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Artikel „Kugler, Franz“ von ٭, Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 307–315, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kugler,_Franz&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 14:14 Uhr UTC)
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Kugler: Franz Theodor K., Kunsthistoriker, geb. in Stettin am 19. Jan. 1808[1], † in Berlin als geh. Oberregierungsrath am 18. März 1858. Sein Vater, der Kaufmann und Consul Johann Georg Emanuel K., war ein durch Talente und Bildung ausgezeichneter Mann, der, mitten in mannigfacher praktischer Thätigkeit, voll Lebensfrohsinn immer dem Schönen zustrebend, in [308] seinem Hause eine heitere, künstlerisch angeregte Geselligkeit pflegte. Unter der Einwirkung des Elternhauses entwickelten sich die in Franz, dem dritten Kinde, vorhandenen Anlagen für Musik, Malerei und Poesie sehr schnell und kräftig: schon als Knabe war er ein firmer Sänger, der bei jeder Art öffentlicher Aufführungen, namentlich Kirchenconcerten mitwirken mußte: gleichzeitig führte er den Pinsel so sicher, daß er bei seiner Einsegnung die wohlgelungene Copie eines Christuskopfes seiner Pfarrkirche zu öffentlicher Ausstellung zu schenken vermochte; und den bedeutendsten seiner Lehrer, den Dichter und Historiker Ludwig Giesebrecht erfreute er durch eine Fülle poetischer Versuche. Ostern 1826 bezog er die Universität Berlin, dem Anscheine nach, um Philosophie zu studiren, mehr jedoch, um auch dort seinen künstlerischen Neigungen zu folgen. An der Hand Friedrich Heinrichs von der Hagen vertiefte er sich in die Poesie des deutschen Mittelalters und eignete sich hierbei nicht blos den Text der Dichtungen, zum Theil unmittelbar aus den Handschriften, an, sondern forschte ebenso eifrig nach den Melodien von Minneliedern und den zierlichen Miniaturen, die so viele Manuscripte schmücken. Daneben wurde er eines der thätigsten Mitglieder der unter Zelter’s Direction blühenden Berliner Singakademie, unternahm gemeinsam mit den jungen Malern der Residenz sehr ernsthafte Modellstudien und begann während zahlreicher kleinerer und größerer Ferienreisen, sowie auf der Universität Heidelberg, der er im Sommer 1827 angehörte (sonst blieb er der Berliner Hochschule getreu), an den Ueberresten der Kirchen-, Palast- und Festungsbauten die Geschichte der deutschen Baukunst zu studiren. Ein reicher Freundeskreis, in dem Karl Rosenkranz, Johann Gustav Droysen, Felix Mendelssohn, Friedrich Drake, Robert Reinick, Heinrich Strack, von älteren Genossen Heinrich Heine und Adalbert von Chamisso hervorragten, führte ihm immer neue künstlerische und wissenschaftliche Anregungen zu und festigte ihn in der ästhetisch-historischen Richtung, die mehr und mehr für sein ganzes Geistesleben bestimmend wurde. Von dem philologischen Studium, dem K. sich hatte widmen sollen, konnte hiernach vollends keine Rede mehr sein. Er versuchte es deshalb mit der Architektur, trat in die königl. Bauakademie zu Berlin, bestand im Frühjahr 1829 das Feldmesserexamen und brachte den Sommer 1829 in Stettin mit der Bemühung zu, sich in die praktische bauliche Laufbahn hineinzuleben. Aber auch dieser Beruf befriedigte ihn so wenig, daß er im Herbst 1829 nach Berlin in den geliebten Kreis der Historiker und Dichter, Maler und Musiker zurückkehrte. Hier war er in dem Elemente, welches er zu seiner weiteren Entwicklung bedurfte, und seine vielseitige Begabung, wie seine frische, thatenfrohe Jugend machten ihn (neben Rob. Reinick) bald zum Mittelpunkte der schönen Berliner Künstlerfeste, für die er dichtete, sang und zeichnete. Was er da schuf, vereinigte er großentheils in dem „Skizzenbuch“ (Berlin, G. Reimer, 1830), einem der liebenswürdigsten Spätlinge der Romantik. Eigene Radirungen und Liedercompositionen mischen sich in bunter Reihe unter die Verse, in denen Anklänge an Uhland, Heine, Eichendorff nicht fehlen, aber ein eigenster Ton doch überall durchbricht. Eine Skizze der Rudelsburg illustrirt das zum Volkslied gewordene „An der Saale hellem Strande“. Jeder wird aus diesem Büchlein eine echte und reine Dichterseele herausklingen hören.

Indessen eine gesicherte Lebensstellung war durch solche Leistungen nicht zu erringen, und besonders drückend empfand dies der junge Dichter, als er zu der jüngeren Tochter des Criminaldirectors Julius Eduard Hitzig, die er in Chamisso’s Hause kennen gelernt hatte, eine tiefe Neigung faßte. Der Wunsch in Bälde einen eigenen Hausstand gründen zu können, nöthigte ihn, schneller, als sonst wol geschehen wäre, zu entscheiden, welcher Kunst oder Wissenschaft er sich auf die Dauer zuwenden wolle. Seine „Vorstudien“, wie er seine bisherigen Arbeiten selber bezeichnet [309] hat drängten ihn auf das Gebiet der Kunstgeschichte, in welchem er, wenn auch nicht alle, so doch die meisten Gaben, die ihm eigen waren, am erfolgreichsten verwerthen konnte. Im J. 1831 promovirte er mit einer Dissertation über Werinher von Tegernsee, die das Leben, Dichten und Malen eines Benedictiners des 12. Jahrhunderts eingehend behandelt. Im Frühling 1833 ließ er sich als Privatdocent an der Berliner Universität nieder, gründete die Zeitschrift „Museum, Blätter für bildende Kunst“ und schloß noch im selben Jahre die Ehe mit Clara Hitzig.

Seine Thätigkeit als Kunsthistoriker beschränkte sich anfangs auf viele kleine Specialarbeiten, wie sie ihm seine akademischen Studien und seine Wanderungen durch die Denkmäler, Sammlungen und Bibliotheken Deutschlands an die Hand gaben. Diese Publicationen sind später theils ganz, theils insoweit ihr Inhalt inzwischen nicht veraltet war, in seine Sammlung: „Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte“ (Stuttg., Ebner u. Seubert, 1853–54, 3 starke Bde.) aufgenommen worden. – Mitten in den großen Streit über die Farbigkeit der antiken Kunstwerke trat K. dann 1835 ein mit seiner Schrift „Ueber die Polychromie der griechischen Architektur und Skulptur und ihre Grenzen“; von den sorgfältig ausgesonderten sicheren Funden über den Thatbestand und von den richtig erkannten Grundkräften der antiken Kunst ausgehend, traf der Verfasser hier diejenige rechte Mitte, von welcher er auch später, nachdem des Materials sehr viel mehr zu Tage gekommen, in seinen Nachträgen nicht mehr nöthig gehabt hat, irgend wesentlich abzuweichen. Die „Nachträge“ sammt der Hauptschrift über die Polychromie sind aufgenommen in die „Kleinen Schriften und Studien zur Kunstgeschichte“. – Im J. 1838 folgte die „Beschreibung und Geschichte der Schloßkirche zu Quedlinburg“, worin das Historische von E. F. Ranke, das Künstlerische von K. besprochen war; eine der bahnbrechenden Monographien über die Entwicklung des romanischen Stiles überhaupt und in Norddeutschland insbesondere, indem außer der genannten Kirche und ihren zum Theil so wichtigen einzelnen Alterthümern auch noch eine ganze Gruppe von benachbarten Kirchen mitbesprochen ist, hauptsächlich Basiliken, darunter die uralte von Gernrode. Für die Zeitbestimmung der Denkmäler wurde hier die Prüfung des architektonischen Details, namentlich der Profile, als sicherste Methode erkannt und durchgeführt. Auch diese Arbeit ist wieder abgedruckt in den „kleinen Schriften und Studien zur Kunstgeschichte“. – In demselben Jahre 1838 erschien die „Beschreibung der Kunstschätze von Berlin und Potsdam“ (Berlin, Karl Heymann, 2 Bde.), durch die seitherige ungemeine Vermehrung dieser Schätze sowol als auch der kunsthistorischen Funde antiquirt, aber für jene Zeiten eine sehr achtbare Leistung. – Dann folgte eine große allseitige Specialforschung in Kugler’s engerer Heimath, die 1840 in den „Baltischen Studien“ herausgegebene „Pommersche Kunstgeschichte“, verfaßt auf Veranlassung der Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde, welche hierzu auch königliche Unterstützung gewonnen hatte (wieder abgedruckt in den „Kleinen Schriften und Studien zur Kunstgeschichte“). Abgesehen davon, daß es hohe Zeit war, durch wissenschaftliche Besprechung gar Vieles vor weiterer Zerstörung oder Entstellung zu retten und zu öffentlichen Sammlungen für Aufbewahrung der beweglichen Gegenstände anzuregen, machte K. hier in manchem Betracht eine Entdeckungsreise; sein großes Hauptverdienst, womit er über die Grenzen seiner Provinz thatsächlich weit hienausgriff, war die Analyse des gothischen Baustiles der norddeutschen Flachlande überhaupt, bei Anlaß der Gebäude Pommerns; allein auch für die Sculptur, deren Werke sich zahlreicher und (namentlich in den Schnitzaltären) viel wichtiger erwiesen als zu erwarten war, ist hier ganz eigentlich die Bahn gebrochen. – Doch bereits hatte K. inzwischen das [310] Gebiet der allgemeinen Kunstgeschichte betreten. Das erste Unternehmen dieser Art war das „Handbuch der Geschichte der Malerei von Constantin dem Großen bis auf die neuere Zeit“ (Berlin, Duncker und Humblot, 1837, 2 Bde.; zweite Auflage, bearbeitet von Jacob Burckhardt, 1847; dritte Auflage, bearbeit von Hugo Freiherrn von Blomberg, Leipzig, Duncker und Humblot, 1867, 3 Bde.). Zum ersten Mal ist hier das Ganze der Malerei in ihrer Entwicklung mit universalhistorischem Blicke dargestellt, in den wesentlichen Partien bereits nach Autopsie, was in jener Zeit der noch sehr beschränkten Reisen viel heißen wollte (erst unmittelbar vor Abfassung dieses Werkes hatte K. seinen Wanderungen durch Deutschland eine gründliche Bereisung Italiens hinzuzufügen vermocht); Anderes mußte nach den damals zugänglichen Abbildungen und kunstgeschichtlichen Darstellungen mitgegeben werden, wobei Kugler’s Ahnungsvermögen ihn oft auf das glücklichste geführt hat. Ein und derselbe lebendige Geist, gepaart mit dem Willen reiner Objectivität, durchdringt das Ganze und gewinnt den verschiedensten Epochen sowol ihr höheres ästhetisches Interesse, als auch ihr Zeugniß für den Geist der betreffenden Zeiten ab. Manches einzelne ist hier zum ersten Mal so glücklich geschaut und ausgesprochen, daß es nicht mehr überboten werden kann. – Von selber knüpfte sich dann an die Geschichte der Malerei der kühnere Entschluß, zum ersten Mal die Geschichte der ganzen bildenden Kunst zu erzählen. Es entstand in den nächsten Jahren dasjenige grundlegende Werk, in welchem die deutsche Wissenschaft die Entwicklung der monumentalen und künstlerischen Formen als einen großen organischen Gesammtproceß zu ergreifen suchte: das „Handbuch der Kunstgeschichte“ (Stuttgart, Ebner und Seubert, 1842, zweite Auflage 1848, bearbeitet von Jacob Burckhardt, dritte Auflage 1856–58, bearbeitet von K., vierte und fünfte Auflage 1861 und 1872, bearbeit von Wilhelm Lübke; erste und zweite Auflage in einem Band, die folgenden in zwei Bänden). K. war zu dem Unternehmen in höherem Grade ausgerüstet als seine Zeitgenossen, indem ihm nicht nur die damals publicirten Forschungen und die bereits mehr als irgend anderswo historisch geordneten Berliner Sammlungen zu Gebote standen, sondern auch jene reiche Fülle eigener Specialstudien, hauptsächlich aus der Kunst des deutschen Mittelalters, welcher er als emsiger Forscher und stilgewandter Zeichner so liebevoll nachgegangen war. Zu diesen Eigenschaften des Forschers und Specialisten gesellte sich eine allgemeine Bildung, welche überall die höchsten geistigen Gesichtspunkte über Leben und Geist der Völker zu gewinnen wußte. Seine innerste Ueberzeugung ging dahin, daß die Kunstgeschichte nur ein Zweig der allgemeinen Kulturgeschichte im reichsten Sinne des Wortes sei, und das Werk selbst veräth dies aller Orten dem kundigen Leser. Auch nach den Fortschritten der Kunstforschung seit vier Decennien wirken bis heute Kugler’s Eintheilung, Gruppirung und einzelne Anschauungen in hohem Maße nach, und welches auch die Wandelungen der allgemeinen Kunstgeschichte sein mögen, so bleibt dies Buch der Anfang und die Grundlage.

Die ebenso umfang- wie erfolgreiche Thätigkeit, die K. während der dreißiger und vierziger Jahre auf dem Gebiet der Kunstgeschichte entfaltete, umfaßt jedoch bei weitem nicht den ganzen Kreis seines damaligen Schaffens. Das historische Interesse, welches sich neben dem rein ästhetischen mit immer wachsender Kraft in ihm regte, führte ihn auch zur politischen Geschichte. Als mit dem J. 1840 die Säcularfeier des Regierungsantritts Friedrich des Großen herannahte, faßte er den Plan, eine übersichtliche Darstellung vom Lebensgange dieses Monarchen zu geben. Gelehrte Untersuchungen über das Zeitalter Friedrichs II. waren damals schon in Fülle vorhanden, an einer wirksamen Zusammenfassung des wissenschaftlich Errungenen fehlte es dagegen [311] gänzlich. K. besaß die Gabe, die Ergebnisse der Forschung sich vollständig anzueignen und doch nur das allgemein Wissenswerthe in sinniger Verknüpfung vorzutragen. Die schlichte Anmuth seiner Erzählung, die patriotische Wärme, welche dieselbe erfüllt, und der feine Tact, mit dem er Geist und Charakter des großen Königs so treffend zeichnete, daß die Grundlinien des von ihm entworfenen Bildes noch heute feststehen, alles dieses bewirkte, daß seine „Geschichte Friedrichs des Großen“ (Leipzig, Carl B. Lorck, 1840), ein Volksbuch von starker und nachhaltiger Zugkraft wurde, welches durch viele Auflagen und durch Uebersetzungen in alle Hauptsprachen Europas in den weitesten Kreisen Verbreitung fand. Behülflich zu diesem Erfolge war allerdings auch, daß Adolf Menzel den Text Kugler’s mit zahlreichen charaktervollen Illustrationen schmückte und der Verleger diese Geschichte Friedrichs des Großen schnell nacheinander in zwei Ausgaben, als anziehendes Prachtwerk und als bescheidenes Lesebuch veröffentlichte. – An die erste Leistung auf dem Gebiet der politischen Geschichte schloß sich bald eine zweite. Eduard Heinel hatte eine sehr wohlgemeinte, aber etwas weitschweifige populäre „Geschichte des preußischen Staates und Volkes“ bis in die Regierung des großen Kurfürsten geführt, als er durch Krankheit genöthigt wurde, die Feder niederzulegen. K. übernahm die Fortsetzung und veröffentlichte (Berlin, Duncker und Humblot, 1844) einen starken Band, der die preußische Geschichte vom Frieden von Oliva bis zum Tode Friedrichs II. (1660–1786) erzählt. Die Vollendung des Werkes mußte er jedoch, da er sich diesmal angesichts seiner übrigen Lebensaufgaben mit einer allzu umfangreichen Arbeit belastet hatte, einem dritten Verfasser (Karl Adolf Menzel) überlassen, wie er denn auch gleich darauf sich genöthigt sah, für die Herausgabe der zweiten Auflage der Geschichte der Malerei und der Kunstgeschichte die junge Kraft Jacob Burckhardt’s zu gewinnen. Der Theil der preußischen Geschichte, den K. geschrieben hat, zeigt im ganzen dieselben Vorzüge, wie die „Geschichte Friedrichs des Großen“, allein die gleiche künstlerische Abrundung, die nach der Lage der Dinge unerreichbar war, besitzt er nicht; auch leidet er darunter, daß er nur das Mittelglied eines übergroßen und nicht völlig harmonisch gestalteten Körpers ist.

Um die Mitte der vierziger Jahre trat in Kugler’s litterarischen Schöpfungen eine Pause ein, theils weil die Gesundheit des rastlosen Arbeiters der Schonung bedurfte, mehr aber, weil ihn amtliche Pflichten geraume Zeit hindurch völlig in Anspruch nahmen. Seit 1835 Professor an der Akademie der Künste und seit 1842 Senatsmitglied derselben Anstalt, wurde er 1843 von Minister Eichhorn zur Bearbeitung der Kunstangelegenheiten in das Kultusministerium berufen. Hier galt es, die Stellung der Kunst zum Leben, ihr Verhältniß zum Staate, ihre materielle Existenz sowol wie ihre Förderung in Sinne wahrhaft humaner Bildung und Gesittung ins Auge zu fassen. Um hierüber genügende Erfahrungen auch auswärts zu sammeln, wurde K. im J. 1845 mit einer Reise durch Deutschland, Belgien und Frankreich beauftragt. Die Resultate seiner Beobachtungen legte er in zwei längeren Abhandlungen vor: „Ueber die Anstalten und Einrichtungen zur Förderung der bildenden Künste und zur Conservation der Kunstdenkmäler in Frankreich und Belgien“ etc. (Berlin, Karl Reimarus, 1846) und „Ueber die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung mit besonderem Bezuge auf die Verhältnisse des preußischen Staates“ (anonym erschienen, Berlin, Karl Reimarus, 1847; beide Schriften wieder abgedruckt in den „Kleinen Schriften und Studien zur Kunstgeschichte“). K. hatte in der gesammten Kunstthätigkeit eine Manifestation der höchsten Ideen im Leben der Völker erkannt; er hatte das Bewußtsein, daß die Kunst eben deshalb einer der mächtigsten Hebel zur Förderung des Ethischen im nationalen Dasein, zur Kräftigung eines ächten nationalen Bewußtseins sei. In diesem Sinne sollte [312] der Staat sich ihrer Angelegenheiten annehmen; sie sollte einen wichtigen Theil in der großen Aufgabe der Volkserziehung bilden; doch war freie Bewegung, ungehemmte Entfaltung ihres Wesens eine Grundbedingung dieser Fürsorge. Eine Auffassung von solcher Tiefe führte K. von selber dazu, nicht blos die bildenden Künste, sondern auch die Musik und die Dichtkunst, namentlich in ihrem bedeutsamsten öffentlichen Auftreten, auf dem Theater, in den Kreis seiner Beobachtung zu ziehen. Dem Bühnenwesen, das allzu oft nur ein Gegenstand kaufmännischer Spreculation oder ein Zeitvertreib für die Großen und Reichen ist, schenkte er sogar hervorragende Aufmerksamkeit, weil er nichts sehnlicher wünschte, als der Bühne jene ideale Stellung und Bedeutung einer Bildungsanstalt des nationalen Geistes zu erwirken, welche Männer, wie Lessing, Schiller, Goethe und Immermann ihr zu geben trachteten. – Unter solchen Bestrebungen war das J. 1848 herangekommen, und es schien sich mit einem Male, wie für das gesammte nationale Leben, so auch für die Kunst das verwirklichen zu wollen, was patriotische Geister seit langen Jahren gehofft und ersehnt hatten. Unter Adalbert v. Ladenberg’s Verwaltung des Kultusministeriums wurden jene Vorarbeiten in umfassendster Weise gefördert und ein Plan für die durchgreifende Organisation des ganzen Kunstwesens im preußischen Staate entworfen. Um diese Zeit (1849) erfolgte auch die Ernennung Kugler’s zum geh. Regierungsrath und vortragenden Rath im Ministerium. Aber schon mit dem Rücktritte Ladenberg’s, im December 1850, wurden jene Bestrebungen unterbrochen. Der Reorganisationsplan blieb auf dem Papier und alle Hoffnungen und Wünsche mußten fürs erste resigniren. K., dem das J. 1857 die Ernennung als Geh. Oberregierungsrath brachte, sah sich darauf beschränkt, im einzelnen nach Kräften für das Gute und Schöne zu wirken, und das hat er bis an sein Ende redlich und treu gethan. Nicht lange nach seinem Tode wurde aus seinem Nachlaß noch die Schrift veröffentlicht „Grundbestimmungen für die Verwaltung der Kunstangelegenheiten im preußischen Staate“ (Berlin, Schroeder, 1859).

Seine amtliche Thätigkeit hatte jedoch die Neigung zu anderweitigem schöpferischen Wirken nie zu ersticken vermocht. Sobald ihm nur möglich, hatte er sich deshalb neuen und zwar rein künstlerischen Aufgaben zugewendet. Sinn und Begabung für manche Kunst waren ihm ja eigen, und jede hatte er so gewissenhaft gepflegt, daß er fast schwanken durfte, ob er als Dichter, Maler oder gar als Componist auftreten solle. Einen anmuthigen Beweis seiner vielseitigen Befähigung veröffentlichte er in fünf „Liederheften“ (Stuttgart, Ebner und Seubert, 1852), die theils seine Compositionen zu fremden Texten, theils seine Texte zu beliebten Volksmelodien enthalten und mit den von ihm entworfenen Bildnissen Chamisso’s, Reinick’s, Geibel’s und Eichendorff’s geschmückt sind. Vor allem aber drängte es ihn, dem Poeten, der in ihm steckte, zu seinem Rechte zu verhelfen. Dem oben erwähnten „Skizzenbuch“ waren inzwischen gefolgt das „Liederbuch für deutsche Künstler“ (Berlin, Vereinsbuchhandlung, 1833, gemeinsam herausgegeben mit R. Reinick), „Der letzte Wendenfürst, Novelle aus den Zeiten der Gründung Berlins“ (Berlin, Alexander Duncker, 1837, 2 Thle., herausgegeben unter dem Pseudonym F. Th. Erwin), „Gedichte“ (Stuttgart u. Tübingen, Cotta, 1840). Indessen an diese Anfänge, in denen noch die Stimmungen seiner Jugend lebten, konnte der gereifte, in schwerer Lebensarbeit bewährte Mann jetzt nicht mehr anknüpfen. Die Lyrik war ihm verflogen, das Traumleben der Romantik vor der historischen Klarheit seines Blickes verduftet: da ergriff ihn ein unwiderstehlicher Zug zum Drama, zum Theil durch seine amtliche Thätigkeit unter Ladenberg’s Verwaltung, mehr aber wol durch persönliche Einflüsse angeregt, weil er es liebte, mit jüngeren dichterischen Freunden Stoffe und Behandlungsarten dramatischer Projecte durchzusprechen. Aus diesem theoretischen Interesse wuchs nach und nach seine Neigung hervor, selbst Hand [313] anzulegen und eigene Pläne zu gestalten. In wenigen Jahren entstand so eine ganze Reihe von Dramen – ernster und heiterer Gattung –, die von den 8 Bändchen „Belletristischer Schriften“ (Stuttgart, Ebner und Seubert, 1851 bis 1852) die sechs ersten füllen, während die zwei letzten „Erzählungen“ (neue vermehrte Ausgabe 1859) enthalten. – Es wäre ungerecht, diese Dichtungen als dilettantische Ferienarbeiten eines Kunstforschers zu bezeichnen. Ein echt dichterisches Gemüth, eine starke Erfindungsgabe und ein sehr eigenthümlicher Kunstverstand sind all diesen Sachen eigen. Wenn sie gleichwol nicht zu voller Wirkung gediehen sind, wenn der Poet, der in ihnen allen steckt, nicht ganz herauszukommen vermag, so trägt allerdings die lange Beschäftigung mit den mannigfachen Formen des Kulturlebens einen Theil der Schuld, da die Wahl der Stoffe zumeist durch das Interesse an irgend einem charakteristischen Entwicklungspunkt der Geschichte geleitet wurde, einen größeren Theil jedoch die späte Hinwendung zu diesen Aufgaben, in einer Zeit, wo die Kraft leidenschaftlicher Empfindung und Darstellung schon gedämpft war. Helden, die mit einer gewissen Nüchternheit vergebens gegen das Hereinbrechen elementaren Verfalls ankämpfen und darüber zu Grunde gehen, daß ihnen selbst die entscheidende heroische Thatkraft abgeht (Pertinax, Hans v. Baisen) oder die durch übermächtige Verhältnisse anderer Art erdrückt werden, ohne es zu rechtem Handeln zu bringen (Marino Falieri), zogen den Dichter besonders an. Hier fehlte die volle Unmittelbarkeit des dramatischen Interesses, die Fähigkeit, durch starke innere Bewegung das Drama auf seine Höhe zu treiben. Am besten gelangen daher die Expositionsacte, während sich in den Liebesscenen eine gewisse conventionelle Lyrik ohne die durchschlagenden Naturlaute fühlbar macht. Wo es sich, wie in der „Tatarischen Gesandtschaft“, um ein freies Spiel mit einer Menge ergötzlicher Figuren handelt, war der Mangel eines straff geschürzten Intriguenknotens empfindlich. Ueberall daher zeigt sich die Kunst, zu charakterisiren und Personen und Zustände zu schildern, größer als die eigentlich dramatische. Kleinere Arbeiten, wie das schottische Liederspiel und die Bluette „Und doch“ gelangen am erfreulichsten. Die Bühne hat von diesen Versuchen zu wenig Notiz genommen. Von den größeren Dramen sind unseres Wissens nur „Jakobäa“, „Doge und Dogaressa“ und die „Tatarische Gesandtschaft“ zur Aufführung gekommen. – Viel mehr auf seinem eigensten Grund und Boden bewegte sich K. in seinen „Erzählungen“, zumeist Kulturbildern, die er gleichsam zur Ergänzung seiner strengeren historischen Arbeiten ausführte. Auch hier ist gelegentlich die letzte volle Illusion zu vermissen, und die Zustände sind interessanter als die handelnden Personen. Aber ein feiner Sinn für die Composition der Novelle und eine Fülle glücklich angeschauter Züge zeichnen Geschichten, wie „Genesius“, „Die Incantada“, „Ein italienischer Kunsthändler“, „Chlodosinda“ aufs vortheilhafteste vor vielen der heut in Mode gekommenen oberflächlichen Kulturnovellen aus, und ein Capriccio, wie Tizian’s Tochter, ist ein wahres Muster leichtspielender Phantastik. – Welchen Einfluß endlich der persönliche Umgang mit dem sinnigen, sich ins Feinste der Technik hineinfühlenden Freunde auf das jüngere Geschlecht, das damals in Berlin heranwuchs, geübt habe, läßt sich hier nicht im einzelnen nachweisen. Sein Grundsatz, es mit keiner Aufgabe leicht zu nehmen, wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit auch auf dichterische Arbeiten zu übertragen und nicht zu ruhen, bis man voll und ganz das Seinige gethan, ist vielleicht nur ihm selbst verhängnißvoll geworden, da es die nachtwandlerische Kühnheit lähmte, ohne die in der Kunst nichts wahrhaft Lebensvolles zu Stande kommt.

Daß er als Künstler nicht so durchschlagende Erfolge davontrug, wie als Gelehrter, minderte jedoch seinen freudigen Schaffensmuth nicht im geringsten, weil [314] seine sämmtlichen Kunstübungen seiner großen wissenschaftlichen Lebensaufgabe zu Gute kamen. Nach seiner Auffassung war ja die Kunstgeschichte nur von einem wahrhaft künstlerischen Naturell verständnißvoll zu umfassen, da sie nicht, wie dieser oder jener Zweig der Geschichtswissenschaft, auf einfache Sammlung, Sichtung und Combination von Urkunden angewiesen ist, sondern der nachschöpferischen Kraft der Phantasie bedarf. Ohne einen gewissen Grad des Könnens ist hier kein Erkennen zu hoffen, und K. durfte sich deshalb von jeher und selbst, nachdem er einige Jahre fast ausschließlich der Dichtkunst gewidmet hatte, sagen, daß seine künstlerischen Versuche ein Gewinn für seine Einsicht in die Geschichte alles ästhetischen Strebens seien. Als er nunmehr zur Kunstgeschichte zurückkehrte, veranstaltete er zunächst die mehrerwähnte Sammlung der „Kleinen Schriften und Studien zur Kunstgeschichte“, in der außer den berührten Abhandlungen noch umfangreiche Reisenotizen von bleibenden Bedeutung aus verschiedenen Lebenszeiten des Verfassers, Einleitungen zu bildlichen Publicationen, biographische Schilderungen (z. B. Schinkel’s vom J. 1842) und sehr viele Anzeigen und Kritiken enthalten sind. Als Kritiker verband K. im höchsten Sinne die Wahrheitsliebe mit der Gabe, das Neue und Bedeutende überall nach Kräften hervorzuheben. Sodann veröffentlichte er die dritte „gänzliche umgearbeitete“ Auflage des Handbuchs der Kunstgeschichte und begann gleichzeitig das dritte seiner kunstgeschichtlichen Werke von universalem Inhalte, die „Geschichte der Baukunst“ (Stuttgart, Ebner und Seubert, 1856 ff., von K. selber in drei Bänden bis zum Schluß des Mittelalters geführt und nach seinem Tode fortgesetzt durch Jacob Burckhardt für die italienische und durch Wilhelm Lübke für die französische und deutsche Renaissance). Dieselbe entspricht nicht nur der bis zu Kugler’s letzten Jahren stark vermehrten baugeschichtlichen Quellenkunde, sondern sie setzt sich auch, da die Rücksicht auf die Schwesterkünste hier wegblieb, ein freieres Ziel in der Gruppirung, welche hier mehr die nach Völkern, als nach scharf synchronistisch bemessenen Zeiträumen sein durfte. – Während aber die breit angelegte Geschichte der Baukunst seine Arbeitskraft in höchster Spannung erhielt, plante er schon eine Geschichte aller Künste oder richtiger des gesammten ästhetischen Strebens in redenden und bildenden Künsten, in Historiographie, Philosophie und jeglicher Schriftstellerei. Schon besuchte er deshalb alle musikalischen Aufführungen, in denen man „historische“ Musik hörte, und füllte sein Notizbuch trotz dem fleißigsten Referenten. Indessen zur Ausführung dieses Planes, der ihm warm am Herzen lag, sollte er nicht mehr kommen.

Die reiche Summe seiner Lebensarbeit ist mit dem Vorstehenden noch nicht erschöpft. Unter seiner Leitung begann der große kunstgeschichtliche Atlas, „Denkmäler der Kunst“, welcher seither (Stuttgart, Ebner und Seubert) in stets mehr bereicherter Gestalt veröffentlicht worden ist. Journalistische wirkte er während seiner ganzen Laufbahn, zuerst in jenem von ihm gegründeten „Museum“, seit 1842 im „Kunstblatt“ und seit 1850 im „Deutschen Kunstblatt“. Seine dichterische Ader regte ihn, auch nachdem er sich der Wissenschaft wieder zugewendet hatte, zu neuen kleineren (zum Theil in der „Argo, belletristisches Jahrbuch für 1854“, Dessau, Gebrüder Katz, gedruckten) Schöpfungen an. Unter seinen Papieren befand sich ein detaillirter Plan für gründliche Ausgrabungen in Olympia. Fruchtbare Ideen für umfangreiche wissenschaftliche Unternehmungen theilte er jüngeren Fachgenossen ebenso freigebig mit wie sinnigen Rath den Dichtern. In manchem Werke Jacob Burckhardt’s, Wilhelm Lübke’s, Hermann Weiß’, Friedrich Eggers’, Emanuel Geibels’s, Paul Heyse’s lebt sein Geist fort.

Mitten in frischester Gesundheit überfiel ihn in der ersten Hälfte des März 1858 eine leichte Lungenentzündung, die ärztlich, wie es scheint, nicht [315] richtig behandelt, am 18. März seinen Tod herbeiführte. Sein Familienleben war überaus glücklich gewesen. Von seinen drei Kindern war die Tochter, Margarete, mit Paul Heyse verheirathet; der ältere Sohn Bernhard lebt als Professor der Geschichte in Tübingen; der jüngere Sohn Johannes wandte sich der Kunst zu, wurde jedoch, kaum zum Manne gereift, von einem schweren Siechthum ergriffen, welches ihn verhinderte, der Malerei, für die er besonders begabt war, sich dauernd zu widmen. Auf seinem letzten Krankenlager schrieb er eine Novelle „Im Fegefeuer“ (gedruckt im „Salon“, Jahrgang 1873), in welcher er mit überraschender künstlerische Reife sein bitteres Leiden in liebenswürdiger Weise ironisirt. Er starb am 12. Decbr. 1873.

Franz K. war von stattlichem Wuchs. Bildung und Ausdruck des Antlitzes verkündeten seine reiche Begabung. Die „sokratischen“ Gesichtszüge und die mächtige Wölbung der Stirn veranlaßten, wie wohl des Andenkens werth ist, den alten Schadow, als K. sich in Studentenjahren bei ihm zum Zeichenunterrichte anmeldete, den Kopf des Schülers fest ins Auge zu fassen und denselben, jede Antwort vergessend, zu betasten. Dann erbat sich der Verfasser des „Polyklet“ zur gelegenen Zeit erneuten Besuch, weil er die interessante Kopfform messen müsse. Bernhard Asinger hat im Auftrage der Freunde Kugler’s eine Büste desselben angefertigt, die unter den Hallen des Neuen Museums in Berlin aufgestellt ist.

Vgl. besonders die Biographie Kugler’s von Friedrich Eggers, abgedruckt in Kugler’s Geschichte der Malerei, 3. Auflage, Bd. I.
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[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 307. Z. 4 v. u.: Franz Kugler ist in Stettin am 18. (nicht 19.) Januar 1808 geboren, wie er selbst auf Grund der Kirchenbücher in ein gegenwärtig (1888) im Besitz seines Neffen, Herrn Rechtsanwalts Ritschl befindliches Familienbuch verbessernd eingetragen hat. Ursprünglich pflegte er seinen Geburtstag am 19. Januar zu feiern. Seine Mutter war Sophie Dorothea Eleonore, geb. Sternberg, eine Predigerstochter aus Stettin. [Bd. 28, S. 807]