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Artikel „Caesarius, Johannes“ von Friedrich August Eckstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 689–691, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Caesarius,_Johannes&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 16:00 Uhr UTC)
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Caesarius: Johannes C., deutscher Humanist, geb. in Jülich um 1468 (1460 würde zu früh sein), † 1550. Ueber seine Schulzeit fehlt es an Nachrichten, denn daß er ein Schüler des Hegius von Deventer gewesen sei, läßt sich nicht nachweisen. 1491 ist er in Köln inscribirt; am 9. November ad artes iuravit pauper. In Paris hat er Jacobus Faber gehört, den er dankbar als observandissimus quondam praeceptor meus bezeichnet; durch ihn war er der mittelalterlichen Scholastik entfremdet. Von 1508 ist er Lehrer in Deventer (Butzbach bezeugt es: vivit adhuc Daventriensis lector nicht litterator, wie Böcking schreibt). Im Dec. 1508 schloß er sich mit dem Grafen Hermann v. Nuenar, seinem Zöglinge, der Gesandtschaft an, welche die Bestätigung der Wahl des Erzbischofs Philipp v. Dhaun in Rom nachsuchen sollte, und verweilte bei dieser Reise 1509 längere Zeit in Bologna. Dort hat er seine Kenntniß der griechischen Sprache befestigt, als deren Lehrer er sich später so auszeichnete, daß nicht blos wir ihn als Begründer dieser Studien am Niederrhein und in Westfalen bezeichnen können, sondern schon die Mitwelt dankbar rühmte, daß man in dieser Sprache bei ihm mehr lernen könne als in dem vielgerühmten Bologna. 1510 begann er seine Lehrthätigkeit in Köln ohne ein öffentliches Amt, was ihm die Freiheit gewährte auch an andern Orten lehrend aufzutreten. Hamelmann läßt ihn zugleich mit Camener durch Hegius zu dem Rectorate der Domschule in Münster vorschlagen, in einer Zeit wo Hegius schon mehrere Jahre todt war; eben derselbe läßt ihn 1504 Vorlesungen über die griechische Sprache in Münster halten, zu denen auch die älteren Lehrer der Schule, namentlich Murmellius sich gedrängt hätten, und doch kann dies vor 1513 nicht geschehen sein, weil Murmellius bald darauf nach Alkmaar zurückkehrte. Auch die Nachricht von seiner Vertreibung aus Köln ist grundlos, vielmehr stand er mit Ortuin Gratius in einem freundschaftlichen Verhältniß und hat seinen bleibenden Wohnsitz in Köln behalten, wenn ihn schon äußere Veranlassungen zu zeitweiliger Aenderung dieses Aufenthaltsortes bewogen. So ging er 1519 wegen der Pest nach Münster, 1527 nach Leipzig, wo er bei Melchior Lotter wohnte, und in dem darauf folgenden Winter nach Königstein und nach Stolberg, wo er bei dem Rentmeister Wilhelm v. Reiffenstein wohnte und sich der gastlichsten Aufnahme bei der gräflichen Familie erfreute. 1529 war er in Mainz; in seinen letzten Lebensjahren seit 1546 reiste er fast regelmäßig während des Sommers nach Mörs, wohin ihn der Graf v. Nuenar einlud. Die Frankfurter Herbstmesse besuchte er noch im hohen Alter, um dort seine geringen Einkünfte zu erheben und zu ordnen. Denn im Ueberfluß hat er sich nie befunden. Die Freigebigkeit seiner gräflichen Schüler bot einige Mittel, so der Graf Wilhelm v. Nuenar 130 Goldgulden jährlich und die Stolberger Grafen, von denen ihm Bodo die Einkünfte zweier Vicarien angewiesen hatte, welche 15 Goldgulden und einige Thaler betrugen (die noch vorhandenen Quittungen gehen von 1530 bis 1547). Nur diese und andere Unterstützungen schützten ihn in seinem Alter vor drückender Noth.

Mit den besten seiner Zeitgenossen stand er in freundschaftlichem Verkehr. In der gewaltigen Bewegung, die in dem Reuchlinischen Streite der Reformation voranging, stand er auf Reuchlin’s Seite mit Erasmus. Das zeigen die Epistolae obscur. Viror. p. 49. 203. 257. 258. Erasmus widmete ihm das zweite Buch [690] von Gaza’s durch ihn übersetzter griechischer Grammatik. Mit Rudolf v. Langen und dem Domherrn Peter Gymnich von Aachen blieb er in Verbindung. Mit den Männern der Reformation war er befreundet, mit Spalatin seit 1520, mit Joh. Lange in Erfurt, mit Melanchthon, der Ende Februar 1528 die beschwerliche Winterreise nach Stolberg nicht gescheut hatte, um seine persönliche Bekanntschaft zu machen und freundschaftlichen Briefwechsel noch mit „dem verehrungswürdigen Greise“ unterhielt (Corp. Ref. I, p. 1117. IV, 689. V, 148. X, 6. 65). Als ihn Altersschwäche hinderte versari in humanioribus litteris und er sich den sacris litteris zuwendete, unterhielt er einen fleißigen Briefwechsel mit Bullinger und studirte besonders die exegetischen Schriften des Schweizers. Den Reformationsbestrebungen im Erzstift Köln war er nicht abgeneigt, im allgemeinen mißbilligte er jedoch Luther’s Eifer im Gegensatze zu Erasmus’ Klugheit. Trotz dieses Interesses hat er doch mit der katholischen Kirche nicht gebrochen und von manchen Seiten den Vorwurf erhalten, daß er auf beiden Schultern getragen habe – ein Vorwurf, der sich schwer mit der Anerkennung vereinigen läßt, die ihm sonst als priscae probitatis exemplum gezollt wird. Im Fraterhause der Hieronymianer von Weydenbach zu Köln ist er auch im December 1550 gestorben.

Seine Thätigkeit hat er mehr im Unterrichten als in schriftstellerischen Arbeiten entwickelt. Gelehrt hat er bis zu seinen letzten Lebensjahren, wo Blindheit ihn gehindert zu haben scheint. Sein griechischer Unterricht und die Erklärung lateinischer Schriftsteller werden hauptsächlich gerühmt. Heinrich Glareanus, Agrippa von Nettesheim, Heinr. Bullinger, Peter Mosellanus (Schade), Johann Rivius von Attendorn, Gerhard Listrius sind seine Schüler gewesen. Bei dem hohen Adel war er besonders beliebt und die gräflichen Familien von Nuenar, Isenburg, Wied, Solms, Schauenburg übergaben ihm ihre Kinder, ganz besonders die Stolberge, aus deren Hause er die Grafen Heinrich, Philipp und Eberhard unterrichtet hat. Graf Heinrich, Domdechant in Köln, ward sein besonderer Gönner. Wie er an diesen Schülern hing, ersieht man aus den Widmungen seiner Schriften. Gerade dieser Beifall solcher privatae lectiones ärgerte die Kölner Anhänger der alten Schule, die ohnehin den Humanisten abgeneigt waren (est querela vestra, quod Buschius et Caesarius trahunt vobis scholares; Epist. obsc. vir. p. 258), veranlaßte aber das Lob keines Geringeren als des Joh. Sturm in Straßburg (Praef. Cicer. orat. Tom. II.): senex adhuc ibi est atque omnium nostrum parens Caesarius, qui in hac affecta aetate post tantorum laborum defunctionem nisi ab amicis sustentaretur, viderent eum litterae egentem, quas ipse semper ornavit semperque maximi fecit.

Wenn ihn Glareanus physicus, mathematicus, medicinae doctor, graecaeque, latinaeque linguae apprime doctus nennt, so hat er diese Namen durch seine Schriften verdient. Zuerst gab er 1513 die „Introductio Jac. Fabri in arithmeticam Boethii“, verbesserte dann 1517 die Ausgabe von „Boethius de consolatione“, welche Murmellius 1514 besorgt hatte, und legte auch noch 1535 an diesen Schriftsteller die bessernde Hand. 1523 veröffentlichte er die Briefe des Horaz in gratiam discipulorum comitum Isenburgicorum. 1524 erschien der Plinius, in dessen Texte er sich selbst rühmte vieles verbessert zu haben; aber es sind meist nur berichtigte Druckfehler in der Ausgabe seines Vorgängers Ermol. Barbaro. Die ganze Arbeit war wegen der Nachlässigkeit des Druckes und bei der raschen Folge immer neuer Plinius-Ausgaben bald vergessen, obschon er gerade wegen der Erklärung des Plinius in Köln berühmt war. Der Grammatiker Diomedes, welchen er im Juli 1526 dem Grafen Heinrich v. Stolberg widmete, ist nach den Neuerungen von Herm. von dem Busche umgestaltet und ganz willkürlich verändert, nur um einen lesbaren Text [691] zu bieten. Ohne alle handschriftliche Hülfsmittel hatte er das Werk übernommen, bei dem er mehr Interpolator als Herausgeber war. Und doch machte das Bedürfnis 1533, 1536 und Lips. 1541 neue Abdrücke nöthig. Donatus de barbarismo bildet einen Anhang des Buches. Ganz in derselben Art hatte er auch die Grammatiker Asper, Donatus und Phocas behandelt mit der compendiaria artis grammaticae institutio und 1525 den drei jungen Stolberger Grafen gewidmet (auch in Freiburg 1533 gedruckt und 1542). Schließlich ist noch der gleichfalls einem Grafen von Stolberg 1528 gewidmete Celsus zu erwähnen, bei dem zwar castigationes hinzugefügt sind, die aber nur Conjecturen des Herausgebers bieten, welcher sich selbst longe impar tanto oneri ferendo nennt. Wichtiger wurden die Lehrbücher der Dialektik und Rhetorik. An der Dialektik hat er sieben Jahre gearbeitet; es war ihm Bedürfniß, die crassa illa ac foeda barbaries zu beseitigen, ebenso die Weitschweifigkeit der Vorgänger als die allzugroße Kürze zu vermeiden und überall auf die besten Gewährsmänner des Alterthums selbst zurückzugehen. Daß auch die lateinische Darstellung eine bessere war, ließ sich erwarten. Auf Antrieb des Grafen von Nuenar erschien sie zuerst 1520, dann vielfach verbessert und Wilhelm Reiffenstein gewidmet 1529, 1532, 1539, durch Glareanus 1559 und 1566. Melanchthon (C. R. V, 223) empfahl sie wegen ihrer Klarheit und Bündigkeit; erst als die Ramistischen Lehrbücher in Deutschland allgemeinen Eingang fanden, wurde sie verdrängt. Seine „Theoretica“ in 7 Büchern ist seit 1529 in wiederholten Auflagen erschienen. Es wird erzählt, daß C., der sich als Doctor med. in seinen Quittungen unterschreibt, auch als Arzt prakticirt habe. Auf diesem Gebiet lieferte er eine neue Ausgabe von „Bertrucii Bononiensis compendium siue collectorium artis medicae“ (Coloniae 1537. 4.), die er in der Vorrede als eine wesentlich verbesserte bezeichnet.

Von seinem ausgebreiteten Briefwechsel ist aus der Correspondenz mit Erasmus, Reuchlin, Melanchthon, Bullinger manches gedruckt; Briefe an den Augustinerpropst Lange liegen in Gotha, an den Rentmeister Kasp. Moeller in Wernigerode ungedruckt und sind von mir eingesehen. Sicherlich werden sich noch mehr finden, aus denen sich das Leben des Mannes vollständiger darstellen läßt.

Ein zweiter Johannes Caesarius, der in Köln seit 1550 studirt hat, ist 1552 Lehrer an dem Gymnasium in Düsseldorf geworden.

C. Krafft, Aufzeichnungen Bullinger’s über sein Studium zu Emmerich und Köln. Elberfeld 1870. S. 32–36. 122. 137. Erhard, Gesch. der Wissensch. III. S. 292–296. Böcking, Hutteni oper. suppl. p. 333.