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Artikel „Schäufelin, Hans Leonhard“ von Christian Mayer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 624–634, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%A4ufelin,_Hans&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 20:12 Uhr UTC)
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Schäufelin: Hans Leonhard S., Maler, gehört zu Albr. Dürer’s unmittelbaren Schülern und genießt als solcher das etwas zweideutige Lob, er sei unter ihnen der „Fruchtbarste“ gewesen. In der That strömen, um S. als Künstler zu würdigen, die Quellen überreich. Eine kaum übersehbare Masse von Malereien und Holzschnitten trägt die zweifellosen Merkmale seiner Hand, auch wenn das bekannte Monogramm, ein verschlungenes H und S mit einer kleinen Schaufel, abgängig wäre. Dagegen ist man über den äußern Lebensgang dieses Meisters nur mangelhaft unterrichtet. Schon Sandrart (1675) klagte, er habe von Schäufelin’s Leben so wenig Kundschaft erlangen können, daß er lieber davon geschwiegen hätte. Das Archiv der Stadt Nördlingen, in welcher S. ein viertel Jahrhundert lang mit seiner besten Kraft thätig war und auch zuletzt seine Ruhestätte fand, liefert wenig Ausbeute. Die Einträge im Steuerbuch, ein paar Notizen im Bürgerbuch und in den Stadtrechnungen: das ist so ziemlich alles. Eine Familie S. ist in Nördlingen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts beglaubigt. Franz S., ein angesehener Kaufmann, vermählt mit Elisabeth Fuchshart, hatte mehrere Söhne, von welchen der eine, Franz, um 1476 nach Nürnberg zog, glaubhaften Andeutungen zufolge, weil er sich mit seinem Bruder Hans nicht vertragen konnte. Letzterer blieb als Kaufmann in Nördlingen, und eine seiner Töchter, Barbara, heirathete später Theobald Gerlacher, den ersten evangelischen Prediger der Stadt. Franz S. dagegen begründete in Nürnberg ein Handelsgeschäft, und hier wurde ihm neben anderen Kindern Hans, der nachherige Maler, geboren. Nirgends freilich ist bis jetzt urkundlich bezeugt, daß Hans der Maler wirklich ein Sohn jenes Franz S. gewesen. Dies ist nur örtliche Tradition, nicht einmal sehr alten Datums. Solange jedoch nichts anderes nachgewiesen ist, erscheint es unter dem entsprechenden Vorbehalt wohl statthaft, der Ueberlieferung Gehör zu schenken, für deren Richtigkeit doch starke Wahrscheinlichkeitsgründe sprechen. Auch Schäufelin’s Geburtsjahr steht nicht fest. Bis in neuere Zeit setzte man dasselbe zu spät an; die Angaben bewegten sich meist zwischen den Jahren 1490–1494. Sie sind, wenn man nicht die Frühreife eines Wunderkindes annehmen will, unbedingt verwerflich, da S. nicht nur bereits 1505 oder doch sicher 1507 an größeren Holzschnittwerken mitarbeitete, sondern, wie Thausing aufzeigte, sogar schon 1502 als Gehülfe Dürer’s an der Ausführung des St. Veiter Altarbildes hervorragenden Antheil hatte. Neuestens geht man mit Schäufelin’s Geburt bis 1480, ja bis gegen 1476 zurück, wohl auch etwas zu weit. In der auf dem Nördlinger Rathhausbild von 1515 als Schäufelin’s Selbstporträt angenommenen Figur, einer würdigen Gestalt mit ansprechender Gesichtsbildung und ruhigem offenem Künstlerauge, macht er, wie auch Muther bemerkt hat, den Eindruck eines Dreißigjährigen, eher etwas darüber als darunter. Seine Geburt fiele demnach jedenfalls vor 1490, auf keinen Fall aber früher als 1480. Ob S. zuerst bei Wohlgemuth in Lehre gestanden, an dessen 1508 vollendetem Schwabacher Altar ihn Thausing[WS 1] betheiligt glaubt, oder ob er sogleich Dürer’s „Lehrjunge“ und hierauf dessen Gehülfe geworden, ist abermals ungewiß. Wenn man bemerken wollte, daß S. Wohlgemuth’s Fleiß und Geschäftigkeit sich zum Exempel genommen und dies Beispiel ihn später zu einem etwas handwerksmäßigen Kunstbetrieb angeregt habe, so schließt das noch keineswegs ein, daß Wohlgemuth auch sein eigentlicher Lehrer im Malen gewesen. So viel ist schwerlich anzufechten, daß S. mindestens seit Beginn des 16. Jahrhunderts in Dürer’s Werkstatt arbeitete. Vielleicht gehörte er wirklich auch „zu Dürer’s engen Hausgenossen“. Kleine [625] Vorkommnisse der späteren Zeit möchte man gern darauf deuten, daß die Beziehungen zwischen Dürer und S. nicht bloß geschäftlicher, sondern wahrhaft freundschaftlicher Natur waren. Daß Dürer später auf seiner niederländischen Reise ganze Partien von Schäufelin’s Holzschnitten mitführte und verbreitete, kann jedoch nicht ohne weiteres als Freundschaftsbeweis gelten, weil Dürer damals überhaupt viel Handel und Tausch mit Kunstsachen trieb. Als Dürer 1505 seine Werkstatt auflöste, that sich S. vermuthlich als selbstständiger Meister auf, für die nächsten Jahre noch in Nürnberg; 1511 oder doch 12 begegnet er uns in Augsburg; 1513 finden wir ihn an der Grenze des Rieses, in der Klosterkirche zu Ahausen, beschäftigt; und 1515 läßt er sich für immer in Nördlingen nieder. Das dortige Bürgerbuch sagt: „Hanns scheiffelin maler ward burger – ime das Burgerrecht geschenkt seiner kunst halben – Actum Freitag nach Ascensionis 1515.“ Also hatte er Nürnberg und Augsburg, den blühenden Metropolen deutscher Kunst in jenen Tagen, den Rücken gewandt und die kleine Stadt aufgesucht. Man fühlt sich versucht, für diese nicht ganz natürlich scheinende Wahl nach Gründen zu fragen und kann sich deren mancherlei denken. Vielleicht darf man in derselben doch auch ein leises Zeichen dafür erblicken, daß jener Franz S. in Nürnberg in der That der Vater des Malers war, daß also dieser in Nördlingen seine nächsten Verwandten hatte, und daß die Stadt nicht bloß als Stammboden seines Geschlechts im allgemeinen, sondern speciell als Geburtsstadt seines Vaters ihn heimathlich anmuthete, wohl auch durch „frühere Besuche bei seinen dortigen Gefreundten“ ihm lieb geworden war. Hatte S. etwa eine förmliche Berufung durch den Nördlinger Rath empfangen, so läge darin nur eine weitere Unterstützung der Annahme, er sei des Franz S. in Nürnberg Sohn gewesen. Uebrigens darf man nicht übersehen, daß auch die Kirchen Nördlingens damals bereits einen reichen farbenprangenden Bilderschmuck in den Tafeln des alten Herlen aufzuweisen hatten, bedeutend genug, um einen jüngeren Künstler für längeres Verweilen anzulocken. Um jene Zeit mag auch die Gründung seines Hausstands erfolgt sein. Herkömmlich wird Schäufelin’s Ehefrau als eine Patricierstochter, Afra Tucher aus Nürnberg, bezeichnet. Das „Tucherbuch“ indessen zeigt in jener Periode weit und breit keine Afra. Das Antlitz der Judith im Nördlinger Rathhausbild von 1515, dann das Bild der h. Elisabeth ebendaselbst, gelten als Conterfei der ehrsamen Malersfrau. Ist dies richtig und trügt der Gesichtsausdruck nicht, so darf man trotz Judith’s blutiger Heldenthat des Glaubens sein, daß S. eine durchaus gütige und sanftmüthige Frau hatte. Er blieb nun Nördlinger Stadtmaler bis an sein Ende und „hat alda und dort herum wie auch zu Nürnberg seine meisten Werke gemalet“. Je nach Bedarf lieh er auch sehr bescheidenen Aufgaben gegen geringen Lohn seine Dienste: er hat zum öftern „den Adler gestochen“, das Nördlinger Stadtwappen, hat die Schilde an den Thoren neu aufgefärbt, auch den Knopf und die Fahne auf St. Jörgenthurm wieder schön glänzend gemacht. Zwischenheraus hat ihn dann wohl einmal wieder das Heimweh nach der Stadt Nürnberg mit ihrem reichen und fröhlichen Kunstleben und nach dem edelsten aller Meister ergriffen, und er folgte dem Zuge. Daß er dann im Banne der Persönlichkeit Dürer’s mit der Heimkehr gelegentlich etwas länger säumte, als es dem Nördlinger Stadtmaler, der überdies auch Zunftmeister geworden war, zustand, und daß der Nördlinger Rath ihn mit Ernst nach Hause entbieten mußte, wird man ihm gern zu Gute halten. Für seine Kunst war jedenfalls durch den Nürnberger Aufenthalt nichts versäumt. Wie Sighart aber zu der Mittheilung kommt, S. sei 1543 wieder dauernd nach Nürnberg übergesiedelt und dort etwa 1550 gestorben, ist völlig unerfindlich. S. starb 1539 oder 1540 in Nördlingen; [626] dort steuert 1539 noch er selbst, 1540 bereits seine „Wittwe“; das schließt jeden Zweifel aus. Jüngere Aufzeichnungen des Nördlinger Archivs nennen den März 1540 als Schäufelin’s Sterbezeit. Seine Wittwe heirathete später den Maler Hans Schwarz in Oettingen; sein Sohn, der Maler Hans S. der Jüngere, zog 1543 nach Freiburg im Uechtland. Aus der ärmlichen Nachsteuer, die beide vor ihrem Weggang zu erlegen hatten, darf man schließen, daß S. trotz seiner emsigen Thätigkeit keine Schätze hinterließ. Die Stätte seines Grabes ist leider unbekannt. Dagegen ist das Haus, das er bewohnte, actenmäßig festgestellt. Dasselbe lag in der Nähe des sogen. Eichbrunnens, eines kleinen Teiches. Dies führte zu dem curiosen Irrthum, daß Müller (die Künstler aller Zeiten) unsern Maler zu Nördlingen „am Eichbaum“ leben, und daß Bucher (Gesch. d. techn. Künste) ihn in einem Orte „Eichbrunn“ sterben läßt. Seit Schäufelin’s Tagen mehrfach umgebaut, ist doch jenes Haus als die Stelle, von der aus der rastlose Mann die Welt mit seinen Bildern erfreute, noch heute denkwürdig und trägt seinem Gedächtniß zu Ehren seit einigen Jahren eine Erinnerungstafel.

Wir wenden uns nun Schäufelin’s künstlerischem Wirken zu. Die etwas gespreizte localpatriotische Lobpreisung des „Apelles Nordlingensis“ außer Betracht gelassen, so ist im allgemeinen das kunstgeschichtliche Urtheil über S., das ihn oft ziemlich kurz angebunden als handfesten tüchtigen Handwerker bei Seite schob, neuerdings um vieles freundlicher geworden. Doch laufen die Meinungen immer noch auseinander. Es wird eben darauf ankommen, welche Bilder man von ihm gesehen hat und sich maßgebend sein läßt. Denn allerdings sind seine Leistungen sehr ungleich. Es ist sein Unheil, daß zwei Seelen, die des Künstlers und die des Handwerkers, in seiner Brust wohnen, und daß die erstere nicht die Kraft gewinnt, sich zum Entscheidungskampf und zum bleibenden Siege hindurchzuringen. Manchmal auf einem und demselben Gemälde kann man den Kampf der beiden Naturen beobachten und dadurch den harmonischen Eindruck des Bildes empfindlich gestört sehen. Es ist überhaupt so, wie Janitschek sagt: S. zeigt keine folgerichtig aufsteigende Entwicklung; glückliche Eingebungen, wohl auch das höhere oder mindere Ansehen des Auftraggebers, bestimmen häufig die Tüchtigkeit und den Werth seiner Arbeiten. Eine gelenke Hand, große Fertigkeit im Zeichnen und Malen, sind ihm auf Kosten der Gründlichkeit und Tiefe nicht selten verhängnißvoll geworden. Oft mag freilich auch, wie dies zeitweise bei Dürer selbst der Fall war, der Kampf ums Dasein ihn zu unerfreulicher Schnellarbeit gedrängt haben. Mit seinen besseren und edleren Werken jedoch, zu denen ganz besonders einige für Nördlingen gemalte Bilder gehören, schwingt er sich augenfällig über das Handwerksmäßige und Hausbackene hinaus und reiht sich würdig in den Kreis ein, der sich als treue Gefolgschaft eng um den großen Nürnberger Meister schart. Holbein und Friedrich Herlen, welch letzterem er namentlich in dem frischen Ton der Farbe nachstrebt, waren nicht ohne Einfluß auf ihn. Aber Dürer bleibt ihm doch stets das beherrschende Vorbild. Einzelne von Schäufelin’s Bildern da und dort galten lange Zeit als Arbeiten Dürer’s. Man hat ihn geradezu „das Echo Dürer’s“ genannt. Bei seiner Vielgeschäftigkeit wurde er ein solches wohl zuweilen in dem üblen Sinn einer nur formellen und seelenlosen Nachahmung. Aber eine ganze Reihe von Bildern hinwieder, in welchen die Nachfolge Dürer’s deutlich hervortritt, steht doch erheblich über dem Niveau leerer Imitation und liefert durch diejenigen Eigenschaften, die man als das eigentliche „Schulgut“ aus Dürer’s Werkstatt bezeichnete, durch ein inniges Naturgefühl, durch die Schlichtheit des Ausdrucks und eingehende Charakteristik den Beweis, daß ihr Schöpfer nicht bloß in die Manier seines Meisters sich hineingearbeitet, sondern wirklich einen Hauch seines Geistes an sich verspürt hat. Den frischen [627] Zug eines ursprünglichen Talentes, eine leichtflüssige Phantasie, oftmals auch einen feinen Sinn für Anmuth und Schönheit der Form: das erkennen ihm bezüglich seiner bessern Werke selbst diejenigen zu, die im übrigen für die Fehler seiner Kunst ein offenes Auge haben.

Die Erstlinge von Schäufelin’s malerischer Thätigkeit hat soviel ich weiß zuerst Thausing entdeckt. Er vermuthet einerseits in dem Schwabacher Altar von Wohlgemuth, der 1508 vollendet, aber sehr viel früher schon begonnen wurde, die Mitarbeit Schäufelin’s; andererseits erkannte er auf dem in St. Veit bei Wien befindlichen Altargemälde mit Sicherheit Schäufelin’s Hand. Das Bild, welches sehr figurenreich die „Kreuzigung Christi“ darstellt, ist eines der sogen. Werkstattbilder Dürer’s, aus einer Zeit, wo diese Werkstatt noch nicht „von der Leuchte des Ruhms erhellt war“. Den Entwurf, welchen das Museum von Basel bewahrt, lieferte Dürer selbst; seine Knechte und Gesellen aber, hier vor allem S., führten hernach das Gemälde aus, etwas flüchtig und handwerkerlich, wie auch sonst die Behandlung dieser Schulbilder zu sein pflegte; „Dürer’s Idealköpfe sind verzerrt, indem ausschließlich das Charakteristische auf Kosten der Schönheit hervorgehoben wird“. – Auch andere Malereien aus Schäufelin’s früherer Periode sind künstlerisch wenig bedeutend. Aus dem Jahre 1507 befand sich vormals in der Minoritenkirche zu Regensburg auf einem Altar, zu dem der Kaufmann Hans S. zu Nördlingen, der muthmaßliche Oheim des Malers, ein Heiligthum St. Annä gestiftet hatte, ein unserm Maler zugeschriebenes, jedoch seit 1846 gänzlich verschollenes Gemälde mit der „h. Anna, der Maria und dem Jesuskinde“, ein sogen. Selbdritt. Ein „Christus am Kreuz“, zu beiden Seiten David und Johannes der Täufer, jetzt im germanischen Museum zu Nürnberg, stammt aus dem Jahre 1508. Die fürstl. Wallerstein’schen Sammlungen zu Maihingen besitzen eine Tafel von 1510 mit zwei großen Figuren des „Cosmas und Damian“, der Aerzte „Nichtfürsgeld“. Das Bild erinnert sehr merklich an Schäufelin’s Art und mag ihm selbst oder doch einem seiner Schüler angehören. Von 1511 hat das Berliner Museum eine Darstellung des „h. Abendmahls“, das in der Gruppirung der Jünger um einen runden Tisch eigenthümlich erscheint. Janitschek stellt ferner die Möglichkeit auf, daß die sieben Tafeln mit den „Schmerzen Mariä“ in der Galerie zu Dresden frühere Arbeiten Schäufelin’s sein könnten. Dagegen ist das bekannte Gemälde von 1507 in der Gallerie zu Kassel, „Christus als Gärtner“, das noch von Rosenberg eingehend als ein „Schäufelin“ beschrieben wird, durch neuere Untersuchungen unserm Künstler abgesprochen und dem Niederländer Jac. Cornelissen zuerkannt.

Erfolgreicher und sehr frühzeitig schon betrat S. gleich vielen Kunstgenossen seiner Zeit das Feld des Holzschnitts, der damals in Deutschland sich so blühend entwickelte, besonders seit Kaiser Max ihm seine hohen Aufträge gab; wobei es freilich, wie sehr treffend bemerkt wurde, fast beschämend ist, daß der an ewigem Geldmangel laborirende Fürst sich für den „Triumph“ des Kaisers römisch-deutscher Nation der bescheidensten der reproducirenden Künste, des Holzschnitts, bedienen mußte, während in Italien hoher Adel und Geistlichkeit die Meister aller Kunstzweige mit den gewaltigsten Aufgaben betrauten. Zu einer unendlichen Zahl von Holzschnitten, theils von Einzelblättern, wie sie bei Bartsch, Passavant, Muther und anderen sich verzeichnet finden, theils von Illustrationen für größere Druckwerke, lieferte S. die Zeichnungen. Es sind biblische Bilder, Scenen aus der Historie der Heiligen, aber ebenso auch Darstellungen aus dem mannigfachen Bereich des alltäglichen Lebens. Die Holzschnitte selbst hat er wohl nur in Einzelfällen ausgeführt. Auch in diesen Zeichnungen, wie bei seinen Gemälden erscheint er, wie richtig behauptet wurde, glücklicher in ruhigen als in erregten Scenen. Daß in den biblischen Bildern die Figur des Heilands gelegentlich am [628] übelsten wegkommt, ist nicht bloß Schäufelin’s Verhängniß gewesen. Fast immer jedoch offenbart sich auf diesen Blättern ein lebhaftes Gefühl für das Naturwahre; mit ersichtlicher Liebe und oft sehr anmuthig ist der landschaftliche Theil behandelt, wobei man in der reichen Verwendung von Baumwerk, in der Regel ist es Laubholz, den Liebhaber des deutschen Waldes erkennen darf. Vielleicht hat S. schon 1505 an dem durch Ulrich Pinder veröffentlichten „Beschlossenen Garten des Rosenkranz Mariä“ mitgearbeitet. Hervorragenden Antheil hatte er thatsächlich an der Illustration des 1507 gleichfalls von Pinder herausgegebenen „Speculum passionis domini nostri J. Christi“. Sein Name als Holzschnittzeichner mußte jedenfalls längst geschätzt sein, als er den Illustratoren zugesellt wurde, welche Kaiser Max für die zu seiner Verherrlichung geplanten Werke aufrief. Zum „Weißkunig“ wie zum „Triumphzug“ lieferte S. nur je zwei Blätter. Viel bedeutender war sein Antheil an „Theuerdank“. Bei den Arbeiten zu diesem Gedicht, welche durch den Formschneider Jost de Negker (Dienecker) in Holz geschnitten wurden, treffen wir ihn 1511 und 12 in Augsburg. Mit der ganzen Erregtheit eines von seinen Ideen erfüllten Autors begleitete Kaiser Max Schritt für Schritt die textuelle wie die illustrirende Ausarbeitung des von ihm inspirirten, durch Siegmund v. Dietrichstein und Marx Treytzsauerwein in Form gebrachten und zuletzt vom Propst Melchior Pfinzing einheitlich redigirten Werkes. Ohne Frage war auch S. nur mit voller Zustimmung des Kaisers, möglicherweise auf Vorschlag Dürer’s, zur Mitarbeit herangezogen. Nach den jüngsten Erhebungen indessen wird unserm Meister bezüglich seines Antheils am „Theuerdank“ einige Einbuße nicht zu ersparen sein. Bis in die allerneueste Zeit nämlich hat man ihm sämmtliche 118 Holzschnitte zugeschrieben. Nun hat aber im 8. Band des „Jahrbuchs der kunsthistorischen Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses“ (1888), einem prächtigen Facsimile der ersten Ausgabe des „Theuerdank“ von 1517, Simon Laschitzer sehr eingehende Untersuchungen über das ganze Werden des Buches veröffentlicht. Diese Untersuchungen, auf die hier nur verwiesen werden kann, sind so vorurtheilsfrei und minutiös durchgeführt, auch mit so gewissenhafter Prüfung der Eigenart der in Frage stehenden Zeichner, daß es schwer sein wird, stichhaltige Einwände dagegen aufzubringen. Das Ergebniß bezüglich der künstlerischen Ausstattung ist in Kürze folgendes: Von den 118 Blättern des „Theuerdank“ gehören S. zunächst die 8 mit seinem Monogramm bezeichneten Blätter, ferner 12 oder 13 weitere, die durch ihren Charakter zweifellos auf ihn hinweisen. Die übrigen Holzschnitte rühren zum bei weitem kleineren Theil von Hans Burckmair und einigen Unbekannten, ihrem weitaus größern Theile nach von dem Meister Leonhard Beck her. Dieser L. Beck hat jedoch, so nimmt Laschitzer nahezu bestimmt an, eine große Zahl der von ihm auf den Holzstock gezeichneten Bilder nach Entwürfen oder Vorlagen von Schäufelin’s Hand ausgeführt. Je nach der Zahl solcher Entwürfe wäre es also möglich, daß unserm Künstler auch nach diesen neuesten, ihm relativ ungünstigen Forschungen dennoch der Löwenantheil an den Illustrationen des „Theuerdank“ verbliebe. – Es seien hier sogleich noch einige Werke aus jenen Jahren genannt, an deren Bilderschmuck S. mehr oder minder betheiligt ist. Im J. 1512 erschien bei Hans Schönsperger in Augsburg ein „Evangelienbuch“, worin mehrere große Holzschnitte das Handzeichen Schäufelin’s tragen. Im nächsten Jahre veröffentlichte Hans Ottmar ebendaselbst eine „Legenda aurea“ mit einer ganzen Reihe kleiner Textholzschnitte, von denen namentlich der landschaftliche Theil als vortrefflich gerühmt wird. Ebenfalls aus dem Jahre 1513 stammt ein illustrirtes deutsches „Gebetbüchlein“: Via felicitatis etc., ohne Angabe des Druckortes. Dann folgte 1514 das „Plenarium oder Evangelybuch“, gedruckt von Adam Peter v. Langendorff in Basel, mit vielen kleinen Textbildern; [629] fünf große Blätter zeigen Schäufelin’s Monogramm. An den Illustrationen zu dem „Leiden J. Christi“ durch Wolfg. Man, Augsburg bei H. Schönsperger d. j. 1515, hatten neben S. auch Burckmair und Andere Antheil. Im gleichen Jahr erschien, mit Holzschnitten Schäufelin’s geziert, die „Hystori und erbaulich Legend Katharina von Senis“, gedruckt bei H. Ottmar in Augsburg.

Bei Herausgabe der letzteren Werke befand sich S. indessen nicht mehr in Augsburg. Er mochte mit den Arbeiten zum „Theuerdank“ wesentlich zu Ende sein, als er sich 1513 nach dem Ries aufmachte. Dort vollendete er im gedachten Jahre das Altarbild in der alten Klosterkirche zu Ahausen, sein umfangreichstes Gemälde. Das Werk theilt sich in sechzehn Tafeln, deren Mittelbild eine „Krönung Mariä“ ist, und zeigt nicht weniger als 291 Figuren, darunter einen noch in jüngeren Jahren stehenden Mann mit Vollbart, der ein Täfelchen mit Schäufelin’s Monogramm hält und deshalb als Conterfei des Malers ausgegeben wird. Mit dem Selbstporträt auf dem Nördlinger Wandbild ist dasselbe schwer zu vereinigen. Einige Tafeln lassen deutlich die Mitarbeit einer roheren Hand, vielleicht eine spätere Uebermalung durch Seb. Taig, erkennen. Das ganze Gemälde ist überhaupt mehr groß als schön, jetzt auch sehr restaurationsbedürftig. – Mit Schäufelin’s Ansiedlung in Nördlingen beginnt seine Glanzzeit. Zunächst schmückte er dort das Rathaus mit dem bekannten großen Bilde der „Schlacht von Bethulien“, das er mit Leimfarben auf die Wand der „Bundesstube“ malte. Die Stadtrechnung von 1515 sagt: „Zalt Mayster Hanns scheiffelin maller von der histori Judyt und Olyfernus ertötung in der obern neuen großen Stuben zu mallen 42 fl. 2 ort.“ Das Bild, von dem sich auch eine kleine Skizze auf Leinwand im german. Museum zu Nürnberg befindet, ist für Schäufelin’s Weise höchst charakteristisch, insbesondere auch ein schönes Zeugniß seiner lebhaften Phantasie. Eine hügelige, da und dort mit Laubholz bestandene, malerische Landschaft, wird bis gegen den Vordergrund von einem blauen Flusse durchschnitten, zu dessen beiden Seiten sich steile Höhen mit Felsen und Schlössern erheben, hinten überragt von fernem Hochgebirge. Rechts und links gewahrt man ansehnliche Stadttheile. Ueber das Ganze sind dann die mannichfachsten Gruppen zerstreut. Die Haupthistorie entwickelt sich in drei Scenen: von rechts zieht Judith mit ihren Mägden heran; in der Mitte des Vordergrundes empfängt Holofernes, behaglich vor seinem Zelte sitzend, die israelitische Jungfrau; links geschieht die Blutthat. Im Mittelgrunde brechen jüdische Heerhaufen mit wehenden Fahnen aus der Stadt und überfallen in jähem Ansturm das Lager der Assyrer. Vieles Einzelne in der Darstellung erscheint meisterlich; doch ist sie allzu zerstückelt, um einen wahrhaft harmonischen Eindruck zu machen. Durch das ganze Bild, das sich als geschichtliche Travestie etwas komisch ansieht, geht ein sehr naiver Zug. Sämmtliche Figuren, eine wahre Fundgrube für das Trachtenstudium, besonders für das Kriegswesen der Landsknechte, tragen natürlich das Gewand und die Waffen des 16. Jahrhunderts. Unbarmherzig fahren die Kanonen auf. Ein turnierfähiger Ritter, einige Fußknechte, ein Pfeifer und Paukenschläger, vor allem auch der Künstler selbst, sind sorgfältig behandelte, artige Gestalten; Judith und eine ihrer Begleiterinnen entfalten großen Liebreiz. Dagegen hat der Künstler gegen die assyrische Zeltwache ohne Gnade den Handwerker in seiner Brust losgelassen; das sind rohe Gesellen mit plumpen, eckigen Köpfen und stieren Augen. Man sieht, der Pinsel, der sie schuf, machte kurzen Prozeß. Mag’s ihnen widerfahren, diesen Heiden; sie haben nichts besseres verdient um Israel. – Die „Schlacht von Bethulien“ eröffnet nun eine Reihe sehr beachtenswerther Bilder. Noch aus dem J. 1515 stammt ein gutes Altarbild mit dem „H. Abendmahl“ im Münster zu Ulm, [630] ebenfalls mit einer Figur, die man als Selbstporträt des Künstlers betrachtet. Ich weiß nicht, ob die für das Bild seiner Zeit in Aussicht gestellte Befreiung von späterer Uebermalung neuerdings vollzogen wurde. Muther deutet die Wahrscheinlichkeit an, zwei kleine Altarflügel in Karlsruhe mit einer „Darstellung Christi“ und einer „Kreuzigung“ seien ursprünglich Theile des Ulmer Altars gewesen, und ein „Christuskopf“ in der Münchener Pinakothek sei vielleicht eine Studie zu dem Ulmer Bilde; ebenso erscheine ein kleine Tafel mit „Christus am Oelberg“, gleichfalls in der Pinakothek, als Reminiscenz aus dem Ulmer Abendmahl. – Aus der nächstfolgenden Zeit begegnet man namentlich in Nördlingen mehreren hervorragenden Werken. Im J. 1516 malte S. für das Epitaph des Pfarrers Emmeram Wager eine „Beweinung Christi“. Von Anklängen an Dürer sichtlich durchzogen, zeigt das Bild vor einem romantischen Berggelände am See eine Gruppe von neun Personen, darunter St. Georg; in der Ausführung der Frauenköpfe verräth sich reges Schönheitsgefühl und tiefe Empfindung. Aus den folgenden Jahren stammen noch zwei andere Epitaphbilder, gleich dem vorigen im Nördlinger Rathhause aufbewahrt: ein „Abschied des Herrn von seiner Mutter und den Schwestern des Lazarus“ aus dem J. 1517, inscenirt vor einem Hallenbau in bergiger Landschaft; dann eine „Krönung Mariä“ von 1521. Vom oberen Theil des letzteren Bildes, unter Wegfall der Apostelgruppe, trifft man eine fast genaue Wiederholung in der Pinakothek zu München. Das Monogramm mit der Jahrzahl 1522 zeigt eine Tafel mit dem „Schmerzensmann“, die vormals in der Georgskirche beim Almosenkasten hing und in den beiden unteren Ecken Gruppen von Almosenspendern und Empfängern vor Augen führt. Um dies Bild sowie die drei vorhin genannten von 1516, 17 und 21, namentlich in bezug auf die Zeichnung, richtig zu beurtheilen, muß man sich erinnern, daß diese Gemälde, weil für einen Platz an Säulen bestimmt, von Anfang an im Halbrund gebogen waren und erst neuerdings flachgelegt wurden. In der „Herrgottskirche“ zu Nördlingen befand sich ferner ein großes Gemälde aus dem J. 1518, welches das s. g. Hostienwunder, eine etwas derbe, auf den Bau der Kirche bezügliche Legende, zum Gegenstand hatte. So viel man aus einer von Doppelmeyr 1827 ausgeführten Copie schließen darf, gehörte dasselbe nach Composition und Farbe zu Schäufelin’s schwächeren Bildern; schon 1827 „dem Untergang nahe“, ist es seitdem räthselhafterweise spurlos verschwunden. – Die Krone aller Nördlinger Arbeiten Schäufelin’s, vielleicht überhaupt seine schönste Künstlerthat, bleibt unstreitig die vielbekannte, lange Zeit als ein sicherer „Dürer“ betrachtete „Beweinung Christi“ vom J. 1521. Das Bild war von dem kaiserlichen Reichsvicekanzler Nikolaus Ziegler, einem geborenen Nördlinger, für den Altar seiner Familiencapelle bestellt worden. Dieser Ziegler war, beiläufig eingeschaltet, derselbe, von welchem die auf der Leipziger Stadtbibliothek bewahrte kaiserliche Vorladung Luther’s nach Worms eigenhändig geschrieben und contrasignirt wurde. Das für ihn gemalte Bild nun ist schon so vielfach näher besprochen, daß es hier einer neuen Beschreibung kaum bedarf. Es erscheint sowohl nach der ganzen Composition, mit Golgatha und einer anmuthigen Landschaft im Hintergrunde, wie in der Zeichnung der Figuren und dem ergreifenden Schmerzensausdruck in den Gesichtern, endlich auch durch den leuchtenden Goldton der Farbe, als ein Werk hohen Ranges, als „eines der schönsten und feierlichsten Denkmäler der alten deutschen Kunst“. Man kann nicht davon überrascht sein, daß sich in vergangenen Tagen mehrmals fürstliche Hände verlangend darnach ausstreckten. Das Werk ist noch in der Georgskirche. Einige ursprünglich dazu gehörende Flügelbilder: „St. Elisabeth“ und „St. Barbara“, sind jetzt im Rathhause aufgehängt. Diese beiden Frauenbilder zählen neben zwei ebenda befindlichen Bischofsfiguren des [631] „H. Nikolaus“ und „Simpert“ (?) zu Schäufelin’s ausgezeichnetsten Arbeiten und sind dem Hauptbilde des Altarwerkes durchaus ebenbürtig; zwei eben so schlichte als edle Gestalten, die Elisabeth insbesondere, die einem am Boden kauernden armen Lazarus Wein in die Schale gießt, das Bild frommer Einfalt und demüthiger selbstloser Nächstenliebe. Für die Geschichte der Herstellung des herrlichen Altarwerks ist folgendes von Bedeutung. Dürer hat auf seiner niederländischen Reise öfter mit dem Vicekanzler Ziegler Verkehr gepflogen. Höchst wahrscheinlich doch ist dabei auch das für die Ziegler’sche Capelle geplante Werk zur Sprache gekommen. Nun bemerkt Dürer in seinem Tagebuch einmal: „Hab Herr Niclaus Ziegler geschenkt ain toden liegenden Christum“. Unter Hinweis auf diese Notiz, und gestützt einerseits auf den freundlichen Verkehr Dürer’s mit dem Vicekanzler, andererseits auf das nahe Verhältniß zwischen Dürer und S., stellte Leitschuh (Beil. z. Allg. Zeit. vom 7. Febr. 1884) die scharfsinnige und sehr anmuthende Hypothese auf, der von Dürer erwähnte liegende todte Christus könne in Beziehung zu dem Altarwerk Schäufelin’s stehen, sei vielleicht eine von Dürer gezeichnete und nachher von S. benutzte Skizze gewesen. Man hat allerdings, seit das Werk nicht mehr als eine Arbeit Dürer’s gelten konnte, wenigstens die Annahme seines directen Einflusses auf die Ausführung des Bildes festgehalten. Nach Leitschuh’s Auseinandersetzung und bei der Wahrscheinlichkeit, daß sich S. gerade 1521 längere Zeit in Nürnberg aufhielt, entbehrt diese Meinung auf keinen Fall einer prüfungswerthen Unterlage.

Schäufelin’s fleißige und kunstfertige Hand kam indessen nicht bloß der Stadt Nördlingen zu gute, sondern auch der Umgegend. Außer dem oben erwähnten Altargemälde zu Ahausen von 1513 malte er später sechs Tafeln für die kleine Dorfkirche in Hohlheim: zwei größere mit den etwas hölzernen Gestalten „Johannes des Täufers“ und „Johannes des Evangelisten“; dann vier kleinere sehr anmuthvolle Darstellungen der „Verkündigung“, der „Heimsuchung“, der „Geburt Christi“ und der „Anbetung der drei Könige“. Die beiden Tafeln mit der Heimsuchung und den drei Königen hat 1822 ein beim Bau einer Nachbarkirche beschäftigter Beamter als „Präsent“ mit hinweggenommen; die vier übrigen wurden vor einiger Zeit der nahen Gefahr gänzlichen Verkommens durch eine etwas nothdürftige Restauration entrissen. In Schäufelin’s früheren Nördlinger Jahren werden auch eine „Brigitta vor dem Crucifix“, sowie zwei Darstellungen aus dem Leben des „H. Onufrius“ für Kloster Maihingen entstanden sein, alle drei jetzt im germanischen Museum zu Nürnberg; ferner ein größeres Altarwerk für die Klosterkirche in Christgarten mit verschiedenen Scenen aus dem Leben des Heilandes, der Maria und des Apostels Petrus. Von diesem Werke, das „mehr an einen wenig begabten Nachfolger Wohlgemuth’s als an einen Nacheiferer Dürer’s“ gemahnte, wanderten die meisten Stücke durch die fürstl. Wallerstein’schen Sammlungen in die Pinakothek zu München, einige andere schließlich ins germanische Museum in Nürnberg. Aus viel späterer Zeit, aus dem J. 1532, stammt ein anderes großes Altarwerk, das S. für die Kirche in Oberdorf bei Bopfingen anfertigte. Dasselbe setzt sich ebenfalls aus verschiedenen Tafeln zusammen. Die mittleren Felder vergegenwärtigen Scenen der „Georgslegende“; unten findet sich zwischen zwei Bischofsfiguren eine „Verkündigung“; auf den beiden Flügeln stehen in erheblich größeren Figuren „St. Katharina“ und „St. Barbara“. Das ganze Werk wurde in neuerer Zeit aus Oberdorf entfernt, kam, so viel ich weiß, zuerst nach Stuttgart, dann 1858 nach Beuren bei Isny.

Während S. eine so rege Thätigkeit als Maler entfaltete, hörte der arbeitsfrohe Mann nicht auf, fortgesetzt auch für den Holzschnitt zu sorgen. Hoch gerühmt sind seine Zeichnungen zu dem „Evangelienbuch“, das bei Thomas [632] Anshelm in Hagenau gedruckt wurde; später ist in Frankfurt unter dem Titel „Doctrina, vita et passio J. Christi“ eine neue Ausgabe davon erschienen. Das Jahr 1517 brachte eine Reihe von Holzschnitten in Hans v. Leonrodt’s „Himmelwagen und Höllewagen“; dann treffliche Illustrationen zu „Marci Vigerii controversia de excell. instrum. dominicae passionis“, herausgegeben bei Th. Anshelm in Hagenau. Außerdem trifft man S. auch an den auf kaiserliche Anregung seit 1517 in Angriff genommenen „Oesterreich. Heiligen“ betheiligt. – Nicht bloß künstlerisch interessant ist Schäufelin’s Antheilnahme an zwei spätern Druckwerken von 1522 und 1523. Schäufelin’s Leben fällt mit den großen Bewegungen des 16. Jahrhunderts zusammen. Wie von jedem namhaften Menschen, der damals lebte, so wünschte man wohl auch von ihm in Erfahrung zu bringen, auf welcher Seite er in jenem Kampf der Geister gestanden, und ob er, wie auf dem Felde der Kunst, so etwa auch auf religiösem Gebiet in der Nachfolge seines Nürnberger Meisters geblieben sei. Bestimmte Nachrichten darüber haben wir nicht, aber vielleicht doch einige leise Fingerzeige. Im J. 1522 nämlich erschien, muthmaßlich bei J. Schönsperger d. j. in Augsburg gedruckt und mit Illustrationen versehen, „Luther’s Betbüchlein“. Man muß sich doch wohl denken, daß die Bilder, womit das Büchlein ausstaffirt wurde, nicht ohne Vereinbarung mit Luther hineinkamen. Von diesen Bildern aber nimmt Seidlitz, welcher im Jahrbuch der k. preuß. Kunstsammlungen (Bd. VI, 1885) ein in Berlin vorhandenes Prachtexemplar des „Betbüchleins“ eingehend und mit warmer Lobpreisung der künstlerischen Beigaben bespricht, mit aller Bestimmtheit an, daß sie von Schäufelin’s Hand seien. Das Monogramm scheint sich, so viel aus dem Aufsatze ersichtlich, allerdings nicht vorzufinden. Unumstößlich dagegen ist die Thatsache, daß S. 1523 für den durch Schönsperger d. j. besorgten Nachdruck der eben damals herausgekommenen Wittenberger Ausgabe des „Neuen Testaments“ wenigstens einen Theil der Illustrationen, und zwar weitaus die besseren, geliefert hat; insbesondere enthält die Offenb. Johannis sechs treffliche Vollbilder mit seinem Monogramm. Es wäre obenhin geurtheilt, wollte man aus den genannten zwei Werken sogleich einen entscheidenden Schluß auf Schäufelin’s kirchliche Haltung machen; immerhin aber darf man auf sie als auf zwei nach der angedeuteten Seite beachtenswerthe Erscheinungen den Finger legen. – Aus den dreißiger Jahren ist noch manches Werk mit Schäufelin’schen Holzschnitten zu nennen: unter Anderm von 1533 die bei H. Steiner in Augsburg erschienene „Uebersetzung des Thukydides“; von 1534 die ebenfalls bei Steiner gedruckte „Biblia beyd Alt und Neuen Testaments“ mit einem Titelblatt von S.; von 1538 des Apulejus „schön lieblich Gedicht von einem guldenen Esel“ mit zahlreichen, zum Theil vortrefflichen Holzschnitten. Einige Blätter mindestens lieferte dann S. noch zuletzt für des Aretinus „schöne und lustige Historie vom Rhömerkrieg wider die Carthaginenser“, sowie für die erst zwei Jahre nach seinem Tod vollendete Ausgabe der römischen Historie des „Boccatius“. Unter die bekanntesten Holzschnittzeichnungen Schäufelin’s gehören endlich seine Bilder aus dem „Soldatenleben“, dann die namentlich für die Kostümkunde werthvollen Darstellungen eines in unerschöpflichem Wechsel der Bewegungen sich präsentirenden „Zugs von Hochzeittänzern“.

An Werken der Malerei zeigt sich S. in der spätern Periode seiner Meisterjahre ärmer. Doch haben wir gerade aus seiner letzten Lebenszeit noch zwei denkwürdige und höchst erfreuliche Zeugnisse seiner Kunst. Das Kupferstichkabinet zu Berlin besitzt ein für den Grafen Karl Wolfgang zu Oettingen geschriebenes „Gebetbüchlein“ von 1537–38, durchgehends illuminirt mit Randverzierungen und Vollbildern, vielleicht ganz oder doch theilweise von Schäufelin’s Hand. Leider kenne ich das Büchlein nicht aus eigener Anschauung; aber sehr kundige [633] Stimmen, mit besonderer Wärme Janitschek, spenden ihm das Lob, daß es zu den lieblichsten Gaben des Malers gehöre. Aus der classischen Mythologie und der Thierfabel, von Jagd und Krieg, aus dem Leben auf der Straße und im Kloster entnimmt die lebhafte Phantasie des Künstlers den Stoff, den er, hier und da mit satirischen Ausfällen auf das Mönchsleben, mit spielender Leichtigkeit für ornamentale Zier verwendet. Im J. 1538 vollendete dann S. noch eine letzte feine Arbeit, das schöne Gemälde „Die Anbetung des Lammes“, jetzt im Museum zu Stuttgart, von Heideloff in seiner „Kunst des Mittelalters in Schwaben“ durch einen guten Stich wiedergegeben. Oben in der Ecke steht im Nimbus das Lamm auf dem Buch mit sieben Siegeln und mit der Siegesfahne, zu beiden Seiten der geflügelte Löwe des Marcus und der Stier des Lucas; unten in zweifacher Gruppe links die Heiligen des alten Bundes, ihnen voran Johannes der Täufer, neben ihm theils stehend theils knieend Abraham mit Isaak, Moses, David und andere; gegenüber die Schaar der Apostel, geführt vom Evangelisten Johannes mit dem Kelche. Das treffliche Gemälde war Schäufelin’s Schwanenlied, ein sanft ausklingender, schon von einem Hauch der andern Welt berührter Abschluß seines Tagewerks. Im J. 1539 oder spätestens im Frühjahr 1540 ist er gestorben. Ein ausnehmend fruchtbares Künstlerleben war damit erloschen. Es konnte an dieser Stelle natürlich nur ein Theil von Schäufelin’s Werken, besonders eben die beachtenswerthesten und für seine Beurtheilung entscheidenden, besprochen werden. Weithin ist noch eine große Zahl anderer Arbeiten, Gemälde und Holzschnitte, zerstreut. Von letzteren ganz zu schweigen, so findet sich S. außer in den schon genannten Orten durch Gemälde vertreten in den Uffizien zu Florenz mit acht Bildern aus der Apostelgeschichte, in der Stiftskirche zu Tübingen, in der Klosterkirche zu Heilsbronn, in den Galerien zu Prag, Wien, Schleißheim, im Städel’schen Institut zu Frankfurt, in verschiedenen Sammlungen zu Karlsruhe, Freiburg, Ludwigsburg, im erzgebirgischen Städtchen Buchholz u. s. w. Viele Bilder außerdem sind in Privatbesitz übergegangen. Manches läuft wol auch mit Unrecht unter seinem Namen. So wäre es unter anderm von Werth, festzustellen, ob eine auf Schloß Enzensberg in Tirol befindliche, sehr anschauliche und figurenreiche Darstellung eines Turniers wirklich von Schäufelin’s Hand ist. Die mir vorliegende photographische Abbildung läßt diese Frage nicht überflüssig erscheinen. Man thut überhaupt gut, bei Bestimmung von Werken, die da und dort herkömmlich S. zugerechnet werden, einige Vorsicht zu üben. Die Buchstaben H und S als Monogramm sind keineswegs schon entscheidend. Denn es hat auch einen Hans Schäufelin den jüngeren, den Sohn unseres Malers, gegeben; außerdem noch einige andere Maler und Zeichner mit gleichen Anfangsbuchstaben, beispielsweise Hans Schülein, Hans Schöpfer, Hans Schwarz. – Fassen wir nun schließlich die Meinung über unsern Künstler nochmals in ein kurzes Wort, so steht es außer Zweifel, daß S. sehr unterschiedlich arbeitete, deshalb auch eine verschiedene Kritik ertragen muß. Für manche oberflächliche, vielleicht um’s tägliche Brot gemachte Schnellarbeit wird ihm die Nachrede, er sei ein tüchtiger hausbackener Handwerker gewesen, schwer zu ersparen sein. Legt man aber wie billig den Nachdruck auf die stattliche Reihe seiner sorgfältigen und guten Werke, so wird er, wenn nicht als eine großangelegte, hervorragend geniale Künstlernatur, doch als ein sehr erfindungsreicher und handgewandter, mit lebhaftem Sinn für Anmuth der Form und einem innigen Naturgefühl begabter, auch durch seinen unverdrossenen Fleiß verdienstvoller und im ganzen sehr liebenswürdiger Meister stets in Ehren bleiben. Sein Name leuchtet nicht als Stern ersten Ranges. Aber man wird ihn im Gefolge Dürer’s, wie mit Fug und Recht gesagt worden, getrost unter die primis proximi einreihen dürfen.

[634] Außer den bereits genannten Schriften und den bekannten kunstgeschichtlichen Werken von Waagen, Sighart, Kugler, Nagler, Ernst Förster, Woltmann-Wörmann und andern sind besonders zu beachten: Sandrart, Deutsche Akademie 1675. – Doppelmeyer, Nachrichten von Nürnberger Künstlern 1730. – Bartsch, le Peintre-Graveur.Heller, Zusätze zu Bartsch. – Passavant, le Peintre-Graveur. – Thausing, Dürer. – W. Schmidt, in Lützow’s Zeitschrift und in Zahn’s Jahrb. V. – Berlepsch, im Sammler der Augsb. Abendzeitung 1886 und bei Lützow 1887. – Muther, in der Ehrengabe für A. Springer. – Janitschek, Geschichte der Malerei. – Neumann, Die drei Roritzer. – Rosenberg, in Dohme’s Zeitschr. 1877.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tausing