ADB:Lotter, Melchior der Ältere

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Artikel „Lotter, Melchior“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 273–278, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lotter,_Melchior_der_%C3%84ltere&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:36 Uhr UTC)
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Lotter: Melchior L. (Lotther), der Stammvater einer Buchdruckerfamilie zu Leipzig, Wittenberg und Magdeburg im letzten Zehntel des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der Gründer der Officin und hervorragendste Leipziger Buchdrucker in der Reformationszeit: Melchior L. der ältere, dessen Geburtjahr unbekannt ist, war gebürtig aus Aue im sächsischen Vogtlande und ist bereits seit 1491 als vielbeschäftigter Drucker in Leipzig nachweisbar. Zu Ende der neunziger Jahre heirathete er die Tochter seines Zunftgenossen Konrad Kachelofen (s. Allg. d. Biogr. Bd. XIV, S. 781), Dorothea, und erhielt am 16. Juni 1498 das Leipziger Bürgerrecht. Kurze Zeit arbeitete er dann mit dem Schwiegervater gemeinsam und übernahm schließlich dessen Druckerei allein, wenigstens ging die Thätigkeit und der Ruf des Geschäfts in der Hauptsache auf ihn über, während Kachelofen sich mehr und mehr zurückzog, ohne jedoch die Druckerei ganz aufzugeben. Denn zwei Bücher, die 1496 als Drucke des L. aufgeführt werden, die „Secreta sacerdotum“ von Henricus de Hassia und der Donat von Magnus Hund erschienen, das eine 1497, das andere 1498, in neuer Auflage bei Kachelofen, ein Beweis, daß beide wohl damals bereits zusammen arbeiteten. Ferner hatte Kachelofen im J. 1495 sein Meißener Missale allein gedruckt; die nächste Ausgabe aber davon, welche 1500 erschien, druckte er, wie deren Schlußschrift ausweist, mit L. gemeinsam. Von nun aber ergingen bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts alle Druckaufträge, die das Meißener Bisthum zu vergeben hatte, an L. allein. Daß aber sein Schwiegervater auch später noch zuweilen ein Buch veröffentlichte, habe ich Bd. XIV. S. 782 für das Jahr 1519 nachgewiesen, nur vertauschte er sein Haus auf der Hainstraße (richtiger „Hewstraße“, regio foeni, vgl. S. 277), welches L. wahrscheinlich ebenfalls übernahm, mit einem kleineren auf der Nicolaistraße; aber seinen Buchladen an der Ecke des Rathhauses behielt er bis zu seinem Tode bei, wie er denn auch, als Seitenstück zum Buchdrucker Joh. Koelhoff zu Köln, der 1496 auch mit Ochsenhandel sich abgab, einen kleinen Weinschank betrieb, denn in den Leipziger Stadtkassenrechnungen wird er von 1497 an bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts fast regelmäßig unter denen aufgezählt, die zum „Schlegelschatz“ einen Jahresbeitrag zu zahlen hatten. (Daß zur selben Zeit auch ein Drucker „Johannes Kachelofen [Panzer, A. I. 468] zu Ingolstadt lebte, sei hier nachträglich bemerkt.) Den erwähnten Weinschank scheint L. gleichfalls geerbt zu haben, er gab ihm einen solchen guten Ruf, daß selbst Luther 1519 während der Leipziger Disputation dort zur Herberge lag. Die Druck- und Verlagsthätigkeit Lotter’s auf dem Gebiete der Philologie, Philosophie und Theologie war eine sehr hervorragende, namentlich ging eine große Zahl Missalien, Breviarien u. dgl. aus seinen Pressen hervor und er selbst siedelte, vor der Pest in Leipzig fliehend, eine Zeit lang nach Meißen über, für dessen Bisthum er stets Aufträge hatte und wo seine Officin 1520 „in aula episcopali“, der Wohnung des Bischofs Johannes v. Salhausen, sich befand. Einen treuen wissenschaftlichen Mitarbeiter hatte er an Hermann Tulich (Jöcher, IV. 1353), der später Professor zu Wittenberg wurde. Seit 1518 hatte L. wiederholt für Luther Druckaufträge erhalten und der letztere war mit der Ausführung so zufrieden, daß er ihn zu überreden suchte, in Wittenberg selbst eine Druckerei anzulegen, wo damals nur ein wenig bedeutender Drucker, Johann Grunenberg, seit 1516 arbeitete. L. errichtete daher Ende 1519 durch seine beiden ältesten Söhne, Melchior und Michael, ein Zweiggeschäft in Wittenberg. Vielleicht wirkte aber zu diesem Entschlusse noch ein anderer Factor mit. Herzog Georg von Sachsen, der hartnäckigste Gegner Luther’s, betrachtete die Buchdrucker und Buchhändler (Buchführer) mit besonders mißtrauischen Augen, er ließ sie strenge beaufsichtigen und ahndete Uebertretungen [274] des Wormser Edicts, das alle „sectirerschen“ Schriften verbot, mit Kerker und Confiscation. Trotzdem wurden Luther’s und seiner Parteigänger Schriften auch in Leipzig verbreitet, gedruckt und nachgedruckt, was freilich nur heimlich geschehen konnte, so daß L. es räthlich finden mochte, seine Söhne mit seinen Pressen nach Wittenberg übersiedeln zu lassen. Er selbst aber blieb in Leipzig und druckte noch bis 1528, in welchem Jahre er wahrscheinlich starb, wiewol Zeltner (Fränk. Acta erud. Samml. 13, S. 8) als sein Todesjahr schon 1524 angibt, eine Nachricht, welche entschieden irrig ist, da wir Druckschriften von ihm aus dem J. 1526, ja sogar eine solche aus dem J. 1528 bzw. 1529 besitzen. Aus dem ersteren Jahre ist vorhanden: „Schirm vnd | schutzbüchlein der Diatriba wider Martini Lu- | thers knechtlichen wil- | len durch Erasmum von | Roterdham …“, 1526, 4°, und sein „Sachsenspiegel“ vom J. 1528 trägt die Unterschrift „Donnerstag nach Beschneidung Xsti a. 1528 durch Melch. Lottern den Eltern, Bürgern zu Leipzig“. So viel ist sicher, daß das Todesjahr nicht sicher bekannt ist, aber es wäre möglich, daß das Leipziger Rathsarchiv hierüber Auskunft gäbe, weil er ein eigenes Haus besessen hat. L. hat nicht nur viele werthvolle Denkmale des Alterthums der Vergessenheit entrissen, sondern auch die Reformation fand in ihm eine bereite und fleißige Hülfe. Diesen Ruhm hat Leipzig durch das ganze 16. Jahrhundert sich erhalten und die ersten bedeutenderen Werkstätten in Freiberg, Dresden, Wittenberg und Meißen sind durch Leipziger Buchdrucker angelegt worden. Auch gebührt L. das Verdienst, daß er der erste Drucker zu Leipzig war, der 1520 anfing, von den römischen Typen in seinen lateinischen Büchern Gebrauch zu machen, der gothischen aber nur in deutschen sich zu bedienen, ein Beispiel, das jedoch die anderen Drucker nur langsam nachahmten, denn die gothischen Charaktere behaupteten sich noch längere Zeit und erscheinen meistens vermischt mit den römischen. Sein erster bis jetzt bekannter Druck ist betitelt: Joh. Peyligk Philosophiae naturalis Compendium“, 1491, Fol. Von anderen erwähnen wir, für die übrigen auf die unten angegebenen Quellen verweisend: „Bern. Carthus. Dialogus de immac. concept. B. Virg. Mar.“, 1493, 4°; „Elegantiarum viginti praecepta“, 1499, 4°; „Regulae grammaticales antiquorum“, 1499, 4°; „Sinthis Verbor. deponent. tractatus“, 1502, 4°; Henrichmann grammat. institutiones“, 1509, 4°; „Persius Satyrae“, 1512, 4°; Bebelius ars condendorum carminum“, 1516, 4°; „Seneca de quattuor virt. cardinal.“ 1516, 4°; „Luther Tessaradecas consolatoria pro laborantibus“, 1520, 4° und „Horatii epistolae“, 1522, 8°. Sein Druckerzeichen aus dem J. 1512 findet sich in Roth-Scholtz, Insignia Sect. XXVI. N. 308 und bei Geßner a. a. O. I. 92. Da er viele lutherische Schriften ohne Ort, Jahr und ohne seinen Namen ausgehen ließ, so bediente er sich in diesem Falle zweier charakteristischer Titelverzierungen und Einfassungen, an denen dieselben leicht zu erkennen sind, weil bei anderen Büchern unter eben solchen Verzierungen sein Name befindlich ist. Bei der ersten enthält die untere Leiste drei viereckige Abtheilungen: in der ersten steht Maria mit dem Kinde, in der zweiten der Apostel Thomas mit dem Spieße, in der dritten ein Bischof („Dialoguz [sic] Syluestri Prienatis Mgri Palatij de potestate Pape …“, 4°); bei der zweiten sieht man unten die Musen und einige Dichter bekränzt, in der Mitte ist die Hippokrene, aus welcher einige trinken, auf den übrigen Seiten stehen Sänger und Musiker mit allerhand Instrumenten, jedoch nur mit halbem Leibe, zwischen Laub und Zweigen, in allem 11 Personen („In Epistolam Pauli ad Galatas F. Martini Lutheri Augustiniani Commentarius“, 4°). Ueber seinen Familiennamen, der mit dem des Reformators identisch ist, hat Löscher in seinen Reformationsacten, I. 221, ausführlich gesprochen; den Sinn hat Luther selbst am besten wiedergegeben, wenn er sich bisweilen (Briefe an Spalatinus, I. 837, 843) „Frater Mart. Eleutherius“ unterschreibt.

[275] Melchior L. junior, der älteste Sohn des vorigen und nach Joh. Grunenberg, dem ersten Wittenbergischen Drucker, der Zeit nach der zweite. Wie bei seinem Vater und Bruder (s. u.), ist auch sein Geburtsjahr unbekannt. „Der jüngere“ unterzeichnete er sich schon 1518 zu Leipzig, wo er seit etwa 1510 eine eigene Officin besaß, die er, versehen mit Schriften in dreierlei Sprachen, gegen Ausgang des J. 1519 nach Wittenberg verbrachte. Ungleich seinem Vater, der nur im Geheimen ein Freund Luther’s war, trat er entschieden und offen für diesen auf und leistete ihm neben Hans Lufft sehr erhebliche Dienste. Denn zum größten Theile sind die zahlreichen Schriften Luther’s, die er im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt sandte, aus den Lotter’schen Pressen hervorgegangen. während man früher Lufft als ersten Drucker Luther’s betrachtete. Selbst das Monumentalwerk des Reformators, die Bibelübersetzung, wurde von L. unternommen und schon am 21. September 1522 war der Druck des Neuen Testaments in Folio vollendet, welcher unter dem einfachen Titel: „Das neve Testament, Deutzsch, Vuittenberg“ ohne Namen des Uebersetzers wie des Druckers erschien; erst bei der zweiten Auflage nannte sich Melchior L. der jüngere als Drucker. Auch am Alten Testament setzte er 1523 und 24 die Arbeit fort, welche dann aber von dieser Zeit an an den „Bibeldrucker“ Lufft (vgl. d.) überging. Wie sehr Luther über den Entschluß dieses Druckers, sich in Wittenberg niederzulassen, erfreut war, geht aus mehreren seiner Briefe hervor. In einem derselben an Spalatin (die Misericord. Domini 1519; Epist. ed. Aurifab. I. 164) schreibt er: „Venit Melchior Lotterus instructus optimis formularum matricibus, a Fabrenio acceptis, paraturus apud nos officinam excusoriam instituere. Si ad hoc illustrissimus Princeps noster annuere dignaretur … tuum nunc officium petitur, ut in rem communem consilia et auxilia colloces. Nobis id decorum, imprimis Universitati nostrae, tum commodum auditoribus arbitramus, praesertim praesente Philippo, graecas literas et copiose et fideliter propagare cupiente“. Der hier erwähnte Fabrenius ist nicht etwa ein Druckfehler für den gleichzeitigen Drucker Frobenius, sondern in Wirklichkeit der Name eines damals berühmten Schriftgießers, der allem Vermuthen nach in Leipzig lebte. Was aber die griechische Sprache betrifft, deren Luther hier erwähnt, so mangelte es daran zu dieser Zeit den Wittenbergischen Officinen gänzlich und Melanchthon beklagte sich deshalb bei seinen Freunden öfters. Und gegen Ende dieses Jahres schrieb Luther (a. a. O. Bl. 225a) an Johann Lang, Augustiner-Vicar zu Erfurt: „Lotterus Lipsiensis apud nos erigit calcographiam triplicis linguae, servet studium praesertim Theologiae; Lipsia lipsiscit, sicut mos est“. Diese Worte, sowie der ganze Brief sind den vierten Sonntag nach Advent geschrieben, wodurch es erklärlich wird, daß die ersten Drucke Lotter’s erst im folgenden Jahre erschienen. Daß aber Melanchthon ganz besonders, der „praeceptor Germaniae“, seine große Zufriedenheit über Lotter’s Niederlassung zu Wittenberg bezeugte, ist leicht erklärlich. Im 15. Jahrhundert gab es in Wittenberg noch gar keine Druckerei und erst die von dem Kurfürsten Friedrich 1502 daselbst gestiftete Universität machte es zur Nothwendigkeit, daß eine Buchdruckerei angelegt wurde. Gleichwol war erst 1516 Joh. Grunenberg (Joh. Viridimontanus) der erste Drucker daselbst, aber seine Officin besaß wol deutsche und lateinische Lettern, aber die griechischen fehlten. Als nun Melanchthon, um die griechische Sprache zu lehren, 1518 nach Wittenberg berufen ward, war es selbstverständlich für ihn äußerst kränkend, daß in der Universitätsstadt kein griechisches Buch gedruckt werden konnte. Deshalb bat er wiederholt mit Luther den Kurfürsten, für Errichtung einer griechischen Officin, die der jungen Akademie so rühmlich als vortheilhaft sein würde, zu sorgen, und dies genehmigte denn auch der für das Aufblühen der jungen Anstalt eifrig besorgte Fürst. In einem Briefe, in welchem [276] Melanchthon dem erwähnten Augustiner Lang zu Erfurt zur erhaltenen griechischen Professur gratulirt (Ep. Mel. Lugd. p. 416) äußert er sich in dieser Beziehung: „Est apud nos Lottherus τυπογραφος, per quem sacros et profanos scriptores excudemus, quos uoles. Nos dabimus Nubes Aristophanis, argumentum splendidum, quo Philosophastros insequemur …“ Durch die Druckerei des L. zu Wittenberg wurde aber nun den Studirenden die Erlernung der griechischen Sprache sehr erleichtert. Wie bekannt, waren damals die griechischen Autoren nicht nur in Folio gedruckt und dadurch zum Gebrauche bei Vorlesungen sehr unbequem, sondern auch theuer und kostbar, weil selten. Melch. Adam erzählt uns im Leben Melanchthon’s, daß bei dessen Ankunft zu Wittenberg (25. August 1518) griechische Bücher fast gänzlich fehlten und daß er, als er noch 1524 des Demosthenes Philippiken erklärte, nur vier Hörer hatte, welche gezwungen waren, den Text derselben sich abzuschreiben und zwar aus dem einzigen Exemplare, welches Melanchthon selbst angehörte. Es war nun die nächste Sorge des letzteren, durch die neue Druckerei des L. einzelne kleine Stücke und Bücher für seine Schüler in bequemerem Formate herstellen zu lassen, deren Editor er selbst war, die sehr wohlfeil waren, sodaß jeder sich dieselben mit wenigem Gelde verschaffen konnte. Diese griechischen Drucke gehören aber zugleich zu den besten Erzeugnissen dieser Officin, bestehen aus sehr gutem weißem und starkem Papier und die Lettern sind schön und fein. Weil es jedoch größtentheils Kleinigkeiten waren, nur aus wenigen Bogen bestanden und blos zu Vorlesungen für Studirende bestimmt, so haben dieselben das Loos aller Schulbücher getheilt und die wenigen noch heute vorhandenen zählen zu den Seltenheiten ersten Ranges. Uebrigens sank der griechische Druck sogleich nach dem Wegzuge des L. von Wittenberg wieder in seine frühere Unbedeutendheit zurück und die besten Schriftsteller der Universitätsstadt sowol als der zu Leipzig wie an anderen Orten Deutschlands sahen sich gezwungen, die Basel’schen Officinen (Joh. Frobenius, Andr. Cratander, später Joh. Herwagen u. a. m.), welche zuerst dem Aldus Manutius nachzueifern sich bestrebten, oder die Straßburgischen (Wolfg. Köpfel, Joh. Bebel[WS 1], Matth. Schürer), nicht minder die Hagenauer (Anshelmus und Secerius) und die Nürnbergischen (Joh. Petrejus und Fr. Peypus) für den Druck ihrer griechischen Schriften in Anspruch zu nehmen. Mit dem Drucke lateinischer Bücher befaßte sich L. wenig, weil Luther’s deutsche Schriften ihm alle Hände voll zu thun gaben. Zu dessen ersten deutschen Drucken gehören: „Sermon von dem N. Test. d. i. von der heil. Messe“, 1520, und „Von guten Werken“, 1520. Die erste Ausgabe der Uebersetzung des Neuen Testaments erschien, wie bereits oben erwähnt, im September 1522 in zwei Auflagen, Folio, die zweite nach Verfluß dreier Monate, worüber Luther (Ep. I. c. II, Bl. 89) sich äußert: „Dimidium solum nunc habes, restant alii adhuc 18 Terniones (er schickte nämlich sogleich, was fertig gedruckt war, Spalatin und dem Kurfürsten). Ante Michaelis non absolvitur, quamquam singulis diebus decies milia chartarum sub tribus praelis excudant ingenti labore et studio“. Ueber das Neue Testament von Luther 1523 durch L. mit Holzschnitten von Hans Scheuffelein vgl. die ausführliche Beschreibung dieser Ausgabe im Serapeum 1846, 358–363, und über eine unbekannte dritte Originalausgabe aus dem J. 1524 vgl. L. G. Wustmann in der Zeitschrift „Daheim“, 1879, S. 286. Auch den Druck der Kirchen- und Hauspostille Luther’s nahm L. schon 1521 in Angriff und gab sie später stückweise heraus; vgl. Luther’s Briefe an Wenc. Linck vom 7. März 1521 und an Nic. Gerbelius (Tom. I. Bl. 312b und 363a). Das Buchdruckerzeichen unseres Druckers war eine um ein Kreuz gewundene Schlange, außerdem aber bediente er sich vier eigenthümlicher Holzschnitttiteleinfassungen, welche theilweise denen des Val. Schumann zu Leipzig gleichen und [277] woran auch seine anonymen Schriften zu erkennen sind. Es war zu bedauern, daß die Thätigkeit seiner Officin zu Wittenberg schon zu Anfang des J. 1525 erlosch, wo er wieder nach Leipzig zurückkehrte. Der eigentliche Grund hiervon ist noch nicht hinlänglich aufgeklärt: einige wollen, um seines erkrankten Vaters Druckerei zu übernehmen, andere, daß er die Concurrenz des Hans Lufft, dem Luther sein volles Wohlwollen zuzuwenden anfing, gefürchtet habe, und wieder andere, er sei wegen eines nicht näher bekannten Vergehens bei dem Kurfürsten Friedrich in Ungnade gefallen. Und dies scheint auch aus einem den 13. December 1524 geschriebenen Briefe Luther’s an Spalatin (Ep. ed. Aurifaber, II. Bl. 232b) hervorzugehen: „Melchiorem Lottherum audio quoque apud Principem esse male traductum, quid obsecro opus est afflictionem addere afflictio (afflicto?)? Parcamus etiam aliquando, satis habet poenae et mali Quare esto Mediator bonus, et si opus est, ut ipse scribam pro eo, lubens faciam“. In Leipzig, wo er sich noch bis zu Ende der dreißiger Jahre nachweisen läßt, nannte er sich nicht mehr „der jüngere“, sondern schlechtweg wie sein Vater, wie auf vielen, namentlich Georg Wicel’s Schriften zu ersehen ist. Er war auch der erste Leipziger Drucker, der 1533 den ersten glücklichen Versuch machte, die Psalmen mit beweglichen Lettern zu drucken. In dieser Stadt soll er im J. 1542 gestorben sein. Uebrigens hat der ältere L. durch den gleichen Vornamen mit seinem ältesten Sohne, Melchior, welcher letztere, wie bereits erwähnt, um 1510 sich gleichfalls in Leipzig etablirte, eine große bibliographische Verwirrung hervorgebracht. In den Druckstücken nämlich bis 1514 und länger schreibt sich Melchior der Vater bald Melchior bald Melchiar. Um diese Differenz auszugleichen, sieht man sich zu der Annahme genöthigt entweder, daß der Vater, als der Sohn Melchior sein eigenes Geschäft anfing, von seinem eigenen sich zurückzog und blos den Verlag übernahm, oder aber seine eigene Druckerei beibehielt, sich aber zur Unterscheidung Melchiar schrieb. Dies scheint beispielsweise aus dem „Compendium totius Logices p. M. Handt“ hervorzugehen, denn hier heißt es auf dem Titelblatte: „Liptzk. Impressit Melchior Lotter“, 1511, am Schlusse aber: „pressum est in urbe Lipsica opera et impensis Melchiaris Lotter aō 1512“. Und im „Stychus“ des Plautus desselben Jahres steht ebenso „in aedibus Melchiaris L.“ Wiederum lautet einige Jahre später bei den „Georgica“ des Virgilius die Unterschrift: „Melchiar Lotter impressit Lyptzk in regione foeni anno 1514“. In anderen Drucken findet sich: „impr. in aedibus Melchiaris L. et venumdatus p. Melchiarem L. in regione foeni“. Ich glaube, daß diese schon von Merzdorf im Serapeum, 1851, 335, gemachte und von mir revidirte Bemerkung jedenfalls einer weiteren Untersuchung bedarf, zumal nicht nur das durch den älteren L. in Meißen gedruckte „Breviarium“ 1520 die auffallende Unterschrift führt: „per providum Melchiorem Lottheri calcographum Lipsiacum“, also auf den jüngeren L., sondern auch der erwähnte Sachsenspiegel „durch Melchior Lothern den Eltern“ auf den Vater zeigt, während es doch gewiß ist, daß nicht der Sohn, sondern der Vater in Meißen druckte und obendrein 1528, wo der Sachsenspiegel erschien, der Vater aller Wahrscheinlichkeit nach schon gestorben war.

Nun übernahm Michael L., der jüngere Bruder des vorigen, die Wittenberger Officin. Seit ihrer beiden Ankunft in Wittenberg bis 1525 hatten sie theils auf gemeinschaftliche Rechnung, theils jeder für sich gearbeitet, doch scheint Michael auch die Aufsicht über die Werkstätte geführt zu haben. In einem Drucke „Sermon auf das Evangelium vom reichen Mann vnd armen Lazaro“, 1523, 4°, zeichnet z. B. Melchior allein, dagegen lautet die Schlußschrift eines Tractats aus diesem Jahre „durch Melchior vnd Michael L. Gebrüder“. Und ebenso die eines Neuen Testaments 1524. Im J. 1525 veröffentlichte er jedoch [278] unabhängig von seinem Bruder verschiedene und zwar sehr wichtige Schriften Luther’s, legte auch dessen von seinem Bruder gedruckte Stücke der Kirchen-Postill vom Advent bis auf den Palmsonntag wieder auf und fuhr damit bis etwa 1529 fort. Auch war er 1525 mit einem anderen Wittenbergischen Drucker Hans Weiß (Weller, Repert., S. 475) eine kurze Verbindung eingegangen, übersiedelte aber, vermuthlich gleichfalls die Nebenbuhlerschaft des Hans Lufft scheuend, 1529 mit seiner Druckerei nach Magdeburg, wo er zwar eine große Menge Bücher herausgab, die sich jedoch, wie schon seine Wittenbergischen, fast sämmtlich durch eine außerordentlich schlechte Correctur auszeichnen, ein Grund, weshalb er auch weder seine Producte absetzen noch lange an einem Orte verweilen konnte. Sein Tod daselbst fällt in das J. 1554 oder 1555. Seine Officin befand sich zu Magdeburg (Joh. Gottfr. Weller a. a. O., S. 173) in einem Hause „Zum Lindwurm“. Erwähnen wollen wir noch, daß in Wilhelm Raabe’s (Corvinus) Erzählung „Unseres Herrgotts Kanzlei“ (Braunschweig 1862) Michael L. und sein Töchterlein Regina (geb. 1531) Hauptrollen spielen. Von seinen Magdeburgischen Drucken heben wir hervor: „Ein gesicht Philippi von Regenspurg welches bedeutet das jetzige Samaritische Interim“ o. O. u. J. (aber Magdeburg, M. L.); „Auslegung der Evangelien von Ostern bis auffs Advent“, 1531, Fol.; „Die gantze niedersächsische Bibel“, 1536, Fol.; „Apologia Flacii, 1549; „Lutheri Meinung von den Mitteldingen“, 1550; „Newe Zeytung … die sich … in Straßburg … wider auffrichtung … Bäpstlicher Messen, so man der Pfaffen Interim nennet, hat begeben …“, 1551. Der Herausgeber dieses Gedichtes, der sich Blasius Arg nennt, ist ohne Zweifel Matth. Flacius.

Eine Lotter’sche Buchdruckerfamilie erscheint zu Augsburg 1710–85 als: Joh. Jac. L. 1710, dessen Wittwe 1740, deren Erben 1743, Joh. Jacob L. der jüngere 1760, Lotterische Schriften 1785. Ob und in welcher Beziehung diese Familie mit der unserigen stehe, ist ohne Durchforschung der städtischen Archive unmöglich zu bestimmen und auch Carl Lotter in seiner Schrift „Stammbaum der Familie Lotter in Schwaben“ (Stuttg. 1879) behandelt lediglich die württembergischen und vorzugsweise die Stuttgarter Verzweigungen der Familie und erwähnt keinen unserer Drucker.

J. G. Zeltner, Historie der gedruckten Bibelversion Luther’s, S. 9–33. Geßner, Buchdruckerkunst (im Register des zweiten u. vierten Theiles). Panzer, A. t. I. VII. IX.. (jedesmal unter Lipsia). E. G. Eichsfeld, Relation vom Wittenberg. Buchdrucker-Jubilaeo. Joh. Imm. Müller, Incunabula Typogr. Lips., Bl. 14. Joh. Melch. Krafft, Histor. Nachr. v. d. niederdeutschen Bibel Luther’s. Leich, Origo typ. Lips., p. 32–33. Köhler, Beiträge zur deutschen Litt. I. 204–205. Joh. Gottfr. Weller, Altes aus allen Theilen d. Geschichte, I. 103. 173. 394. 547. Weller, Repert. typogr., S. 469 u. dessen Supplem. S. 62. Serapeum 1851, 335–36; 1853, 31 ff. (32 Druckwerke des älteren Lotter angezeigt u. beschrieben aus d. Bibl. zu Oldenburg), 1866, 291, 300, 307, 367. Lorck, Die Druckkunst in Leipzig, S. 6–7 und Handbuch der Geschichte der Bucbdruckerkunst, I. S. 146–150. Weller, Ann. I. 56–317, II. 315–405. Thesaur. libell., S. 6–248 (über 60 Druckwerke). Wustmann, Die Anfänge d. Leipziger Bücherwesens, S. 16–18. Ders., Luther in Leipzig, Leipz. Tagebl. 1883 Nr. 302 ff. Meyer, Die Buchdruckerkunst in Augsburg, S. 29, 32, 83, 84.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Bebel druckte in Basel