims Restitution empfand, zumal jener schon nach zwei Jahren (1539) verstarb. S. selbst gewann aus dem Gang dieser Rechtshändel sowohl beim Rath in Stralsund, als auch in Lübeck, wohin er den Vater zur Appellation begleitete, endlich auch beim Reichskammergericht in Speyer, theils ein großes Mißtrauen gegen die Vertreter der Justiz, theils aber auch schon frühzeitig manche Erfahrung in Rechtsstreitigkeiten, welche ihm später in seiner Praxis als Anwalt und Rathsherr sehr zu statten kam. Neben dieser leuchtet aus seiner Biographie die zu Rostock in den 2 Jahren gewonnene genaue Kenntniß der lateinischen Sprache hervor, welche er in dem Grade beherrschte, daß man ihn nach seiner Rückkehr in die Heimath (1541) für genügend befähigt hielt, die Knaben in der Schule seines früheren Lehrers M. Brassanus zu unterrichten. Als dann sein Vater durch Fürsprache des Herzogs Philipp I. wieder die Erlaubniß erhielt, in Greifswald zu verweilen, studirte S., in Gemeinschaft mit dem späteren Stralsunder Prediger Joachim Levenhagen, noch 1 Jahr auf der dortigen Universität, wo er bei Anton Walter Vorträge über die Dialektik des Joh. Cesarius († 1551) und von Ben. Kitzmann über Ovid’s Fasten hörte. Sein Bruder veröffentlichte inzwischen mehrere lateinische in Lübeck gedruckte Gedichte, u. a.: De officio principis; Querela de ecclesia, epicedion martyris Christi D. Ruberti Barns Angli, in welchem er die Hinrichtungen von Rob. Barnes und Thomas Morus durch König Heinrich VIII. (1535–40) heftig angriff, infolge dessen er freilich den Zorn desselben erregte, sich aber einen solchen Ruf erwarb, daß ihn Kaiser Karl V. (1544) zum Poeta laureatus ernannte. Bei so günstigen Erfolgen fehlte jedoch beiden eine sichere und einträgliche Lebensstellung, die ihnen um so nothwendiger erschien, als ihre Eltern durch den erlittenen Schaden und die Höhe der Proceßkosten, welche mehr als 1000 Gulden betrugen, aus Wohlhabenheit zu mäßigen Vermögensverhältnissen gelangt waren, und außer ihnen noch für einen dritten Sohn Christian und 5 Töchter zu sorgen hatten. Aus diesem Grunde unternahmen beide Brüder auf Wunsch des Vaters am 14. Juni 1542 eine größere Reise zu Pferd, theils um ihr Glück zu versuchen, theils um in Speyer beim Reichskammergericht einen günstigen Ausgang des Processes zu erzielen. Von ihren Eltern bis Greifswald begleitet, nahmen sie hier von diesen und ihrer Großmutter Magdalena Schwarz, sowie von den anderen Verwandten und Freunden Abschied, wobei Bartholomäus heiter und zuversichtlich, Johannes aber, erst soeben genesen von einer bei Ribnitz von Wegelagern erhaltenen Kopfwunde, melancholisch und verzagt erschien, vielleicht in Vorahnung seines bald darauf (1545) in Italien erfolgten Todes. Sodann ritten beide über Stettin und Berlin nach Wittenberg, wo sie Luther begrüßten und von Melanchthon Empfehlungsbriefe an die Anwälte in Speyer empfingen, und weiter über Leipzig, Erfurt, Gotha, Eisenach, Fulda, Frankfurt a. M., Oppenheim, Worms nach Speyer. Hier verkauften sie ihre Pferde und erhielten, auf die Wittenberger Empfehlung, Johannes eine Stelle beim Dompropst von Speyer, Bartholomäus aber einen [402] Schreiberposten bei dem Anwalt Dr. Friedrich Reiffstock, welcher ihn im Copiren und Collationiren von Proceßacten übte. Später trat er dann in den Dienst des Dr. Simon Engelhard, welcher die Sache seines Vaters führte. Hier hatte er zwar Gelegenheit, sich in dessen umfangreicher juristischer Praxis, welche jährlich ein Honorar von über 2000 Gulden einbrachte, eine tüchtige Kenntniß zu erwerben, zugleich aber um so mehr unter dem Geize und der Rücksichtslosigkeit von Engelhard’s Frau zu leiden. Da ihr Gatte, anscheinend wegen seiner Neigung zur Schwenkfeld’schen Secte, trotz aller Begabung und Betriebsamkeit, Schwäche des Willens und Charakters zeigte, so stand er auch selbst mit seinen Kindern unter diesem Druck; um so härter aber lastete derselbe auf den beiden Schreibern, welche, obwohl sie kaum die Menge der Copialien zu bewältigen vermochten, dennoch schlecht gelohnt und beköstigt und zu den niedrigsten Hausarbeiten, ähnlich wie in Rostock, angehalten wurden. Letzteres verdiente um so härteren Tadel, als Sastrow’s Bildung den Eltern sehr wohl bekannt war und von diesen dazu ausgenutzt wurde, ihren Sohn von ihm in der lateinischen Sprache unterrichten zu lassen; auch stand Engelhard’s Häuslichkeit in Speyer in solchem Ruf, daß ein anderer Anwalt, Dr. Hose, bei einer Abendgesellschaft den zur Bedienung seines Principals anwesenden S. wider dessen Willen zur Tafel zog und jenen wegen seines unredlichen Eigennutzes und Geizes mit spöttischen Reden verfolgte. Zwei Jahre verweilte S. in dieser ungünstigen Lage, um seinen Eltern zu dienen, als dann aber der erwähnte Proceß durch seine Bemühungen eine günstige Wendung genommen und er selbst in Anerkennung seiner Leistungen am 19. Mai 1544 das Diplom eines kaiserlichen Notars empfangen hatte, begab er sich, Speyer verlassend, am 24. Juni als Schreiber in die Kanzlei des Markgrafen Ernst von Baden zu Pforzheim, und dann, nach Abschied von seinem Bruder und nach kürzerem Aufenthalt auf dem Reichstage zu Worms, wo er wegen Mangels an Geld große Noth erlitt, (9. Juli 1545) in den Dienst eines Comthurs des Johanniterordens, Christoph v. Löwenstein, welcher sich im Türkenkriege ausgezeichnet hatte und nun im höheren Alter auf seinen 7 Schlössern, namentlich in Mainz, Frankfurt a. M. und Niederweissel ein munteres geselliges Leben führte. Hier kam S. in eine Lage, welche den größten Gegensatz zu seinem in Speyer und Worms erlittenen Mangel bildete. Prächtig gekleidet und gespeist, in munterer Geselligkeit, welche noch durch die zur Fehde mit dem Herzog Heinrich von Braunschweig durchreisenden Kriegsobersten vermehrt wurde, hatte er nur mäßige Arbeit und als Nebenbeschäftigung die Einziehung der Comthurgebühren in Hessen, bei welcher er seinem Wohlgefallen an schönen Pferden und Reitkünsten täglich genugzuthun vermochte. Als dann sein Principal zur Herbstmesse nach Frankfurt und Mainz übersiedelte, erfreute S. sich in Gemeinschaft seines Studiengenossen Franz v. Stiten, der dort als Gehülfe des Lübecker Syndicus verweilte, einer noch größeren Ungebundenheit, denn als der Ordensmeister bald darauf den Comthur nach Speier berief, wandte dessen in Mainz zurückgebliebene schöne Geliebte, Marie Königstein, den jungen Leuten ihre Gunst in solcher Weise zu, daß S. jene Zeit in seiner Biographie als ein Schlaraffenleben bezeichnet. In diesem Wohlgenuß wurde S. durch die Nachricht vom Tode seines Bruders erschreckt, welcher, da sein erwähnter Trübsinn sich im Kummer über eine zurückgegangene Verlobung noch vermehrt hatte, um sich zu zerstreuen, nach Italien übersiedelt, dort in den Dienst des Cardinals Askanius v. St. Flore getreten und bald darauf (1545) in Acquapendente gestorben war. Um dessen Nachlaß seiner Familie zu sichern, entsagte S. der Stelle beim Comthur und unternahm am 8. April 1546 die von ihm ausführlich beschriebene Reise nach Italien. Anfangs wanderte er zu Fuß über Kempten, Trient nach Venedig, ging dann zu Schiff nach Ancona, und von dort wieder als [403] Wanderer über Loreto nach Rom, wo er am 20. Mai anlangte und Tags darauf seine Verwandten Dr. Caspar Hoyer und Gerhard Swarte aufsuchte. Durch deren Vermittelung empfing er den Nachlaß seines Bruders aus Acquapendente und eine Stelle als Custos beim Priester des schwedischen St. Brigittenhospitals, welcher in der Stadt wohl bekannt und gern bereit war, S. alle Kirchen, Klöster, Alterthümer und andere Sehenswürdigkeiten Roms zu zeigen. Nach 6 Wochen jedoch, da die große Hitze ihm beschwerlich wurde und ihm die Gefahr drohte, wegen seines lutherischen Glaubens der Inquisition zu verfallen, beschloß er heimzukehren, und begab sich am 6. Juli in Gemeinschaft eines Lübecker Gesellen Nikolaus, den er in Rom kennen gelernt hatte, wieder auf die Wanderschaft. Auf dieser Rückfahrt wählte er aber den Weg durchs Land über Viterbo, kostete den berühmten Muskateller in Monte Fiascone und besuchte die Kirche in Acquapendente, in welcher sein Bruder bestattet war; dann ging die Reise weiter über Siena, Florenz, Bologna, Ferrara, Mantua, Verona, Trient, Botzen, Brixen, wo später sein Verwandter, Dr. Hoyer, in seinem Domstifte verstarb, nach Innsbruck. Während dieser ganzen Fahrt war S. oft in Lebensgefahr gewesen, theils wegen betrügerischer Reisegenossen, die ihn seiner Barschaft berauben wollten, theils wegen seines evangelischen Bekenntnisses, welches er weder gegen Dr. Hoyer, noch gegen den schwedischen Hospitalpriester, als dieser seine Freude über Luther’s Tod (18. Februar 1546) äußerte, zu verbergen vermochte. Aus diesem Grunde, und um sich gegen die Angriffe der Soldaten zu schützen, welche der Papst dem Kaiser in der schmalkaldischen Fehde zu Hülfe sandte, kleidete sich S. auf italienische Weise und vermied den Gebrauch der deutschen Sprache, da in jener Zeit ein „Tudesco“ und ein „Lutherano“ als identisch galt. Als S. und sein Gefährte nun aber auf deutschem Boden den protestantischen Söldnern begegneten, wurden sie von diesen in ihrer wälschen Tracht und angenommenen Mundart für päpstliche Soldaten gehalten, und hatten Mühe, sie vom Gegentheil zu überzeugen. Demgemäß ließen sie zu Innsbruck ihre Gewandung nach deutschem Muster verändern, vermieden, um nicht als Niederländer und Anhänger Karl’s V. zu gelten, die niederdeutsche Sprache und wählten bei der Fortsetzung ihrer Reise vorzugsweise solche Gegenden, welche abwärts vom Kriegsschauplatze lagen. Von Regensburg, wo sie den Hochzeitsfeierlichkeiten der beiden Töchter des Königs Ferdinand I., Anna und Maria, mit Albrecht von Baiern und Wilhelm von Cleve, beiwohnten, ging die Fahrt weiter über Nürnberg, Bamberg, Coburg, Erfurt, Nordhausen, Halberstadt, Braunschweig, Lüneburg nach Lübeck, wo S. sich von seinem Reisegefährten Nikolaus trennte und seinen Oheim Andreas Schwarz, sowie Eulenspiegel’s Grab in Mölln besuchte, bis er endlich über Wismar und Rostock am 29. August in Stralsund bei seinen Eltern und Geschwistern wieder anlangte und ihnen den Nachlaß seines Bruders übergab. Nachdem er sich dann einige Monate von den Anstrengungen der Reise erholt hatte, empfing er durch Verwendung des Generalsuperintendenten Dr. Knipstrow (s. A. D. B. XVI, 298), welcher während seines Stralsunder Pastorats (1533–35) mit Sastrow’s Eltern bekannt geworden war, eine Anstellung in der fürstlichen Kanzlei zu Wolgast, wo er durch Muth und Erfahrung, scharfen Verstand und zuverlässige Geschäftsführung sich das Wohlwollen des Kanzlers Jak. Citzewitz in so hohem Grade erwarb, daß man ihm die schwierigsten und gefährlichsten Angelegenheiten anvertraute. In diesem Sinne begleitete S. (10. März 1547) als Notar die fürstlichen Räthe, welche nach dem Gerücht von den unglücklichen Erfolgen des schmalkaldischen Bundes, eine Versöhnung der Herzoge mit dem Kaiser vermitteln sollten. Da diese zuerst nach Böhmen zogen, um dort in Leitmeritz zu erfahren, ob die böhmischen Truppen zur Hülfe für Karl V. oder die Protestanten aufgeboten würden, hatte [404] er mit Unterstützung eines Dolmetschers wiederholt in das Gebirge, sowie nach Eger, Schlackenwerth und zum Obersten der Reichsstände, Caspar Pflug, zu reiten, um den Gang des Krieges zu erkunden. Als nun sichere Nachricht über die Gefangennahme des Kurfürsten Joh. Friedrich von Sachsen (24. April) eintraf und die Gesandtschaft nach Torgau übersiedelte, erhielt S. den Auftrag, nach Wittenberg zu ziehen, um ihnen freies Geleit zum Kaiser zu erbitten, vermochte solches jedoch nicht zu erlangen. Auf diesem Ritt berührte er das Schlachtfeld von Mühlberg und die Lochauer Haide, und erblickte nicht nur die Schrecken des Krieges, sondern auch zahlreiche Beispiele von dem Uebermuth und der Grausamkeit des von Karl V. nach Deutschland geführten spanischen Heeres. Diese Unglückskunden bewogen die Gesandten, nach Pommern zurückzukehren und den Herzogen vorzuschlagen, die Vermittelung des Kurfürsten Joachim von Brandenburg anzurufen. Mit einem Schreiben solchen Inhaltes wurde S. dann aufs neue nach Wittenberg geschickt, gelangte aber, obwol er den größten Eifer zeigte und dadurch oftmals in Lebensgefahr gerieth, bei der Nachlässigkeit der brandenburgischen Räthe, zu keinem Resultat. Auf der Rückkehr traf er dann mit dem pommerschen Kanzler Citzewitz zusammen, mit welchem er nach Halle ging, und als Augenzeuge die Demüthigung des Landgrafen Philipp von Hessen mit erlebte. Seiner Selbstbiographie allein verdankt man die ursprüngliche Nachricht von dem spöttischen Lachen des knieenden Fürsten und den drohenden Worten des Kaisers, welche die Erklärung für die Gefangennahme Philipps enthalten. Weiter begleiteten die pommerschen Räthe Karl V. über Naumburg, Coburg, Bamberg, Nürnberg, zum Reichstage nach Augsburg, bei welcher Fahrt sie in die Gesellschaft des Herzogs Friedrichs III. von Liegnitz geriethen und an dessen Trinkgelagen theilnehmen mußten, über welche S. gleichfalls ausführlich, ebenso wie über das muntere Leben der Fürsten und anderer Reichstagsmitglieder berichtet, während er im Gegensatz dazu die Würde und Mäßigkeit des Kaisers, sowie die Standhaftigkeit des gefangenen Kurfürsten von Sachsen hervorhebt, welche er beide, jenen im Fugger’schen, diesen im Welser’schen Hause zu beobachten Gelegenheit hatte. So erfreulich nun auch dies heitere Treiben auf dem Reichstage für die pommerschen Räthe und Diener sein mochte, so erreichten sie doch in der Sühne zwischen ihren Herzogen und dem Kaiser, welche den Zweck ihrer Gesandtschaft bildete, keinen Erfolg, obwohl sie sich dazu verstanden, die kaiserlichen Räthe, den Kanzler Nik. Granvella und seinen Sohn Anton, Bischof von Arras, den Vicekanzler Dr. Georg Selden und Dr. Joh. Markwardt durch Verehrung kostbarer Goldgefäße und Reitpferde günstig zu stimmen. Vielmehr kamen sie zu der Einsicht, daß die katholische Geistlichkeit Karl V. besonders deshalb gegen Pommern eingenommen habe, weil dort die Klöster von den Herzogen säcularisirt und ein Anhänger Luther’s, der frühere fürstliche Kanzler Barth. Suave, zum Bischof von Cammin ernannt worden sei. Erst nachdem die unter dem Namen „Interim“ bekannte Reichstagsverordnung vollzogen und der Kaiser über Ulm, Speyer und Köln nach den Niederlanden gegangen war, wohin ihn die pommerschen Räthe mit S. begleiteten, kam es in Brüssel (1548–49) zu einem Sühnevertrag, demgemäß die Herzöge 90 000 Gulden Strafgelder und 1500 Gulden Kanzleigebühr zahlen, das Interim in Pommern einführen und an Stelle B. Suave’s den Domherrn Martin Weiher zum Bischof von Cammin ernennen sollten; S. unterrichtete sich auf dieser Fahrt, bei welcher er auch mit seinem früheren Principal Dr. Engelhard zusammentraf, sorgfältig über die Wiederbesetzung des kaiserlichen Kammergerichts in Speyer und dessen Personal, und war dort Augenzeuge, wie die Landgräfin von Hessen durch einen Fußfall vor Karl V. erreichte, daß sie mit ihrem Gatten das Gefängniß theilen durfte; auch besuchte er auf der Weiterreise in Gemeinschaft mit dem fürstlichen Rathe [405] Heinrich Normann Aachen, dessen Rathhaus und Dom, mit den Reliquien und Alterthümern Karl’s des Großen, er ebenso, wie die warmen Bäder, ausführlich beschreibt. Von Brüssel ritt S. dann (9. October), auf den Bescheid, daß er nach Wolgast zurückkehren und dort seine Bestallung als herzoglich pommerscher Geschäftsträger (sollicitator) beim Kammergericht in Speyer entgegennehmen möge, durch Westfalen in die Heimath, war am 1. November in Wolgast, ging dann nach Stettin und zum Kanzler Citzewitz auf dessen Gut Muttrin, wo er wider seinen Wunsch an den Jagden theilnehmen mußte, erhielt dann in Stettin seine Instruction und schließlich eine Audienz beim Herzog Philipp I. in Wolgast, der ihn seines regen Eifers wegen belobte, seine Kühnheit bewunderte und ihm für seine Bemühungen ein Honorar von 100 Thalern verlieh. Darauf besuchte er seine Eltern in Stralsund, gab seiner Mutter 30 Thaler, seiner Schwester Catharina einen Schmuck und ritt dann mit seinem jüngeren Bruder Christian zur Leipziger Messe, und ferner, nach Abschied von demselben, über Frankfurt, Mainz und Worms nach Speyer, wo er am 21. Januar 1549 anlangte. Hier förderte er mit Hülfe des Dr. Engelhard und Dr. Markwardt den Proceß seiner Eltern, diente außer den pommerschen Herzögen noch anderen Fürsten und Parteien, besuchte Sebastian Münster in Basel, um ihm Nachrichten über Pommern für das von jenem herausgegebene Werk Cosmographia universalis zu geben, bestieg den Thurm in Straßburg und begab sich im Mai aufs neue in die Niederlande, um die goldenen Gefäße zu überbringen, welche für Granvella bestimmt waren. Hier bewunderte er den Reichthum an Gebäuden und Kunstwerken in Gent, Antwerpen, Mecheln und Löwen und kehrte dann auf dem Rhein nach Speyer zurück, wo er im Juni 1549 bei der Ankunft des kaiserlichen Sohnes Philipp II. gegenwärtig war, und infolge dessen den Unterschied zwischen dem leutseligen in seiner niederländischen Erziehung begründeten Wesen des Vaters und der steifen spanischen Etikette des Sohnes zu beobachten Gelegenheit hatte; auch nahm er in Speyer an den Carnevalsbelustigungen der Rheingegenden Theil. Bei seiner ferneren Geschäftsführung für die pommerschen Herzöge machte S. nun die traurige Erfahrung, daß die Räthe in Stettin nicht nur ihre Pflichten versäumten, sondern den Schaden, der auf solche Art in der Förderung der Processe beim Kammergericht entstand, seinem angeblichen „Unfleiß“ aufbürdeten, obwohl er wiederholt zur Beschleunigung der Kanzleiarbeiten in Pommern gemahnt hatte. Aus diesem Grunde nahm er, nachdem ihm durch den Besuch des pommerschen Rathes Dr. Schmallenberg und einen aufgefangenen Brief an denselben sichere Kunde wurde, daß man seine Stellung in Speyer absichtlich untergrub, im Herbst 1550 seinen Abschied, und kehrte (3. bis 21. December 1550) nach Stettin zurück, wo ihn der Kanzler Citzewitz, welcher seine Verdienste zu schätzen wußte, vergeblich in der fürstlichen Kanzlei zu halten suchte; S. aber, welcher über die ihm von den Räthen widerfahrene Behandlung mit Recht empört war, lehnte dies ab, und beschloß, als selbständiger Rechtsanwalt zu wirken, und wurde demgemäß später (19. Februar 1552) auch als Notar beim Reichskammergericht immatriculirt. Zu jenem Entschluß ließ er sich auch noch durch eine wesentliche Veränderung in seinen Familienverhältnissen bewegen. Bei der im Juli 1549 in Stralsund herrschenden Pestepidemie waren nämlich seine Mutter und seine 3 Schwestern Katharina, Magdalena und Gertrud, und bald darauf (November 1550) auch seine mit dem Notarius Berndt Slasse verheirathete Schwester Barbara im Wochenbette gestorben. Infolge dessen hatte S. seinen Familienanhalt in Stralsund verloren und das Verlangen, eine neue Häuslichkeit zu begründen; es ist daher erklärlich, daß er, da seine einzig noch überlebende Schwester Anna in Greifswald mit dem Rathsherrn Peter Vrobose (1551–59, Bürgermeister 1559 [406] bis 1580) verheirathet war, gleichfalls dorthin übersiedelte, nach der Stadt, in welcher er geboren und erzogen war, wo er später auch studiert hatte, und wo er durch die Familien Schwarz und Schmiterlow zahlreiche Verbindungen besaß. Hier lernte er bei seinem Schwager dessen Schwester, Katharina Vrobose kennen, mit welcher er sich am 5. Januar 1551, in Gegenwart ihres Vaters Matthäus Vrobose und einer Rathsdeputation, im Franciscanerkloster verlobte und am 2. Februar verheirathete, nachdem er sich zuvor noch der alterthümlichen Sitte des Steinganges auf dem Markte, bei welchem Einspruch gegen die Ehe gethan werden konnte, unterzogen hatte. Anfangs zur Miethe wohnend, baute er sich später in der Fischstraße ein Haus und erwarb seinen Unterhalt durch seine Praxis als Anwalt und Notar, u. a. für die ritterschaftlichen Familien Küssow, Thun, Behr, v. d. Lühe, Wakenitz, Owstin, Kahlden, Holste, Maltzan, Krakewitz u. A., auch nahm sein Gönner, der Kanzler Citzewitz, seine Hülfe in Anspruch. Seine freie Zeit benutzte er jedoch noch, um seine Universitätsstudien zu ergänzen, indem er bei dem Juristen Joachim Moritz Institutionen und bei Balthasar Rhaw Melanchthon’s Dialektik hörte. In diesem Beruf hatte er häufig Reisen nach Wolgast zu machen, und (1552) sogar in Vertretung von Joachim Maltzan ein juristisches Gutachten des Prof. Moritz beim Kammergericht zu übergeben; ein Auftrag, der ihn in Begleitung seines Bruders Christian noch einmal zu einem Ritt nach Speyer veranlaßte. Eine andere zwar nähere, aber nicht minder wichtige Angelegenheit führte ihn nach Stralsund, wo die Söhne und Angehörigen des Bürgermeisters Lorbeer (s. A. D. B. XIX, 169) in einen Streit über Jagd und Fischerei, theils mit dem Landesherrn, theils mit der Stadt Greifswald gerathen waren. Die energische Weise, in welcher S. hierbei den Herzog und die Stadt vertrat, und die Niederlage der Gegner erregte bei diesen solchen Zorn, daß der Bürgermeister Lorbeer bald darauf (16. October 1555) an einem Schlagfluß verstarb; bei seinen Parteien gelangte S. dagegen zu solchem Ansehen, daß man ihm bald darauf, sowohl in Greifswald als auch in Stralsund, das Rathssecretariat anbot. Da er sich mit seinem Oheim, dem Greifswalder Bürgermeister Bertram Schmiterlow nicht gut stand und die Stralsunder Stelle viel einträglicher war, so entschloß er sich, nachdem er kurze Zeit den schon bejahrten Stadtschreiber Joh. Schönfeldt vertreten hatte, (1555) nach Stralsund zu übersiedeln, wo er schon (1562) in den Rath, und (1578) an Dr. Gentzkow’s Stelle, zum Bürgermeister gewählt wurde. In dieser seiner zweiten Heimath hatte er nun Gelegenheit, in dem langen Zeitraum von 48 Jahren die Erfahrungen seiner Jugend und seine juristischen Kenntnisse, sowie namentlich seine unermüdliche Thatkraft und Geschäftsgewandtheit einerseits zum Wohle der städtischen Gemeinde zu verwerthen, andererseits für sich und seine Familie, seine Gattin, seinen Sohn, den Dr. i. u. Johannes S. und zwei Töchter, Katharina, vermählt mit dem Rathsherrn Heinrich Gotschalk, und Amnestie, vermählt mit dem Rathsherrn Jak. Clerike, eine sorgenfreie Zukunft zu gewinnen. Sein Wirkungskreis gestaltete sich nun in doppelter Weise, theils nach dem Vorbilde seiner Jugend in politischer Richtung in auswärtigen Angelegenheiten, theils aber in Sachen der Rechtspflege und inneren Verwaltung der Stadt. Für jene Zwecke unternahm er wiederholte Reisen nach Speyer, Augsburg und Berlin, sowie zu den Hansatagen in Lübeck und anderen Städten, und ebenso oft nach Wolgast und Stettin zu den Landtagen, und war auch als Vertreter Stralsunds bei der Begrüßung des schwedischen Prinzen, späteren König Karl’s II. (1577) gegenwärtig, sowie bei den fürstlichen Huldigungen, Hochzeiten und Begräbnissen. – In der Erfüllung dieser Aufträge war er so selbstlos und pflichtgetreu, daß er, um nichts zu versäumen, sogar von seinem schwererkrankten Vater Abschied nahm, obwohl er nicht hoffen durfte, ihn lebend wieder zu sehen, sodaß jener [407] während seines Aufenthaltes in Wolgast starb und bestattet wurde. In der inneren Verwaltung richtete er zuvörderst seine Aufmerksamkeit auf die städtischen Archive und Kanzleien, auf die richtige Ausfertigung der Protocolle und Buchführung der Renten und Ausgaben, sowie der Fixirung der Gehalte und Accidentien. Wegen der in solchen Angelegenheiten zu Speyer, Wolgast und Greifswald gewonnenen Erfahrung behielt er das Amt eines Secretarius oder Protonotarius auch noch nach seiner Wahl zum Rathsherrn mehrere Jahre bei, und benutzte diese Zeit, um die nöthigen Repertorien zur Uebersicht der Urkunden und nach diesen ein städtisches Diplomatar anzulegen, welches mit dem Namen „Rubricken-Bock“ bezeichnet, Abschriften, resp. Regesten derselben, nach 67 Rubriken geordnet, enthält; auch führte er die (1555) begonnenen Eintragungen der Erbe-, Renten- und Rechnungsbücher noch geraume Zeit fort. Außerdem war er Patron mehrerer Kirchen und geistlicher Brüderschaften, begründete eine neue Schlachterordnung und ein neues Kornhaus, und vertrat auch seinen Vorgänger Dr. Gentzkow im Syndicat. Da er bei allen diesen Angelegenheiten den schon in der Jugend bewiesenen Eifer in gleichem Grade im Alter fortsetzte, auch seinen eigenen Vortheil zu wahren suchte, so gerieth er, zumal da in jener Zeit die Einkünfte der Rathsherren nicht genau geregelt, sondern von wechselnden Verleihungen und Verehrungen abhängig waren, sehr häufig in Streit mit seinen Amtsgenossen und anderen Gegnern, namentlich mit seinem Vorgänger, dem Bürgermeister Dr. Gentzkow und dem Rathsherrn Nik. Sasse (1566–1618), welcher ihm Eigennutz und Mißbrauch der Amtsgewalt vorwarf. Erwarb er sich daher, ebenso wie sein Sohn Dr. i. u. Johannes S., der ihm an Energie und Heftigkeit des Charakters ähnlich war, nach einer Seite manche Feinde, so fehlte es ihm nach anderer Richtung hin auch nicht an rühmlicher Anerkennung, sowohl bei den Zeitgenossen, wie in den Schmiterloviaden und den Pomeraneiden von Seccerwitz, als bei späteren Schriftstellern, wie A. E. Balthasar, Charisius und Dinnies. Auch hatte er das Glück, bis ins späteste Alter – er starb am 7. Februar 1603, in seinem väterlichen Hause in der Fährstraße, im 83. Jahr – seine körperliche Gesundheit und geistige Frische zu bewahren. Hiervon zeugt einerseits der Lebensmuth, mit welchem er nach dem Tode seiner Gattin (1598), sich mit deren Pflegerin Anna Haseneier wieder verheirathete, und den ihm hieraus erwachsenen Anfeindungen mit der alten Energie zu begegnen wußte, andererseits aber der Umstand, daß er im 75. Lebensjahre jene ausführliche Selbstbiographie schrieb, welche durch lebendige Auffassung und Darstellung der berichteten Thatsachen und ihre frische humoristische Sprache, in der sich hochdeutsche Mundart mit niederdeutschen Provincialismen und lateinischen Citaten mischen, ausgezeichnet ist. So hat er sich durch Leben und Schrift nicht nur in der pommerschen, sondern auch in der allgemeinen deutschen Geschichte eine hervorragende Stelle und ein unvergängliches Denkmal erworben, sein Geschlecht erlosch jedoch, da sein Bruder Christian (1580) und sein Sohn Johannes (1593) vor ihm kinderlos verstarben, mit seinem Tode (1603) in männlicher Linie, dagegen hat sich seine weibliche Descendenz in den Nachkommen seiner Tochter, in den Familien Stein, Gottschalk, Andreä, Buchow, Hagemeister, Brandenburg, Fabricius u. A. erhalten.

Barth. Sastrowen Herkommen, Geburt und Lebenslauf, h. v. Mohnike, Th. I–III, 1823–24, enth. die Selbstbiographie v. 1520–55; der Th. IV (1555–1603) ist von den Erben vernichtet; über diese Zeit vgl. die Nachrichten von Dinnies und Mohnike, Th. I, S. LXXV–CXXXVI, Th. III, S. III–XXVI u. S. 155–257, sowie Lindeman’s Mem. Buch, hrsg. v. Zober, Strals. Chron. II, 34 ff., III, 92–428. – Krabbe, Univ. Rostock, 407 ff. – Kosegarten, Gesch. d. Univ. Greifswald I, 181 ff. – Barthold, Pomm. [408] Gesch. IV, 2, S. 325–358. – Fock’s Darstellung (Rüg.-Pom. Gesch. V, 137 ff., 164 ff., 328 ff.; VI, 43) von Sastrow ist auffallend kurz und vom liberalen Standpunkt einseitig aufgefaßt; vgl. Pyl, Pom. Genealogien II, 306–365.