ADB:Holbein, Hans der Jüngere

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Artikel „Holbein, Hans der Jüngere“ von Eduard His in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 715–724, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holbein,_Hans_der_J%C3%BCngere&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 14:29 Uhr UTC)
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Holbein: Hans H. der Jüngere wurde um 1497 zu Augsburg geboren und empfing daselbst, wie man wol mit Recht annehmen darf, von seinem Vater, Hans H. d. Ae., einem für seine Zeit vorzüglichen Maler, die erste Anleitung in der Kunst. Ob er demselben bei der Ausführung mehrerer Gemälde behülflich war, ist nicht festgestellt; jedenfalls war dies aber nicht in demjenigen Maße der Fall, wie von einigen behauptet worden, wonach verschiedene Hauptwerke des älteren H. den hohen Grad ihrer Vortrefflichkeit der Beihülfe des Sohns verdanken sollen. Vielmehr war der Standpunkt von dessen künstlerischer Ausbildung zur Zeit, als er im Alter von ungefähr 18 Jahren die Vaterstadt verließ und sich nach der Schweiz wandte, noch ein jugendlich unreifer. – Daß er sich bei Beginn der zweiten Hälfte des J. 1515 bereits in Basel befand, ist durch eine Arbeit nachweisbar, deren Entstehungszeit durch den Tod des Bestellers, des in der Schlacht bei Marignano als Held gefallenen Hans Bär von Basel, bedingt ist. Es ist dies eine mit allerlei launigen Darstellungen bemalte Tischplatte, welche schon Sandrart beschrieben hat, die aber nach langer Verschollenheit erst in jüngster Zeit von Prof. Vögelin, leider in sehr beschädigtem Zustand, in der Bibliothek von Zürich wieder aufgefunden wurde. Zwei undatirte Jugendarbeiten im Museum zu Basel, Studienköpfe eines Jünglings und einer Jungfrau mit Heiligenscheinen, mögen vielleicht noch weiter zurückreichen. – In neuester Zeit gelangte überdies diese Sammlung in Besitz einer mit 1514 datirten unzweifelhaften Arbeit Holbeins, leider gleichfalls im Zustand der Ruine, nämlich einer Madonna mit dem Kind zwischen logenartig durchbrochenen Pfeilern, in welchen Engelchen theils in Posaunen blasen, theils Spruchtäfelchen halten, darüber ein Architrav, worauf sieben andere mit den Marterwerkzeugen Christi stehen. Zu den frühesten Zeugnissen seiner Anwesenheit in Basel gehören auch die Randzeichnungen eines Exemplars des Lobes der Narrheit [716] von Erasmus, welche H., zufolge einer darin befindlichen handschriftlichen Anmerkung des Myconius, welchem das Buch später gehörte, im December 1515 fertigte. Auch hier zeigt sich die jugendlich scherzhafte Laune des Künstlers, welche die satirischen Intentionen des Autors mit richtigem Humor aufzufassen und zu illustriren verstand, und man wird gerne der Notiz des Myconius Glauben schenken, daß Erasmus sich an diesen 82 feinen Federzeichnungen sehr ergötzt habe. 1516 malte H. das Doppelporträt des Bürgermeisters Jacob Meyer „zum Hasen“ und seiner Gemahlin, welches sich nebst den in Silberstift gezeichneten Skizzen dazu in der Basler Kunstsammlung befindet. Wiewol diese Arbeit ihn noch nicht auf seiner vollen Höhe als Porträtmaler zeigt, so ist sie doch für einen 19jährigen Künstler sehr beachtungswerth. Aus dem nämlichen Jahre datirt, befindet sich, von seiner Hand gemalt, in einer Privatsammlung zu London das Bildniß Hans Herbsters. Dieser, aus Straßburg gebürtig und Vater des berühmten Buchdruckers Oporinus, war zur Zeit der Ankunft der Brüder H. in Basel der angesehenste Maler daselbst, und es liegt die Vermuthung nahe, daß H. in seiner Werkstätte als Geselle Aufnahme gefunden habe; denn daß er in so jugendlichem Alter als zünftiger Meister einer eigenen Werkstätte vorgestanden habe, ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch durch thatsächliche Beweise widerlegt. Noch eine Arbeit eigenthümlicher Art ist aus dem J. 1516 erhalten, die ungeachtet ihres handwerklichen Charakters, sich doch durch eine gewisse Sorgfalt der Ausführung als Kunstwerk qualificirt. Es ist ein auf beiden Seiten bemaltes Aushängeschild eines Schulmeisters; auf der einen Seite ist dargestellt, wie derselbe und seine Frau Knaben und Mädchen im Lesen unterrichten; auf der anderen sitzen mehrere junge Männer in einer Schreibstunde. Ueber beiden Bildern steht eine Einladung an Bürger, Handwerksgesellen, Frauen und Jungfrauen, Knaben und Mädchen, die Schule zu besuchen, um deutsch schreiben und lesen zu lernen (Basler Museum). Während die Jahrzahl 1517 auf den als Studien nach der Natur gemalten Brustbildern von Adam und Eva (Basler Museum) es als wahrscheinlich erscheinen lassen, daß H. zu Anfang dieses Jahres noch in Basel weilte, begegnen wir im nämlichen Jahr seiner Spur in Luzern, wo er für den Schultheißen Jacob Hertenstein ein Haus in- und auswendig mit Frescomalereien zierte, welche bis zu dessen Abbruch im J. 1824 sichtbar waren. Die Façade enthielt außer anderen, der Geschichte des Alterthums entnommenen, Darstellungen einen römischen Triumphzug, nach dem damals durch den Kupferstich bekannten Triumphzug des Cäsar von Mantegna. Auch von kirchlichen Bildern, die H. in Luzern gemalt haben soll, berichtet 1676 der berühmte Arzt und Kunstfreund Charles Patin; da aber nichts mehr davon vorhanden, so ist seine Aussage mit Vorsicht aufzunehmen. Nun folgt eine Lücke von ungefähr zwei Jahren in der Kunde von Holbein’s Leben, in Betreff welcher man auf Muthmaßungen angewiesen ist. Viele unverwerfliche Merkmale in seinen auf diesen Zeitraum folgenden Bildern deuten auf einen Einfluß der oberitalienischen Kunst hin, so z. B. seine Anwendung der italienischen Renaissanceformen in Architektur und Ornamentik und ein gewisses Nachstreben nach dem Leonardesken Idealtypus in verschiedenen Frauenköpfen. Theilweise wird man aber auch an Mantegna’s Kunstrichtung erinnert. Man glaubt daher, daß H. von Luzern aus seinen Weg über die Alpen nahm und in den lombardischen Städten nähere Bekanntschaft mit der oberitalienischen Kunst machte. Gestützt wird diese von keinem Kunsthistoriker mehr ernstlich in Zweifel gezogene Annahme durch die unbestrittene Folgerung, daß er die Vollendung, die sich fortan in seinen Bildern zeigt, nur in Berührung mit hervorragenden Meistern und durch das Studium ausgezeichneter Vorbilder erlangen konnte, welche in der Schweiz unmöglich zu finden waren. [717] Es mag auf seiner Rückreise aus Italien gewesen sein, daß er 1519 in Brixen das Bildniß eines dortigen Domherrn, Angerer, malte, nach dem Urtheil von J. Burckhardt ein Meisterwerk ersten Ranges (Ferdinandeum zu Innsbruck). Im Herbst 1519 treffen wir H. wieder in Basel und nun denkt er an die Gründung einer eigenen Werkstätte. Er läßt sich den 25. September in die Zunft der Maler „zum Himmel“ aufnehmen und schon im folgenden Monat gibt ein herrliches Porträt, dasjenige des Rechtsgelehrten Bonifacius Amerbach, Zeugniß von seinen Fortschritten in der Kunst (Basler Museum). Seine Aufnahme in das Bürgerrecht der Stadt findet sich unter dem 3. Juli 1520 aufgezeichnet, und um diese Zeit scheint er sich auch verehelicht zu haben. Seine Gattin Elsbeth war die Wittwe eines Gerbers, Namens Schmidt, und Mutter eines Sohnes aus dieser Ehe. – Wie bald der junge Künstler bei seinen neuen Mitbürgern die ihm gebührende Würdigung fand, mag man daraus erkennen, daß ihm schon im ersten Jahr nach seiner Bürgeraufnahme der Rath von Basel den Auftrag ertheilte, den neuen Rathssaal mit Wandgemälden zu schmücken. Er malte dem Alterthum entnommene Züge von strenger Rechtspflege und Unbestechlichkeit, so Charondas, welcher sich wegen unbedachter Uebertretung seines eigenen Verbotes entleibt; Zaleukos, der die Strafe seines zur Blendung beider Augen verurtheilten Sohnes zur Hälfte an sich vollziehen läßt; Curius Dentatus, der, mit der Zubereitung eines Rübengerichts beschäftigt, die Geschenke der Samniter zurückweist; außerdem, als abschreckendes Beispiel, die Demüthigung des gefangenen Kaisers Valerian, über dessen Rücken sein Besieger, der Perserkönig Sapor II., zu Pferd steigt. Zwischen den Fenstern brachte er allegorische Figuren an, die Mäßigkeit, die Weisheit, die Gerechtigkeit etc. Die Bemalung der vierten Wand wurde ihm aus unbekannten Gründen erlassen; dessenungeachtet erhielt er die für die ganze Arbeit bedungene Summe von 120 fl. ausbezahlt. – Aus dem J. 1521 ist ferner im Basler Museum ein Werk, welches ungeachtet seines sehr realistischen Charakters doch Holbein’s vollendete Meisterschaft namentlich als Colorist bekundet; es ist der Leichnam Christi im Grabe ausgestreckt, ein Bild von erschreckender Wahrheit der Darstellung. Sowol Format als Gegenstand scheinen dafür zu sprechen, daß es für eine Altarstaffel (predella) bestimmt war. In diesem Fall dürfte vielleicht H. für eben diesen Altar sein berühmtes Hauptwerk, die Passion Christi in acht Abtheilungen, als Altartafel gemalt haben (Basler Museum). Dieses maßvoll concipirte und auf das sorgfältigste ausgeführte Bild verräth unverkennbar den Einfluß italienischer Vorbilder, namentlich Mantegna’s. H. weicht darin nicht nur von der naiven Praxis ab, die Personen im Costüm seines Zeitalters darzustellen, sondern vermeidet es auch, das ästhetische Gefühl durch übertriebene Häßlichkeit und Rohheit der Peiniger Christi zu beleidigen. Einige der Scenen, wie das Gebet in Gethsemane und die Grablegung sind von ergreifender Wahrheit des Ausdrucks. Eine andere Folge von zehn Passionsscenen, jedoch nur mit der Feder gezeichnet, und getuscht, vielleicht als Skizzen zu Glasgemälden, muß wol ungefähr der nämlichen Epoche angehören, zeigt aber einen gewissen Hang zu realistischer Uebertreibung. Aus dem J. 1522 sind mehrere Kirchenbilder vorhanden, nämlich in der Gallerie zu Karlsruhe zwei kleinere Altarflügel mit St. Georg und St. Ursula, wol für eine Dorfkirche bestimmt und daher etwas handwerksmäßig gemalt. Dagegen wurde ein aus diesem Jahr datirtes Hauptbild erst in neuerer Zeit aufgefunden, nämlich eine Madonna mit dem Kinde, zwischen St. Martin und St. Ursus (Museum zu Solothurn), leider in sehr ruinirtem Zustand und daher sehr eingreifend restaurirt. Im Gesicht der Maria erkennt man die noch jugendlich anmuthigen Züge von Holbein’s Gattin; für das Kind scheint er sein eigenes Knäblein als Modell benützt zu haben. Ein noch bedeutenderes Altarbild, [718] dessen Entstehungszeit schwer zu bestimmen ist, befindet sich in einer Seitenkapelle des Freiburger Münsters; es besteht aus zwei Flügeln mit den Darstellungen der Geburt Christi und der Anbetung der Könige. Darunter die Bildnisse des Stifters Jacob Oberried von Basel und seiner zahlreichen Familie. Diese jedoch von einer schwächeren Hand, vielleicht von Ambrosius H. gemalt. Für die Orgel des Basler Münsters malte H. zwei Flügel braun in braun auf Leinwand; auf dem einen „Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin“, zwischen ihnen der Bau des Münsters; auf dem anderen die „hl. Jungfrau und Bischof Pantalus“, getrennt durch eine singende Engelgruppe. Leider wurde dieses schöne Werk durch Vernachlässigung sehr beschädigt und mußte an mehreren Stellen ergänzt werden, was mit Hülfe der noch vorhandenen getuschten Skizze geschehen konnte, die von großer Schönheit ist (Basler Museum). Ebendaselbst braun in braun gemalt ist ferner ein kleines Diptychon; links der dornengekrönte Christus, sitzend, als Mann der Schmerzen; rechts Maria als Schmerzensmutter; die Umgebung bildet ein Prachtgebäude in reichem Renaissancestil mit kunstreicher Perspective, wieder ein Bild, das für italienischen Einfluß zeugt. Dasselbe kann man von einem Abendmahl sagen, von erstaunlicher Energie des Colorits (Museum zu Basel). Das berühmteste Werk aus Holbein’s erster Baslerzeit ist die Madonna mit der anbetenden Familie des Bürgermeisters Meyer „zum Hasen“. Das in Darmstadt im Besitz der Prinzessin Karl von Hessen befindliche eigentliche Original ist durch Restauration stark alterirt, während die früher für Original gehaltene alte Copie in der Dresdener Gallerie noch gewisse Holbein’sche Eigenthümlichkeiten aufweist, welche in jenem durch Uebermalung verloren gegangen sind. Ueber dieses Bild existirt eine so ausgedehnte Speciallitteratur, daß hier von einer eingehenden Besprechung abgesehen werden kann. Die Entstehung dürfte in das J. 1526 oder frühestens 1525 fallen. Holbein’s unvergleichliche Begabung für das Porträtfach, welche ihm schon bei seinem Auftreten in Basel hohe Gönner erworben hatte, wurde von den hervorragendsten Persönlichkeiten der Stadt in Anspruch genommen. Erasmus ließ sich oft von ihm malen und sandte diese Bildnisse an seine entfernten Freunde und Gönner; eines derselben, das der Erzbischof Warham von Canterbury erhielt, befindet sich in Longford Castle, ein zweites, im Profil aufgenommen, ist in der Louvre-Gallerie zu Paris und eine Wiederholung davon im Museum zu Basel. Auch des Erasmus Freund, der berühmte Buchdrucker Froben, wurde von H. gemalt, sowie der Buchdrucker Oporinus. Seltener sind seine Frauenbildnisse. Doch besitzt die Basler Sammlung deren zwei von großer Schönheit und eigenthümlicher Auffassung. Beide stellen eine und dieselbe Dame aus dem Basler Geschlecht von Offenburg dar; das reiche und elegante Costüm ist auf beiden ungefähr dasselbe; auf dem einen Bild ist sie als Venus gedacht, indem sie ein kleines nacktes Kind, das sich durch einen Pfeil im Händchen als Amor kennzeichnet, bei sich stehen hat; das andere trägt die Unterschrift: „Lais corinthiaca“, 1526. Der Charakter der berüchtigten Buhlerin wird durch ihre Handgeberde angedeutet, welche zu einem Häufchen vor ihr liegender Goldstücke noch mehr zu begehren scheint. In beiden Bildnissen ist ein Streben nach dem bei Leonardo da Vinci so beliebten Frauenideal unverkennbar. Daß das Umsichgreifen der reformatorischen Bewegung den bildenden Künsten, welche bisher größtentheils der Heiligenverehrung ihr Dasein verdankt hatten, verderblich sein mußte, ist begreiflich. Auch H. empfand ihren lähmenden Einfluß auf die Ausübung seiner Kunst, und sah sich durch Nahrungssorgen genöthigt, auf einen Ersatz für den Ausfall der kirchlichen Bestellungen bedacht zu sein. Erasmus rieth ihm zu einem Aufenthalt in England, wobei er ohne Zweifel Holbein’s eminente Begabung für das Porträtfach im Auge hatte, für welche der Maler bei der reichen [719] englischen Aristokratie ein einträgliches Arbeitsfeld finden würde. Er versah ihn mit Empfehlungsbriefen an hochgestellte Personen; derjenige an den Kanzler Thomas Morus ist durch den Druck bekannt. Erasmus beruft sich darin auf sein schon früher gemaltes und nach England gesandtes Bildniß. Doch bevor wir dem Maler nach England folgen, müssen wir einen Blick auf einen Theil seiner bisherigen Thätigkeit werfen, welcher wol ebenso sehr als seine Gemälde Zeugniß von seiner Genialität und seiner Geistesrichtung gibt. Es sind dies seine Vorzeichnungen für den Holzschnitt, welcher in dem als Druckort hervorragenden Basel eine besondere Pflege fand, da manche Drucker ihre Verlagswerke mit bildlichen Darstellungen oder wenigstens mit verzierten Titelblättern auszustatten pflegten. Die große Zahl der Holbein’schen Holzschnitte im Einzelnen durchzugehen, ist hier nicht der Ort; doch sind einige seiner Arbeiten auf diesem Felde namhaft zu machen, welche seinen Ruhm damals noch weiter verbreiteten, als seine gemalten Kirchenbilder und Bildnisse. Es sind dies seine Bilder zum Alten Testament, und noch mehr seine Todesbilder, imagines mortis, gewöhnlich auch sein „Todtentanz“ genannt, welche er für den unvergleichlichen Formschneider Lützelburger zeichnete, der die Holzschnitte aus Auftrag eines Lyoner Verlegers ausführte. Beide Folgen, besonders aber die Todesbilder, erfuhren eine große Anzahl von Auflagen und Nachahmungen. Eine miniaturartige Folge von Todesbildern zeichnete er für ein Uncialalphabet, welches Lützelburger mit unübertroffener Feinheit in Holzschnitt ausführte. Für Holbein’s Standpunkt in Betreff der Reformation sind zwei längliche Holzschnitte bezeichnend. Der eine ist eine Satire auf den Ablaßkram, die linke Seite zeigt Gott Vater, der drei in tiefer Reue zu ihm betenden Sündern erbarmungsvoll die Vaterarme entgegenbreitet; rechts erblickt man den Papst auf seinem Thron, welcher dem Kanzler die Ablaßbulle überreicht, während im Vordergrunde dem herbeieilenden Volk die Indulgenzen um Geld verschachert werden; die Armen, welche keines anzubieten haben, werden schnöde abgewiesen. Das andere Bild zeigt in der Mitte einen brennenden Leuchter, auf welchen Christus als auf das wahre Licht deutet. Ihm nahen von links geringe Leute, Bauern, Fischer etc., während rechts die Clerisei mit dem Papst an der Spitze, von dem Lichte sich abwendet und blindlings in eine Grube stürzt. – Wie von den Buchdruckern, so wurde Holbein’s Erfindungsgabe auch noch von anderen Kunsthandwerkern in Anspruch genommen, z. B. von den Goldschmieden, namentlich aber von den Glasmalern; bilden doch seine Vorzeichnungen zu Glasgemälden einen wesentlichen Theil des Holbein’schen Zeichnungsschatzes des Basler Museums. Sie erforderten in Folge der meistens Porticusähnlichen Umrahmungen eine große Kenntniß architektonischer Renaissance-Ornamentik, worin sich in der That Holbein’s schöpferisches Genie auf die mannigfaltigste Weise bewährt. Dasjenige Werk, in welchem er sich hierin vor allem groß zeigte, war die Bemalung einer einfachen Hausfaçade, welcher er durch reiche architektonische Gliederungen, Säulenhallen, Gallerien, Portiken etc., das Aussehen eines phantastischen Prachtbaues gab. Ueber der Thür brachte er einen Bauerntanz an, weil das Haus die Benennung „Zum Tanz“ hatte. Eine Durchzeichnung des Gesammtentwurfs besitzt das Basler Museum; die Originalskizze der linken Seite das Berliner Handzeichnungscabinet. – H. reiste im Herbst 1526, mit Zurücklassung seiner Familie, nach England ab. Er nahm seinen Weg über Antwerpen, wohin ihm Erasmus einen Empfehlungsbrief an seinen Freund Peter Aegidius gab, der die Bitte enthielt, seinen Empfohlenen bei Quentin Messys, dem damals berühmtesten flämischen Maler, einzuführen. In England angelangt, fand H. im Hause des Thomas Morus, Dank der Empfehlung des Erasmus, gastfreundliche Aufnahme und Beschäftigung. Er malte nicht nur verschiedene Male dessen [720] Porträt, sondern auch ein großes Bild der ganzen Familie, bestehend in zehn Personen, welches zwar leider verschollen ist, aber wovon die Federskizze, die er später selbst dem Erasmus nach Basel brachte, noch im dortigen Museum vorhanden ist. Auch mehrere andere Bildnisse von hochgestellten Personen, welche in jenen zwei Jahren seines ersten Aufenthalts in England entstanden, mochte er den Empfehlungen des Erasmus verdanken, so das mit 1527 bezeichnete des Erzbischofs von Canterbury, Warham, in zwei Exemplaren noch vorhanden (Lambeth House und Louvre) und außerdem in der Skizze in Windsor; ebenso das Bildniß des Bischofs von Rochester, John Fischer, nur noch in zwei Zeichnungen vorhanden, und den Stallmeister des Königs, Sir Henry Guildford (Windsor Castle), auch dieses 1527 datirt. Außerdem besitzt die Louvre-Gallerie das herrliche lebensgroße Bildniß des königlichen Astronomen Nicolaus Kratzer, eines geborenen Münchners, von 1528; die Dresdener Gallerie das Doppelbild Thomas Godsalve und seines Sohnes John. Daß auch noch andere Bildnisse aus dieser Zeit stammen mögen, ist anzunehmen, aber weil solche nicht datirt sind, nicht sicher nachzuweisen. – Im August 1528 finden wir H. wieder bei den Seinigen in Basel. Aus seinen in England gemachten Ersparnissen kaufte er sich am 29. des genannten Monats ein am Rhein gelegenes Haus in der St. Johann-Vorstadt, wofür er 300 fl. bezahlte. Drei Jahre später vergrößerte er diesen Besitz durch den Ankauf eines kleinen Nebenhauses um 70 fl. Er überbrachte damals dem Erasmus jene Federskizze des Moore’schen Familienbildes, über welches Geschenk derselbe sein Entzücken in einem Brief an Moore’s Tochter, Margaretha Roper, ausdrückt. Auch jetzt scheint wieder Erasmus Holbein’s hauptsächlichster Arbeitgeber gewesen zu sein, indem er sich wiederholt von ihm malen ließ. Eines dieser Bildnisse, 1530 datirt, befindet sich in der Gallerie zu Parma, das andere ist die wunderbar feine Oelminiatur im Basler Museum. Außerdem zeichnete er ihn zwei Mal für den Holzschnitt, nämlich das eine Mal in ganzer Figur stehend, unter einem prachtvollen Porticus, die Rechte auf dem Kopf des Terminus, seines Sinnbildes, ruhend; das andere Mal in Profil für ein kleines Rundbild, welches in verschiedenen Werken des Erasmus auf der Rückseite angebracht ist. Bald nach seiner Rückkehr entstand auch das berühmte Bild von Holbein’s Gattin und zwei Kindern in Lebensgröße, in meisterlichen Zügen mit leichtem Auftrag auf Papier gemalt, und doch von erstaunlicher coloristischer Wirkung (Basler Museum). Die Hauptarbeit Holbein’s in dieser Epoche ist die Vollendung der Wandgemälde im Rathssaal. Auf die früher leer gebliebene Wand malte er zwei alttestamentliche Geschichten, Saul, welcher wegen seines Ungehorsams gegen Gottes Befehle von Samuel zur Rede gestellt wird, und Rehabeam, der seinem Volke eine härtere Behandlung androht, als die unter seinem Vater erduldete. Für diese Arbeit findet sich in den Rathsrechnungen die Bezahlung von 60 fl. an H. notirt. Diese Malereien sind mit den übrigen des Rathsaales untergegangen, bis auf wenige Fragmente, welche von der Mauer abgelöst werden konnten und sich im Museum befinden, woselbst auch zu beiden Darstellungen die Originalskizzen vorhanden sind. Im J. 1529, wo in Basel die Reformation vollständig durchgeführt wurde, fand daselbst ein Bildersturm statt, welchem unzählige kirchliche Kunstwerke zum Opfer fielen, worunter wol manches von Holbein’s Meisterhand gemalte. Wiewol er selbst sich aus Ueberzeugung der neuen Lehre anschloß, mußte er nun doch deren vernichtenden Einfluß auf die Kunst schwer empfinden; es blieb dem Maler kaum ein anderer Erwerb, als das Porträtfach und untergeordnete Handwerksarbeiten. Als Beispiel von letzterem finden wir in den Rathsrechnungen von 1531 die Aufzeichnung einer Bezahlung an Holbein von 17 lb 10 β für das Malen der beiden Uhren am Rheinthor. Daß er sich unter diesen Umständen nach den goldenen [721] Tagen in England zurücksehnte, ist verzeihlich. In der That reiste er Ende 1531 oder anfangs 1532 wieder nach diesem Lande ab. Dieser abermalige Wegzug war nun aber nicht nach dem Sinne des Basler Raths; er ließ den 22. Sept. 1532 an den Maler ein Schreiben ergehen, worin dieser aufgefordert wurde, sich wieder „anheimsch“ zu verfügen, und ihm, damit er Weib und Kind besser ernähren möge, ein Jahrgeld von 30 fl. zugesichert wurde. Doch H. kam dieser Mahnung nicht nach, da er in England reichliche Beschäftigung fand. Gerade vom J. 1532 sind mehrere in England gemalte Bildnisse datirt, worunter namentlich das lebensgroße des Georg Gyße, eines in London niedergelassenen Kaufmanns von Basel, nun eine Zierde der Berliner Gallerie. Ueberhaupt scheint H. um diese Zeit, wie aus den ihr angehörenden Bildnissen ersichtlich ist, viel mit seinen deutschen und schweizerischen Landsleuten verkehrt zu haben; namentlich existiren eine Anzahl Bildnisse von Kaufleuten des Stahlhofes, einer deutschen Handelsgesellschaft in London. Nicht nur einzeln traten dieselben mit ihm in Berührung, sondern auch die Corporation als solche nahm seine Kunst wiederholt in Anspruch. Bei der Krönung der Königin Anna Boleyn (Mai 1533), wo die Bürgerschaft Londons Alles aufbot, um den königl. Zug nach der Westminsterabtei festlich glänzend auszustatten, thaten die deutschen Kaufherren ebenfalls ihr Bestes, indem sie ein Schaugerüst mit allegorischer Ausschmückung errichteten, dessen Anordnung und malerische Decoration sie H. übertrugen. Eine Skizze dazu von seiner Hand ist noch vorhanden. Längere Dauer, als diese Festdecoration, hatte ein anderes um jene Zeit für den Stahlhof ausgeführtes Werk. Er erhielt nämlich den Auftrag, die Gildehalle desselben mit allegorischen Wandbildern zu zieren, wozu er die gegensätzlichen Darstellungen des Triumphes der Armuth und des Reichthums wählte. Sie waren in Wasserfarbe auf Leinwand gemalt, mit lebensgroßen Figuren. Da sie spurlos verschollen sind, kann uns nur die einzige vorhandene Originalskizze des Triumphes des Reichthums einen Begriff von Holbein’s genialer Auffassung des Gedankens geben (Louvre). Das Werk wurde von dem römischen Maler Zucchero, der es 1574 copirte, denjenigen Raphael’s gleichgestellt. Es war Holbein’s letztes großes Werk auf dem Gebiete der Historienmalerei, wovon wir Kunde haben, da er nun von der Porträtmalerei mehr und mehr in Anspruch genommen wurde. Dies ist sicher zu beklagen; denn wie sehr mit der Reife seiner Jahre sich sein Kunstvermögen steigerte und sein Geschmack läuterte, davon geben uns zahlreiche Skizzen meistens alttestamentlicher Geschichten Zeugniß, die er für Schmuckgegenstände fertigte. Auch Holzschnitte, die seine Zeichnung verrathen, sind aus dieser Zeit bekannt und unter diesen einige, in welchen er die Geistlichkeit zur Zielscheibe seiner satirischen Laune nahm. Diese äußert sich indeß am schärfsten in einer Travestie der Passion Christi, die er in 22 Blättern kleinen Formats zeichnete und worin er das damalige schamlose Treiben der Clerisei geißelte, indem er die Widersacher des Heilands sämmtlich als Mönche und Bischöfe darstellte, ja sogar im Bilde, wo Christus die ersten Eltern aus der Hölle erlöst, den Teufel mit der päpstlichen Tiara krönt. Die Originale sind verloren und man kennt daher diese Compositionen, wie so manches andere von H. nur durch die Stiche von Wenzel Hollar. Wann H. in den Dienst des Königs trat, ist nicht genau ermittelt; wahrscheinlich nicht vor 1536; denn man kennt von ihm kein Bild der Königin Anna Boleyn, noch irgend etwas auf sie bezügliches. Dagegen malte er 1537 ein großes Wandbild im königl. Schlosse Whitehall, Heinrich VIII. und die Königin Jane Seymour, sowie auf einer erhöhten Stufe die Eltern des Königs, nämlich Heinrich VII. und Elisabeth von York darstellend. Durch den Brand des Schlosses 1698 ging dieses seiner Zeit so berühmte Bild zu Grunde, von welchem uns eine Copie aus dem [722] 17. Jahrhundert noch die Composition überliefert; jedoch existirt von der linken Seite der Originalcarton im Besitz des Herzogs von Devonshire. Ein Bildniß der Jane Seymour in kostbarer Kleidung, mit der größten Sorgfalt ausgeführt, befindet sich in der Belvedere-Gallerie zu Wien. Dasselbe dürfte vielleicht aus dem J. 1536 sein, wo die königliche Hochzeit stattfand. Diese Ehe war bekanntlich von kurzer Dauer. Königin Jane starb im ersten Wochenbette den 24. October 1587, und nun mußten die Räthe des Königs sich nach einer neuen Gemahlin für denselben umsehen. Zu diesem Ende wurde H. nach Brüssel an den kaiserlichen Hof gesandt, um das Bildniß einer Nichte Karls V., Christine von Dänemark, Wittwe des Herzogs Sforza von Mailand zu malen, um welche sie für den König warben (das Bild befindet sich im Besitz des Herzogs von Norfolk). Diese Heirath zerschlug sich nach langen Unterhandlungen aus politischen Rücksichten, und da sich in Folge dessen die königlichen Freierabsichten auf die Prinzessin Anna von Cleve richteten, so mußte sich im Juli 1539 H. abermals nach dem Continent begeben, um diese zu porträtiren (Louvre). Zwischen den beiden, zu genanntem Zweck unternommenen Reisen Holbein’s wurde er auch, wie aus den königl. Haushaltsrechnungen zu entnehmen ist, im Sommer 1538, „wegen gewisser Geschäfte des Königs“, nach Hochburgund gesandt, wofür er als Extravergütung 10 Livres Sterl. erhielt. Worin diese Geschäfte bestanden, ist nicht ermittelt; indessen bietet diese Reise insofern Interesse, als H. auf derselben nach Basel kam und einige Wochen bei den Seinigen verweilte. Seine Mitbürger ehrten ihren nun zu Berühmtheit und hohem Ansehen gelangten Angehörigen nicht allein durch festliche Mahlzeiten, sondern suchten ihn auch durch Zusicherung eines anständigen Jahrgehalts wieder an die Stadt zu fesseln. Die betreffende Bestallungsurkunde, vom 16. October 1538 datirt, ist in mancher Hinsicht sehr bezeichnend. Bürgermeister und Rath erklären, daß sie aus besonderem geneigten Willen, den sie zu dem ehrbaren, ihrem lieben Bürger, Hans H., tragen, der wegen seiner Kunst vor anderen Malern weit berühmt sei, und auch, weil er ihnen in städtischen Bauangelegenheiten, sowie anderem, worauf er sich verstehe, mit gutem Rath beistehen könne, ihm lebenslänglich ein quartalweise zu entrichtendes Wart- und Dienstgeld zusichern, abgesehen von der besonderen Belohnung, die sie ihm für Malerarbeiten so sie deren bedürften, entrichten wollten. Da er aber, nach seiner Aussage, innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht wohl in Gnaden vom König von England, in dessen Dienst er sich seit längerer Zeit befinde, seinen Abschied erhalten könne, so sei ihm gestattet, noch fernere zwei Jahre in England zu verbleiben, während welcher Zeit seiner Frau ein jährliches Wartgeld von 40 fl. solle verabfolgt werden. Wenn er aber nach Verlauf der zwei Jahre zurückkehre, so solle er seine ihm zugesagten 50 fl. von Stunde an erhalten; und da seine Kunst und Arbeit, welche mehr werth sei, als daß sie an alte Mauern und Häuser vergeudet werde, in Basel sich nicht als hinlänglich gewinnbringend erweisen möchte, so sei ihm gestattet, mit den Kunstwerken, welche er zu Hause fertige, jährlich zwei oder drei Mal nach Frankreich, England, Mailand und den Niederlanden zu reisen, um sie fremden Herren zuzuführen und zu verkaufen. Diese urkundlich ausgefertigte Uebereinkunft wurde von Seiten des Malers nicht gehalten, wahrscheinlich weil es ihm nie gelang, seine Verbindlichkeiten gegenüber dem König zu lösen. Von diesem bezog er nämlich seit 1538 einen Jahrgehalt von 30 Pfd. Sterl., welcher ihm quartalweise vorausbezahlt zu werden pflegte. Im September 1540, also gerade dem Zeitpunkt, wo er nach seinem gegebenen Versprechen nach Basel hätte zurückkehren sollen, erhielt er sogar den Gehalt eines ganzen Jahres voraus bezahlt, und fuhr merkwürdiger Weise nichts destoweniger fort in den darauf folgenden Quartalterminen seine vierteljährliche [723] Besoldung von 7 Pfd. 10 β St. zu beziehen. Dazu mochte kommen, daß die Zahl der ihm in England zu Theil werdenden Porträtbestellungen nie ab-, sondern beständig zunahm, und um so einträglicher wurde, als ein großer Theil seiner Auftraggeber den höchsten Hofkreisen angehörte. In der That scheint die Menge der von ihm gemalten Bildnisse sehr bedeutend gewesen zu sein. In Windsor Castle sind nicht weniger als 85 gezeichnete Porträtskizzen und viele andere finden sich theils in England, theils auf dem Continent zerstreut vor; selbst Basel besitzt deren vier, welche Holbein’s englischer Periode angehören. Daß nur von einem kleinen Theil dieser Skizzen die gemalten Bildnisse vorhanden sind, mag theils durch die Sorglosigkeit der Besitzer, theils durch die unruhigen Zeiten zu erklären sein, welche England während so langer Zeit durchzumachen hatte. So hat auch Wenzel Hollar 26 Porträte nach H. in Kupfer gestochen, deren Originale zum größten Theil seither verschollen sind. Immerhin ist die Zahl der noch vorhandenen Bildnisse eine beträchtliche. Zu den berühmtesten gehört dasjenige in Lebensgröße des königl. Goldschmieds Morett in der Gallerie zu Dresden, woselbst sich auch die wundervolle Skizze dazu befindet. An der H.-Ausstellung zu Dresden 1871 erregte allgemeine Bewunderung das Bildniß eines Unbekannten in reichem Costüm, im Besitz des Malers Millais in London. Von großer Wahrheit der Auffassung und sorgfältigster Ausführung ist das gleichfalls lebensgroße Bild des Herzogs von Norfolk, damals auch in Dresden ausgestellt, sonst aber in Windsor Castle. Noch mag erwähnt werden das Bild eines 28jährigen Mannes, einen Falken auf der Hand haltend, nach der darauf befindlichen Jahrzahl 1542 der letzten Zeit des Meisters angehörend (Haag). Sein eigenes Bildniß, welches H. 1543 gemalt haben soll, existirt nicht mehr im Original, sondern nur noch in mehreren Copien und in den Stichen von Wenzel Hollar und Lucas Vorstermann. Die angebliche Pastellskizze zu demselben in den Ufficien zu Florenz ist ein geringes Machwerk von fremder Hand. Den fünfvierteljährigen Prinzen von Wales malte er als Neujahrsgeschenk für den König 1539, wofür er als Gegengeschenk einen goldenen Becher mit Deckel im Gewicht von 10 Unzen erhielt. Das Bild befindet sich in der Gallerie zu Hannover. H. scheint sich auch mit gleichem Geschick in der Miniaturmalerei versucht zu haben; fünf solcher Bildchen bewahrt die königl. Bibliothek in Windsor, worunter dasjenige der Königin Catharina Howard. Noch ist ein Zweig von Holbeins Kunstthätigkeit zu erwähnen, welcher, obwol scheinbar untergeordneter Art, nicht weniger Zeugniß von seiner reichen Erfindungsgabe und seinem geläuterten Geschmack gibt, als seine Gemälde. Als Hofmaler lieferte er nämlich den königlichen Goldschmieden die zierlichsten Vorzeichnungen für goldene und silberne Prachtgefäße, Pocale, Tafelaufsätze, ja selbst für Gegenstände des weiblichen Schmucks, wie Medaillons, Agraffen, Ohrgehänge, Spangen, Gürtel etc., den Waffenschmieden für Dolchscheiden, Dolche, Degengriffe, Pulverhörner etc. – Alle diese Zeichnungen, von welchen ein Theil noch in England (britt. Museum, Bibliothek zu Oxford), andere noch im Museum zu Basel aufbewahrt werden, sind von so genialer und geschmackvoller Erfindung, daß sie unter allem, was im 16. Jahrhundert die decorative Kunst der Renaissance nicht allein Deutschlands, sondern selbst Italiens aufzuweisen hat, die erste Stelle behaupten. Hervorzuheben sind die Zeichnungen eines Prachtpocals für die Königin Jane Seymour (Bibliothek zu Oxford), einer Dolchscheide mit einem Todtentanz, einer anderen mit Venus und Amor, dem Urtheil des Paris und Pyramus und Thisbe (Basler Museum) sowie einer mit dem Triumph der Bellona; desgleichen einer überaus künstlichen Sanduhr für den König (britt. Museum) und endlich, als Beweis, daß er im architektonischen Fache nicht minder großer Meister war, die Zeichnung zu einem Prachtkamin, dessen monumentaler Aufbau [724] ebenso reich in seiner Gliederung und seinem ornamentalen Schmuck als classisch maßvoll in seinen Verhältnissen, die ganze Höhe eines Saales einnehmen mußte. – Während die früheren Biographen Holbein’s ihn übereinstimmend bis 1554 leben ließen, ist es seit der im J. 1861 durch einen englischen Forscher, M. Black, gemachten Entdeckung von Holbein’s letztem Willen und dessen Vollstreckungsurkunde außer allem Zweifel, daß er im October oder November 1543 von der damals herrschenden Pest dahingerafft wurde. In diesem in sichtbarer Hast aufgesetzten Testament ordnet er an, daß sein Pferd und alle seine Habe verkauft und daraus seine Schulden bezahlt werden sollen; auch setzte er ein monatliches Pflegegeld für zwei Kinder aus, welche er in England einem, wie es scheint außerehelichen, Verhältniß verdankte, denn daß seine in Basel zurückgelassene rechtmäßige Gattin ihn um sechs Jahre überlebte, ist gleichfalls urkundlich nachgewiesen. Sie starb 1549, indem sie zwei Söhne und zwei Töchter, sowie einen wohlgeordneten Hausstand hinterließ. Der ältere der Söhne, Philipp, war von H. selbst 1538 zu einem Goldschmied in Paris in die Lehre geführt worden; er ließ sich in der Folge zu Augsburg nieder, wo er eine Diamantschleiferei gründete. Seine Nachkommenschaft wurde in den Adelsstand erhoben. Der zweite Sohn, Jacob, wurde gleichfalls Goldschmied, starb aber schon 1552 zu London. Die Töchter verehelichten sich zu Basel in den Handwerkerstand.

Woltmann, Holbein und seine Zeit. His, Die Basler Archive über H. Holbein d. J.