ADB:Burgkmair, Hans der Ältere

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Artikel „Burckmair, Hans“ von Alfred Woltmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 576–578, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Burgkmair,_Hans_der_%C3%84ltere&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:26 Uhr UTC)
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Burckmair: Hans B., Maler zu Augsburg, war der Sohn des Malers Thoman Burckmair (dies ist die gewöhnliche Schreibart des Namens). Letzterer befand sich 1460 in seinen Lehrjahren und starb 1523. Hans B. wurde im J. 1472 geboren, nach seinem Gemälde in der Belvedere-Gallerie zu Wien, das ihn mit seiner Gattin Anna Allerlahn, neben beiden im Spiegel statt ihrer Gesichter zwei Todtenköpfe, darstellt und in der Inschrift ihn im J. 1528 „LVI IAR ALT“ nennt. (Hiermit stimmt aber die Inschrift eines Holzmedaillons von 1518 auf der Berliner Kunstkammer mit dem Bildniß des Künstlers und mit der Bemerkung „Aetatis sue XLIIII“ nicht überein).[1] Von dem Vater hatte H. B. den ersten künstlerischen Unterricht empfangen und im J. 1498 wurde er in die Augsburger Malerzunft aufgenommen. In der Folge muß er directe Einflüsse von Italien erfahren haben, höchst wahrscheinlich war er in einigen Theilen Oberitaliens, besonders in Venedig; gerade mit dieser Stadt stand Augsburg im engsten Handelsverkehr. Schon im J. 1501 stellte er seiner Zunft einen Lehrjungen „Caspar Straffo, von Venedig geboren“, vor und auf seinem Holzschnitte: „Der Tod als Würger“ von 1510 kommt sogar eine völlig venetianische Scenerie mit Palästen, Canal und Gondel vor. Er war als Maler sehr productiv, schuf große und kleine Kirchenbilder, malte Augsburger Hausfaçaden in Fresco und machte eine große Anzahl von Zeichnungen für den Holzschnitt, zum Theil im Auftrag des Kaisers Maximilian. Endlich ist eine Radirung in Eisen von ihm vorhanden. Er starb im J. 1531, nicht 1559, wie man vielfach in Folge einer Verwechselung mit seinem Sohne Hans Burckmair dem Jüngeren angegeben findet, der gleichfalls Maler war, besonders durch das jetzt im Besitz des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen befindliche Turnierbuch bekannt ist und bis 1559 noch am Leben war.

Hans Burckmair’s erste datirte Bilder gehören zu einer Folge von Darstellungen der alten Basiliken Roms, welche für das Katharinenkloster in Augsburg von ihm, dem älteren Holbein und einem dritten unbekannten Meister gemalt wurden, zum Schmuck des Kreuzgangs und auf Veranlassung eines Ablasses, welcher dem Kloster von dem Papste verliehen worden war. Sie sind sämmtlich von breitem Spitzbogenformat und enthalten größtentheils in dem obersten Bogenfelde eine Scene aus Christi Leidensgeschichte, darunter meistens ein Gebäude, welches die betreffende Basilika darstellen soll und in verschiedenen Abtheilungen legendarische Scenen, welche mit ihr in Zusammenhang stehen. Hans B. begann im J. 1501 mit der Basilika des heiligen Petrus, deren Hauptdarstellung den Apostel mit der päpstlichen Krone vor der Basilika thronend und von Heiligen umgeben zeigt. Im nächsten Jahr malte er die Basilika San Giovanni in Laterano mit Darstellungen aus der Geschichte Johannes des Evangelisten, im J. 1504 die sehr bedeutende Basilika Santa Croce, welche in einem Mittelfelde die Wallfahrt zum heiligen Kreuz, auf zwei Seitenfeldern den Martyrtod [577] der heiligen Ursula und ihrer Jungfrauen darstellt. Schritt für Schritt offenbart der Künstler in diesen Werken eine kräftige Fortentwicklung. Der Vortrag hat oft noch etwas Schweres und Zähes, der Ton spielt sehr in das Bräunliche, die starke Anwendung von aufgesetztem Blattgold gibt den Bildern einen alterthümlichen Charakter. Aber mehr und mehr offenbart sich ein kräftiges Formgefühl, das freilich nicht immer von kleinen Verzeichnungen und Mißverhältnissen frei bleibt. Wie diese sich nach und nach mildern, so verschwindet auch allmählich das Scharfe in den Gewandmotiven, B. eignet sich eine stilvolle Großartigkeit im Faltenwurf an und seine Gestalten, ob auch meist gedrungen, sind stattlich, selbst imposant, bei einer gewissen Wucht in Auftreten und Geberde. Das Hastige und Verzerrte, in welches die ältere deutsche Kunst oft verfällt, streift er beinahe völlig ab, seine Motive und Bewegungen sind meistentheils maßvoll, aber dramatisch und energisch. Er modellirt die Fleischpartien sorgfältig und bildet ein warmes, gesättigtes Colorit voll wirkungsvoller Leuchtkraft der Töne aus. Anziehend ist bei ihm namentlich auch die echt malerische Ausbildung der Landschaft, mit welcher er schon in dem Bilde von 1501 den Anfang macht, und ein besonderes Interesse gewährt die frühe Einführung der Renaissance-Ornamente in seinen Bildern, bei verständnißvollem Anschluß an die Meister Oberitaliens. Spuren davon kommen schon in der Johannis-Basilika von 1502 vor, in größerer Ausbildung in einem gleichfalls der Augsburger Gallerie gehörigen Altar von 1507, einer Darstellung Aller Heiligen, welche die von Christus gekrönte Jungfrau verehrend umgeben. Schon in diesem Werke hat B. sich zu einem wahrhaft modernen Stil durchgearbeitet. Diesen erkennt man ferner in einem andern Altar mit ähnlicher Darstellung im Augsburger Domchor, dann namentlich in der anmuthigen kleinen Madonna mit der Traube von 1510 in der Moritzcapelle zu Nürnberg. Von 1519 stammt ein imposanter Flügelaltar in der Augsburger Gallerie: Christus am Kreuz mit Maria, Johannes und Magdalena, auf den Innenseiten der Flügel die Schächer, auf den ehemaligen, jetzt abgetrennten Außenseiten die würdevollen Gestalten der Heiligen Georg und Kaiser Heinrich, welche unter Bogenhallen stehen. Schon hier ist namentlich auch die Landschaft auf dem Mittelbilde bemerkenswerth, noch vollendeter, voll saftigen Grüns und schöner Behandlung der Vegetation, erscheint sie in dem Johannes auf Pathmos in der Münchner Pinakothek. Aus seiner spätesten Zeit rühren die Bildnisse Herzog Wilhelms IV. von Baiern und seiner Gemahlin Jakobäa in der Pinakothek (1526), Esther vor Ahasverus ebendaselbst (1528), sein geschildertes Familienbild im Wiener Belvedere (1528), endlich die Schlacht bei Cannä in der Augsburger Gallerie (1529) her. Diese ist eine bewegte Reiterschlacht im Costüm des 16. Jahrhunderts, bei kleinen Figuren von außerordentlicher Lebendigkeit.

Das Gebiet der Profangeschichte ist für B. überhaupt besonders günstig, da er eine durchaus weltliche Gesinnung verräth und selbst in seinen Kirchenbildern zwar Adel und Würde, niemals aber eine wirklich religiöse Empfindung offenbart. Wenn er Kämpfe, Kriegszüge, Lagerscenen, auch wol große Haupt- und Staatsactionen darstellt, ist er ganz in seinem Element. Dazu wurde ihm namentlich in der Façadenmalerei an Augsburger Wohnhäusern Gelegenheit, aber von diesen ist heute das meiste untergegangen. Sandrart führt außer einer Façade gegenüber der St. Annenkirche, die heute nur in sehr traurigem Zustande besteht, noch ein Fugger’sches Eckhaus am Weinmarkt an.

Die ganze Ausdehnung des Stoffgebietes, welches B. beherrscht, tritt uns besonders in den Holzschnitten nach seinen Zeichnungen entgegen. In solchen Arbeiten war er vorzugsweise productiv, er gehört nächst Dürer zu denjenigen deutschen Malern, welche dieser Technik das größte Verständniß entgegenbrachten, [578] obwol er selbst nicht den Formschnitt auszuüben pflegte. Der Schnitt seiner vorzüglichsten Blätter rührt meistens von Jost de Necker in Augsburg her. In den Holzschnitten nach B. tritt uns auch eine gewisse Verwandtschaft mit Albrecht Dürer entgegen, für dessen Schüler B. irrthümlich von Sandrart ausgegeben wird. Er mag aber nur Arbeiten dieser Gattung von seinem großen Zeitgenossen studirt haben; in der malerischen Technik haben beide nichts mit einander gemein. Außer Heiligengestalten und biblischen Scenen kommen zahlreiche profane Darstellungen vor: Gestalten der sieben Planeten, der sieben Cardinaltugenden, Gruppen der drei guten Christen, Juden und Heiden nebst ihren weiblichen Gegenstücken, launige Schilderungen von der Weiberlist; ferner zahlreiche Bücherillustrationen, namentlich für den Drucker H. Stainer in Augsburg, Wappen, Initialen mit Kindergestalten. Jost de Necker arbeitete nach ihm einige vorzügliche Clairobscur-Blätter, so die vortrefflichen Porträtköpfe von Paumgartner und von Jakob Fugger, dann aber namentlich das schon früher erwähnte Blatt von 1510: der Tod hat einen Jüngling zu Boden geworfen, würgt ihn mit beiden Händen und packt mit den Zähnen zugleich das Gewand einer fliehenden Frau. Dies gehört zu den geistvollsten Todesphantasien der damaligen Kunst und bleibt an dramatischer Wirkung und an hinreißender Bewegung nicht hinter Holbein’s berühmten Todesbildern zurück. Hier hat B. sich eine wahrhaft italienische Freiheit des Stils, einen überraschenden Adel in Form und Bewegung angeeignet. Unter den Arbeiten für Maximilian seien vor allem 66 Blatt zu dem Triumphzuge des Kaisers, für welchen er gemeinschaftlich mit Dürer und Andern arbeitete, erwähnt, dann die Genealogie des Kaisers, die große Folge der österreichischen Heiligen und besonders der Weißkunig, in welchem der Künstler das Leben des Fürsten im Krieg und Frieden anschaulich und lebendig erzählt. – Wenn Dürer und Holbein auch unter den deutschen Malern des 16. Jahrhunderts unbestritten die erste Stelle einnehmen, so gehört doch B. zu denen, welche ihnen zunächst stehen, und ist einer der kräftigsten Vorkämpfer der Renaissance.

Malerbuch auf dem städtischen Archiv zu Augsburg. – Sandrart, Teutsche Akademie, I. Bd. II. S. 232. – Waagen, Handbuch der niederl. und deutschen Malerschulen, I. 255, und Kunstwerke und Künstler in Deutschland, II. – Peintre-Graveur von Bartsch und Passavant etc. – Thausing, Dürer’s Triumphwagen. – Mittheilungen der k. k. Centralcommission, Bd. XIII. – W. Lübke, Geschichte der deutschen Renaissance, S. 52. – v. Huber, Die Malerfamilie Burgkmaier von Augsburg (in der Zeitschr. des hist. Vereins für Schwaben und Neuburg, Jahrg. 1, Heft 2–3).

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 576. Z. 16 ff. v. o.: Nach kürzlich vorgenommener Untersuchung lautet die Inschrift auf dem Bildniß Burckmair’s im Wiener Belvedere nicht 1528, wie der Katalog angibt, sondern 1529 (MDXXVIIII). Der Meister war daher 1473 geboren. Demnach besteht kein Widerspruch mehr zwischen dieser Angabe und der Inschrift auf dem Medaillen-Modell von 1518. Er wird hier 44 Jahre alt genannt, weil er in diesem Jahre seinen Geburtstag noch nicht erlebt hatte. [Bd. 5, S. 795]