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Artikel „Busch, Hermann von dem“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 637–640, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Busch,_Hermann_von_dem&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 18:28 Uhr UTC)
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Band 3 (1876), S. 637–640 (Quelle).
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Busch: Hermann von dem B., Hermannus Buschius Pasiphilus (= πασίφιλος oder Westphalus), wie er sich selbst stets nannte, von ritterlichem Geschlecht, wurde auf Sassenburg in Westfalen 1468 geboren. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren und zu seinen Brüdern, die sich dem ritterlichen Handwerk ergaben, widmete er sich frühzeitig dem Studium der Wissenschaften, kam in sehr jugendlichem Alter zu Rudolf v. Langen nach Münster, der das Verständniß hatte, junge aufstrebende Talente zu entdecken und Fähigkeit und Mittel besaß, dieselben als Freund und Gönner zu unterstützen, trat auf seine Veranlassung bald in die berühmte Schule des Alexander Hegius in Deventer ein, und ging, nach nur kurzem Aufenthalt daselbst, zur weiteren Ausbildung nach Heidelberg (1484), um hier Rudolf Agricola’s Unterricht zu genießen. Als dieser bald darauf starb, zog B., vielleicht nach kurzem Aufenthalt in Tübingen, mit seinem Gönner Langen nach Italien, wo er fünf Jahre lang (bis 1491) verweilte, sich eine gediegene Kenntniß und große Gewandtheit im Gebrauch der lateinischen Sprache aneignete und eine schwärmerische Begeisterung für Italien in sich aufnahm. Eine Frucht dieses italienischen Aufenthaltes waren zwei Bücher Epigramme, die bald nach der Heimkehr des jungen Dichters gedruckt und seinem ersten Lehrer Alexander Hegius gewidmet wurden. In diesen Epigrammen spricht er schon klar und deutlich seine Stellung aus: treue Vaterlandsliebe, das begeisterte Gefühl für die neuerweckten Studien, lebhaften Dank für diejenigen, welche sie gefördert und ihn in denselben unterwiesen haben, tiefempfundenen Haß gegen alle, welche nur nach Aeußerlichkeit, nach Reichthum streben und die von ihm hochgehaltenen Studien für entbehrlich, ja für verächtlich halten, und endlich einen frommen Sinn, den er auch in einem etwas später veröffentlichten Gedicht: „De saluberrimo virginis Mariae Psalterio“ bekundete, eine Gesinnung, die allerdings mehr durch die herrschende Zeitrichtung, als durch das eigene Gefühl erzeugt und daher im Laufe der Zeit nur schwächer wurde.

Langen versuchte dem jüngeren Mann zu einer Lebensstellung zu verhelfen, indem er ihn an den Hof des Münsterer Bischofs, Heinrich v. Schwarzenberg, brachte, aber B. vergrub sich lieber in die Bibliothek seines väterlichen Freundes, reiste dann nach Paris und 1494 nach Köln, wo er Humaniora lehrte und Jurisprudenz studirte. Doch das juristische Studium übte auch auf ihn, wie auf so manche andere bedeutende Vertreter des Humanismus, eine abschreckende Wirkung aus und um sich von dem geistigen Zwange zu befreien, der ihn belastete, verließ er, nachdem er einige neue Epigramme veröffentlicht hatte, in denen er besonders das Lob des Sponheimer Abts Trithemius sang und die Jugend zu sittlichem Leben ermahnte, die Kölner Universität. Nun wurde er der erste humanistische Wanderlehrer, der Zeit und Kraft darauf verwandte, dem neuen Studium überall Eingang zu verschaffen und durch glänzenden Erfolg für seine Mühe belohnt wurde. Er lebte, nirgends lange verweilend, in vielen Städten des nördlichen und westlichen Deutschlands, in Hamm, Münster, Osnabrück, Bremen, Hamburg, Lübeck und Wismar und wandte sich von hier, nachdem er überall, wo er gewirkt, manche schöne Frucht seiner Thätigkeit reifen gesehen hatte, nach den eigentlichen Stätten seines Wirkens, nach den Universitäten. Freilich war auf diesen, wo viele Anhänger der alten Richtung ihm gegenüber standen, ein Kampf unvermeidlich, wie ihn die meisten der Humanisten einmal zu bestehen hatten. B. hatte ihn bereits 1501 in Rostock durchzukämpfen. Hier [638] trat ihm nämlich ein Professor Tilemann Heuerling[1] entgegen, wollte die Studenten von seinen Vorlesungen und der in ihnen vorgetragenen neuen Lehre abziehen, wurde aber wegen dieses Versuches und wegen seiner Unwissenheit und Aufgeblasenheit von B. in einer satirischen Schrift: „Oestrum“[2], bald mit feinem Spott, bald mit derbem Schimpf gegeißelt, wobei B. sich rühmte, bisher 12000 Verse veröffentlicht, aber niemanden dabei beleidigt zu haben, und später nochmals in den Dunkelmännerbriefen verspottet. Dann kam B. nach Greifswald und schon 1502 als einer der ersten Lehrer nach der neugegründeten Universität Wittenberg. Allein auch hier hielt es ihn nicht lange: schon 1503 finden wir ihn in Leipzig, wo er, das seit längerer Zeit von ihm vernachlässigte Studium wieder aufnehmend, Baccalaureus der Rechte wurde, ohne daß er sich doch etwa seitdem mit größerer Vorliebe dem Rechtsstudium zugewendet hätte. Denn gerade die Zeit seines Leipziger Aufenthaltes war für seine schriftstellerischen, namentlich dichterischen Leistungen ziemlich fruchtbar, hier wurde das dritte Buch seiner Epigramme veröffentlicht, das namentlich viele Gedichte enthält an Personen, denen er inzwischen näher getreten war, z. B. an den Herzog Georg von Sachsen, an dessen Beispiel er zeigte, wie ein Fürst der Poesie gegenüber gesinnt sein müsse, auch manche Grabschriften für Freunde, die unterdeß verstorben waren, z. B. für Alexander Hegius. Ebenso wie die anderen deutschen Humanisten zeigte auch B., bei aller Liebe zum deutschen Vaterlande, einen starken Localpatriotismus, je nach dem Wechsel seines Aufenthaltes, und wenn er auch seine Heimath, Westfalen, stets hochhielt, das er, wie er sagte, als Knabe gesehen habe und als Greis wieder erblicken wolle, so schrieb er doch jetzt auch ein Gedicht zum Lobe der Stadt und Universität Leipzig, in dem er als hohe Aufgabe der Stadt und des Fürsten hinstellte, Wissenschaft und Dichtkunst zu ehren. Daß die Dichtkunst auch mit der Theologie in Einigkeit leben könnte, wenn letztere nicht durch Eifersucht verblendet ihre Grenze willkürlich verrückte, zeigte er in einem besonders gedruckten Briefe an Martin Mellerstadt, den damaligen Rector der Wittenberger Universität. Außerdem erklärte er den Studirenden manche römische Schriftsteller und gab einige derselben mit Commentaren heraus. Es ist nicht mit rechter Sicherheit zu bestimmen, ob er zum Aufgeben dieser ersprießlichen Thätigkeit durch die Unannehmlichkeiten bewogen wurde, die ihm sein unregelmäßiges Leben bereitete, wegen dessen er sich heftigen Tadel des von ihm hochverehrten Trithemius zuzog, oder durch die Gehässigkeit der Anhänger der alten Richtung, die, in Leipzig ebenso stark wie an anderen Universitäten vertreten, das rücksichtslose Vorgehen des jungen Poeten unwillig ertrugen, oder endlich durch seine Wanderlust, die ihm kaum irgendwo einen mehrjährigen Aufenthalt gestattete. So verließ er 1507 Leipzig, nachdem er vorher durch persönliches Zusammentreffen mit dem Gotha-Erfurter Kreise, der sich um Mutian gebildet hatte, näher getreten war, und langte, nach kurzer Rast in Wittenberg, wo er eine Lanze für die classischen römischen Dichter gegen den von Richard Sbrulius ungebührlich erhobenen christlichen Dichter Baptista Mantuanus eingelegt hatte, nicht ohne noch manche Länder und Städte gesehen zu haben, 1508 in Köln an, wohin ihn wahrscheinlich die Aufforderung des Grafen Hermann v. Nuenar und anderer Freunde gerufen hatte. Hier fand er endlich für länger als ein Jahrzehnt, wenn auch nicht ununterbrochen, eine Heimstätte, obgleich gerade hier die gegnerische Partei ihr Hauptlager aufgeschlagen hatte. Es konnte nicht fehlen, daß B. bald mit den Führern derselben zusammenstieß, aber das Verhältniß, in das er zu ihnen gerieth, war doch nach seiner früheren Stellung ein gänzlich unerwartetes. Nachdem er nämlich ein Büchlein „Flora“ veröffentlicht hatte, in welchem er, gleich wie er das in Leipzig gethan, Stadt und Universität pries, hielt er öffentlich eine Rede, die auch im Druck erschien, gegen die Theologen, [639] welche die wissenschaftliche Erkenntniß der heiligen Schrift und geistige Bildung überhaupt verachteten und das Sammeln von Reichthümern für das einzig erstrebenswerthe Ziel hielten, während er sein äußerlich bescheidenes aber durch die von ihm und seinen Schülern gesammelten geistigen Schätze glänzendes Leben als wirklich schön hinstellte. Schon durch diese Rede wurde die Gegenpartei gereizt, noch mehr fühlte sie sich aber verletzt, als er die Grammatik des Donat herausgab und dabei seine auch an anderen Stellen vorgebrachte Ansicht lebhaft ausdrückte, daß das Studium der Grammatik keineswegs blos für die Schulknaben nützlich sei, sondern daß es auch von den Erwachsenen, freilich in wissenschaftlicher und nicht in der geschmacklosen Weise, in der es die Vertreter der alten Richtung lehrten, betrieben werden müsse, worauf Ortuin Gratius, das Haupt der alten Partei, der sich in den Kämpfen der folgenden Jahre eine traurige Berühmtheit erwarb, in einer von ihm veranstalteten Ausgabe des Donat sich sehr stolz gegen die Belehrung des Poeten verwahrte und diesen in seine Schranken zurückzuweisen versuchte. Statt daß nun B. mit Heftigkeit gegen diesen Hochmuth auftreten sollte, wich er zurück und in einer folgenden Ausgabe desselben Werkes war seine Bemerkung unterdrückt und an ihre Stelle ein empfehlendes Gedicht des Gratius eingefügt. Ja die Verbindung zwischen B. und den Kölnern war so eng geworden, daß, als der Streit zwischen den letzteren und Johann Reuchlin um die Verbrennung der Judenbücher ausbrach, der sich bald zu einem Kampfe um die Berechtigung des Humanismues erweiterte, B. die Schrift eines der Kölner Häupter Arnold v. Tungern: „Articuli sive propositiones“ (1512) mit einem Gedicht gegen die Juden und deren jetzige Gönner versah, worin Reuchlin zwar nicht genannt, aber deutlich bezeichnet war. Diese Stellung, die seiner ganzen Vergangenheit widersprach, wurde ihm natürlich von seinen früheren Genossen sehr verdacht, und wurde ihm selbst, vielleicht schon wegen der stets aufs neue an ihn gestellten Ansprüche, bald unerträglich. Er befreite sich daher von dem unnatürlichen Bündniß, richtete an Reuchlin einen Brief, in dem er sich völlig auf seine Seite stellte, schrieb ein Triumphgedicht für Reuchlin, das zu heftig war, um der Oeffentlichkeit übergeben zu werden, und ließ durch die Begeisterung, die er für die gemeinschaftliche Sache in einem persönlichen Zusammentreffen mit Reuchlin und Erasmus in Frankfurt a. M. zeigte (1514), seine frühere Theilnahmlosigkeit, ja Feindseligkeit vergessen. Nun ging es muthig auf dem einmal betretenen Wege fort. B. veröffentlichte Briefe gegen die Gegner und hat wahrscheinlich, wenn es sich auch nicht sicher nachweisen läßt, einigen Antheil an den Dunkelmännerbriefen.

Aber er begnügte sich nicht, mit solchen leichten Waffen die Feinde zu bekämpfen. Er trat in einer ausführlichen, seinem Freunde und Beschützer, dem Grafen Hermann v. Nuenar gewidmeten Schutzschrift: „Vallum humanitatis“ für die neuen Studien auf (1518). Die Absicht dieses merkwürdigen, durch den Einfluß des Erasmus gemäßigt gehaltenen, in schöner Sprache abgefaßten Werkes war nachzuweisen, daß die humanistischen Studien für die Jugend überhaupt und besonders für die der Theologie sich widmenden Jünglinge, durchaus nicht schädlich seien, daß sie im Gegentheil viel Heilsames für die Ausbildung des Geistes und Herzens enthielten, daß diese ihre Bedeutung von jeher anerkannt worden sei, und daß also das Betreiben dieser Studien weder eine Neuerung noch gar ein Verbrechen genannt werden dürfe. Um den Beweis für letzteres zu führen, nahm er die Geschichte und die Bibel nebst den Schriften der Kirchenväter zu Hülfe; aus jener zeigte er, in welcher Verehrung Dichtung und Beredsamkeit bei allen Völkern des Alterthums gestanden hätten – und daß sie in dem damaligen Italien noch sehr gefeiert würden, gab ihm Gelegenheit, auf die Haltlosigkeit des gegnerischen Gebahrens aufmerksam zu machen; aus diesen wies er nach, [640] daß die Propheten und die heiligen Männer der späteren Zeit sich der Rede und der Dichtkunst bei allen feierlichen Veranlassungen, um größere Wirkung zu erzielen, bedient hätten und daß die Kirchenväter das Studium der Schriftsteller des Alterthums meistens warm empföhlen, während die Stellen, in denen sie dagegen eiferten, ihren Grund in besonderen Veranlassungen hätten. So ist das Werk durch seine wissenschaftliche Haltung und durch die Stellen, die einen großen Theil des Ganzen einnehmen, keineswegs eine bloße Declamation, wie so manche Schriften jener Zeit, sondern eine Rüstkammer, aus der die Genossen die Waffen gegen die Angriffe der Gegner entnehmen konnten. Aber solcher Waffen bedurfte man kaum mehr. Denn wie das Werk den Schlußstein der litterarischen Thätigkeit Busch’s bildet, so steht es auch fast am Ende der Periode des Humanismus. Die Reformationsbewegung nahm alle Geister in Anspruch und auch B., der schon seit seiner Wendung für Reuchlin sich mit Hutten eng, befreundet, dem Erasmus aber, den er zwar noch in seinem Streit mit dem Engländer Lee vertheidigte, immer mehr entfremdet hatte, nahm an den kirchlichen Bewegungen und besonders an Hutten’s Bestrebungen lebhaften Antheil.

Busch’s äußeres Leben bietet in dieser Zeit nichts sonderlich bemerkenswerthes dar. Er war 1516 in Holland und England, leitete 1517 eine Schule zu Wesel und scheint dann Jahre lang ruhig in Köln gelebt zu haben, bis ihn 1526 Landgraf Philipp von Hessen nach der neugestifteten Universität Marburg rief. Hier erklärte er alte Schriftsteller, gab auch ein Schriftchen über die Autorität des alten und des neuen Testaments heraus, und ging, wie es scheint, aus eigenem Antriebe, um seiner Heimath näher zu sein, nach Münster (1533), wo er gegen den Führer der Wiedertäufer, Bernhard Rothmann, disputirte, bald darauf aber (April 1534) in Dülmen starb.

B. ist der Classiker des deutschen Humanismus. Seine Schriften, die überaus selten sind, verdienen nach Form und Inhalt noch heute gelesen zu werden, sie halten sich durchaus fern von phrasenhafter Inhaltlosigkeit und spiegeln in trefflicher Weise den kräftigen Geist der Zeit wieder, die einem langandauernden, uncultivirten Zustande ein Ende machte und ein neues geistiges Leben erschuf.

Hamelmann, Opera genealogico-historica. Lemgo 1711. p. 279–314; Burckhard, vor der Ausg. des Vall. human. Frankf. 1745 p. 121–232; Meiners, Lebensbeschreibungen der Männer aus den Zeiten der Wiederherstellung der Wissenschaften. 2. Band. Zürich 1796. S. 270–293; Erhard, Geschichte des Wiederaufblühens der wissenschaftlichen Bildung in Teutschland. 3. Band. Magdeburg 1832. S. 61–108; Liessem, De Hermanni Buschii vita et scriptis. Bonn 1866.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 638. Z. 1 v. o. l.: Heverlingh. [Bd. 4, S. 795]
  2. Z. 4 v. o. l.: Oestrus. [Bd. 4, S. 795]